10. Kapitel

Brundisium, Ilerda, Pharsalos und Thapsus

Zwischen den beiden bisherigen Gesamtherrschern von Rom sollten also die Waffen entscheiden, wer von ihnen berufen sei, Roms erster Alleinherrscher zu sein. Sehen wir, wie für die bevorstehende Kriegführung zwischen Caesar und Pompeius sich das Machtverhältnis gestellt hatte.

Caesars Macht ruhte zunächst auf der völlig unumschränkten Gewalt, deren er innerhalb seiner Partei genoß. Wenn die Ideen der Demokratie und der Monarchie in ihr zusammenflossen, so war dies nicht die Folge einer zufällig eingegangenen und zufällig lösbaren Koalition, sondern es war im tiefsten Wesen der Demokratie ohne Repräsentativverfassung begründet, daß Demokratie wie Monarchie zugleich ihren höchsten und letzten Ausdruck in Caesar fanden. Politisch wie militärisch entschied Caesar durchaus in erster und letzter Instanz. In wie hohen Ehren er auch jedes brauchbare Werkzeug hielt, so blieb es doch immer Werkzeug: Caesar stand innerhalb seiner Partei ohne Genossen, nur umgeben von militärisch-politischen Adjutanten, die in der Regel aus der Armee hervorgegangen und als Soldaten geschult waren, nirgends nach Grund und Zweck zu fragen, sondern unbedingt zu gehorchen. Darum vor allem hat in dem entscheidenden Augenblick, als der Bürgerkrieg begann, von allen Soldaten und Offizieren Caesars nur ein einziger ihm den Gehorsam verweigert; und es bestätigt nur diese Auffassung des Verhältnisses Caesars zu seinen Anhängern, daß dieser eine eben von allen der Erste war. Titus Labienus hatte mit Caesar alle Drangsale der düsteren catilinarischen Zeit wie allen Glanz der gallischen Siegeslaufbahn geteilt, hatte regelmäßig selbständig befehligt und häufig die halbe Armee geführt; er war ohne Frage wie der älteste, tüchtigste und treueste unter Caesars Adjutanten, so auch der höchstgestellte und am höchsten geehrte. Noch im Jahre 704 (50) hatte Caesar ihm den Oberbefehl im Diesseitigen Gallien übertragen, um teils diesen Vertrauensposten in sichere Hand zu geben, teils zugleich Labienus in seiner Bewerbung um das Konsulat damit zu fördern. Allein ebenhier trat Labienus mit der Gegenpartei in Verbindung, begab sich beim Beginn der Feindseligkeiten im Jahre 705 (49), statt in Caesars in Pompeius‘ Hauptquartier und kämpfte während des ganzen Bürgerkrieges mit beispielloser Erbitterung gegen seinen alten Freund und Kriegsherrn. Wir sind weder über Labienus‘ Charakter noch über die einzelnen Umstände seines Parteiwechsels genügend unterrichtet; im wesentlichen aber liegt hier sicher nichts vor als ein weiterer Beleg dafür, daß der Kriegsfürst weit sicherer auf seine Hauptleute als auf seine Marschälle zählen kann. Allem Anschein nach war Labienus eine jener Persönlichkeiten, die mit militärischer Brauchbarkeit vollständige staatsmännische Unfähigkeit vereinigen und die dann, wenn sie unglücklicherweise Politik machen wollen oder müssen, jenen tollen Schwindelanfällen ausgesetzt sind, wovon die Geschichte der Napoleonischen Marschälle so manches tragikomische Beispiel aufzeigt. Er mochte wohl sich berechtigt halten, als das zweite Haupt der Demokratie neben Caesar zu gelten; und daß er mit diesem Anspruch zurückgewiesen ward, wird ihn in das Lager der Gegner geführt haben. Es zeigte hier zum ersten Male sich die ganze Schwere des Übelstandes, daß Caesars Behandlung seiner Offiziere als unselbständiger Adjutanten keine zur Übernahme eines abgesonderten Kommandos geeigneten Männer in seinem Lager emporkommen ließ, während er doch bei der leicht vorherzusehenden Zersplitterung der bevorstehenden Kriegführung durch alle Provinzen des weiten Reiches ebensolcher Männer dringend bedurfte. Allein dieser Nachteil wurde dennoch weit aufgewogen durch die erste und nur um diesen Preis zu bewahrende Bedingung eines jeden Erfolgs, die Einheit der obersten Leitung.

Die einheitliche Leitung erhielt ihre volle Gewalt durch die Brauchbarkeit der Werkzeuge. Hier kam in erster Linie in Betracht die Armee. Sie zählte noch neun Legionen Infanterie oder höchstens 50000 Mann, welche aber alle vor dem Feinde gestanden und von denen zwei Drittel sämtliche Feldzüge gegen die Kelten mitgemacht hatten. Die Reiterei bestand aus deutschen und norischen Söldnern, deren Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit in dem Kriege gegen Vercingetorix erprobt worden war. Der achtjährige Krieg voll mannigfacher Wechselfälle gegen die tapfere, wenn auch militärisch der italischen entschieden nachstehende keltische Nation hatte Caesar die Gelegenheit gegeben, seine Armee zu organisieren, wie nur er zu organisieren verstand. Alle Brauchbarkeit des Soldaten setzt physische Tüchtigkeit voraus: bei Caesars Aushebungen wurde auf Stärke und Gewandtheit der Rekruten mehr als auf Vermögen und Moralität gesehen. Aber die Leistungsfähigkeit der Armee beruht, wie die einer jeden Maschine, vor allen Dingen auf der Leichtigkeit und Schnelligkeit der Bewegung: in der Bereitschaft zum sofortigen Aufbruch zu jeder Zeit und in der Schnelligkeit des Marschierens erlangten Caesars Soldaten eine selten erreichte und wohl nie übertroffene Vollkommenheit. Mut galt natürlich über alles: die Kunst, den kriegerischen Wetteifer und den Korpsgeist anzufachen, so daß die Bevorzugung einzelner Soldaten und Abteilungen selbst den Zurückstehenden als die notwendige Hierarchie der Tapferkeit erschien, übte Caesar mit unerreichter Meisterschaft. Er gewöhnte den Leuten das Fürchten ab, indem er, wo es ohne ernste Gefahr geschehen konnte, die Soldaten nicht selten von einem bevorstehenden Kampf nicht in Kenntnis setzte, sondern sie unvermutet auf den Feind treffen ließ. Aber der Tapferkeit gleich stand der Gehorsam. Der Soldat wurde angehalten, das Befohlene zu tun, ohne nach Ursache und Absicht zu fragen; manche zwecklose Strapaze wurde einzig als Übung in der schweren Kunst der blinden Folgsamkeit ihm auferlegt. Die Disziplin war streng, aber nicht peinlich: unnachsichtlich ward sie gehandhabt, wenn der Soldat vor dem Feinde stand; zu anderen Zeiten, vor allem nach dem Siege, wurden die Zügel nachgelassen, und wenn es dem sonst brauchbaren Soldaten dann beliebte, sich zu parfümieren oder mit eleganten Waffen und andern Dingen sich zu putzen, ja sogar, wenn er Brutalitäten oder Unrechtfertigkeiten selbst bedenklicher Art sich zu Schulden kommen ließ und nur nicht zunächst die militärischen Verhältnisse dadurch berührt wurden, so ging die Narrenteidung wie das Verbrechen ihm hin und die desfälligen Klagen der Provinzialen fanden bei dem Feldherrn ein taubes Ohr. Meuterei dagegen ward, nicht bloß den Anstiftern, sondern selbst dem Korps, niemals verziehen. Aber der rechte Soldat soll nicht bloß überhaupt tüchtig, tapfer und gehorsam, sondern er soll dies alles willig, ja freiwillig sein; und nur genialen Naturen ist es gegeben, durch Beispiel und durch Hoffnung und vor allem durch das Bewußtsein, zweckmäßig gebraucht zu werden, die beseelte Maschine, die sie regieren, zum freudigen Dienen zu bestimmen. Wenn der Offizier, um von seinen Leuten Tapferkeit zu verlangen, selbst mit ihnen der Gefahr ins Auge gesehen haben muß, so hatte Caesar auch als Feldherr Gelegenheit gehabt, den Degen zu ziehen und dann gleich dem Besten ihn gebraucht; an Tätigkeit aber und Strapazen mutete er stets sich selbst weit mehr zu als seinen Soldaten. Caesar sorgte dafür, daß an den Sieg, der zunächst freilich dem Feldherrn Gewinn bringt, doch auch für den Soldaten sich persönliche Hoffnungen knüpften. Daß er es verstand, die Soldaten für die Sache der Demokratie zu begeistern, soweit die prosaisch gewordene Zeit noch Begeisterung gestattet, und daß die politische Gleichstellung der transpadanischen Landschaft, der Heimat seiner meisten Soldaten, mit dem eigentlichen Italien als eines der Kampfziele hingestellt ward, wurde schon erwähnt. Es versteht sich, daß daneben auch materielle Prämien nicht fehlten, sowohl besondere für hervorragende Waffentaten, wie allgemeine für jeden tüchtigen Soldaten; daß die Offiziere dotiert, die Soldaten beschenkt und für den Triumph die verschwenderischsten Gaben in Aussicht gestellt wurden. Aber vor allen Dingen verstand es Caesar als wahrer Heermeister, in jedem einzelnen großen oder kleinen Triebrad des mächtigen Instruments das Gefühl zweckmäßiger Verwendung zu erwecken. Der gewöhnliche Mensch ist zum Dienen bestimmt und er sträubt sich nicht, Werkzeug zu sein, wenn er fühlt, daß ein Meister ihn lenkt. Allgegenwärtig und jederzeit ruhte der Adlerblick des Feldherrn auf dem ganzen Heer, mit unparteiischer Gerechtigkeit belohnend und bestrafend und der Tätigkeit eines jeden die zum Besten aller dienenden Wege weisend, so daß auch mit des Geringsten Schweiß und Blut nicht experimentiert oder gespielt, darum aber auch, wo es nötig war, unbedingte Hingebung bis in den Tod gefordert ward. Ohne dem einzelnen in das gesamte Triebwerk den Einblick zu gestatten, ließ Caesar ihn doch genug von dem politischen und militärischen Zusammenhang der Dinge ahnen, um als Staatsmann und Feldherr von dem Soldaten erkannt, auch wohl idealisiert zu werden. Durchaus behandelte er die Soldaten nicht als seinesgleichen, aber als Männer, welche Wahrheit zu fordern berechtigt und zu ertragen fähig waren, und die den Versprechungen und Versicherungen des Feldherrn Glauben zu schenken hatten, ohne Prellerei zu vermuten oder auf Gerüchte zu horchen; als langjährige Kameraden in Krieg und Sieg, unter denen kaum einer war, den er nicht mit Namen kannte und bei dem sich nicht in all den Feldzügen ein mehr oder minder persönliches Verhältnis zu dem Feldherrn gebildet hätte; als gute Genossen, mit denen er zutraulich und mit der ihm eigenen heiteren Elastizität schwatzte und verkehrte; als Schutzbefohlene, deren Dienste zu vergelten, deren Unbill und Tod zu rächen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat es eine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee sein soll: eine für ihre Zwecke fähige und für ihre Zwecke willige Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene Spannkraft überträgt. Caesars Soldaten waren und fühlten sich zehnfacher Übermacht gewachsen: wobei nicht übersehen werden darf, daß bei der durchaus auf das Handgemenge und vornehmlich den Schwertkampf berechneten römischen Taktik der geübte römische Soldat dem Neuling in noch weit höherem Grade überlegen war, als dies unter den heutigen Verhältnissen der Fall ist72. Aber noch mehr als durch die überlegene Tapferkeit fühlten die Gegner sich gedemütigt durch die unwandelbare und rührende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hingen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, daß, als der Feldherr seine Soldaten aufrief, ihm in den Bürgerkrieg zu folgen, mit der einzigen, schon erwähnten Ausnahme des Labienus kein römischer Offizier und kein römischer Soldat ihn im Stich ließ. Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion scheiterten ebenso schmählich wie der frühere Versuch, sein Heer wie das des Lucullus auseinander zu sprengen; selbst Labienus erschien in Pompeius‘ Lager wohl mit einem Haufen keltischer und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionär. Ja die Soldaten, als wollten sie zeigen, daß der Krieg ganz ebenso ihre Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, daß sie den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Bürgerkrieges zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem Feldherrn kreditieren und inzwischen die ärmeren Kameraden aus allgemeinen Mitteln unterstützen wollten; überdies rüstete und besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche.

Wenn also Caesar das eine hatte, was not tat: unbeschränkte politische und militärische Gewalt und eine schlagfertige zuverlässige Armee, so dehnte seine Macht verhältnismäßig sich nur über einen sehr beschränkten Raum aus. Sie ruhte wesentlich auf der oberitalischen Provinz. Diese Landschaft war nicht bloß die am besten bevölkerte unter allen italischen, sondern auch der Sache der Demokratie als ihrer eigenen ergeben. Von der daselbst herrschenden Stimmung zeugt das Verhalten einer Abteilung Rekruten von Opitergium (Oderzo in der Delegation Treviso), die nicht lange nach dem Ausbruch des Krieges in den illyrischen Gewässern, auf einem elenden Floß von den feindlichen Kriegsschiffen umzingelt, den ganzen Tag bis zur sinkenden Sonne sich zusammenschießen ließen, ohne sich zu ergeben, und, soweit sie den Geschossen entgangen waren, in der folgenden Nacht mit eigener Hand sich den Tod gaben. Man begreift, was einer solchen Bevölkerung zugemutet werden konnte. Wie sie Caesar bereits die Mittel gewährt hatte, seine ursprüngliche Armee mehr als zu verdoppeln, so stellten auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges zu den sofort angeordneten umfassenden Aushebungen die Rekruten zahlreich sich ein. In dem eigentlichen Italien dagegen war Caesars Einfluß dem der Gegner nicht entfernt zu vergleichen. Wenn er auch durch geschickte Manöver die Catonische Partei ins Unrecht zu setzen gewußt und alle, die einen Vorwand wünschten, um mit gutem Gewissen entweder neutral zu bleiben, wie die Senatsmajorität, oder seine Partei zu ergreifen, wie seine Soldaten und die Transpadaner, von seinem guten Recht hinreichend überzeugt hatte, so ließ sich doch die Masse der Bürgerschaft natürlich dadurch nicht irren und sah, als der Kommandant von Gallien seine Legionen gegen Rom in Bewegung setzte, allen formalen Rechtserörterungen zum Trotz, in Cato und Pompeius die Verteidiger der legitimen Republik, in Caesar den demokratischen Usurpator. Allgemein erwartete man ferner von dem Neffen des Marius, dem Schwiegersöhne des Cinna, dem Verbündeten des Catilina die Wiederholung der Marianisch-Cinnanischen Greuel, die Realisierung der von Catilina entworfenen Saturnalien der Anarchie; und wenn auch Caesar hierdurch allerdings Verbündete gewann, die politischen Flüchtlinge sofort in Masse sich ihm zur Verfügung stellten, die verlorenen Leute ihren Erlöser in ihm sahen, die niedrigsten Schichten des haupt- und landstädtischen Pöbels auf die Kunde von seinem Anmarsch in Gärung gerieten, so waren dies doch von den Freunden, die gefährlicher als die Feinde sind. Noch weniger als in Italien hatte Caesar in den Provinzen und den Klientelstaaten Einfluß. Das Transalpinische Gallien bis zum Rhein und zum Kanal gehorchte ihm zwar, und die Kolonisten von Narbo sowie die sonst daselbst ansässigen römischen Bürger waren ihm ergeben; allein selbst in der Narbonensischen Provinz hatte die Verfassungspartei zahlreiche Anhänger, und nun gar die neueroberten Landschaften waren für Caesar in dem bevorstehenden Bürgerkrieg weit mehr eine Last als ein Vorteil, wie er denn aus guten Gründen in demselben von dem keltischen Fußvolk gar keinen, von der Reiterei nur sparsamen Gebrauch machte. In den übrigen Provinzen und den benachbarten, halb oder ganz unabhängigen Staaten hatte Caesar wohl auch versucht, sich Rückhalt zu verschaffen, hatte den Fürsten reiche Geschenke gespendet, in manchen Städten große Bauten ausführen lassen und in Notfällen ihnen finanziellen und militärischen Beistand gewährt; allein im ganzen war natürlich damit nicht viel erreicht worden, und die Beziehungen zu den deutschen und keltischen Fürsten in den Rhein- und Donaulandschaften, namentlich die der Reiterwerbung wegen wichtige zu dem norischen König Voccio waren wohl die einzigen derartigen Verhältnisse, die für ihn etwas bedeuten mochten.

Wenn Caesar also in den Kampf eintrat nur als Kommandant von Gallien, ohne andere wesentliche Hilfsmittel als brauchbare Adjutanten, ein treues Heer und eine ergebene Provinz, so begann ihn Pompeius als tatsächliches Oberhaupt des römischen Gemeinwesens und im Vollbesitz aller der legitimen Regierung des großen römischen Reiches zur Verfügung stehenden Hilfsquellen. Allein wenn seine Stellung politisch und militärisch weit ansehnlicher war, so war sie dagegen auch weit minder klar und fest. Die Einheit der Oberleitung, die aus Caesars Stellung sich von selbst und mit Notwendigkeit ergab, war dem Wesen der Koalition zuwider; und obwohl Pompeius, zu sehr Soldat, um sich über die Unentbehrlichkeit derselben zu täuschen, sie der Koalition aufzuzwingen versuchte und sich vom Senat zum alleinigen und unumschränkten Oberfeldherrn zu Lande und zur See ernennen ließ, so konnte doch der Senat selbst nicht beseitigt und ein überwiegender Einfluß auf die politische, ein gelegentliches und darum doppelt schädliches Eingreifen in die militärische Oberleitung ihm nicht verwehrt werden. Die Erinnerung an den zwanzigjährigen, auf beiden Seiten mit vergifteten Waffen geführten Krieg zwischen Pompeius und der Verfassungspartei, das auf beiden Seiten lebhaft vorhandene und mühsam verhehlte Bewußtsein, daß die nächste Folge des erfochtenen Sieges der Bruch zwischen den Siegern sein werde, die Verachtung, die man gegenseitig und von beiden Seiten mit nur zu gutem Grund sich zollte, die unbequeme Anzahl angesehener und einflußreicher Männer in den Reihen der Aristokratie und die geistige und sittliche Inferiorität fast aller Beteiligten erzeugten überhaupt bei den Gegnern Caesars ein widerwilliges und widersetzliches Zusammenwirken, das mit dem einträchtigen und geschlossenen Handeln auf der anderen Seite den übelsten Kontrast bildet.

Wenn also alle Nachteile der Koalition unter sich feindlicher Mächte von Caesars Gegnern in ungewöhnlichem Maße empfunden wurden, so war doch allerdings auch diese Koalition eine sehr ansehnliche Macht. Die See beherrschte sie ausschließlich: alle Häfen, alle Kriegsschiffe, alles Flottenmaterial standen zu ihrer Verfügung. Die beiden Spanien, gleichsam Pompeius‘ Hausmacht so gut wie die beiden Gallien Caesars, waren ihrem Herrn treu anhänglich und in den Händen tüchtiger und zuverlässiger Verwalter. Auch in den übrigen Provinzen, natürlich mit Ausnahme der beiden Gallien, waren die Statthalter- und Kommandantenstellen während der letzten Jahre unter dem Einfluß von Pompeius und der Senatsminorität mit sicheren Männern besetzt worden. Durchaus und mit großer Entschiedenheit ergriffen die Klientelstaaten Partei gegen Caesar und für Pompeius. Die bedeutendsten Fürsten und Städte waren in den verschiedenen Abschnitten seiner mannigfaltigen Wirksamkeit zu Pompeius in die engsten persönlichen Beziehungen getreten – wie er denn in dem Kriege gegen die Marianer der Waffengenosse der Könige von Numidien und Mauretanien gewesen war und das Reich des ersteren wiederaufgerichtet hatte; wie er im Mithradatischen Kriege außer einer Menge anderer kleinerer geistlicher und weltlicher Fürstentümer die Königreiche Bosporus, Armenien und Kappadokien wiederhergestellt, das galatische des Deiotarus geschaffen hatte; wie zunächst auf seine Veranlassung der Ägyptische Krieg unternommen und durch seinen Adjutanten die Lagidenherrschaft neu befestigt worden war. Selbst die Stadt Massalia in Caesars eigener Provinz verdankte wohl auch diesem manche Vergünstigungen, aber Pompeius vom Sertorianischen Kriege her eine sehr ansehnliche Gebietserweiterung, und es stand außerdem die hier regierende Oligarchie mit der römischen in einem natürlichen und durch vielfache Zwischenbeziehungen befestigten Bunde. Diese persönlichen Rücksichten und Verhältnisse sowie die Glorie des Siegers in drei Weltteilen, welche in diesen abgelegeneren Teilen des Reiches die des Eroberers von Gallien noch weit überstrahlte, schadeten indes hier Caesar vielleicht weniger noch als die daselbst nicht unbekannt gebliebenen An- und Absichten des Erben des Gaius Gracchus über die Notwendigkeit der Reunion der abhängigen Staaten und die Nützlichkeit der Provinzialkolonisationen. Keiner unter den abhängigen Dynasten sah von dieser Gefahr sich näher bedroht als König Juba von Numidien. Nicht bloß war er vor Jahren, noch bei Lebzeiten seines Vaters Hiempsal, mit Caesar persönlich aufs heftigste zusammengeraten, sondern es hatte auch kürzlich derselbe Curio, der jetzt unter Caesars Adjutanten fast den ersten Platz einnahm, bei der römischen Bürgerschaft den Antrag auf Einziehung des Numidischen Reiches gestellt. Sollte endlich es so weit kommen, daß die unabhängigen Nachbarstaaten in den römischen Bürgerkrieg eingriffen, so war der einzige wirklich mächtige, der der Parther, durch die zwischen Pakoros und Bibulus angeknüpfte Verbindung tatsächlich bereits mit der aristokratischen Partei alliiert, während Caesar viel zu sehr Römer war, um aus Parteiinteressen sich mit den Überwindern seines Freundes Crassus zu verkuppeln.

