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588. Nacht

Geschichte
des geizigen Kadis und seiner Frau

Man erzählt, dass in der Stadt Tripolis während der
Regierung des Kalifen Harun Arreschyd ein Kadi lebte, der sein Atm mit großer
Strenge und Schärfe ausübte. Er hatte zu seiner Haushälterin eine schwarze
Sklavin, deren Haut so rau und dick war wie die eines Büffels, und die ihm auch
auf jede andere Weise diente. Der Kadi war so filzig-geizig, dass kein Mensch
als Almosen oder unter irgend einem anderen Vorwand von ihm auch nur die
kleinste Geldmünze zu erhalten vermochte, und er lebte nur von Zwiebeln und von
schlechtem Brot. Er besaß jedoch ein Tischtuch, mit reichen Fransen besetzt,
und wenn um die Essenszeit irgend jemand gegenwärtig war, so rief er der
schwarzen Sklavin zu: "Lege das Tischtuch mit Fransen auf!" – Was die
Hörer glauben machte, dass seine Kost ebenso prächtig als sein Tischtuch
wäre; aber er nahm sich wohl in ahct, in jemandes Gegenwart zu essen.

Endlich sagten einige Personen seines Gerichtshofes zu
ihm: "Mein Herr Kadi, warum heiratet Ihr nicht? Denn diese schwarze Sklavin
ist keine Eurem hohen Rang angemessene Gattin." Er versetzte: "Hat
einer von Euch eine Tochter, die er mir zur Gattin geben will?", worauf
eine gegenwärtige Person erwiderte: "Ich habe eine sehr schöne und würde
mich durch die Verwandtschaft mich Euch, Herr, sehr geehrt fühlen." Der
Kadi nahm das Anerbieten an, die Verheiratung fand sogleich statt, und die junge
Frau wurde mit einer hübschen Ausstattung von ihrem Vater, der auf einen so
vornehmen Schwiegersohn sehr stolz war, noch an demselben Abend in dessen Haus
geführt. Aber der betörte Vater wusste nichts von der Filzigkeit des Kadis und
setzte voraus, dass seine Tochter alle Bequemlichkeiten des Lebens im überfluss
genießen würde.

Der Kadi freute sich sehr über seine Verbindung mit einem
schönen und vermögenden Weib. Am Morgen wartete die junge Frau ungeduldig auf
ein Frühstück, aber ihre Bescheidenheit erlaubte ihr nicht, danach zu fragen.
Man brachte ihr nichts, und der Kadi begab sich nach seinem Gerichtshof, wo sich
die Justizbeamten und angesehenen Einwohner der Stadt eingefunden hatten, um ihm
zu seiner Heirat Glück zu wünschen. Sie hofften, dass er sie zu einem
glänzenden Fest einladen würde; aber sie warteten vergebens, bis Mittag
vorüber war. Sie gingen nun fort, jeder in seinem Herzen die Knickerigkeit des
Richters verfluchend. Als sie fort waren, begab er sich in seinen Harem.

Dort rief er der schwarzen Sklavin zu: "Lege das
Tischtuch mit Fransen auf!" Dies freute seine junge Frau, die nun zu sich
selbst sagte: "Unstreitig wird auf ein so kostbares Tischtuch fürstliche
Kost aufgetragen werden." Die schwarze Sklavin stand auf, ging auf eine
Weile hinaus, kam mit dem Tischtuch zurück, breitete es auf und setzte eine
eherne Schüssel mit drei groben Broten und drei Zwiebeln auf, wovon der Kadi
seiner Gattin zu essen anbot. Der Kadi und seine schwarze Sklavin aßen ihren
Anteil mit gierigem Gelüst, aber die an bessere Kost gewöhnte junge Frau
konnte, so sehr sie auch hungerte, ihren Anteil nicht herunterbringen. Sie stand
schwermütig auf, beklagte ihr hartes Geschick und ärgerte sich über ihren
filzigen Mann und ihren törichten Vater, der sie, um seine Eitelkeit zu
befriedigen, zum Elend verdammt hatte. Dieselbe schlechte Kost wurde am Abend
und drei Tage hintereinander aufgetragen, bis endlich die junge von Hunger
gequälte Frau sich laut beklagte und nach ihrem Vater schickte.

Als der Kadi das Geschrei seiner Frau hörte, fragte er
nach der Ursache, worauf ihm die schwarze Sklavin sagte, sie wäre seiner
Lebensweise überdrüssig und wollte sich bei ihren Verwandten beklagen. Der
Kadi stürzte wütend in ihr Zimmer, ergriff sie, schnitt ihr die Haare ab und
schied sich von ihr, weil sie sich seiner Behauptung nach ungebührlich betragen
hätte.

Am folgenden Tag nahm er eine andere Frau, die er auf
dieselbe Weise behandelte, und so hintereinander noch mehrere, von denen er
sich, nachdem sie fast verhungert waren, schied, ohne ihre Mitgift
zurückzugeben.

Der Ruf von des Kadis Geiz und der schlechten Behandlung
seiner Frauen verbreitete sich und kam zu den Ohren eines sehr schönen,
witzigen und wohlerzogenen Mädchens, welches den Entschluss fasste, ihm wegen
seines schlechten Betragnes gegen ihr Geschlecht einen Streich zu spielen, und
sich nach Tripolis aufmachte.