Was Italien anlangt, so war, wie schon gesagt, die große Majorität der Bürgerschaft Caesar abgeneigt; vor allem natürlich die gesamte Aristokratie mit ihrem sehr beträchtlichen Anhang, nicht viel minder aber auch die hohe Finanz, die nicht hoffen durfte, bei einer durchgreifenden Reform des Gemeinwesens ihre parteiischen Geschworenengerichte und ihr Erpressungsmonopol zu konservieren. Ebenso antidemokratisch gesinnt waren die kleinen Kapitalisten, die Landgutsbesitzer und überhaupt alle Klassen, die etwas zu verlieren hatten; nur daß freilich in diesen Schichten die Sorge um die nächsten Zinstermine und um Saaten und Ernten in der Regel jede andere Rücksicht überwog.

Die Armee, über die Pompeius verfügte, bestand hauptsächlich in den spanischen Truppen, sieben krieggewohnten und in jeder Hinsicht zuverlässigen Legionen, wozu die weiter in Syrien, Asia, Makedonien, Afrika, Sizilien und sonst befindlichen, freilich schwachen und sehr zerstreuten Truppenabteilungen kamen. In Italien standen unter den Waffen zunächst nur die zwei von Caesar kürzlich abgegebenen Legionen, deren Effektivbestand sich nicht über 7000 Mann belief und deren Zuverlässigkeit mehr als zweifelhaft war, da sie, ausgehoben im Diesseitigen Gallien und alte Waffengefährten Caesars, über die unfeine Intrige, durch die man sie das Lager hatte wechseln machen, in hohem Grade mißvergnügt waren und ihres Feldherrn, der die für den Triumph jedem Soldaten versprochenen Geschenke ihnen vor ihrem Abmarsch großmütig vorausgezahlt hatte, sehnsüchtig gedachten. Allein abgesehen davon, daß die spanischen Truppen mit dem Frühjahr entweder auf dem Landweg durch Gallien oder zur See in Italien eintreffen konnten, konnten in Italien die Mannschaften der von den Aushebungen von 699 (55) noch übrigen drei Legionen sowie das im Jahre 702 (52) in Pflicht genommene italische Aufgebot aus dem Urlaub einberufen werden. Mit Einrechnung dieser stellte sich die Zahl der Pompeius im ganzen zur Verfügung stehenden Truppen, ohne die sieben Legionen in Spanien und die in den andern Provinzen zerstreuten zu rechnen, bloß in Italien auf zehn Legionen73 oder gegen 60000 Mann, so daß es eben keine Übertreibung war, wenn Pompeius behauptete, nur mit dem Fuße stampfen zu dürfen, um den Boden mit Bewaffneten zu bedecken. Freilich bedurfte es wenn auch kurzer, doch einiger Frist, um diese Truppen zu mobilisieren; die Anstalten dazu sowie zur Effektuierung der neuen, infolge des Ausbruchs des Bürgerkrieges vom Senat angeordneten Aushebungen waren aber auch bereits überall im Gange. Unmittelbar nach dem entscheidenden Senatsbeschluß (7. Januar 705 49), mitten im tiefen Winter, waren die angesehensten Männer der Aristokratie in die verschiedenen Landschaften abgegangen, um die Einberufung der Rekruten und die Anfertigung von Waffen zu beschleunigen. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei, da man für diese gewohnt war, sich gänzlich auf die Provinzen und namentlich die keltischen Kontingente zu verlassen; um wenigstens einen Anfang zu machen, wurden dreihundert Caesar gehörende Gladiatoren aus den Fechtschulen von Capua entnommen und beritten gemacht, was indes so allgemeine Mißbilligung fand, daß Pompeius diese Truppe wieder auflöste und dafür aus den berittenen Hirtensklaven Apuliens 300 Reiter aushob.

In der Staatskasse war Ebbe wie gewöhnlich; man war beschäftigt, aus den Gemeindekassen und selbst den Tempelschätzen der Munizipien den unzureichenden Barbestand zu ergänzen.

Unter diesen Umständen ward zu Anfang Januar 705 (49) der Krieg eröffnet. Von marschfähigen Truppen hatte Caesar nicht mehr als eine Legion, 5000 Mann Infanterie und 300 Reiter, bei Ravenna, das auf der Chaussee etwa 50 deutsche Meilen von Rom entfernt war; Pompeius zwei schwache Legionen, 7000 Mann Infanterie und eine geringe Reiterschar, unter Appius Claudius‘ Befehlen bei Luceria, von wo man, ebenfalls auf der Chaussee, ungefähr ebensoweit nach der Hauptstadt hatte. Die anderen Truppen Caesars, abgesehen von den rohen, noch in der Bildung begriffenen Rekrutenabteilungen, standen zur Hälfte an der Saône und Loire, zur Hälfte in Belgien, während Pompeius‘ italische Reserven bereits von allen Seiten in den Sammelplätzen eintrafen; lange bevor auch nur die Spitze der transalpinischen Heerhaufen Caesars in Italien einrücken konnte, wußte hier ein weit überlegenes Heer bereit stehen, sie zu empfangen. Es schien eine Torheit, mit einem Haufen von der Stärke des Catilinarischen und augenblicklich ohne wirksame Reserve angreifend vorzugehen gegen eine überlegene und stündlich anwachsende Armee unter einem fähigen Feldherrn; allein es war eine Torheit im Geiste Hannibals. Wenn der Anfang des Kampfes bis zum Frühjahr sich hinauszog, so ergriffen Pompeius‘ spanische Truppen im Transalpinischen, seine italischen im Cisalpinischen Gallien die Offensive, und Pompeius, als Taktiker Caesar gewachsen, an Erfahrung ihm überlegen, war in einem solchen regelmäßig verlaufenden Feldzug ein furchtbarer Gegner. Jetzt ließ er vielleicht, gewohnt, mit überlegenen Massen langsam und sicher zu operieren, durch einen durchaus improvisierten Angriff sich deroutieren; und was Caesars dreizehnte Legion nach der ernsten Probe des gallischen Überfalls und der Januarkampagne im Bellovakerland nicht aus der Fassung bringen konnte, die Plötzlichkeit des Krieges und die Mühsal des Winterfeldzuges, maßte die Pompeianischen aus alten Caesarischen Soldaten oder auch schlecht geübten Rekruten bestehenden und noch in der Bildung begriffenen Heerhaufen desorganisieren.

So rückte denn Caesar in Italien ein74. Zwei Chausseen führten damals aus der Romagna nach Süden: die Aemilisch-Cassische, die von Bononia über den Apennin nach Arretium und Rom, und die Popillisch-Flaminische, die von Ravenna an der Küste des Adriatischen Meeres nach Fanum und, dort sich teilend, in westlicher Richtung durch den Furlopaß nach Rom, in südlicher nach Ancona und weiter nach Apulien lief. Auf der ersteren gelangte Marcus Antonius bis Arretium; auf der zweiten drang Caesar selbst vor. Widerstand ward nirgends geleistet: die vornehmen Werbeoffiziere waren keine Militärs, die Rekrutenmassen keine Soldaten, die Landstädter nur besorgt, nicht in eine Belagerung verwickelt zu werden. Als Curio mit 1500 Mann auf Iguvium anrückte, wo ein paar tausend umbrische Rekruten unter dem Prätor Quintus Minucius Thermus sich gesammelt hatten, suchten, auf die bloße Meldung seines Anmarsches, General und Soldaten das Weite; und ähnlich ging es im kleinen überall. Caesar hatte die Wahl, entweder gegen Rom, dem seine Reiter in Arretium bereits auf 28 deutsche Meilen sich genähert hatten, oder gegen die bei Luceria lagernden Legionen zu marschieren. Er wählte das letztere. Die Konsternation der Gegenpartei war grenzenlos. Pompeius erhielt die Meldung von Caesars Anmarsch in Rom; er schien anfangs die Hauptstadt verteidigen zu wollen, aber als die Nachricht von Caesars Einrücken in das Picenische und von seinen ersten Erfolgen daselbst einlief, gab er sie auf und befahl die Räumung. Ein panischer Schreck, vermehrt durch das falsche Gerücht, daß vor den Toren sich Caesars Reiter gezeigt hätten, kam über die vornehme Welt. Die Senatoren, denen angezeigt worden war, daß man jeden in der Hauptstadt Zurückbleibenden als Mitschuldigen des Rebellen Caesar behandeln werde, strömten scharenweise aus den Toren. Die Konsuln selbst hatten so vollständig den Kopf verloren, daß sie nicht einmal die Kassen in Sicherheit brachten; als Pompeius sie aufforderte, dies nachzuholen, wozu ausreichend Zeit war, ließen sie ihm zurücksagen, daß sie es für sicherer hielten, wenn er zuvor Picenum besetze! Man war ratlos; also ward großer Kriegsrat in Teanum Sidicinum gehalten (23. Januar), dem Pompeius, Labienus und beide Konsuln beiwohnten. Zunächst lagen wieder Vergleichsvorschläge Caesars vor: selbst jetzt noch erklärte dieser sich bereit, sein Heer sofort zu entlassen, seine Provinzen den ernannten Nachfolgern zu übergeben und sich in regelrechter Weise um das Konsulat zu bewerben, wofern Pompeius nach Spanien abgehe und Italien entwaffnet werde. Die Antwort war, daß man, wenn Caesar sogleich in seine Provinz zurückkehre, sich anheischig mache, die Entwaffnung Italiens und die Abreise des Pompeius durch einen ordnungsmäßig in der Hauptstadt zu fassenden Senatsbeschluß herbeizuführen; was vielleicht nicht eine plumpe Prellerei, sondern eine Annahme des Vergleichsvorschlags sein sollte, jedenfalls aber der Sache nach das Gegenteil war. Die von Caesar gewünschte persönliche Zusammenkunft mit Pompeius lehnte dieser ab und mußte sie ablehnen, um nicht durch den Anschein einer neuen Koalition mit Caesar das schon rege Mißtrauen der Verfassungspartei noch mehr zu reizen. Die Kriegführung anlangend einigte man in Teanum sich dahin, daß Pompeius das Kommando der bei Luceria stehenden Truppen, auf denen trotz ihrer Unzuverlässigkeit doch alle Hoffnung beruhte, übernehmen, mit diesen in seine und Labienus‘ Heimat, in Picenum, einrücken, dort wie einst vor fünfunddreißig Jahren den Landsturm persönlich zu den Waffen rufen und an der Spitze der treuen picenischen und der kriegsgewohnten, ehemals Caesarischen Kohorten versuchen solle, dem Vordringen des Feindes eine Schranke zu setzen. Es kam nur darauf an, ob die picenische Landschaft sich so lange hielt, bis Pompeius zu ihrer Verteidigung herankam. Bereits war Caesar mit seiner wiedervereinigten Armee auf der Küstenstraße über Ancona in dieselbe eingedrungen. Auch hier waren die Rüstungen in vollem Gange; gleich in der nördlichsten picenischen Stadt Auximum stand ein ansehnlicher Haufe von Rekruten unter Publius Attius Varus beisammen; allein auf Ersuchen der Munizipalität räumte Varus die Stadt, noch ehe Caesar erschien, und eine Handvoll von dessen Soldaten, die den Trupp unweit Auximum einholten, zerstreuten ihn vollständig nach kurzem Gefecht – es war das erste in diesem Kriege. Ebenso räumten bald darauf Gaius Lucilius Hirrus mit 3000 Mann Camerinum, Publius Lentulus Spinther mit 5000 Asculum. Die Pompeius ganz ergebenen Mannschaften ließen zum größten Teil Haus und Hof willig im Stich und folgten den Führern über die Grenze: die Landschaft selbst aber war schon verloren, als der zur vorläufigen Leitung der Verteidigung von Pompeius gesandte Offizier Lucius Vibullius Rufus, kein vornehmer Senator, aber ein kriegskundiger Militär, daselbst eintraf; er mußte sich begnügen, die geretteten etwa 6000 bis 7000 Rekruten den unfähigen Werbeoffizieren abzunehmen und sie vorläufig nach dem nächsten Sammelplatz zu führen. Dies war Corfinium, der Mittelpunkt der Aushebungen im albensischen, marsischen und pälignischen Gebiet; die hier versammelte Rekrutenmasse von beiläufig 15000 Mann war das Kontingent der streitbarsten und der zuverlässigsten Landschaften Italiens und der Kern des in der Bildung begriffenen Heeres der Verfassungspartei. Als Vibullius hier eintraf, war Caesar noch mehrere Tagemärsche zurück; es war nichts im Wege, Pompeius‘ Instruktionen gemäß sofort aufzubrechen und die geretteten picenischen nebst den in Corfinium gesammelten Rekruten dem Hauptheer in Apulien zuzuführen. Allein in Corfinium kommandierte der designierte Nachfolger Caesars in der Statthalterschaft des Jenseitigen Gallien, Lucius Domitius, einer der borniertesten Starrköpfe der römischen Aristokratie; und dieser weigerte sich nicht bloß, Pompeius‘ Befehlen Folge zu leisten, sondern verhinderte auch den Vibullius, wenigstens mit der picenischen Mannschaft nach Apulien abzurücken. So fest hielt er sich überzeugt, daß Pompeius nur aus Eigensinn zaudere und notwendig zum Entsatz herbeikommen müsse, daß er kaum sich ernstlich auf die Belagerung gefußt machte und nicht einmal die in die umliegenden Städte verlegten Rekrutenhaufen in Corfinium zusammenzog. Pompeius aber erschien nicht und aus guten Gründen; denn seine beiden unzuverlässigen Legionen konnte er wohl als Rückhalt für den picenischen Landsturm verwenden, aber nicht mit ihnen allein Caesar die Schlacht anbieten. Dafür kam nach wenigen Tagen Caesar (14. Februar). Zu den Truppen desselben war in Picenum die zwölfte und vor Corfinium die achte von den transalpinischen Legionen gestoßen, und außerdem wurden teils aus den gefangenen oder freiwillig sich stellenden Pompeianischen Mannschaften, teils aus den überall sofort ausgehobenen Rekruten drei neue Legionen gebildet, so daß Caesar vor Corfinium bereits an der Spitze einer Armee von 40000 Mann, zur Hälfte gedienter Leute, stand. Solange Domitius auf Pompeius‘ Eintreffen hoffte, ließ er die Stadt verteidigen; als dessen Briefe ihn endlich enttäuscht hatten, beschloß er nicht etwa, auf dem verlorenen Posten auszuharren, womit er seiner Partei den größten Dienst geleistet haben würde, auch nicht einmal zu kapitulieren, sondern, während dem gemeinen Soldaten der Entsatz als nahe bevorstehend angekündigt ward, selber mit den vornehmen Offizieren in der nächsten Nacht auszureißen. Indes selbst diesen sauberen Plan ins Werk zu setzen verstand er nicht. Sein verwirrtes Benehmen verriet ihn. Ein Teil der Mannschaften fing an zu meutern: die marsischen Rekruten, die eine solche Schändlichkeit ihres Feldherrn nicht für möglich hielten, wollten gegen die Meuterer kämpfen; aber auch sie mußten sich widerwillig von der Wahrheit der Anschuldigung überzeugen, worauf denn die gesamte Besatzung ihren Stab festnahm und ihn, sich und die Stadt an Caesar übergab (20. Februar). Das 3000 Mann starke Korps in Alba und 1500 in Tarracina gesammelte Rekruten streckten hierauf die Waffen, sowie Caesars Reiterpatrouillen sich zeigten; eine dritte Abteilung in Sulmo von 3500 Mann war bereits früher genötigt worden zu kapitulieren.

Pompeius hatte Italien verloren gegeben, sowie Caesar Picenum eingenommen hatte; nur wollte er die Einschiffung so lange wie möglich verzögern, um von den Mannschaften zu retten, was noch zu retten war. Langsam hatte er demnach sich nach dem nächsten Hafenplatz Brundisium in Bewegung gesetzt. Hier fanden die beiden Legionen von Luceria und was Pompeius in dem menschenleeren Apulien an Rekruten in der Eile hatte zusammenraffen können, sowie die von den Konsuln und sonstigen Beauftragten in Kompanien ausgehobenen und eiligst nach Brundisium geführten Leute sich ein; ebendahin begab sich eine Menge politischer Flüchtlinge, unter ihnen die angesehensten Senatoren in Begleitung ihrer Familien. Die Einschiffung begann; allein die vorrätigen Fahrzeuge genügten nicht, um die ganze Masse, die sich doch noch auf 25000 Köpfe belief, auf einmal zu transportieren. Es blieb nichts übrig, als das Heer zu teilen. Die größere Hälfte ging vorauf (4. März), mit der kleineren von etwa 10000 Mann erwartete Pompeius in Brundisium die Rückkehr der Flotte; denn wie wünschenswert für einen etwaigen Versuch, Italien wieder einzunehmen, auch der Besitz von Brundisium war, so getraute man sich doch nicht, den Platz auf die Dauer gegen Caesar zu halten. Inzwischen traf Caesar vor Brundisium ein; die Belagerung begann. Caesar versuchte vor allem, die Hafenmündung durch Dämme und schwimmende Brücken zu schließen, um die rückkehrende Flotte auszusperren; allein Pompeius ließ die im Hafen liegenden Handelsfahrzeuge armieren und wußte die völlige Schließung des Hafens so lange zu verhindern, bis die Flotte erschien und die von Pompeius, trotz der Wachsamkeit der Belagerer und der feindlichen Gesinnung der Stadtbewohner, mit großer Geschicklichkeit bis auf den letzten Mann unbeschädigt aus der Stadt herausgezogenen Truppen aus Caesars Bereich nach Griechenland entführte (17. März). An dem Mangel einer Flotte scheiterte wie die Belagerung selbst, so auch die weitere Verfolgung.

In einem zweimonatlichen Feldzug, ohne ein einziges ernstliches Gefecht, hatte Caesar eine Armee von zehn Legionen so aufgelöst, daß mit genauer Not die kleinere Hälfte derselben in verwirrter Flucht über das Meer entkommen, die ganze italische Halbinsel aber mit Einschluß der Hauptstadt nebst der Staatskasse und allen daselbst aufgehäuften Vorräten in die Gewalt des Siegers geraten war. Nicht ohne Grund klagte die geschlagene Partei über die schauerliche Raschheit, Einsicht und Energie des „Ungeheuers“.

Indes es ließ sich fragen, ob Caesar durch die Eroberung Italiens mehr gewann oder mehr verlor. In militärischer Hinsicht wurden zwar jetzt sehr ansehnliche Hilfsquellen nicht bloß den Gegnern entzogen, sondern auch für Caesar flüssig gemacht; schon im Frühjahr 705 (49) zählte seine Armee infolge der überall angeordneten massenhaften Aushebungen außer den neun alten eine bedeutende Anzahl von Rekrutenlegionen. Andererseits aber wurde es jetzt nicht bloß nötig, in Italien eine ansehnliche Besatzung zurückzulassen, sondern auch Maßregeln zu treffen gegen die von den seemächtigen Gegnern beabsichtigte Sperrung des überseeischen Verkehrs und die infolgedessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnot, wodurch Caesars bereits hinreichend verwickelte militärische Aufgabe noch weiter sich komplizierte. Finanziell war es allerdings von Belang, daß es Caesar geglückt war, der hauptstädtischen Kassenbestände sich zu bemächtigen; aber die hauptsächlichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient, waren doch in den Händen des Feindes und bei den so sehr vermehrten Bedürfnissen für das Heer sowie der neuen Verpflichtung, für die darbende hauptstädtische Bevölkerung zu sorgen, zerrannen die vorgefundenen ansehnlichen Summen so schnell, daß Caesar sich bald genötigt sah, den Privatkredit anzusprechen, und, da er unmöglich damit lange sich fristen zu können schien, allgemein als die einzig übrig bleibende Aushilfe umfassende Konfiskationen erwartet wurden.

Ernstere Schwierigkeiten noch bereiteten die politischen Verhältnisse, in welche Caesar mit der Eroberung Italiens eintrat. Die Besorgnis der besitzenden Klassen vor einer anarchischen Umwälzung war allgemein. Feinde und Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte oder behauptete zu glauben, daß Caesar nur durch die Unmöglichkeit, seine Schulden zu bezahlen, zum Bürgerkrieg getrieben worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der Tat waren Caesars Antezedentien nichts weniger als beruhigend und noch weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn umgab. Individuen des anbrüchigsten Rufes, stadtkundige Gesellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius – dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catilinariers Lentulus – spielten darin die ersten Rollen; die höchsten Vertrauensposten wurden an Männer vergeben, die es längst aufgegeben hatten, ihre Schulden auch nur zu summieren; man sah Caesarische Beamte Tänzerinnen nicht bloß unterhalten – das taten andere auch –, sondern öffentlich in Begleitung solcher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, daß auch ernsthafte und politisch parteilose Männer Amnestie für alle landflüchtigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbücher, umfassende Konfiskations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Plünderung Roms durch die gallische Soldateska?

Indes hierin täuschte das „Ungeheuer“ die Erwartungen seiner Feinde wie seiner Freunde. Schon wie Caesar die erste italische Stadt Ariminum besetzte, untersagte er allen gemeinen Soldaten, sich bewaffnet innerhalb der Mauern sehen zu lassen; durchaus und ohne Unterschied, ob sie ihn freundlich oder feindlich empfangen hatten, wurden die Landstädte vor jeder Unbill geschützt. Als die meuterische Garnison am späten Abend Corfinium übergab, verschob er, gegen jede militärische Rücksicht, die Besetzung der Stadt bis zum anderen Morgen, einzig, um die Bürgerschaft nicht einem nächtlichen Einmarsch seiner erbitterten Soldaten preiszugeben. Von den Gefangenen wurden die Gemeinen, als voraussetzlich politisch indifferent, in die eigene Armee eingereiht, die Offiziere aber nicht bloß verschont, sondern auch ohne Unterschied der Person und ohne Annahme irgendwelcher Zusagen frei entlassen, und was sie als Privateigentum in Anspruch nahmen, ohne auch nur die Berechtigung der Reklamationen mit Strenge zu untersuchen, ihnen ohne Weiterungen verabfolgt. So ward selbst Lucius Domitius behandelt, ja sogar dem Labienus das zurückgelassene Geld und Gepäck ins feindliche Lager nachgesandt. In der peinlichsten Finanznot wurden dennoch die ungeheuren Güter der anwesenden wie der abwesenden Gegner nicht angegriffen; ja Caesar borgte lieber bei den Freunden, als daß er auch nur durch Ausschreibung der formell zulässigen, aber tatsächlich antiquierten Grundsteuer die Besitzenden gegen sich aufgeregt hätte. Nur die Hälfte, und nicht die schwerere, seiner Aufgabe betrachtete der Sieger als mit dem Siege gelöst; die Bürgschaft der Dauer sah er nach seiner eigenen Äußerung allein in der unbedingten Begnadigung der Besiegten und hatte darum auch auf dem ganzen Marsche von Ravenna bis Brundisium unablässig die Versuche erneuert, eine persönliche Zusammenkunft mit Pompeius und einen erträglichen Vergleich einzuleiten. Aber wenn die Aristokratie schon früher von keiner Aussöhnung hatte wissen wollen, so hatte die unerwartete und so schimpfliche Emigration ihren Zorn bis zum Wahnsinn gesteigert, und das wilde Racheschnauben der Geschlagenen kontrastierte seltsam mit der Versöhnlichkeit des Siegers. Die aus dem Emigrantenlager den in Italien zurückgebliebenen Freunden regelmäßig zukommenden Mitteilungen flossen über von Entwürfen zu Konfiskationen und Proskriptionen, von Epurationsplänen des Senats und des Staats, gegen die Sullas Restaurationen Kinderspiel waren und die selbst die gemäßigten Parteigenossen mit Entsetzen vernahmen. Die tolle Leidenschaft der Ohnmacht, die weise Mäßigung der Macht taten ihre Wirkung. Die ganze Masse, der die materiellen Interessen über die politischen gingen, warf sich Caesar in die Arme. Die Landstädte vergötterten „die Rechtschaffenheit, die Mäßigung, die Klugheit“ des Siegers; und selbst die Gegner räumten ein, daß es mit diesen Huldigungen Ernst war. Die hohe Finanz, Steuerpächter und Geschworene verspürten nach dem argen Schiffbruch, der die Verfassungspartei in Italien betroffen hatte, keine besondere Lust, sich weiter denselben Steuermännern anzuvertrauen; die Kapitalien kamen wieder zum Vorschein und „die reichen Herren begaben sich wieder an ihr Tagewerk, die Zinsbücher zu schreiben“. Selbst die große Majorität des Senats, wenigstens der Zahl nach – denn allerdings befanden sich von den vornehmeren und einflußreichen Senatsmitgliedern nur wenige darunter – war, trotz der Befehle des Pompeius und der Konsuln, in Italien, zum Teil sogar in der Hauptstadt selbst zurückgeblieben und ließ Caesars Regiment sich gefallen. Caesars eben in ihrer scheinbaren Überschwenglichkeit wohlberechnete Milde erreichte ihren Zweck: die zappelnde Angst der besitzenden Klassen vor der drohenden Anarchie wurde einigermaßen beschwichtigt. Wohl war dies für die Folgezeit ein unberechenbarer Gewinn; die Abwendung der Anarchie und der fast nicht minder gefährlichen Angst vor der Anarchie war die Vorbedingung der künftigen Reorganisation des Gemeinwesens. Aber für den Augenblick war diese Milde für Caesar gefährlicher als die Erneuerung der cinnanischen und catilinarischen Raserei gewesen sein würde; sie verwandelte Feinde nicht in Freunde und Freunde in Feinde. Caesars catilinarischer Anhang grollte, daß das Morden und Plündern unterblieb; von diesen verwegenen, verzweifelten und zum Teil talentvollen Gesellen waren die bedenklichsten Quersprünge zu erwarten. Die Republikaner aller Schattierungen dagegen wurden durch die Gnade des Überwinders weder bekehrt noch versöhnt. Nach dem Credo der Catonischen Partei entband die Pflicht gegen das, was sie Vaterland nannte, von jeder anderen Rücksicht; selbst wer Caesar Freiheit und Leben verdankte, blieb befugt und verpflichtet, gegen ihn die Waffen zu ergreifen oder doch mindestens gegen ihn zu komplottieren. Die minder entschiedenen Fraktionen der Verfassungspartei ließen zwar allenfalls sich willig finden, von dem neuen Monarchen Frieden und Schutz anzunehmen; aber sie hörten doch darum nicht auf, die Monarchie wie den Monarchen von Herzen zu verwünschen. Je offenbarer die Verfassungsänderung hervortrat, desto bestimmter kam der großen Majorität der Bürgerschaft, sowohl in der politisch lebhaften, aufgeregten Hauptstadt wie in der energischen ländlichen und landstädtischen Bevölkerung, ihre republikanische Besinnung zum Bewußtsein; insofern berichteten die Verfassungsfreunde in Rom mit Recht an ihre Gesinnungsgenossen im Exil, daß daheim alle Klassen und alle Individuen pompeianisch gesinnt seien. Die schwierige Stimmung all dieser Kreise wurde noch gesteigert durch den moralischen Druck, den die entschiedeneren und vornehmeren Gesinnungsgenossen eben als Emigranten auf die Menge der Geringeren und Lauen ausübten. Dem ehrlichen Mann schlug über sein Verbleiben in Italien das Gewissen; der Halbaristokrat glaubte sich zu den Plebejern zu stellen, wenn er nicht mit den Domitiern und den Metellern ins Exil ging und gar, wenn er in dem Caesarischen Senat der Nullitäten mitsaß. Die eigene Milde des Siegers gab dieser stillen Opposition erhöhte politische Bedeutung: da Caesar nun einmal des Terrorismus sich enthielt, so schienen die heimlichen Gegner ihre Abneigung gegen sein Regiment ohne viele Gefahr betätigen zu können. Sehr bald machte er in dieser Beziehung merkwürdige Erfahrungen mit dem Senat. Caesar hatte den Kampf begonnen, um den terrorisierten Senat von seinen Unterdrückern zu befreien. Dies war geschehen; er wünschte also von dem Senat die Billigung des Geschehenen, die Vollmacht zu weiterer Fortsetzung des Krieges zu erlangen. Zu diesem Zwecke beriefen, als Caesar vor der Hauptstadt erschien (Ende März), die Volkstribune seiner Partei ihm den Senat (1. April). Die Versammlung war ziemlich zahlreich, aber selbst von den in Italien verbliebenen Senatoren waren doch die namhaftesten ausgeblieben, sogar der ehemalige Führer der servilen Majorität, Marcus Cicero, und Caesars eigener Schwiegervater Lucius Piso; und was schlimmer war, auch die Erschienenen waren nicht geneigt, auf Caesars Vorschläge einzugehen. Als Caesar von einer Vollmacht zur Fortsetzung des Krieges sprach, meinte der eine der zwei einzigen anwesenden Konsulare, Servius Sulpicius Rufus, ein urfurchtsamer Mann, der nichts wünschte als einen ruhigen Tod in seinem Bette, daß Caesar sich mehr um das Vaterland verdient machen werde, wenn er es aufgebe, den Krieg nach Griechenland und Spanien zu tragen. Als dann Caesar den Senat ersuchte, wenigstens seine Friedensvorschläge an Pompeius zu übermitteln, war man dem an sich zwar nicht entgegen, aber die Drohungen der Emigranten gegen die Neutralen hatten diese so in Furcht gesetzt, daß niemand sich fand, um die Friedensbotschaft zu übernehmen. An der Abneigung der Aristokratie, den Thron des Monarchen errichten zu helfen, und an derselben Schlaffheit des hohen Kollegiums, durch die kurz zuvor Caesar Pompeius‘ legale Ernennung zum Oberfeldherrn in dem Bürgerkrieg vereitelt hatte, scheiterte jetzt auch er mit dem gleichen Verlangen. Andere Hemmungen kamen hinzu. Caesar wünschte, um seine Stellung doch irgendwie zu regulieren, zum Diktator ernannt zu werden; es geschah nicht, weil ein solcher verfassungsmäßig nur von einem der Konsuln bestellt werden konnte und der Versuch, den Konsul Lentulus zu kaufen, wozu bei dessen zerrütteten Vermögensverhältnissen wohl Aussicht war, dennoch fehlschlug. Der Volkstribun Lucius Metellus ferner legte gegen sämtliche Schritte des Prokonsuls Protest ein und machte Miene, die Staatskasse, als Caesars Leute kamen, um sie zu leeren, mit seinem Leibe zu decken. Caesar konnte in diesem Falle nicht umhin, den Unverletzlichen so sänftiglich wie möglich beiseiteschieben zu lassen; übrigens blieb er dabei, sich aller Gewaltschritte zu enthalten. Dem Senat erklärte er, ebenwie es kurz zuvor die Verfassungspartei getan, daß er zwar gewünscht habe, auf gesetzlichem Wege und mit Beihilfe der höchsten Behörde die Verhältnisse zu ordnen; allein da diese verweigert werde, könne er ihrer auch entraten. Ohne weiter um den Senat und die staatsrechtlichen Formalien sich zu kümmern, übergab er die einstweilige Verwaltung der Hauptstadt dem Prätor Marcus Aemilius Lepidus als Stadtpräfekten und ordnete für die Verwaltung der ihm gehorchenden Landschaften und die Fortsetzung des Krieges das Erforderliche an. Selbst unter dem Getöse des Riesenkampfes und neben dem lockenden Klang der verschwenderischen Versprechungen Caesars machte es noch tiefen Eindruck auf die hauptstädtische Menge, als sie in ihrem freien Rom zum erstenmal den Monarchen als Monarchen schalten und die Tür der Staatskasse durch seine Soldaten aufsprengen sah. Allein die Zeiten waren nicht mehr, wo Eindrücke und Stimmungen der Masse den Gang der Ereignisse bestimmten; die Legionen entschieden und auf einige schmerzliche Empfindungen mehr oder weniger kam eben nichts weiter an.

Caesar eilte, den Krieg wiederaufzunehmen. Seine bisherigen Erfolge verdankte er der Offensive, und er gedachte auch ferner, dieselbe festzuhalten. Die Lage seines Gegners war seltsam. Nachdem der ursprüngliche Plan, den Feldzug zugleich von Italien und Spanien aus in den beiden Gallien offensiv zu führen, durch Caesars Angriff vereitelt war, hatte Pompeius nach Spanien zu gehen beabsichtigt. Hier hatte er eine sehr starke Stellung. Das Heer zählte sieben Legionen; es dienten darin eine große Anzahl von Pompeius‘ Veteranen, und die mehrjährigen Kämpfe in den lusitanischen Bergen hatten Soldaten und Offiziere gestählt. Unter den Anführern war Marcus Varro zwar nichts als ein berühmter Gelehrter und ein getreuer Anhänger; aber Lucius Afranius hatte mit Auszeichnung im Orient und in den Alpen gefochten, und Marcus Petreius, der Überwinder Catilinas, war ein ebenso unerschrockener wie fähiger Offizier. Wenn in der jenseitigen Provinz Caesar noch von seiner Statthalterschaft her mancherlei Anhang hatte, so war dagegen die wichtigere Ebroprovinz mit allen Banden der Verehrung und der Dankbarkeit an den berühmten General gefesselt, der zwanzig Jahre zuvor im Sertorianischen Kriege in ihr das Kommando geführt und nach dessen Beendigung sie neu eingerichtet hatte. Pompeius konnte nach der italischen Katastrophe offenbar nichts Besseres tun als mit den geretteten Heerestrümmern sich dorthin begeben und an der Spitze seiner gesamten Macht Caesar entgegentreten. Unglücklicherweise aber hatte er, in der Hoffnung, die in Corfinium stehenden Truppen noch retten zu können, so lange in Apulien sich verweilt, daß er statt der kampanischen Häfen das nähere Brundisium zum Einschiffungsort zu wählen genötigt war. Warum er, Herr der See und Siziliens, nicht späterhin auf den ursprünglichen Plan wieder zurück kam, läßt sich nicht entscheiden; ob vielleicht die Aristokratie in ihrer kurzsichtigen und mißtrauischen Art keine Lust bezeigte, sich den spanischen Truppen und der spanischen Bevölkerung anzuvertrauen – genug, Pompeius blieb im Osten und Caesar hatte die Wahl, den nächsten Angriff entweder gegen die Armee zu richten, die in Griechenland unter Pompeius‘ eigenem Befehl sich organisierte, oder gegen die schlagfertige seiner Unterfeldherren in Spanien. Er hatte für das letztere sich entschieden und, sowie der italische Feldzug zu Ende ging, Maßregeln getroffen, um neun seiner besten Legionen, ferner 6000 Reiter, teils in den Keltengauen von Caesar einzeln ausgesuchte Leute, teils deutsche Söldner, und eine Anzahl iberischer und ligurischer Schützen an der unteren Rhone zusammenzuziehen.

Aber ebenhier waren auch seine Gegner tätig gewesen. Der vom Senat an Caesars Stelle zum Statthalter des Jenseitigen Galliens ernannte Lucius Domitius hatte von Corfinium aus, sowie Caesar ihn freigegeben, sich mit seinem Gesinde und mit Pompeius‘ Vertrauensmann Lucius Vibullius Rufus nach Massalia auf den Weg gemacht und in der Tat die Stadt bestimmt, sich für Pompeius zu erklären, ja Caesars Truppen den Durchmarsch zu weigern. Von den spanischen Truppen blieben die zwei am wenigsten zuverlässigen Legionen unter Varros Oberbefehl in der jenseitigen Provinz stehen; dagegen hatten die fünf besten, verstärkt durch 40000 Mann spanischen Fußvolks, teils keltiberischer Linieninfanterie, teils lusitanischer und anderer Leichten, und durch 5000 spanische Reiter, unter Afranius und Petreius, den durch Vibullius überbrachten Befehlen des Pompeius gemäß sich aufgemacht, um die Pyrenäen dem Feinde zu sperren.

Hierüber traf Caesar selbst in Gallien ein und entsandte sogleich, da die Einleitung der Belagerung von Massalia ihn selber noch zurückhielt, den größten Teil seiner an der Rhone versammelten Truppen, sechs Legionen und die Reiterei, auf der großen, über Narbo (Narbonne) nach Rhode (Rosas) führenden Chaussee, um an den Pyrenäen dem Feinde zuvorzukommen. Es gelang; als Afranius und Petreius an den Pässen anlangten, fanden sie dieselben bereits besetzt von den Caesarianern und die Linie der Pyrenäen verloren. Sie nahmen darauf zwischen diesen und dem Ebro eine Stellung bei Ilerda (Lerida). Diese Stadt liegt vier Meilen nördlich vom Ebro an dem rechten Ufer eines Nebenflusses desselben, des Sicoris (Segre), über den nur eine einzige solide Brücke unmittelbar bei Ilerda führte. Südlich von Ilerda treten die das linke Ufer des Ebro begleitenden Gebirge ziemlich nahe an die Stadt hinan; nordwärts erstreckt sich zu beiden Seiten des Sicoris ebenes Land, das von dem Hügel, auf welchem die Stadt gebaut ist, beherrscht wird. Für eine Armee, die sich mußte belagern lassen, war es eine vortreffliche Stellung; aber die Verteidigung Spaniens konnte, nachdem die Besetzung der Pyrenäenlinie versäumt war, doch nur hinter dem Ebro ernstlich aufgenommen werden, und da weder eine feste Verbindung zwischen Ilerda und dem Ebro hergestellt, noch dieser Fluß überbrückt war, so war der Rückzug aus der vorläufigen in die wahre Verteidigungsstellung nicht hinreichend gesichert. Die Caesarianer setzten sich oberhalb Ilerda in dem Delta fest, das der Fluß Sicoris mit dem unterhalb Ilerda mit ihm sich vereinigenden Cinga (Cinca) bildet; indes ward es mit dem Angriff erst Ernst, nachdem Caesar im Lager eingetroffen war (23. Juni). Unter den Mauern der Stadt ward von beiden Teilen gleich erbittert und gleich tapfer mit vielfach wechselndem Erfolg gekämpft; ihren Zweck aber: zwischen dem Pompeianischen Lager und der Stadt sich festzusetzen und dadurch der Steinbrücke sich zu bemächtigen., erreichten die Caesarianer nicht und blieben also für ihre Kommunikation mit Gallien lediglich angewiesen auf zwei Brücken, welche sie über den Sicoris und zwar, da der Fluß bei Ilerda selbst zu solcher Überbrückung schon zu ansehnlich war, vier bis fünf deutsche Meilen weiter oberwärts in der Eile geschlagen hatten. Als dann mit der Schneeschmelze die Hochwasser kamen, wurden diese Notbrücken weggerissen; und da es an Schiffen fehlte, um die hochangeschwollenen Flüsse zu passieren, und unter diesen Umständen an Wiederherstellung der Brücken zunächst nicht gedacht werden konnte, so war die Caesarische Armee beschränkt auf den schmalen Raum zwischen der Cinca und dem Sicoris, das linke Ufer des Sicoris aber und damit die Straße, auf der die Armee mit Gallien und Italien kommunizierte, fast unverteidigt den Pompeianern preisgegeben, die den Fluß teils auf der Stadtbrücke, teils nach lusitanischer Art auf Schläuchen schwimmend passierten. Es war die Zeit kurz vor der Ernte; die alte Frucht war fast aufgebraucht, die neue noch nicht eingebracht und der enge Landstreif zwischen den beiden Bächen bald ausgezehrt. Im Lager herrschte förmliche Hungersnot – der preußische Scheffel Weizen kostete 300 Denare (90 Taler) – und brachen bedenkliche Krankheiten aus; dagegen häufte am linken Ufer Proviant und die mannigfaltigste Zufuhr sich an, dazu Mannschaften aller Art: Nachschub aus Gallien von Reiterei und Schützen, beurlaubte Offiziere und Soldaten, heimkehrende Streifscharen, im ganzen eine Masse von 6000 Köpfen, welche von den Pompeianern mit überlegener Macht angegriffen und mit großem Verlust in die Berge gedrängt wurden, während die Caesarianer am rechten Ufer dem ungleichen Gefecht untätig zusehen mußten. Die Verbindungen der Armee waren in den Händen der Pompeianer; in Italien blieben die Nachrichten aus Spanien plötzlich aus, und die bedenklichen Gerüchte, die dort umzulaufen begannen, waren von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt. Hätten die Pompeianer ihren Vorteil mit einigem Nachdruck verfolgt, so konnte es ihnen nicht fehlen, die auf dem linken Ufer des Sicoris zusammengedrängte, kaum widerstandsfähige Masse entweder in ihre Gewalt zu bringen oder wenigstens nach Gallien zurückzuwerfen und dies Ufer so vollständig zu besetzen, daß ohne ihr Wissen kein Mann den Fluß überschritt. Allein beides war versäumt worden; jene Haufen waren wohl mit Verlust beiseite gedrängt, aber doch weder vernichtet noch völlig zurückgeworfen worden, und die Überschreitung des Flusses zu wehren, überließ man wesentlich dem Flusse selbst. Hierauf baute Caesar seinen Plan. Er ließ tragbare Kähne von leichtem Holzgestell und Korbgeflecht mit lederner Bekleidung, nach dem Muster der im Kanal bei den Briten und später den Sachsen üblichen, im Lager anfertigen und sie auf Wagen an den Punkt, wo die Brücken gestanden hatten, transportieren. Auf diesen gebrechlichen Nachen wurde das andere Ufer erreicht und, da man es unbesetzt fand, ohne große Schwierigkeit die Brücke wiederhergestellt; rasch war dann auch die Verbindungsstraße freigemacht und die sehnlich erwartete Zufuhr in das Lager geschafft. Caesars glücklicher Einfall riß also das Heer aus der ungeheuren Gefahr, in der es schwebte. Sofort begann dann Caesars an Tüchtigkeit der feindlichen weit überlegene Reiterei, die Landschaft am linken Ufer des Sicoris zu durchstreifen; schon traten die ansehnlichsten spanischen Gemeinden zwischen den Pyrenäen und dem Ebro, Osca, Tarraco, Dertosa und andere, ja selbst einzelne südlich vom Ebro auf Caesars Seite. Durch die Streiftrupps Caesars und die Übertritte der benachbarten Gemeinden wurde nun den Pompeianern die Zufuhr knapp; sie entschlossen sich endlich zum Rückzug hinter die Ebrolinie und gingen eiligst daran, unterhalb der Sicorismündung eine Schiffbrücke über den Ebro zu schlagen. Caesar suchte den Gegnern den Rückweg über den Ebro abzuschneiden und sie in Ilerda festzuhalten; allein solange die Feinde im Besitz der Brücke bei Ilerda blieben und er dort weder Furt noch Brücken in seiner Gewalt hatte, durfte er seine Armee nicht auf die beiden Flußufer verteilen und konnte Ilerda nicht einschließen. Seine Soldaten schanzten also Tag und Nacht, um durch Abzugsgräben den Fluß so viel tiefer zu legen, daß die Infanterie ihn durchwaten könne. Aber die Vorbereitungen der Pompeianer, den Ebro zu passieren, kamen früher zu Ende als die Anstalten der Caesarianer zur Einschließung von Ilerda; als jene nach Vollendung der Schiffbrücke den Marsch nach dem Ebro zu am linken Ufer des Sicoris antraten, schienen die Ableitungsgräben der Caesarianer dem Feldherrn doch nicht weit genug vorgerückt, um die Furt für die Infanterie zu benutzen; nur seine Reiter ließ er den Strom passieren und, dem Feinde an die Fersen sich heftend, wenigstens ihn aufhalten und schädigen. Allein als Caesars Legionen am grauenden Morgen die seit Mitternacht abziehenden feindlichen Kolonnen erblickten, begriffen sie mit der instinktmäßigen Sicherheit krieggewohnter Veteranen die strategische Bedeutung dieses Rückzugs, der sie nötigte, dem Gegner in ferne, unwegsame und von feindlichen Scharen erfüllte Landschaften zu folgen; auf ihre eigene Bitte wagte es der Feldherr, auch das Fußvolk in den Fluß zu führen, und obwohl den Leuten das Wasser bis an die Schultern ging, ward er doch ohne Unfall durchschritten. Es war die höchste Zeit. Wenn die schmale Ebene, welche die Stadt Ilerda von den den Ebro einfassenden Gebirgen trennt, einmal durchschritten und das Heer der Pompeianer in die Berge eingetreten war, so konnte der Rückzug an den Ebro ihnen nicht mehr verwehrt werden. Schon hatten dieselben, trotz der beständigen, den Marsch ungemein verzögernden Angriffe der feindlichen Reiterei, den Bergen sich bis auf eine Meile genähert, als sie, seit Mitternacht auf dem Marsche und unsäglich erschöpft, ihren ursprünglichen Plan, die Ebene noch an diesem Tage ganz zu durchschreiten, aufgaben und Lager schlugen. Hier holte Caesars Infanterie sie ein und lagerte am Abend und in der Nacht ihnen gegenüber, indem der anfänglich beabsichtigte nächtliche Weitermarsch von den Pompeianern aus Furcht vor den nächtlichen Angriffen der Reiterei wieder aufgegeben ward. Auch am folgenden Tage standen beide Heere unbeweglich, nur beschäftigt, die Gegend zu rekognoszieren. Am frühen Morgen des dritten brach Caesars Fußvolk auf, um, durch die pfadlosen Berge zur Seite der Straße die Stellung der Feinde umgehend, ihnen den Weg zum Ebro zu verlegen. Der Zweck des seltsamen Marsches, der anfangs in das Lager vor Ilerda sich zurückzuwenden schien, ward von den Pompeianischen Offizieren nicht sogleich erkannt. Als sie ihn faßten, opferten sie Lager und Gepäck und rückten im Gewaltmarsch auf der Hauptstraße vor, um den Uferkamm vor den Caesarianern zu gewinnen. Indes es war bereits zu spät; schon hielten, als sie herankamen, auf der großen Straße selbst die geschlossenen Massen des Feindes. Ein verzweifelter Versuch der Pompeianer, über die Bergsteile andere Wege zum Ebro ausfindig zu machen, ward von Caesars Reiterei vereitelt, welche die dazu vorgesandten lusitanischen Truppen umzingelte und zusammenhieb. Wäre es zwischen der Pompeianischen Armee, die die feindlichen Reiter im Rücken, das Fußvolk von vorne sich gegenüber hatte und gänzlich demoralisiert war, und den Caesarianern zu einer Schlacht gekommen, so war deren Ausgang kaum zweifelhaft, und die Gelegenheit zum Schlagen bot mehrfach sich dar; aber Caesar machte keinen Gebrauch davon und zügelte nicht ohne Mühe die ungeduldige Kampfeslust seiner siegesgewissen Soldaten. Die Pompeianische Armee war ohnehin strategisch verloren; Caesar vermied es, durch nutzloses Blutvergießen sein Heer zu schwächen und die arge Fehde noch weiter zu vergiften. Schon am Tage, nachdem es gelungen war, die Pompeianer vom Ebro abzuschneiden, hatten die Soldaten der beiden Heere miteinander angefangen zu fraternisieren und wegen der Übergabe zu unterhandeln, ja es waren bereits die von den Pompeianern geforderten Bedingungen, namentlich Schonung der Offiziere, von Caesar zugestanden worden, als Petreius mit seiner aus Sklaven und Spaniern bestehenden Eskorte über die Unterhändler zukam und die Caesarianer, deren er habhaft ward, niedermachen ließ. Caesar sandte dennoch die zu ihm in das Lager gekommenen Pompeianer ungeschädigt zurück und beharrte dabei, eine friedliche Lösung zu suchen. Ilerda, wo die Pompeianer noch Besatzung und ansehnliche Magazine hatten, ward jetzt das Ziel ihres Marsches; allein vor sich das feindliche Heer und zwischen sich und der Festung den Sicoris, marschierten sie, ohne ihrem Ziele näher zu kommen. Ihre Reiterei ward allmählich so eingeschüchtert, daß das Fußvolk sie in die Mitte nehmen und Legionen in die Nachhut gestellt werden mußten; die Beschaffung von Wasser und Fourage ward immer schwieriger; schon mußte man die Lasttiere niederstoßen, da man sie nicht ernähren konnte. Endlich fand die umherirrende Armee sich förmlich eingeschlossen, den Sicoris im Rücken, vor sich das feindliche Heer, das Wall und Graben um sie herumzog. Sie versuchte den Fluß zu überschreiten, aber Caesars deutsche Reiter und leichte Infanterie kamen in der Besetzung des entgegenstehenden Ufers ihr zuvor. Alle Tapferkeit und alle Treue konnten die unvermeidliche Kapitulation nicht länger abwenden (2. August 705 49). Caesar gewährte nicht bloß Offizieren und Soldaten Leben und Freiheit und sowohl den Besitz der ihnen noch gebliebenen Habe wie auch die Zurückgabe der bereits ihnen abgenommenen, deren vollen Wert er selber seinen Soldaten zu erstatten übernahm, sondern während er die in Italien gefangenen Rekruten zwangsweise in seine Armee eingereiht hatte, ehrte er diese alten Legionäre des Pompeius durch die Zusage, daß keiner wider seinen Willen genötigt werden solle, in sein Heer einzutreten. Er forderte nur, daß ein jeder die Waffen abgebe und sich in seine Heimat verfüge. Demgemäß wurden die aus Spanien gebürtigen Soldaten, etwa der dritte Teil der Armee, sogleich, die italischen an der Grenze des Jen- und Diesseitigen Galliens verabschiedet.

Das Diesseitige Spanien fiel mit der Auflösung dieser Armee von selbst in die Gewalt des Siegers. Im Jenseitigen, wo Marcus Varro für Pompeius den Oberbefehl führte, schien es diesem, als er die Katastrophe von Ilerda erfuhr, das rätlichste, sich in die Inselstadt Gades zu werfen und die beträchtlichen Summen, die er durch Einziehung der Tempelschätze und der Vermögen angesehener Caesarianer zusammengebracht hatte, die nicht unbedeutende von ihm aufgestellte Flotte und die ihm anvertrauten zwei Legionen dorthin in Sicherheit zu bringen. Allein auf das bloße Gerücht von Caesars Ankunft erklärten die namhaftesten Städte der Caesar seit langem anhänglichen Provinz sich für diesen und verjagten die Pompeianischen Besatzungen oder bestimmten sie zu gleichem Abfall: so Corduba, Carmo und Gades selbst. Auch eine der Legionen brach auf eigene Hand nach Hispalis auf und trat mit dieser Stadt zugleich auf Caesars Seite. Als endlich selbst Italica dem Varro die Tore sperrte, entschloß dieser sich zu kapitulieren.

Ungefähr gleichzeitig unterwarf sich auch Massalia. Mit seltener Energie hatten die Massalioten nicht bloß die Belagerung ertragen, sondern auch die See gegen Caesar behauptet; es war ihr heimisches Element und sie durften hoffen, auf diesem kräftige Unterstützung von Pompeius zu empfangen, welcher ja das Meer ausschließlich beherrschte. Indes Caesars Unterfeldherr, der tüchtige Decimus Brutus, derselbe, der über die Veneter den ersten Seesieg im Ozean erfochten hatte, wußte rasch eine Flotte herzustellen und, trotz der wackeren Gegenwehr der feindlichen, teils aus albiökischen Soldknechten der Massalioten, teils aus Hirtensklaven des Domitius bestehenden Flottenmannschaft, durch seine tapferen, aus den Legionen auserlesenen Schiffssoldaten die stärkere massaliotische Flotte zu überwinden und die größere Hälfte der Schiffe zu versenken oder zu erobern. Als dann ein kleines Pompeianisches Geschwader unter Lucius Nasidius aus dem Osten über Sizilien und Sardinien im Hafen von Massalia eintraf, erneuerten die Massalioten noch einmal ihre Seerüstung und liefen zugleich mit den Schiffendes Nasidius gegen Brutus aus. Hätten in dem Treffen, das auf der Höhe von Tauroeis (La Ciotat, östlich von Marseille) geschlagen ward, die Schiffe des Nasidius mit demselben verzweifelten Mut gestritten, den die massaliotischen an diesem Tage bewiesen, so möchte das Ergebnis desselben wohl ein verschiedenes gewesen sein; allein die Flucht der Nasidianer entschied den Sieg für Brutus und die Trümmer der Pompeianischen Flotte flüchteten nach Spanien. Die Belagerten waren von der See vollständig verdrängt. Auf der Landseite, wo Gaius Trebonius die Belagerung leitete, ward auch nachher noch die entschlossenste Gegenwehr fortgesetzt; allein trotz der häufigen Ausfälle der albiökischen Söldner und der geschickten Verwendung der ungeheuren, in der Stadt aufgehäuften Geschützvorräte rückten endlich doch die Arbeiten der Belagerer bis an die Mauer vor und einer der Türme stürzte zusammen. Die Massalioten erklärten, daß sie die Verteidigung aufgäben, aber mit Caesar selbst die Kapitulation abzuschließen wünschten, und ersuchten den römischen Befehlshaber, bis zu Caesars Ankunft die Belagerungsarbeiten einzustellen. Trebonius hatte von Caesar gemessenen Befehl, die Stadt so weit irgend möglich zu schonen; er gewährte den erbetenen Waffenstillstand. Allein da die Massalioten ihn zu einem tückischen Ausfall benutzten, in dem sie die eine Hälfte der fast unbewachten römischen Werke vollständig niederbrannten, begann von neuem und mit gesteigerter Erbitterung der Belagerungskampf. Der tüchtige Befehlshaber der Römer stellte mit überraschender Schnelligkeit die vernichteten Türme und den Damm wieder her; bald waren die Massalioten abermals vollständig eingeschlossen. Als Caesar, von der Unterwerfung Spaniens zurückkehrend, vor ihrer Stadt ankam, fand er dieselbe teils durch die feindlichen Angriffe, teils durch Hunger und Seuchen aufs Äußerste gebracht und zum zweitenmal, und diesmal ernstlich, bereit, auf jede Bedingung zu kapitulieren. Nur Domitius, der schmählich mißbrauchten Nachsicht des Siegers eingedenk, bestieg einen Nachen und schlich sich durch die römische Flotte, um für seinen unversöhnlichen Groll ein drittes Schlachtfeld zu suchen. Caesars Soldaten hatten geschworen, die ganze männliche Bevölkerung der treubrüchigen Stadt über die Klinge springen zu lassen und forderten mit Ungestüm von dem Feldherrn das Zeichen zur Plünderung. Allein Caesar, seiner großen Aufgabe, die hellenisch-italische Zivilisation im Westen zu begründen auch hier eingedenk, ließ sich nicht zwingen, zu der Zerstörung Korinths die Fortsetzung zu liefern. Massalia, von jenen einst so zahlreichen freien und seemächtigen Städten der alten ionischen Schiffernation die von der Heimat am weitesten entfernte und fast die letzte, in der das hellenische Seefahrerleben noch rein und frisch sich erhalten hatte, wie denn auch die letzte griechische Stadt, die zur See geschlagen hat – Massalia mußte zwar seine Waffen- und Flottenvorräte an den Sieger abliefern und verlor einen Teil seines Gebietes und seiner Privilegien, aber behielt seine Freiheit und seine Nationalität und blieb, wenn auch materiell in geschmälerten Verhältnissen, doch geistig nach wie vor der Mittelpunkt der hellenischen Kultur in der fernen, eben jetzt zu neuer geschichtlicher Bedeutung gelangenden keltischen Landschaft.

Während also in den westlichen Landschaften der Krieg nach manchen bedenklichen Wechselfällen schließlich sich durchaus zu Caesars Gunsten entschied und Spanien und Massalia unterworfen, die feindliche Hauptarmee bis auf den letzten Mann gefangengenommen wurde, hatte auch auf dem zweiten Kriegsschauplatze, auf welchem Caesar es notwendig gefunden, sofort nach der Eroberung Italiens die Offensive zu ergreifen, die Waffenentscheidung stattgefunden.

Es ward schon gesagt, daß die Pompeianer die Absicht hatten, Italien auszuhungern. Die Mittel dazu hatten sie in Händen. Sie beherrschten die See durchaus und arbeiteten allerorts, in Gades, Utica, Messana, vor allem im Osten, mit großem Eifer an der Vermehrung ihrer Flotte; sie hatten ferner die sämtlichen Provinzen inne, aus denen die Hauptstadt ihre Subsistenzmittel zog: Sardinien und Korsika durch Marcus Cotta, Sizilien durch Marcus Cato, Afrika durch den selbst ernannten Oberfeldherrn Titus Attius Varus und ihren Verbündeten, den König Juba von Numidien. Es war für Caesar unumgänglich nötig, diese Pläne des Feindes zu durchkreuzen und demselben die Getreideprovinzen zu entreißen. Quintus Valerius ward mit einer Legion nach Sardinien gesandt und zwang den Pompeianischen Statthalter, die Insel zu räumen. Die wichtigere Unternehmung, Sizilien und Afrika dem Feinde abzunehmen, wurde unter Beistand des tüchtigen und kriegserfahrenen Gaius Caninius Rebilus dem jungen Gaius Curio anvertraut. Sizilien ward von ihm ohne Schwertstreich besetzt; Cato, ohne rechte Armee und kein Mann des Degens, räumte die Insel, nachdem er in seiner rechtschaffenen Art die Sikelioten vorher gewarnt hatte, sich nicht durch unzulänglichen Widerstand nutzlos zu kompromittieren. Curio ließ zur Deckung dieser für die Hauptstadt so wichtigen Insel die Hälfte seiner Truppen zurück und schiffte sich mit der anderen, zwei Legionen und 500 Reitern, nach Afrika ein. Hier durfte er erwarten, ernsteren Widerstand zu finden: außer der ansehnlichen und in ihrer Art tüchtigen Armee Jubas hatte der Statthalter Varus aus den in Afrika ansässigen Römern zwei Legionen gebildet und auch ein kleines Geschwader von zehn Segeln aufgestellt. Mit Hilfe seiner überlegenen Flotte bewerkstelligte indes Curio ohne Schwierigkeit die Landung zwischen Hadrumetum, wo die eine Legion der Feinde nebst ihren Kriegsschiffen, und Utica, vor welcher Stadt die zweite Legion unter Varus selbst stand. Curio wandte sich gegen die letztere und schlug sein Lager unweit Utica, ebenda, wo anderthalb Jahrhunderte zuvor der ältere Scipio sein erstes Winterlager in Afrika genommen hatte. Caesar, genötigt, seine Kerntruppen für den Spanischen Krieg zusammenzuhalten, hatte die sizilisch-afrikanische Armee größtenteils aus den vom Feind übernommenen Legionen, namentlich den Kriegsgefangenen von Corfinium, zusammensetzen müssen; die Offiziere der Pompeianischen Armee in Afrika, die zum Teil bei denselben in Corfinium überwundenen Legionen gestanden hatten, ließen jetzt kein Mittel unversucht, ihre alten, nun gegen sie fechtenden Soldaten zu ihrem ersten Eidschwur wieder zurückzubringen. Indes Caesar hatte in seinem Stellvertreter sich nicht vergriffen. Curio verstand es, ebensowohl die Bewegung des Heeres und der Flotte zu lenken, als auch persönlichen Einfluß auf die Soldaten zu gewinnen; die Verpflegung war reichlich, die Gefechte ohne Ausnahme glücklich. Als Varus, in der Voraussetzung, daß es den Truppen Curios an Gelegenheit fehlte, auf seine Seite überzugehen, hauptsächlich, um ihnen diese zu verschaffen, sich entschloß, eine Schlacht zu liefern, rechtfertigte der Erfolg seine Erwartungen nicht. Begeistert durch die feurige Ansprache ihres jugendlichen Führers schlugen Curios Reiter die feindlichen in die Flucht und säbelten im Angesichte beider Heere die mit den Reitern ausgerückte leichte Infanterie der Feinde nieder; und ermutigt durch diesen Erfolg und durch Curios persönliches Beispiel, gingen auch seine Legionen durch die schwierige, die beiden Linien trennende Talschlucht vor zum Angriff, den die Pompeianer aber nicht erwarteten, sondern schimpflich in ihr Lager zurückflohen und auch dies die Nacht darauf räumten. Der Sieg war so vollständig, daß Curio sofort dazu schritt, Utica zu belagern. Als indes die Meldung eintraf, daß König Juba mit seiner gesamten Heeresmacht zum Entsatz heranrückte, entschloß sich Curio, ebenwie bei Syphax‘ Eintreffen Scipio getan, die Belagerung aufzuheben und in Scipios ehemaliges Lager zurückzugehen, bis aus Sizilien Verstärkung nachkommen werde. Bald darauf lief ein zweiter Bericht ein, daß König Juba durch Angriffe seiner Nachbarfürsten veranlaßt worden sei, mit seiner Hauptmacht wieder umzukehren, und den Belagerten nur ein mäßiges Korps unter Saburra zur Hilfe sende. Curio, der bei seinem lebhaften Naturell nur sehr ungern sich entschlossen hatte zu rasten, brach nun sofort wieder auf, um mit Saburra zu schlagen, bevor derselbe mit der Besatzung von Utica in Verbindung treten könne. Seiner Reiterei, die am Abend voraufgegangen war, gelang es in der Tat, das Korps des Saburra am Bagradas bei nächtlicher Weile zu überraschen und übel zuzurichten; und auf diese Siegesbotschaft beschleunigte Curio den Marsch der Infanterie, um durch sie die Niederlage zu vollenden. Bald erblickte man auf den letzten Abhängen der gegen den Bagradas sich senkenden Anhöhen das Korps des Saburra, das mit den römischen Reitern sich herumschlug; die heranrückenden Legionen halfen, dasselbe völlig in die Ebene hinabdrängen. Allein hier wendete sich das Gefecht. Saburra stand nicht, wie man meinte, ohne Rückhalt, sondern nicht viel mehr als eine deutsche Meile entfernt von der numidischen Hauptmacht. Bereits trafen der Kern des numidischen Fußvolks und 2000 gallische und spanische Reiter auf dem Schlachtfeld ein, um Saburra zu unterstützen, und der König selbst mit dem Gros der Armee und sechzehn Elefanten war im Anmarsch. Nach dem Nachtmarsch und dem hitzigen Gefecht waren von den römischen Reitern augenblicklich nicht viel über 200 beisammen, und diese sowie die Infanterie von den Strapazen und dem Fechten aufs äußerste erschöpft, alle in der weiten Ebene, in die man sich hatte verlocken lassen, rings eingeschlossen von den beständig sich mehrenden feindlichen Scharen. Vergeblich suchte Curio, handgemein zu werden; die libyschen Reiter wichen, wie sie pflegten, sowie eine römische Abteilung vorging, um, wenn sie umkehrte, sie zu verfolgen. Vergeblich versuchte er, die Höhen wiederzugewinnen; sie wurden von den feindlichen Reitern besetzt und versperrt. Es war alles verloren. Das Fußvolk ward niedergehauen bis auf den letzten Mann. Von der Reiterei gelang es einzelnen sich durchzuschlagen; und Curio hätte wohl sich zu retten vermocht, aber er ertrug es nicht, ohne das ihm anvertraute Heer allein vor seinem Herrn zu erscheinen, und starb mit dem Degen in der Hand. Selbst die Mannschaft, die im Lager vor Utica sich zusammenfand, und die Flottenbesatzung, die sich so leicht nach Sizilien hätte retten können, ergaben sich unter dem Eindruck der fürchterlich raschen Katastrophe den Tag darauf an Varus (August oder September 705 49).

So endigte die von Caesar angeordnete sizilisch-afrikanische Expedition. Sie erreichte insofern ihren Zweck, als durch die Besetzung Siziliens in Verbindung mit der von Sardinien wenigstens dem dringendsten Bedürfnis der Hauptstadt abgeholfen ward; die vereitelte Eroberung Afrikas, aus welcher die siegende Partei keinen weiteren wesentlichen Gewinn zog, und der Verlust zweier unzuverlässiger Legionen ließen sich verschmerzen. Aber ein unersetzlicher Verlust für Caesar, ja für Rom, war Curios früher Tod. Nicht ohne Ursache hatte Caesar dem militärisch unerfahrenen und wegen seines Lotterlebens berufenen jungen Mann das wichtigste selbständige Kommando anvertraut; es war ein Funken von Caesars eigenem Geist in dem feurigen Jüngling. Auch er hatte wie Caesar den Becher der Lust bis auf die Hefen geleert; auch er ward nicht darum Staatsmann, weil er Offizier war, sondern es gab seine politische Tätigkeit ihm das Schwert in die Hand; auch seine Beredsamkeit war nicht die der gerundeten Perioden, sondern die Beredsamkeit des tief empfundenen Gedankens; auch seine Kriegführung ruhte auf dem raschen Handeln mit geringen Mitteln; auch sein Wesen war Leichtigkeit und oft Leichtfertigkeit, anmutige Offenherzigkeit und volles Leben im Augenblick. Wenn, wie sein Feldherr von ihm sagt, Jugendfeuer und hoher Mut ihn zu Unvorsichtigkeiten hinrissen und wenn er, um nicht einen verzeihlichen Fehler sich verzeihen zu lassen, allzu stolz den Tod nahm, so fehlen Momente gleicher Unvorsichtigkeit und gleichen Stolzes auch in Caesars Geschichte nicht. Man darf es beklagen, daß es dieser übersprudelnden Natur nicht vergönnt war, auszuschäumen und sich aufzubewahren für die folgende, an Talenten so bettelarme, dem schrecklichen Regiment der Mittelmäßigkeiten so rasch verfallende Generation.

Inwiefern diese Kriegsvorgänge des Jahres 705 (49) in Pompeius‘ allgemeinen Feldzugsplan eingriffen, namentlich welche Rolle in diesem nach dem Verlust Italiens den wichtigen Heereskörpern im Westen zugeteilt war, läßt sich nur vermutungsweise bestimmen. Daß Pompeius die Absicht gehabt, seinem in Spanien fechtenden Heer zu Lande über Afrika und Mauretanien zu Hilfe zu kommen, war nichts als ein im Lager von Ilerda umherlaufendes abenteuerliches und ohne Zweifel durchaus grundloses Gerücht. Viel wahrscheinlicher ist es, daß er bei seinem früheren Plan, Caesar im Dies- und Jenseitigen Gallien von zwei Seiten anzugreifen, selbst nach dem Verlust von Italien noch beharrte und einen kombinierten Angriff zugleich von Spanien und Makedonien aus beabsichtigte. Vermutlich sollte die spanische Armee so lange an den Pyrenäen sich defensiv verhalten, bis die in der Organisation begriffene makedonische gleichfalls marschfähig war; worauf dann beide zugleich aufgebrochen sein und, je nach den Umständen, entweder an der Rhone oder am Po sich die Hand gereicht, auch die Flotte vermutlich gleichzeitig versucht haben würde, das eigentliche Italien zurückzuerobern. In dieser Voraussetzung, wie es scheint, hatte Caesar zunächst sich darauf gefaßt gemacht, einem Angriff auf Italien zu begegnen. Einer der tüchtigsten seiner Offiziere, der Volkstribun Marcus Antonius, befehligte hier mit proprätorischer Gewalt. Die südöstlichen Häfen Sipus, Brundisium, Tarent, wo am ersten ein Landungsversuch zu erwarten war, hatten eine Besatzung von drei Legionen erhalten. Außerdem zog Quintus Hortensius, des bekannten Redners ungeratener Sohn, eine Flotte im Tyrrhenischen, Publius Dolabella eine zweite im Adriatischen Meere zusammen, welche teils die Verteidigung unterstützten, teils für die bevorstehende Überfahrt nach Griechenland mitverwandt werden sollten. Falls Pompeius versuchen würde, zu Lande in Italien einzudringen, hatten Marcus Licinius Crassus, der älteste Sohn des alten Kollegen Caesars, die Verteidigung des Diesseitigen Galliens, des Marcus Antonius jüngerer Bruder Gaius die von Illyricum zu leiten. Indes der vermutete Angriff ließ lange auf sich warten. Erst im Hochsommer des Jahres ward man in Illyrien handgemein. Hier stand Caesars Statthalter Gaius Antonius mit seinen zwei Legionen auf der Insel Curicta (Veglia, im Golf von Quarnero), Caesars Admiral Publius Dolabella mit 40 Schiffen in dem schmalen Meerarm zwischen dieser Insel und dem Festland. Das letztere Geschwader griffen Pompeius‘ Flottenführer im Adriatischen Meer, Marcus Octavius mit der griechischen, Lucius Scribonius Libo mit der illyrischen Flottenabteilung an, vernichteten sämtliche Schiffe Dolabellas und schnitten Antonius auf seiner Insel ab. Ihn zu retten, kamen aus Italien ein Korps unter Basilus und Sallustius und das Geschwader des Hortensius aus dem Tyrrhenischen Meer; allein weder jenes noch dieses vermochten der weit überlegenen feindlichen Flotte etwas anzuhaben. Die Legionen des Antonius mußten ihrem Schicksal überlassen werden. Die Vorräte gingen zu Ende, die Truppen wurden schwierig und meuterisch; mit Ausnahme weniger Abteilungen, denen es gelang, auf Flößen das Festland zu erreichen, streckte das Korps, immer noch fünfzehn Kohorten stark, die Waffen und ward auf den Schiffen Libos nach Makedonien geführt, um dort in die Pompeianische Armee eingereiht zu werden, während Octavius zurückblieb, um die Unterwerfung der von Truppen entblößten illyrischen Küste zu vollenden. Die Delmater, jetzt in diesen Gegenden die bei weitem mächtigste Völkerschaft, die wichtige Inselstadt Issa (Lissa) und andere Ortschaften ergriffen die Partei des Pompeius; allein die Anhänger Caesars behaupteten sich in Salome (Spalato) und Lissos (Alessio) und hielten in der ersteren Stadt nicht bloß die Belagerung mutig aus, sondern machten, als sie aufs Äußerste gebracht waren, einen Ausfall mit solchem Erfolg, daß Octavius die Belagerung aufhob und nach Dyrrhachion abfuhr, um dort zu überwintern.

Dieser in Illyricum von der Pompeianischen Flotte erfochtene Erfolg, obwohl an sich nicht unbedeutend, wirkte doch auf den Gesamtgang des Feldzuges wenig ein; und zwerghaft gering erscheint er, wenn man erwägt, daß die Verrichtungen der unter Pompeius‘ Oberbefehl stehenden Land- und Seemacht während des ganzen ereignisreichen Jahres 705 (49) sich auf diese einzige Waffentat beschränkten und daß vom Osten her, wo der Feldherr, der Senat, die zweite große Armee, die Hauptflotte, ungeheure militärische und noch ausgedehntere finanzielle Hilfsmittel der Gegner Caesars vereinigt waren, da, wo es not tat, in jenen allentscheidenden Kampf im Westen gar nicht eingegriffen ward. Der aufgelöste Zustand der in der östlichen Hälfte des Reiches befindlichen Streitkräfte, die Methode des Feldherrn, nie anders als mit überlegenen Massen zu operieren, seine Schwerfälligkeit und Weitschichtigkeit und die Zerfahrenheit der Koalition mag vielleicht die Untätigkeit der Landmacht zwar nicht entschuldigen, aber doch einigermaßen erklären; aber daß die Flotte, die doch ohne Nebenbuhler das Mittelmeer beherrschte, so gar nichts tat, um den Gang der Dinge bestimmen zu helfen, nichts für Spanien, so gut wie nichts für die treuen Massalioten, nichts, um Sardinien, Sizilien, Afrika zu verteidigen und Italien wo nicht wieder zu besetzen, doch wenigstens ihm die Zufuhr abzusperren – das macht an unsere Vorstellungen von der im Pompeianischen Lager herrschenden Verwirrung und Verkehrtheit Ansprüche, denen wir nur mit Mühe zu genügen vermögen.

Das Gesamtresultat dieses Feldzugs war entsprechend. Caesars doppelte Offensive gegen Spanien und gegen Sizilien und Afrika war dort vollständig, hier wenigstens teilweise gelungen; dagegen ward Pompeius‘ Plan, Italien auszuhungern, durch die Wegnahme Siziliens in der Hauptsache, sein allgemeiner Feldzugsplan durch die Vernichtung der spanischen Armee vollständig vereitelt; und in Italien waren Caesars Verteidigungsanstalten nur zum kleinsten Teil zur Verwendung gekommen. Trotz der empfindlichen Verluste in Afrika und Illyrien ging doch Caesar in der entschiedensten und entscheidendsten Weise aus diesem ersten Kriegsjahr als Sieger hervor.

Wenn indes vom Osten aus nichts Wesentliches geschah, um Caesar an der Unterwerfung des Westens zu hindern, so arbeitete man doch wenigstens dort in der so schmählich gewonnenen Frist daran, sich politisch und militärisch zu konsolidieren. Der große Sammelplatz der Gegner Caesars ward Makedonien. Dorthin begab sich Pompeius selbst und die Masse der brundisinischen Emigranten; dorthin die übrigen Flüchtlinge aus dem Westen: Marcus Cato aus Sizilien, Lucius Domitius von Massalia; namentlich aber aus Spanien eine Menge der besten Offiziere und Soldaten der aufgelösten Armee, an der Spitze ihre Feldherrn Afranius und Varro. In Italien ward die Emigration unter den Aristokraten allmählich nicht bloß Ehren-, sondern fast Modesache, und neuen Schwung erhielt sie durch die ungünstigen Nachrichten, die über Caesars Lage vor Ilerda eintrafen; auch von den laueren Parteigenossen und den politischen Achselträgern kamen nach und nach nicht wenige an, und selbst Marcus Cicero überzeugte sich endlich, daß er seiner Bürgerpflicht nicht ausreichend damit genüge, wenn er eine Abhandlung über die Eintracht schreibe. Der Emigrantensenat in Thessalonike, wo das offizielle Rom seinen interimistischen Sitz aufschlug, zählte gegen 200 Mitglieder, darunter manche hochbejahrte Greise und fast sämtliche Konsulare. Aber freilich waren es Emigranten. Auch dieses römische Koblenz stellte die hohen Ansprüche und dürftigen Leistungen der vornehmen Welt Roms, ihre unzeitigen Reminiszenzen und unzeitigeren Rekriminationen, ihre politischen Verkehrtheiten und finanziellen Verlegenheiten in kläglicher Weise zur Schau. Es war das wenigste, daß man, während der alte Bau zusammensank, mit der peinlichsten Wichtigkeit jeden alten Schnörkel und Rostfleck der Verfassung in Obacht nahm: am Ende war es bloß lächerlich, wenn es den vornehmen Herren Gewissensskrupel machte, außerhalb des geheiligten städtischen Bodens ihre Ratversammlung Senat zu heißen und sie vorsichtig sich die „Dreihundert“ titulierten75; oder wenn man weitläufige staatsrechtliche Untersuchungen anstellte, ob und wie ein Kuriatgesetz von Rechts wegen sich anderswo zustande bringen lasse als im römischen Mauerring. Weit schlimmer war die Gleichgültigkeit der Lauen und die bornierte Verbissenheit der Ultras. Jene waren weder zum Handeln zu bringen noch auch nur zum Schweigen. Wurden sie aufgefordert, in einer bestimmten Weise für das gemeine Beste tätig zu sein, so betrachteten sie, mit der schwachen Leuten eigenen Inkonsequenz, jedes solche Ansinnen als einen böswilligen Versuch, sie noch weiter zu kompromittieren und taten das Befohlene gar nicht oder mit halbem Herzen. Dabei aber fielen sie natürlich mit ihrem verspäteten Besserwissen und ihren superklugen Unausführbarkeiten den Handelnden beständig zur Last; ihr Tagewerk bestand darin, jeden kleinen und großen Vorgang zu bekritteln, zu bespötteln und zu beseufzen und durch ihre eigene Lässigkeit und Hoffnungslosigkeit die Menge abzuspannen und zu entmutigen. Wenn hier die Atome der Schwäche zu schauen war, so stand dagegen deren Hypertonie bei den Ultras in voller Blüte. Hier hatte man es kein Hehl, daß die Vorbedingung für jede Friedensverhandlung die Überbringung von Caesars Kopf sei: jeder der Friedensversuche, die Caesar auch jetzt noch wiederholentlich machte, ward unbesehen von der Hand gewiesen oder nur benutzt, um auf heimtückische Weise den Beauftragten des Gegners nach dem Leben zu stellen. Daß die erklärten Caesarianer samt und sonders Leben und Gut verwirkt hatten, verstand sich von selbst; aber auch den mehr oder minder Neutralen ging es wenig besser. Lucius Domitius, der Held von Corfinium, machte im Kriegsrat alles Ernstes den Vorschlag, diejenigen Senatoren, die im Heer des Pompeius gefochten hätten, über alle, die entweder neutral geblieben oder zwar emigriert, aber nicht in das Heer eingetreten seien, abstimmen zu lassen und diese einzeln je nach Befinden freizusprechen oder mit Geldbuße oder auch mit dem Verlust des Lebens und des Vermögens zu bestrafen. Ein anderer dieser Ultras erhob bei Pompeius gegen Lucius Afranius wegen seiner mangelhaften Verteidigung Spaniens eine förmliche Anklage auf Bestechung und Verrat. Diesen in der Wolle gefärbten Republikanern nahm ihre politische Theorie fast den Charakter eines religiösen Glaubensbekenntnisses an; sie haßten denn auch die laueren Parteigenossen und den Pompeius mit seinem persönlichen Anhang womöglich noch mehr als die offenbaren Gegner, und durchaus mit jener Stupidität des Hasses, wie sie orthodoxen Theologen eigen zu sein pflegt; sie wesentlich verschuldeten die zahllosen und erbitterten Sonderfehden, welche die Emigrantenarmee und den Emigrantensenat zerrissen. Aber sie ließen es nicht bei Worten. Marcus Bibulus, Titus Labienus und andere dieser Koterie führten ihre Theorie praktisch durch und ließen, was ihnen von Caesars Armee an Offizieren oder Soldaten in die Hände fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicherweise Caesars Truppen nicht gerade bewog, mit minderer Energie zu fechten. Wenn während Caesars Abwesenheit von Italien die Konterrevolution zu Gunsten der Verfassungsfreunde, zu der alle Elemente vorhanden waren, dennoch daselbst nicht ausbrach, so lag, nach der Versicherung einsichtiger Gegner Caesars, die Ursache hauptsächlich in der allgemeinen Besorgnis vor dem unbezähmbaren Wüten der republikanischen Ultras nach erfolgter Restauration. Die Besseren im Pompeianischen Lager waren in Verzweiflung über dies rasende Treiben. Pompeius, selbst ein tapferer Soldat, schonte, soweit er durfte und konnte, der Gefangenen; aber er war zu schwachmütig und in einer zu schiefen Stellung, um, wie es ihm als Oberfeldherrn zukam, alle Greuel dieser Art zu hemmen oder gar zu ahnden. Energischer versuchte der einzige Mann, der wenigstens mit sittlicher Haltung in den Kampf eintrat, Marcus Cato, diesem Treiben zu steuern, er erwirkte, daß der Emigrantensenat durch ein eigenes Dekret es untersagte, untertänige Städte zu plündern und einen Bürger anders als in der Schlacht zu töten. Ebenso dachte der tüchtige Marcus Marcellus. Freilich wußte es niemand besser als Cato und Marcellus, daß die extreme Partei ihre rettenden Taten wenn nötig allen Senatsbeschlüssen zum Trotze vollzog. Wenn aber bereits jetzt, wo man noch Klugheitsrücksichten zu beobachten hatte, die Wut der Ultras sich nicht bändigen ließ, so mochte man nach dem Siege auf eine Schreckensherrschaft sich gefaßt machen, von der Marius und Sulla selbst sich schaudernd abgewandt haben würden; und man begreift es, daß Cato, seinem eigenen Geständnis zufolge, mehr noch als vor der Niederlage, graute vor dem Siege seiner eigenen Partei.

Die Leitung der militärischen Vorbereitungen im makedonischen Lager lag in der Hand des Oberfeldherrn Pompeius. Die stets schwierige und gedrückte Stellung desselben hatte durch die unglücklichen Ereignisse des Jahres 705 (49) sich noch verschlimmert. In den Augen seiner Parteigenossen trug wesentlich er davon die Schuld. Es war das in vieler Hinsicht nicht gerecht. Ein guter Teil der erlittenen Unfälle kam auf Rechnung der Verkehrtheit und Unbotmäßigkeit der Unterfeldherren, namentlich des Konsuls Lentulus und des Lucius Domitius; von dem Augenblick an, wo Pompeius an die Spitze der Armee getreten war, hatte er sie geschickt und mutig geführt und wenigstens sehr ansehnliche Streitkräfte aus dem Schiffbruch gerettet; daß er Caesars jetzt von allen anerkanntem, durchaus überlegenem Genie nicht gewachsen war, konnte billigerweise ihm nicht vorgeworfen werden. Indes es entschied allein der Erfolg. Im Vertrauen auf den Feldherrn Pompeius hatte die Verfassungspartei mit Caesar gebrochen; die verderblichen Folgen dieses Bruches fielen auf den Feldherrn Pompeius zurück, und wenn auch bei der notorischen militärischen Unfähigkeit aller übrigen Chefs kein Versuch gemacht ward, das Oberkommando zu wechseln, so war doch wenigstens das Vertrauen zu dem Oberfeldherrn paralysiert. Zu diesen Nachwehen der erlittenen Niederlagen kamen die nachteiligen Einflüsse der Emigration. Unter den eintreffenden Flüchtlingen war allerdings eine Anzahl tüchtiger Soldaten und fähiger Offiziere namentlich der ehemaligen spanischen Armee; allein die Zahl derer, die kamen, um zu dienen und zu fechten, war ebenso gering, wie zum Erschrecken groß die der vornehmen Generale, die mit ebenso gutem Fug wie Pompeius sich Prokonsuln und Imperatoren nannten, und der vornehmen Herren, die mehr oder weniger unfreiwillig am aktiven Kriegsdienst sich beteiligten. Durch diese ward die hauptstädtische Lebensweise in das Feldlager eingebürgert, keineswegs zum Vorteil des Heeres: die Zelte solcher Herren waren anmutige Lauben, der Boden mit frischem Rasen zierlich bedeckt, die Wände mit Efeu bekleidet; auf dem Tisch stand silbernes Tafelgeschirr und oft kreiste dort schon am hellen Tage der Becher. Diese eleganten Krieger machten einen seltsamen Kontrast mit Caesars Grasteufeln, vor deren grobem Brot jene erschraken und die in Ermangelung dessen auch Wurzeln aßen und schwuren, eher Baumrinde zu kauen als vom Feinde abzulassen. Wenn ferner die unvermeidliche Rücksicht auf eine kollegialische und ihm persönlich abgeneigte Behörde Pompeius schon an sich in seiner Tätigkeit hemmte, so steigerte diese Verlegenheit sich ungemein, als der Emigrantensenat beinahe im Hauptquartier selbst seinen Sitz aufschlug und nun alles Gift der Emigration in diesen Senatssitzungen sich entleerte. Eine bedeutende Persönlichkeit endlich, die gegen all diese Verkehrtheiten ihr eigenes Gewicht hätte einsetzen können, war nirgends vorhanden. Pompeius selbst war dazu geistig viel zu untergeordnet und viel zu zögernd, schwerfällig und versteckt. Marcus Cato würde wenigstens die erforderliche moralische Autorität gehabt und auch des guten Willens, Pompeius damit zu unterstützen, nicht ermangelt haben; allein Pompeius, statt ihn zum Beistand aufzufordern, setzte ihn mit mißtrauischer Eifersucht zurück und übertrug zum Beispiel das so wichtige Oberkommando der Flotte lieber an den in jeder Beziehung unfähigen Bibulus als an Cato. Wenn somit Pompeius die politische Seite seiner Stellung mit der ihm eigenen Verkehrtheit behandelte und was an sich schon verdorben war, nach Kräften weiter verdarb, so widmete er dagegen mit anerkennenswertem Eifer sich seiner Pflicht, die bedeutenden, aber aufgelösten Streitkräfte der Partei militärisch zu organisieren. Den Kern derselben bildeten die aus Italien mitgebrachten Truppen, aus denen mit den Ergänzungen aus den illyrischen Kriegsgefangenen und den in Griechenland domizilierten Römern zusammen fünf Legionen gebildet wurden. Drei andere kamen aus dem Osten: die beiden aus den Trümmern der Armee des Crassus gebildeten syrischen und eine aus den zwei schwachen, bisher in Kilikien stehenden kombinierte. Der Wegziehung dieser Besatzungstruppen stellte sich nichts in den Weg, da teils die Pompeianer mit den Parthern im Einvernehmen standen und selbst ein Bündnis mit ihnen hätten haben können, wenn Pompeius nicht unwillig sich geweigert hätte, den geforderten Preis: die Abtretung der von ihm selbst zum Reiche gebrachten syrischen Landschaft, dafür zu zahlen; teils Caesars Plan, zwei Legionen nach Syrien zu entsenden und durch den in Rom gefangengehaltenen Prinzen Aristobulos die Juden abermals unter die Waffen zu bringen, zum Teil durch andere Ursachen, zum Teil durch Aristobulos‘ Tod vereitelt ward. Weiter wurden aus den in Kreta und Makedonien angesiedelten gedienten Soldaten eine, aus den kleinasiatischen Römern zwei neue Legionen ausgehoben. Zu allem dem kamen 2000 Freiwillige, die aus den Trümmern der spanischen Kernscharen und anderen ähnlichen Zuzügen hervorgingen, und endlich die Kontingente der Untertanen. Wie Caesar hatte Pompeius es verschmäht, von denselben Infanterie zu requirieren; nur zur Küstenbesatzung waren die epirotischen, ätolischen und thrakischen Milizen aufgeboten und außerdem an leichten Truppen 3000 griechische und kleinasiatische Schützen und 1200 Schleuderer angenommen worden. Die Reiterei dagegen bestand, außer einer aus dem jungen Adel Roms gebildeten, mehr ansehnlichen als militärisch bedeutenden Nobelgarde und den von Pompeius beritten gemachten apulischen Hirtensklaven, ausschließlich aus den Zuzügen der Untertanen und Klienten Roms. Den Kern bildeten die Kelten, teils von der Besatzung von Alexandreia, teils die Kontingente des Königs Deiotarus, der trotz seines hohen Alters an der Spitze seiner Reiterei in Person erschienen war, und der übrigen galatischen Dynasten. Mit ihnen wurden vereinigt die vortrefflichen thrakischen Reiter, die teils von ihren Fürsten Sadala und Rhaskuporis herangeführt, teils von Pompeius in der makedonischen Provinz angeworben waren; die kappadokische Reiterei; die von König Antiochos von Kommagene gesendeten, berittenen Schützen; die Zuzüge der Armenier von diesseits des Euphrat unter Taxiles, von jenseits desselben unter Megabares und die von König Juba gesandten numidischen Scharen – die gesamte Masse stieg auf 7000 Pferde.

Sehr ansehnlich endlich war die Pompeianische Flotte. Sie ward gebildet teils aus den von Brundisium mitgeführten oder später erbauten römischen Fahrzeugen, teils aus den Kriegsschiffen des Königs von Ägypten, der kolchischen Fürsten, des kilikischen Dynasten Tarkondimotos, der Städte Tyros, Rhodos, Athen, Kerkyra und überhaupt der sämtlichen asiatischen und griechischen Seestaaten und zählte gegen 500 Segel, wovon die römischen den fünften Teil ausmachten. An Getreide und Kriegsmaterial waren in Dyrrhachion ungeheure Vorräte aufgehäuft. Die Kriegskasse war wohlgefüllt, da die Pompeianer sich im Besitz der hauptsächlichen Einnahmequellen des Staats befanden und die Geldmittel der Klientelfürsten, der angesehenen Senatoren, der Steuerpächter und überhaupt der gesamten römischen und nichtrömischen Bevölkerung in ihrem Bereich für sich nutzbar machten. Was in Afrika, Ägypten, Makedonien, Griechenland, Vorderasien und Syrien das Ansehen der legitimen Regierung und Pompeius‘ oftgefeierte Königs- und Völkerklientel vermochte, war zum Schutz der römischen Republik in Bewegung gesetzt worden; wenn in Italien die Rede ging, daß Pompeius die Geten, Kolcher und Armenier gegen Rom bewaffne, wenn im Lager er der „König der Könige“ hieß, so waren dies kaum Übertreibungen zu nennen. Im ganzen gebot derselbe über eine Armee von 7000 Reitern und elf Legionen, von denen freilich höchstens fünf als kriegsgewohnt bezeichnet werden durften, und über eine Flotte von 500 Segeln. Die Stimmung der Soldaten, für deren Verpflegung und Sold Pompeius genügend sorgte und denen für den Fall des Sieges die überschwenglichsten Belohnungen zugesichert waren, war durchgängig gut, in manchen und eben den tüchtigsten Abteilungen sogar vortrefflich; indes bestand doch ein großer Teil der Armee aus neu ausgehobenen Truppen, deren Formierung und Exerzierung, wie eifrig sie auch betrieben ward, notwendigerweise Zeit erforderte. Die Kriegsmacht überhaupt war imposant, aber zugleich einigermaßen buntscheckig.

Nach der Absicht des Oberfeldherrn sollten bis zum Winter 705/06 (49/48) Heer und Flotte wesentlich vollständig an der Küste und in den Gewässern von Epirus vereinigt sein. Der Admiral Bibulus war auch bereits mit 110 Schiffen in seinem neuen Hauptquartier Kerkyra eingetroffen. Dagegen war das Landheer, dessen Hauptquartier während des Sommers zu Berrhöa am Haliakmon gewesen war, noch zurück; die Masse bewegte sich langsam auf der großen Kunststraße von Thessalonike nach der Westküste auf das künftige Hauptquartier Dyrrhachion zu; die beiden Legionen, die Metellus Scipio aus Syrien heranführte, standen gar noch bei Pergamon in Kleinasien im Winterquartier und wurden erst zum Frühjahr in Europa erwartet. Man nahm sich eben Zeit. Vorläufig waren die epirotischen Häfen außer durch die Flotte nur noch durch die Bürgerwehren und die Aufgebote der Umgegend verteidigt.

So war es Caesar möglich geblieben, trotz des dazwischenfallenden Spanischen Krieges auch in Makedonien die Offensive für sich zu nehmen, und er wenigstens säumte nicht. Längst hatte er die Zusammenziehung von Kriegs- und Transportschiffen in Brundisium angeordnet und nach der Kapitulation der spanischen Armee und dem Fall von Massalia die dort verwendeten Kerntruppen zum größten Teil ebendahin dirigiert. Die unerhörten Anstrengungen zwar, die also von Caesar den Soldaten zugemutet wurden, lichteten mehr als die Gefechte die Reihen, und die Meuterei einer der vier ältesten Legionen, der neunten, auf ihrem Durchmarsch durch Placentia war ein gefährliches Zeichen der bei der Armee einreißenden Stimmung; doch wurden Caesars Geistesgegenwart und persönliche Autorität derselben Herr, und von dieser Seite stand der Einschiffung nichts im Wege. Allein woran schon im März 705 (49) die Verfolgung des Pompeius gescheitert war, der Mangel an Schiffen, drohte auch diese Expedition zu vereiteln. Die Kriegsschiffe, die Caesar in den gallischen, sizilischen und italischen Häfen zu erbauen befohlen hatte, waren noch nicht fertig oder doch nicht zur Stelle; sein Geschwader im Adriatischen Meer war das Jahr zuvor bei Curicta vernichtet worden; er fand bei Brundisium nicht mehr als zwölf Kriegsschiffe und kaum Transportfahrzeuge genug, um den dritten Teil seiner nach Griechenland bestimmten Armee von zwölf Legionen und 10000 Reitern auf einmal überzuführen. Die ansehnliche feindliche Flotte beherrschte ausschließlich das Adriatische Meer und namentlich die sämtlichen festländischen und Inselhäfen der Ostküste. Unter solchen Umständen drängt die Frage sich auf, warum Caesar nicht statt des Seeweges den zu Lande durch Illyrien einschlug, welcher aller von der Flotte drohenden Gefahren ihn überhob und überdies für seine größtenteils aus Gallien kommenden Truppen kürzer war als der über Brundisium. Zwar waren die illyrischen Landschaften unbeschreiblich rauh und arm; aber sie sind doch von anderen Armeen nicht lange nachher durchschritten worden, und dieses Hindernis ist dem Eroberer Galliens schwerlich unübersteiglich erschienen. Vielleicht besorgte er, daß während des schwierigen illyrischen Marsches Pompeius seine gesamte Streitmacht über das Adriatische Meer führen möchte, wodurch die Rollen auf einmal sich umkehren, Caesar in Makedonien, Pompeius in Italien zu stehen kommen konnte; obwohl ein solcher rascher Wechsel dem schwerfälligen Gegner doch kaum zuzutrauen war. Vielleicht hatte Caesar auch in der Voraussetzung, daß seine Flotte inzwischen auf einen achtunggebietenden Stand gebracht sein würde, sich für den Seeweg entschieden, und als er nach seiner Rückkehr aus Spanien des wahren Standes der Dinge im Adriatischen Meere inne ward, mochte es zu spät sein, den Feldzugsplan zu ändern. Vielleicht, ja nach Caesars raschem, stets zur Entscheidung drängenden Naturell darf man sagen wahrscheinlich, fand er durch die augenblicklich noch unbesetzte, aber sicher in wenigen Tagen mit Feinden sich bedeckende epirotische Küste sich unwiderstehlich gelockt, den ganzen Plan des Gegners wieder einmal durch einen verwegenen Zug zu durchkreuzen. Wie dem auch sei, am 4. Januar 70676 (48) ging Caesar mit sechs, durch die Strapazen und Krankheiten sehr gelichteten Legionen und 600 Reitern von Brundisium nach der epirotischen Küste unter Segel. Es war ein Seitenstück zu der tollkühnen britannischen Expedition; indes wenigstens der erste Wurf war glücklich. Inmitten der akrokeraunischen (Chimara-) Klippen, auf der wenig besuchten Reede von Paleassa (Paljassa) ward die Küste erreicht. Man sah die Transportschiffe sowohl aus dem Hafen von Orikon (Bucht von Avlona), wo ein Pompeianisches Geschwader von achtzehn Schiffen lag, als auch aus dem Hauptquartier der feindlichen Flotte bei Kerkyra; aber dort hielt man sich zu schwach, hier war man nicht segelfertig, und ungehindert ward der erste Transport ans Land gesetzt. Während die Schiffe sogleich zurückgingen, um den zweiten nachzuholen, überstieg Caesar noch denselben Abend die akrokeraunischen Berge. Seine ersten Erfolge waren so groß wie die Überraschung der Feinde. Der epirotische Landsturm setzte nirgends sich zur Wehr; die wichtigen Hafenstädte Orikon und Apollonia nebst einer Menge kleinerer Ortschaften wurden weggenommen; Dyrrhachion, von den Pompeianern zum Hauptwaffenplatz ausersehen und mit Vorräten aller Art angefüllt, aber nur schwach besetzt, schwebte in der größten Gefahr.

Indes der weitere Verlauf des Feldzuges entsprach diesem glänzenden Anfange nicht. Bibulus machte die Nachlässigkeit, die er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nachträglich durch verdoppelte Anstrengungen zum Teil wieder gut. Nicht bloß brachte er von den heimkehrenden Transportschiffen gegen dreißig auf, die er sämtlich mit Mann und Maus verbrennen ließ, sondern er richtete auch längs des ganzen von Caesar besetzten Küstenstrichs, von der Insel Sason (Saseno) bis zu den Häfen von Kerkyra, den sorgfältigsten Wachtdienst ein, so beschwerlich auch die rauhe Jahreszeit und die Notwendigkeit, den Wachtschiffen alle Bedürfnisse, selbst Holz und Wasser, von Kerkyra zuzuführen, denselben machten; ja sein Nachfolger Libo – er selbst unterlag bald den ungewohnten Strapazen – sperrte sogar eine Zeitlang den Hafen von Brundisium, bis ihn von der kleinen Insel vor demselben, auf der er sich festgesetzt hatte, der Wassermangel wieder vertrieb. Es war Caesars Offizieren nicht möglich, ihrem Feldherrn den zweiten Transport der Armee nachzuführen. Ebensowenig gelang ihm selbst die Wegnahme von Dyrrhachion. Pompeius erfuhr durch einen der Friedensboten Caesars von dessen Vorbereitungen zur Fahrt nach der epirotischen Küste und darauf den Marsch beschleunigend warf er sich noch eben zu rechter Zeit in diesen wichtigen Waffenplatz. Caesars Lage war kritisch. Obwohl er in Epirus so weit sich ausbreitete, als es bei seiner geringen Stärke nur irgend möglich war, so blieb die Subsistenz seiner Armee doch schwierig und unsicher, während die Feinde, im Besitz der Magazine von Dyrrhachion und Herren der See, Überfluß an allem hatten. Mit seinem vermutlich wenig über 20000 Mann starken Heer konnte er dem wenigstens doppelt so zahlreichen Pompeianischen keine Schlacht anbieten, sondern mußte sich glücklich schätzen, daß Pompeius methodisch zu Werke ging und, statt sofort die Schlacht zu erzwingen, zwischen Dyrrhachion und Apollonia am rechten Ufer des Apsos, Caesar auf dem linken gegenüber, das Winterlager bezog, um mit dem Frühjahr, nach dem Eintreffen der Legionen von Pergamon, mit unwiderstehlicher Übermacht den Feind zu vernichten. So verflossen Monate. Wenn der Eintritt der besseren Jahreszeit, die dem Feinde starken Zuzug und den freien Gebrauch seiner Flotte brachte, Caesar noch in derselben Lage fand, so war er, mit seiner schwachen Schar zwischen der ungeheuren Flotte und dem dreifach überlegenen Landheer der Feinde in den epirotischen Felsen eingekeilt, allem Anscheine nach verloren; und schon neigte der Winter sich zu Ende. Alle Hoffnung beruhte immer noch auf der Transportflotte: daß diese durch die Blockade sich durchschlich oder durchschlug, war kaum zu hoffen; aber nach der ersten freiwilligen Tollkühnheit war diese zweite durch die Notwendigkeit geboten. Wie verzweifelt Caesar selbst seine Lage erschien, beweist sein Entschluß, da die Flotte immer nicht kam, allein auf einer Fischerbarke durch das Adriatische Meer nach Brundisium zu fahren, um sie zu holen; was in der Tat nur darum unterblieb, weil sich kein Schiffer fand, die verwegene Fahrt zu unternehmen. Indes es bedurfte seines persönlichen Erscheinens nicht, um den treuen Offizier, der in Italien kommandierte, Marcus Antonius, zu bestimmen, diesen letzten Versuch zur Rettung seines Herrn zu machen. Abermals lief die Transportflotte, mit vier Legionen und 800 Reitern an Bord, aus dem Hafen von Brundisium aus und glücklich führte ein starker Südwind sie an Libos Galeeren vorüber. Allein derselbe Wind, der hier die Flotte rettete, machte es ihr unmöglich, wie ihr befohlen war, an der apolloniatischen Küste zu landen, und zwang sie, an Caesars und Pompeius‘ Lager vorbeizufahren und nördlich von Dyrrhachion nach Lissos zu steuern, welche Stadt zu gutem Glück noch zu Caesar hielt. Als sie an dem Hafen von Dyrrhachion vorüberfuhr, brachen die rhodischen Galeeren auf, um sie zu verfolgen, und kaum waren Antonius‘ Schiffe in den Hafen von Lissos eingefahren, als auch das feindliche Geschwader vor demselben erschien. Aber eben in diesem Augenblick schlug plötzlich der Wind um und warf die verfolgenden Galeeren wieder zurück in die offene See und zum Teil an die felsige Küste. Durch die wunderbarsten Glückszufälle war die Landung auch des zweiten Transportes gelungen. Noch standen zwar Antonius und Caesar etwa vier Tagemärsche voneinander, getrennt durch Dyrrhachion und die gesamte feindliche Armee; indes Antonius bewerkstelligte glücklich den gefährlichen Marsch um Dyrrhachion herum durch die Pässe des Graba Balkan und ward von Caesar, der ihm entgegengegangen war, am rechten Ufer des Apsos aufgenommen. Pompeius, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu verhindern und das Korps des Antonius einzeln zum Schlagen zu zwingen, nahm eine neue Stellung bei Asparagion an dem Flusse Genusas (Uschkomobin), der dem Apsos parallel zwischen diesem und der Stadt Dyrrhachion fließt, und hielt hier sich wieder unbeweglich. Caesar fühlte jetzt sich stark genug, eine Schlacht zu liefern; aber Pompeius ging nicht darauf ein. Dagegen gelang es Caesar, den Gegner zu täuschen und unversehens mit seinen besser marschierenden Truppen sich, ähnlich wie bei Ilerda, zwischen das feindliche Lager und die Festung Dyrrhachion zu werfen, auf die dieses sich stützte. Die Kette des Graba Balkan, die in der Richtung von Osten nach Westen streichend am Adriatischen Meere in der schmalen dyrrhachinischen Landzunge endigt, entsendet drei Meilen östlich von Dyrrhachion in südwestlicher Richtung einen Seitenarm, der in bogenförmiger Richtung ebenfalls zum Meere sich wendet, und der Haupt- und der Seitenarm des Gebirges schließen zwischen sich eine kleine, um eine Klippe am Meeresstrand sich ausbreitende Ebene ein. Hier nahm Pompeius jetzt sein Lager, und obwohl die Caesarische Armee ihm den Landweg nach Dyrrhachion verlegt hielt, blieb er doch mit Hilfe seiner Flotte fortwährend mit dieser Stadt in Verbindung und ward von dort mit allem Nötigen reichlich und bequem versehen, während bei den Caesarianern, trotz starker Detachierungen in das Hinterland und trotz aller Anstrengungen des Feldherrn, ein geordnetes Fahrwesen und damit eine regelmäßige Verpflegung in Gang zu bringen, es doch mehr als knapp herging und Fleisch, Gerste, ja Wurzeln sehr häufig die Stelle des gewohnten Weizens vertreten maßten. Da der phlegmatische Gegner beharrlich bei seiner Passivität blieb, unternahm Caesar, den Höhenkreis zu besetzen, der die von Pompeius eingenommene Strandebene umschloß, um wenigstens die überlegene feindliche Reiterei festzustellen und ungestörter gegen Dyrrhachion operieren zu können, womöglich aber den Gegner entweder zur Schlacht oder zur Einschiffung zu nötigen. Von Caesars Truppen war beinahe die Hälfte ins Binnenland detachiert; es schien fast abenteuerlich, mit dem Rest eine vielleicht doppelt so zahlreiche, konzentriert aufgestellte, auf die See und die Flotte gestützte Armee gewissermaßen belagern zu wollen. Dennoch schlossen Caesars Veteranen unter unsäglichen Anstrengungen das Pompeianische Lager mit einer drei und eine halbe deutsche Meile langen Postenkette ein und fügten später, ebenwie vor Alesia, zu dieser inneren Linie noch eine zweite äußere hinzu, um sich vor Angriffen von Dyrrhachion aus und vor den mit Hilfe der Flotte so leicht ausführbaren Umgehungen zu schützen. Pompeius griff mehrmals einzelne dieser Verschanzungen an, um womöglich die feindliche Linie zu sprengen, allein durch eine Schlacht die Einschließung zu hindern versuchte er nicht, sondern zog es vor, auch seinerseits um sein Lager herum eine Anzahl Schanzen anzulegen und dieselben durch Linien miteinander zu verbinden. Beiderseits war man bemüht, die Schanzen möglichst weit vorzuschieben und die Erdarbeiten rückten unter beständigen Gefechten nur langsam vor. Zugleich schlug man auf der entgegengesetzten Seite des Caesarischen Lagers sich herum mit der Besatzung vor Dyrrhachion; durch Einverständnisse innerhalb der Festung hoffte Caesar sie in seine Gewalt zu bringen, ward aber durch die feindliche Flotte daran verhindert. Unaufhörlich ward an den verschiedensten Punkten – an einem der heißesten Tage an sechs Stellen zugleich – gefochten und in der Regel behielt in diesen Scharmützeln die erprobte Tapferkeit der Caesarianer die Oberhand; wie denn zum Beispiel einmal eine einzige Kohorte sich gegen vier Legionen mehrere Stunden lang in ihrer Schanze hielt, bis Unterstützung herbeikam. Ein Haupterfolg ward auf keiner Seite erreicht; doch machten sich die Folgen der Einschließung den Pompeianern allmählich in drückender Weise fühlbar. Die Stauung der von den Höhen in die Ebene sich ergießenden Bäche nötigte sie, sich mit sparsamem und schlechtem Brunnenwasser zu begnügen. Noch empfindlicher war der Mangel an Futter für die Lasttiere und die Pferde, dem auch die Flotte nicht genügend abzuhelfen vermochte; sie fielen zahlreich und es half nur wenig, daß die Pferde durch die Flotte nach Dyrrhachion geschafft wurden, da sie auch hier nicht ausreichend Futter fanden. Lange konnte Pompeius nicht mehr zögern, sich durch einen gegen den Feind geführten Schlag aus seiner unbequemen Lage zu befreien. Da ward er durch keltische Überläufer davon in Kenntnis gesetzt, daß der Feind es versäumt habe, den Strand zwischen seinen beiden 600 Fuß voneinander entfernten Schanzenketten durch einen Querwall zu sichern, und baute hierauf seinen Plan. Während er die innere Linie der Verschanzungen Caesars vom Lager aus durch die Legionen, die äußere durch die auf Schiffe gesetzten und jenseits der feindlichen Verschanzungen gelandeten leichten Truppen angreifen ließ, landete eine dritte Abteilung in dem Zwischenraum zwischen beiden Linien und griff die schon hinreichend beschäftigten Verteidiger derselben im Rücken an. Die zunächst am Meer befindliche Schanze wurde genommen und die Besatzung floh in wilder Verwirrung; mit Mühe gelang es dem Befehlshaber der nächsten Schanze, Marcus Antonius, diese zu behaupten und für den Augenblick dem Vordringen der Pompeianer ein Ziel zu setzen; aber, abgesehen von dem ansehnlichen Verlust, blieb die äußerste Schanze am Meer in den Händen der Pompeianer und die Linie durchbrochen. Um so eifriger ergriff Caesar die Gelegenheit, die bald darauf sich ihm darbot, eine unvorsichtig sich vereinzelnde Pompeianische Legion mit dem Gros seiner Infanterie anzugreifen. Allein die Angegriffenen leisteten tapferen Widerstand, und in dem mehrmals zum Lager größerer und kleinerer Abteilungen benutzten und kreuz und quer von Wällen und Gräben durchzogenen Terrain, auf dem gefochten ward, kam Caesars rechter Flügel nebst der Reiterei ganz vom Wege ab statt den linken im Angriff auf die Pompeianische Legion zu unterstützen, geriet er in einen engen, aus einem der alten Lager zum Fluß hingeführten Laufgraben. So fand Pompeius, der den Seinigen zu Hilfe mit fünf Legionen eiligst herbeikam, die beiden Flügel der Feinde voneinander getrennt und den einen in einer gänzlich preisgegebenen Stellung. Wie die Caesarianer ihn anrücken sahen, ergriff sie ein panischer Schreck; alles stürzte in wilder Flucht zurück, und wenn es bei dem Verlust von 1000 der besten Soldaten blieb und Caesars Armee nicht eine vollständige Niederlage erlitt, so hatte sie dies nur dem Umstand zu danken, daß auch Pompeius sich auf dem durchschnittenen Boden nicht frei entwickeln konnte und überdies, eine Kriegslist besorgend, seine Truppen anfangs zurückhielt. Aber auch so waren es unheilvolle Tage. Nicht bloß hatte Caesar die empfindlichsten Verluste erlitten und seine Verschanzungen, das Resultat einer viermonatlichen Riesenarbeit, auf einen Schlag eingebüßt: er war durch die letzten Gefechte wieder genau auf den Punkt zurückgeworfen, von welchem er ausgegangen war. Von der See war er vollständiger verdrängt als je, seit des Pompeius ältester Sohn Gnaeus Caesars wenige, im Hafen von Orikon lagernde Kriegsschiffe durch einen kühnen Angriff teils verbrannt, teils weggeführt und bald nachher die in Lissos zurückgebliebene Truppenflotte gleichfalls in Brand gesteckt hatte; jede Möglichkeit, von Brundisium noch weitere Verstärkungen zur See heranzuziehen, war damit für Caesar verloren. Die zahlreiche Pompeianische Reiterei, jetzt ihrer Fesseln entledigt, ergoß sich in die Umgegend und drohte Caesar die stets schwierige Verpflegung der Armee völlig unmöglich zu machen. Caesars verwegenes Unternehmen, gegen einen seemächtigen, auf die Flotte gestützten Feind ohne Schiffe offensiv zu operieren, war vollständig gescheitert. Auf dem bisherigen Kriegsschauplatz fand er sich einer unbezwinglichen Verteidigungsstellung gegenüber und weder gegen Dyrrhachion noch gegen das feindliche Heer einen ernstlichen Schlag auszuführen imstande; dagegen hing es jetzt nur von Pompeius ab, gegen den bereits in seinen Subsistenzmitteln sehr gefährdeten Gegner unter den günstigsten Verhältnissen zum Angriff überzugehen. Der Krieg war an einem Wendepunkt angelangt. Bisher hatte Pompeius, allem Anscheine nach, das Kriegsspiel ohne eigenen Plan gespielt und nur nach dem jedesmaligen Angriff seine Verteidigung bemessen; und es war dies nicht zu tadeln, da das Hinziehen des Krieges ihm Gelegenheit gab, seine Rekruten schlagfähig zu machen, seine Reserven heranzuziehen und das Übergewicht seiner Flotte im Adriatischen Meer immer vollständiger zu entwickeln. Caesar war nicht bloß taktisch, sondern auch strategisch geschlagen. Diese Niederlage hatte zwar nicht diejenige Folge, die Pompeius nicht ohne Ursache erhoffte: zu einer sofortigen völligen Auflösung der Armee durch Hunger und Meuterei ließ die eminente soldatische Energie der Veteranen Caesars es nicht kommen. Allein es schien doch nur von dem Gegner abzuhängen, durch zweckmäßige Verfolgung seines Sieges die volle Frucht desselben zu ernten.

An Pompeius war es, die Offensive zu ergreifen, und er war dazu entschlossen. Es boten sich ihm drei verschiedene Wege dar, um seinen Sieg fruchtbar zu machen. Der erste und einfachste war, von der überwundenen Armee nicht abzulassen und, wenn sie aufbrach, sie zu verfolgen. Ferner konnte Pompeius Caesar selbst und dessen Kerntruppen in Griechenland stehen lassen und selber, wie er längst vorbereitet hatte, mit der Hauptarmee nach Italien überfahren, wo die Stimmung entschieden antimonarchisch war und die Streitmacht Caesars, nach Entsendung der besten Truppen und des tapfern und zuverlässigen Kommandanten zu der griechischen Armee, nicht gar viel bedeuten wollte. Endlich konnte der Sieger sich auch in das Binnenland wenden, die Legionen des Metellus Scipio an sich liehen und versuchen, die im Binnenlande stehenden Truppen Caesars aufzuheben. Es hatte nämlich dieser, unmittelbar nachdem der zweite Transport bei ihm eingetroffen war, teils, um die Subsistenzmittel für seine Armee herbeizuschaffen, starke Detachements nach Ätolien und Thessalien entsandt, teils ein Korps von zwei Legionen unter Gnaeus Domitius Calvinus auf der Egnatischen Chaussee gegen Makedonien vorgehen lassen, das dem auf derselben Straße von Thessalonike her anrückenden Korps des Scipio den Weg verlegen und womöglich es einzeln schlagen sollte. Schon hatten Calvinus und Scipio sich bis auf wenige Meilen einander genähert, als Scipio sich plötzlich rückwärts wandte und, rasch den Haliakmon (Jadsche Karasu) überschreitend und dort sein Gepäck unter Marcus Favonius zurücklassend, in Thessalien eindrang, um die mit der Unterwerfung des Landes beschäftigte Rekrutenlegion Caesars unter Lucius Cassius Longinus mit Übermacht anzugreifen. Longinus aber zog sich über die Berge nach Ambrakia auf das von Caesar nach Ätolien gesandte Detachement unter Gnaeus Calvisius Sabinus zurück, und Scipio konnte ihn nur durch seine thrakischen Reiter verfolgen lassen, da Calvinus seine unter Favonius am Haliakmon zurückgelassene Reserve mit dem gleichen Schicksale bedrohte, welches er selbst dem Longinus zu bereiten gedachte. So trafen Calvinus und Scipio am Haliakmon wieder zusammen und lagerten hier längere Zeit einander gegenüber.

Pompeius konnte zwischen diesen Plänen wählen; Caesar blieb keine Wahl. Er trat nach jenem unglücklichen Gefechte den Rückzug auf Apollonia an. Pompeius folgte. Der Marsch von Dyrrhachion nach Apollonia auf einer schwierigen, von mehreren Flüssen durchschnittenen Straße war keine leichte Aufgabe für eine geschlagene und vom Feinde verfolgte Armee; indes die geschickte Leitung ihres Feldherrn und die unverwüstliche Marschfähigkeit der Soldaten nötigten Pompeius nach viertägiger Verfolgung, dieselbe als nutzlos einzustellen. Er hatte jetzt sich zu entscheiden zwischen der italischen Expedition und dem Marsch in das Binnenland; und so rätlich und lockend auch jene schien, so manche Stimmen auch dafür sich erhoben, er zog es doch vor, das Korps des Scipio nicht preiszugeben, um so mehr, als er durch diesen Marsch das des Calvinus in die Hände zu bekommen hoffte. Calvinus stand augenblicklich auf der Egnatischen Straße bei Herakleia Lynkestis, zwischen Pompeius und Scipio und, nachdem Caesar sich auf Apollonia zurückgezogen, von diesem weiter entfernt als von der großen Armee des Pompeius, zu allem dem ohne Kenntnis von den Vorgängen bei Dyrrhachion und von seiner bedenklichen Lage, da nach den bei Dyrrhachion erlangten Erfolgen die ganze Landschaft sich zu Pompeius neigte und die Boten Caesars überall aufgegriffen wurden. Erst als die feindliche Hauptmacht bis auf wenige Stunden sich ihm genähert hatte, erfuhr Calvinus aus den Erzählungen der feindlichen Vorposten selbst den Stand der Dinge. Ein rascher Aufbruch in südlicher Richtung gegen Thessalien zu entzog ihn im letzten Augenblick der drohenden Vernichtung; Pompeius mußte sich damit begnügen, Scipio aus seiner gefährdeten Stellung befreit zu haben. Caesar war inzwischen unangefochten nach Apollonia gelangt. Sogleich nach der Katastrophe von Dyrrhachion hatte er sich entschlossen, wenn möglich den Kampf von der Küste weg in das Binnenland zu verlegen, um die letzte Ursache des Fehlschlagens seiner bisherigen Anstrengungen, die feindliche Flotte, aus dem Spiel zu bringen. Der Marsch nach Apollonia hatte nur den Zweck gehabt, dort, wo seine Depots sich befanden, seine Verwundeten in Sicherheit zu bringen und seinen Soldaten die Löhnung zu zahlen; sowie dies geschehen war, brach er, mit Hinterlassung von Besatzungen in Apollonia, Orikon und Lissos, nach Thessalien auf. Nach Thessalien hatte auch das Korps des Calvinus sich in Bewegung gesetzt; und die aus Italien, jetzt auf dem Landwege durch Illyrien, anrückenden Verstärkungen, zwei Legionen unter Quintus Cornificius, konnte er gleichfalls hier leichter noch als in Epirus an sich ziehen. Auf schwierigen Pfaden im Tale des Aoos aufwärtssteigend und die Bergkette überschreitend, die Epirus von Thessalien scheidet, gelangte er an den Peneios; ebendorthin ward Calvinus dirigiert und die Vereinigung der beiden Armeen also auf dem kürzesten und dem Feinde am wenigsten ausgesetzten Wege bewerkstelligt. Sie erfolgte bei Aeginion unweit der Quelle des Peneios. Die erste thessalische Stadt, vor der die jetzt vereinigte Armee erschien, Gomphoi, schloß ihr die Tore; sie ward rasch erstürmt und der Plünderung preisgegeben, und dadurch geschreckt unterwarfen sich die übrigen Städte Thessaliens, sowie nur Caesars Legionen vor den Mauern sich zeigten. Über diesen Märschen und Gefechten und mit Hilfe der, wenn auch nicht allzureichlichen, Vorräte, die die Landschaft am Peneios darbot, schwanden allmählich die Spuren und die Erinnerungen der überstandenen unheilvollen Tage.

Unmittelbare Früchte also hatten die Siege von Dyrrhachion für die Sieger nicht viele getragen. Pompeius, mit seiner schwerfälligen Armee und seiner zahlreichen Reiterei, hatte dem beweglichen Feind in die Gebirge zu folgen nicht vermocht; Caesar wie Calvinus hatten der Verfolgung sich entzogen und beide standen vereinigt und in voller Sicherheit in Thessalien. Vielleicht wäre es das richtigste gewesen, wenn Pompeius jetzt ohne weiteres mit seiner Hauptmacht zu Schiff nach Italien gegangen wäre, wo der Erfolg kaum zweifelhaft war. Indes vorläufig ging nur eine Abteilung der Flotte nach Sizilien und Italien ab. Man betrachtete im Lager der Koalition durch die Schlachten von Dyrrhachion die Sache mit Caesar als so vollständig entschieden, daß es nur galt, die Früchte der Siege zu ernten, das heißt, die geschlagene Armee aufzusuchen und abzufangen. An die Stelle der bisherigen übervorsichtigen Zurückhaltung trat ein durch die Umstände noch weniger gerechtfertigter Übermut; man achtete es nicht, daß man in der Verfolgung doch eigentlich gescheitert war, daß man sich gefaßt halten mußte, in Thessalien auf eine völlig erfrischte und reorganisierte Armee zu treffen und daß es nicht geringe Bedenken hatte, vom Meere sich entfernend und auf die Unterstützung der Flotte verzichtend, dem Gegner auf das von ihm gewählte Schlachtfeld zu folgen. Man war eben entschlossen, um jeden Preis mit Caesar zu schlagen und darum baldmöglichst und auf dem möglichst bequemen Wege an ihn zu kommen. Cato übernahm das Kommando in Dyrrhachion, wo eine Besatzung von achtzehn Kohorten, und in Kerkyra, wo 300 Kriegsschiffe zurückblieben: Pompeius und Scipio begaben sich, jener wie es scheint die Egnatische Chaussee bis Pella verfolgend und dann die große Straße nach Süden einschlagend, dieser vom Haliakmon aus durch die Pässe des Olymp, an den unteren Peneios und trafen bei Larisa zusammen. Caesar stand südlich davon in der Ebene, die zwischen dem Hügelland von Kynoskephalä und dem Othrysgebirge sich ausbreitet und von dem Nebenfluß des Peneios, dem Enipeus, durchschnitten wird, am linken Ufer desselben bei der Stadt Pharsalos; ihm gegenüber, am rechten Ufer des Enipeus am Abhang der Höhen von Kynoskephalä, schlug Pompeius sein Lager77. Pompeius‘ Armee war vollständig beisammen; Caesar dagegen erwartete noch das früher nach Ätolien und Thessalien detachierte, jetzt unter Quintus Fufius Calenus in Griechenland stehende Korps von fast zwei Legionen und die auf dem Landweg von Italien ihm nachgesandten und bereits in Illyrien angelangten zwei Legionen des Cornificius. Pompeius‘ Heer, elf Legionen oder 47000 Mann und 7000 Pferde stark, war dem Caesar an Fußvolk um mehr als das Doppelte, an Reiterei um das Siebenfache überlegen; Strapazen und Gefechte hatten Caesars Truppen so dezimiert, daß seine acht Legionen nicht über 22000 Mann unter den Waffen, also bei weitem nicht die Hälfte des Normalbestandes zählten. Pompeius‘ siegreiche, mit einer zahllosen Reiterei und guten Magazinen versehene Armee hatte Lebensmittel in Fülle, während Caesars Truppen notdürftig sich hinhielten und erst von der nicht fernen Getreideernte bessere Verpflegung erhofften. Die Stimmung der Pompeianischen Soldaten, die in der letzten Kampagne den Krieg kennen und ihrem Führer vertrauen gelernt hatten, war die beste. Alle militärischen Gründe sprachen auf Pompeius‘ Seite dafür, da man nun einmal in Thessalien Caesar gegenüberstand, mit der Entscheidungsschlacht nicht lange zu zögern; und mehr wohl noch als diese wog im Kriegsrat die Emigrantenungeduld der vielen vornehmen Offiziere und Heerbegleiter. Seit den Ereignissen von Dyrrhachion betrachteten diese Herren den Triumph ihrer Partei als eine ausgemachte Tatsache; bereits wurde eifrig gehadert über die Besetzung von Caesars Oberpontifikat und Aufträge nach Rom gesandt, um für die nächsten Wahlen Häuser am Markt zu mieten. Als Pompeius Bedenken zeigte, den Bach, der beide Heere schied und den Caesar mit seinem viel schwächeren Heer zu passieren sich nicht getraute, seinerseits zu überschreiten, erregte dies großen Unwillen; Pompeius, hieß es, zaudere nur mit der Schlacht, um noch etwas länger über so viele Konsulare und Prätorier zu gebieten und seine Agamemnonrolle zu verewigen. Pompeius gab nach; und Caesar, der in der Meinung, daß es nicht zum Kampf kommen werde, eben eine Umgehung der feindlichen Armee entworfen hatte und dazu gegen Skotussa aufzubrechen im Begriff war, ordnete ebenfalls seine Legionen zur Schlacht, als er die Pompeianer sich anschicken sah, sie auf seinem Ufer ihm anzubieten. Also ward, fast auf derselben Walstatt, wo hundertfünfzig Jahre zuvor die Römer ihre Herrschaft im Osten begründet hatten, am 9. August 706 (48) die Schlacht von Pharsalos geschlagen. Pompeius lehnte den rechten Flügel an den Enipeus, Caesar ihm gegenüber den linken an das vor dem Enipeus sich ausbreitende durchschnittene Terrain; die beiden anderen Flügel standen in die Ebene hinaus, beiderseits gedeckt durch die Reiterei und die leichten Truppen. Pompeius‘ Absicht war, sein Fußvolk in der Verteidigung zu halten, dagegen mit seiner Reiterei die schwache Reiterschar, die, nach deutscher Art mit leichter Infanterie gemischt, ihr gegenüberstand, zu zersprengen und sodann Caesars rechten Flügel in den Rücken zu nehmen. Sein Fußvolk hielt den ersten Stoß der feindlichen Infanterie mutig aus und es kam das Gefecht hier zum Stehen. Labienus sprengte ebenfalls die feindliche Reiterei nach tapferem, aber kurzem Widerstand auseinander und entwickelte sich linkshin, um das Fußvolk zu umgehen. Aber Caesar, die Niederlage seiner Reiterei voraussehend, hatte hinter ihr auf der bedrohten Flanke seines rechten Flügels etwa 2000 seiner besten Legionäre aufgestellt. Wie die feindlichen Reiter, die Caesarischen vor sich hertreibend, heran und um die Linie herum jagten, prallten sie plötzlich auf diese unerschrocken gegen sie anrückende Kernschar und, durch den unerwarteten und ungewohnten Infanterieangriff78 rasch in Verwirrung gebracht, sprengten sie mit verhängten Zügeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionäre hieben die preisgegebenen feindlichen Schützen zusammen, rückten dann auf den linken Flügel des Feindes los und begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars bisher zurückgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des Pompeianischen Heeres, wie sie den Mut der Gegner hob, brach den der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der seinem Fußvolk von Haus aus nicht traute, die Reiter zurückjagen sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurück in das Lager, ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Gesamtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwanken und bald über den Bach in das Lager zurückzuweichen, was nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war also verloren und mancher tüchtige Soldat gefallen, die Armee indes noch im wesentlichen intakt und Pompeius‘ Lage weit minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyrrhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfällen seiner Geschicke es gelernt hatte, daß das Glück auch seinen Günstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen liebt, um durch Beharrlichkeit von ihnen abermals bezwungen zu werden, so kannte Pompeius das Glück bis dahin nur als die beständige Göttin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich; und wenn in Caesars großartiger Natur die Verzweiflung nur immer mächtigere Kräfte entwickelte, so versank Pompeius‘ dürftige Seele unter dem gleichen Druck in den bodenlosen Abgrund der Kümmerlichkeit. Wie er einst im Kriege mit Sertorius im Begriff gewesen war, das anvertraute Amt im Stiche lassend vor dem überlegenen Gegner auf und davon zu gehen, so warf er jetzt, da er die Legionen über den Bach zurückweichen sah, die verhängnisvolle Feldherrnschärpe von sich und ritt auf dem nächsten Weg dem Meere zu, um dort ein Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmutigt und führerlos – denn Scipio, obwohl von Pompeius als Kollege im Oberkommando anerkannt, war doch nur dem Namen nach Oberfeldherr –, hoffte hinter den Lagerwällen Schutz zu finden; aber Caesar gestattete ihr keine Rast: rasch wurde die hartnäckige Gegenwehr der römischen und thrakischen Lagerwachen überwältigt und die Masse genötigt, sich in Unordnung die Anhöhen von Krannon und Skotussa hinaufzuziehen, an deren Fuße das Lager geschlagen war. Sie versuchte, auf diesen Hügeln sich fortbewegend Larisa wiederzuerreichen; allein Caesars Truppen, weder der Beute noch der Müdigkeit achtend und auf besseren Wegen in die Ebene vorrückend, verlegten den Flüchtigen den Weg; ja, als am späten Abend die Pompeianer ihren Marsch einstellten, vermochten ihre Verfolger es noch, eine Schanzlinie zu ziehen, die den Flüchtigen den Zugang zu dem einzigen in der Nähe befindlichen Bach verschloß. So endigte der Tag von Pharsalos. Die feindliche Armee war nicht bloß geschlagen, sondern vernichtet. 15000 der Feinde lagen tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld, während die Caesarianer nur 200 Mann vermißten; die noch zusammengebliebene Masse, immer noch gegen 20000 Mann, streckte am Morgen nach der Schlacht die Waffen; nur einzelne Trupps, darunter freilich die namhaftesten Offiziere, suchten eine Zuflucht in den Bergen; von den elf feindlichen Adlern wurden neun Caesar überbracht. Caesar, der schon am Tage der Schlacht die Soldaten erinnert hatte, im Feinde nicht den Mitbürger zu vergessen, behandelte die Gefangenen nicht wie Bibulus und Labienus es taten; indes auch er fand doch nötig, jetzt die Strenge walten zu lassen. Die gemeinen Soldaten wurden in das Heer eingereiht, gegen die Leute besseren Standes Geldbußen oder Vermögenskonfiskationen erkannt; die gefangenen Senatoren und namhaften Ritter erlitten, mit wenigen Ausnahmen, den Tod. Die Zeiten der Gnade waren vorbei; je länger er währte, desto rücksichtsloser und unversöhnlicher waltete der Bürgerkrieg.

Es dauerte einige Zeit, bevor die Folgen des 9. August 706 (48) vollständig sich übersehen ließen. Was am wenigsten Zweifel litt, war der Übertritt aller derer, die zu der bei Pharsalos überwundenen Partei nur als zu der mächtigeren sich geschlagen hatten, auf die Seite Caesars; die Niederlage war eine so völlig entscheidende, daß dem Sieger alles zufiel, was nicht für eine verlorene Sache streiten wollte oder mußte. Alle die Könige, Völker und Städte, die bisher Pompeius‘ Klientel gebildet hatten, riefen jetzt ihre Flotten- und Heereskontingente zurück und verweigerten den Flüchtlingen der geschlagenen Partei die Aufnahme – so Ägypten, Kyrene, die Gemeinden Syriens, Phönikiens, Kilikiens und Kleinasiens, Rhodos, Athen und überhaupt der ganze Osten. Ja, König Pharnakes vom Bosporus trieb den Diensteifer so weit, daß er auf die Nachricht von der Pharsalischen Schlacht nicht bloß die manches Jahr zuvor vom Pompeius frei erklärte Stadt Phanagoria und die Gebiete der von ihm bestätigten kolchischen Fürsten, sondern selbst das von demselben dem König Deiotarus verliehene Königreich Klein-Armenien in Besitz nahm. Fast die einzigen Ausnahmen von dieser allgemeinen Unterwerfung waren die kleine Stadt Megara, die von den Caesarianern sich belagern und erstürmen ließ, und König Juba von Numidien, der von Caesar die Einziehung seines Reiches schon längst und nach dem Siege über Curio nur um so sicherer zu gewärtigen hatte und also freilich, wohl oder übel, bei der geschlagenen Partei ausharren mußte. Ebenso wie die Klientelgemeinden sich dem Sieger von Pharsalos unterwarfen, kam auch der Schweif der Verfassungspartei, alle, die mit halbem Herzen mitgemacht hatten oder gar, wie Marcus Cicero und seinesgleichen, nur um die Aristokratie herumtrippelten wie die Halbhexen um den Blocksberg, herbei, um mit dem neuen Alleinherrscher ihren Frieden zu machen, den denn auch dessen geringschätzige Nachsicht den Bittstellern bereitwillig und höflich gewährte. Aber der Kern der geschlagenen Partei transigierte nicht. Mit der Aristokratie war es vorbei; aber die Aristokraten konnten doch sich nimmermehr zur Monarchie bekehren. Auch die höchsten Offenbarungen der Menschheit sind vergänglich; die einmal wahre Religion kann zur Lüge, die einst segenhafte Staatsordnung zum Fluche werden; aber selbst das vergangene Evangelium noch findet Bekenner, und wenn solcher Glaube nicht Berge versetzen kann wie der Glaube an die lebendige Wahrheit, so bleibt er doch sich selber bis zu seinem Untergange treu und weicht aus dem Reiche der Lebendigen nicht, bevor er seine letzten Priester und seine letzten Bürger sich nachgezogen hat und ein neues Geschlecht, von jenen Schemen des Gewesenen und Verwesenden befreit, über die verjüngte Welt regiert. So war es in Rom. In welchen Abgrund der Entartung auch jetzt das aristokratische Regiment versunken war, es war einst ein großartiges politisches System gewesen; das heilige Feuer, durch das Italien erobert und Hannibal besiegt worden war, glühte, wie getrübt und verdumpft, dennoch fort in dem römischen Adel, solange es einen solchen gab, und machte eine innerliche Verständigung zwischen den Männern des alten Regiments und dem neuen Monarchen unmöglich. Ein großer Teil der Verfassungspartei fügte sich wenigstens äußerlich und erkannte die Monarchie insofern an, als sie von Caesar Gnade annahmen und soweit möglich, sich ins Privatleben zurückzogen; was freilich regelmäßig nicht ohne den Hintergedanken geschah, sich damit auf einen künftigen Umschwung der Dinge aufzusparen. Vorzugsweise taten dies die minder namhaften Parteigenossen; doch zählte auch der tüchtige Marcus Marcellus, derselbe, der den Bruch mit Caesar herbeigeführt hatte, zu diesen Verständigen und verbannte sich freiwillig nach Lesbos. Aber in der Majorität der echten Aristokratie war die Leidenschaft mächtiger als die kühle Überlegung; wobei freilich auch Selbsttäuschungen über den noch möglichen Erfolg und Besorgnisse vor der unvermeidlichen Rache des Siegers mannigfaltig mitwirkten. Keiner wohl beurteilte mit so schmerzlicher Klarheit und so frei von Furcht wie von Hoffnung für sich die Lage der Dinge wie Marcus Cato. Vollkommen überzeugt, daß nach den Tagen von Ilerda und Pharsalos die Monarchie unvermeidlich sei, und sittlich fest genug, um auch diese bittere Wahrheit sich einzugestehen und danach zu handeln, schwankte er einen Augenblick, ob die Verfassungspartei den Krieg überhaupt noch fortsetzen dürfe, der notwendig für eine verlorene Sache vielen Opfer zumutete, die nicht wußten, wofür sie sie brachten. Aber wenn er sich entschloß, weiter gegen die Monarchie zu kämpfen, nicht um den Sieg, sondern um rascheren und ehrenvolleren Untergang, so suchte er doch soweit möglich in diesen Krieg keinen hineinzuziehen, der den Untergang der Republik überleben und mit der Monarchie sich abfinden mochte. Solange die Republik nur bedroht gewesen, meinte er, habe man das Recht und die Pflicht gehabt, auch den lauen und schlechten Bürger zur Teilnahme an dem Kampfe zu zwingen; aber jetzt sei es sinnlos und grausam, den einzelnen zu nötigen, daß er mit der verlorenen Republik sich zugrunde richte. Nicht bloß entließ er selbst jeden, der nach Italien heimzukehren begehrte; als der wildeste unter den wilden Parteimännern, Gnaeus Pompeius der Sohn, auf die Hinrichtung dieser Leute, namentlich des Cicero drang, war es einzig Cato, der sie durch seine sittliche Autorität verhinderte.

Auch Pompeius begehrte keinen Frieden. Wäre er ein Mann gewesen, der es verdiente, an dem Platze zu stehen, wo er stand, so möchte man meinen, er habe es begriffen, daß, wer nach der Krone greift, nicht wieder zurück kann in das Geleise der gewöhnlichen Existenz und darum für den, der fehlgegriffen, kein Platz mehr auf der Erde ist. Allein schwerlich dachte Pompeius zu groß, um eine Gnade zu erbitten, die der Sieger vielleicht hochherzig genug gewesen wäre, ihm nicht zu versagen, sondern vielmehr wahrscheinlich dazu zu gering. Sei es, daß er es nicht über sich gewann, Caesar sich anzuvertrauen, sei es, daß er in seiner gewöhnlichen unklaren und unentschiedenen Weise, nachdem der erste unmittelbare Eindruck der Katastrophe von Pharsalos geschwunden war, wieder anfing, Hoffnung zu schöpfen, Pompeius war entschlossen, den Kampf gegen Caesar fortzusetzen und nach dem Pharsalischen noch ein anderes Schlachtfeld sich zu suchen.

So ging also, wie Caesar immer durch Klugheit und Mäßigung den Groll seiner Gegner zu beschwichtigen und ihre Zahl zu mindern bemüht war, der Kampf nichtsdestoweniger unabänderlich weiter. Allein die führenden Männer hatten fast alle bei Pharsalos mitgefochten, und obwohl sie, mit Ausnahme von Lucius Domitius Ahenobarbus, der auf der Flucht niedergemacht ward, sämtlich sich retteten, wurden sie doch nach allen Seiten hin versprengt, weshalb sie nicht dazu kamen, einen gemeinschaftlichen Plan für die Fortsetzung des Feldzuges zu verabreden. Die meisten von ihnen gelangten, teils durch die öden makedonischen und illyrischen Gebirge, teils mit Hilfe der Flotte, nach Kerkyra, wo Marcus Cato die zurückgelassene Reserve kommandierte. Hier fand unter Catos Vorsitz eine Art Kriegsrat statt, dem Metellus Scipio, Titus Labienus, Lucius Afranius, Gnaeus Pompeius der Sohn und andere beiwohnten; allein teils die Abwesenheit des Oberfeldherrn und die peinliche Ungewißheit über sein Schicksal, teils die innere Zerfahrenheit der Partei verhinderte eine gemeinsame Beschlußfassung, und es schlug schließlich jeder den Weg ein, der ihm für sich oder für die gemeine Sache der zweckmäßigste zu sein schien. Es war in der Tat in hohem Grade schwierig, unter den vielen Strohhalmen, an die man etwa sich anklammern konnte, denjenigen zu bezeichnen, der am längsten über Wasser halten würde. Makedonien und Griechenland waren durch die Schlacht von Pharsalos verloren. Zwar hielt Cato, nachdem er auf die Nachricht von der Niederlage Dyrrhachion sogleich geräumt hatte, nach Kerkyra, Rutilius Lupus noch den Peloponnes eine Zeitlang für die Verfassungspartei. Einen Augenblick schien es auch, als wollten die Pompeianer sich in Paträ auf dem Peloponnes verteidigen; allein die Nachricht von Calenus‘ Anrücken genügte, um sie von hier zu verscheuchen. Kerkyra zu behaupten wurde ebensowenig versucht. An der italischen und sizilischen Küste hatten die nach den Siegen von Dyrrhachion dorthin entsandten Pompeianischen Geschwader gegen die Häfen von Brundisium, Messana und Vibo nicht unbedeutende Erfolge errungen und in Messana namentlich die ganze in der Ausrüstung begriffene Flotte Caesars niedergebrannt; allein die hier tätigen Schiffe, größtenteils kleinasiatische und syrische, wurden infolge der Pharsalischen Schlacht von ihren Gemeinden abberufen, so daß die Expedition damit von selber ein Ende nahm. In Kleinasien und Syrien standen augenblicklich gar keine Truppen, weder der einen noch der anderen Partei, mit Ausnahme der bosporanischen Armee des Pharnakes, die, angeblich für Rechnung Caesars, verschiedene Landschaften der Gegner desselben eingenommen hatte. In Ägypten stand zwar noch ein ansehnliches römisches Heer, gebildet aus den dort von Gabinius zurückgelassenen und seitdem aus italischen Landstreichern und syrischem oder kilikischem Räubergesindel rekrutierten Truppen; allein es verstand sich von selbst und ward durch die Rückberufung der ägyptischen Schiffe bald offiziell bestätigt, daß der Hof von Alexandreia keineswegs die Absicht hatte, bei der geschlagenen Partei auszuhalten oder gar ihr seine Truppenmacht zur Verfügung zu stellen. Etwas günstigere Aussichten boten sich den Besiegten im Westen dar. In Spanien waren unter der Bevölkerung die Pompeianischen Sympathien so mächtig, daß die Caesarianer den von dort aus gegen Afrika beabsichtigten Angriff deswegen unterlassen mußten und eine Insurrektion unausbleiblich schien, sowie ein namhafter Führer auf der Halbinsel sich zeigen würde. In Afrika aber hatte die Koalition oder vielmehr der eigentliche Machthaber daselbst, König Juba von Numidien, seit dem Herbst 705 (49) ungestört gerüstet. Wenn also der ganze Osten durch die Schlacht von Pharsalos der Koalition verloren war, so konnte sie dagegen in Spanien wahrscheinlich und sicher in Afrika den Krieg in ehrenhafter Weise weiterführen; denn die Hilfe des längst der römischen Gemeinde untertänigen Königs von Numidien gegen revolutionäre Mitbürger in Anspruch zu nehmen, war für den Römer wohl eine peinliche Demütigung, aber keineswegs ein Landesverrat. Wem freilich in diesem Kampfe der Verzweiflung weder Recht noch Ehre etwas weiter galt, der mochte auch, sich selber außerhalb des Gesetzes erklärend, die Räuberfehde eröffnen oder, mit unabhängigen Nachbarstaaten in Bündnis tretend, den Landesfeind in den inneren Streit hineinziehen oder endlich, die Monarchie mit den Lippen bekennend, die Restauration der legitimen Republik mit dem Dolch des Meuchelmörders betreiben. Daß die Überwundenen austraten und der neuen Monarchie absagten, war wenigstens der natürliche und insofern richtigste Ausdruck ihrer verzweifelten Lage. Das Gebirge und vor allem das Meer waren in jener Zeit seit Menschengedenken wie die Freistatt allen Frevels, so auch die des unerträglichen Elends und des unterdrückten Rechtes; Pompeianern und Republikanern lag es nahe, der Monarchie Caesars, die sie ausstieß, in den Bergen und auf den Meeren trotzig den Krieg zu machen, und namentlich nahe, die Piraterie in größerem Maßstab, in festerer Geschlossenheit, mit bestimmteren Zielen aufzunehmen. Selbst nach der Abberufung der aus dem Osten gekommenen Geschwader besaßen sie noch eine sehr ansehnliche eigene Flotte, während Caesar immer noch so gut wie ohne Kriegsschiffe war; und ihre Verbindung mit den Delmatern, die im eigenen Interesse gegen Caesar aufgestanden waren, ihre Herrschaft über die wichtigsten Meere und Hafenplätze, gaben für den Seekrieg, namentlich im kleinen, die vorteilhaftesten Aussichten. Wie einst Sullas Demokratenhetze geendigt hatte mit dem Sertorianischen Aufstand, der anfangs Piraten-, dann Räuberfehde war und schließlich doch ein sehr ernstlicher Krieg ward, so konnte, wenn in der catonischen Aristokratie oder unter den Anhängern des Pompeius so viel Geist und Feuer war wie in der marianischen Demokratie, und wenn in ihr der rechte Seekönig sich fand, auf dem noch unbezwungenen Meere wohl ein von Caesars Monarchie unabhängiges und vielleicht dieser gewachsenes Gemeinwesen entstehen.

In jeder Hinsicht weit schärfere Mißbilligung verdient der Gedanke, einen unabhängigen Nachbarstaat in den römischen Bürgerkrieg hineinzuziehen und durch ihn eine Konterrevolution herbeizuführen: Gesetz und Gewissen verurteilen den Überläufer strenger als den Räuber, und leichter findet die siegreiche Räuberschar den Rückweg zu einem freien und geordneten Gemeinwesen, als die vom Landesfeind zurückgeführte Emigration. Übrigens war es auch kaum wahrscheinlich, daß die geschlagene Partei auf diesem Wege eine Restauration würde bewirken können. Der einzige Staat, auf den sie versuchen konnte sich zu stützen, war der der Parther; und von diesem war es wenigstens zweifelhaft, ob er ihre Sache zu der seinigen machen, und sehr unwahrscheinlich, daß er gegen Caesar sie durchfechten werde. Die Zeit der republikanischen Verschwörungen aber war noch nicht gekommen.

Während also die Trümmer der geschlagenen Partei ratlos vom Schicksal sich treiben ließen und auch die den Kampf fortzusetzen entschieden waren nicht wußten, wie noch wo, hatte Caesar, wie immer rasch entschlossen und rasch handelnd, alles beiseite gelassen, um Pompeius zu verfolgen, den einzigen seiner Gegner, den er als Offizier achtete, und denjenigen, dessen persönliche Gefangennahme die eine und vielleicht die gefährlichere Hälfte seiner Gegner wahrscheinlich paralysiert haben würde. Mit weniger Mannschaft fuhr er über den Hellespont – seine einzelne Barke traf in demselben auf eine feindliche, nach dem Schwarzen Meere bestimmte Flotte und nahm die ganze, durch die Kunde von der Pharsalischen Schlacht wie mit Betäubung geschlagene Mannschaft derselben gefangen – und eilte, sowie die notwendigsten Anordnungen getroffen waren, Pompeius in den Osten nach. Dieser war vom Pharsalischen Schlachtfeld nach Lesbos gegangen, wo er seine Gemahlin und seinen zweiten Sohn Sextus abholte, und weiter um Kleinasien herum nach Kilikien und von da nach Kypros gesegelt. Er hätte zu seinen Parteigenossen nach Kerkyra oder Afrika gelangen können; allein der Widerwille gegen seine aristokratischen Verbündeten und der Gedanke an die Aufnahme, die nach dem Tage von Pharsalos und vor allem nach seiner schimpflichen Flucht ihn dort erwartete, scheinen ihn bewogen zu haben, seinen Weg für sich zu gehen und lieber in den Schutz des Partherkönigs als in den Catos sich zu begeben. Während er beschäftigt war, von den römischen Steuerpächtern und Kaufleuten auf Kypros Geld und Sklaven beizutreiben und einen Haufen von 2000 Sklaven zu bewaffnen, erhielt er die Nachricht, daß Antiocheia sich für Caesar erklärt habe und der Weg zu den Parthern nicht mehr offen sei. So änderte er seinen Plan und ging unter Segel nach Ägypten, wo in dem Heere eine Menge seiner alten Soldaten dienten und die Lage und die reichen Hilfsmittel des Landes Zeit und Gelegenheit gewährten, den Krieg zu reorganisieren.

In Ägypten hatten nach Ptolemaeos Auletes‘ Tode (Mai 703 51) dessen Kinder, die etwa sechzehnjährige Kleopatra und der zehnjährige Ptolemaeos Dionysos, nach dem Willen ihres Vaters gemeinschaftlich und als Gatten, den Thron bestiegen; allein bald hatte der Bruder oder vielmehr dessen Vormund Potheinos die Schwester aus dem Reiche getrieben und sie genötigt, eine Zuflucht in Syrien zu suchen, von wo aus sie Anstalten traf, um in ihr väterliches Reich zurückzugelangen. Ptolemaeos und Potheinos standen eben, um gegen sie die Ostgrenze zu decken, mit der ganzen ägyptischen Armee bei Pelusion, als Pompeius bei dem Kasischen Vorgebirge vor Anker ging und den König ersuchen ließ, ihm die Landung zu gestatten. Der ägyptische Hof, längst von der Katastrophe bei Pharsalos unterrichtet, war im Begriffe, Pompeius zurückzuweisen; allein der Hofmeister des Königs, Theodotos, wies darauf hin, daß in diesem Falle Pompeius wahrscheinlich seine Verbindungen in der ägyptischen Armee benutzen werde, um dieselbe aufzuwiegeln; es sei sicherer und auch mit Rücksicht auf Caesar vorzuziehen, wenn man die Gelegenheit wahrnehme, um Pompeius aus der Welt zu schaffen. Dergleichen politische Räsonnements verfehlten bei den Staatsmännern der hellenischen Welt nicht leicht ihre Wirkung. Der General der königlichen Truppen, Achillas, und einige von Pompeius‘ ehemaligen Soldaten fuhren mit einem Kahn an Pompeius‘ Schiff heran und luden ihn ein, zum König zu kommen und, da das Fahrwasser seicht sei, ihre Barke zu besteigen. Im Aussteigen stach der Kriegstribun Lucius Septimius ihn hinterrücks nieder, unter den Augen seiner Gattin und seines Sohnes, welche von dem Verdeck ihres Schiffes aus dem Morde zusehen mußten, ohne retten oder rächen zu können (28. September 706 48). An demselben Tage, an dem er dreizehn Jahre zuvor, über Mithradates triumphierend, in die Hauptstadt eingezogen war, endigte auf einer öden Düne des unwirtlichen kasischen Strandes durch die Hand eines seiner alten Soldaten der Mann, der ein Menschenalter hindurch der Große geheißen und Jahre lang Rom beherrscht hatte. Ein guter Offizier, übrigens aber von mittelmäßigen Gaben des Geistes und des Herzens, hatte das Schicksal mit dreißigjähriger dämonischer Beständigkeit alle glänzenden mühelosen Aufgaben nur darum ihm zu lösen gewährt, alle von anderen gepflanzten und gepflegten Lorbeeren nur darum ihm zu brechen gestattet, nur darum alle Bedingungen zur Erlangung der höchsten Gewalt ihm entgegengetragen, um an ihm ein Beispiel falscher Größe aufzustellen, wie die Geschichte kein zweites kennt. Unter allen kläglichen Rollen gibt es keine kläglichere als die, mehr zu gelten als zu sein; und es ist das Verhängnis der Monarchie, da doch kaum alle tausend Jahre in dem Volke ein Mann aufsteht, welcher König nicht bloß heißt, sondern auch ist, daß diese Kläglichkeit unvermeidlich an ihr haftet. Wenn dies Mißverhältnis zwischen Scheinen und Sein vielleicht nie so schroff hervorgetreten ist wie in Pompeius, so mag der ernste Gedanke wohl dabei verweilen, daß er eben in gewissem Sinn die Reihe der römischen Monarchen eröffnet.

Als Caesar, Pompeius‘ Spuren folgend, auf der Reede von Alexandreia eintraf, war bereits alles vorüber. Mit tiefer Erschütterung wandte er sich ab, als ihm der Mörder das Haupt des Mannes auf das Schiff entgegentrug, der sein Schwiegersohn und lange Jahre sein Genosse in der Herrschaft gewesen und den lebend in seine Gewalt zu bringen er nach Ägypten gekommen war. Die Antwort auf die Frage, wie Caesar mit dem gefangenen Pompeius verfahren sein würde, hat der Dolch des voreiligen Mörders abgeschnitten; aber wenn die menschliche Teilnahme, die in Caesars großer Seele noch neben dem Ehrgeiz Raum fand, ihm die Schonung des ehemaligen Freundes gebot, so forderte auch sein Interesse, denselben auf andere Art zu annullieren als durch den Henker. Pompeius war zwanzig Jahre lang der anerkannte Gebieter von Rom gewesen; eine so tief gewurzelte Herrschaft geht nicht unter mit dem Tode des Herrn. Pompeius‘ Tod löste die Pompeianer nicht auf, sondern gab ihnen statt eines bejahrten, unfähigen und vernutzten Hauptes an dessen beiden Söhnen Gnaeus und Sextus zwei Führer, welche beide jung und rührig und von denen der zweite eine entschiedene Kapazität war. Der neugegründeten Erbmonarchie heftete sogleich parasitisch sich das erbliche Prätendententum an, und es war sehr zweifelhaft, ob bei diesem Wechsel der Personen Caesar nicht mehr verlor, als er gewann.

Indes in Ägypten hatte Caesar jetzt nichts weiter zu tun, und Römer und Ägypter erwarteten, daß er sofort wieder unter Segel gehen und sich an die Unterwerfung Afrikas und an das unermeßliche Organisationswerk machen werde, das ihm nach dem Siege bevorstand. Allein Caesar, seiner Gewohnheit getreu, wo er einmal in dem weiten Reiche sich befand, die Verhältnisse sogleich und persönlich endgültig zu regeln, und fest überzeugt, daß weder von der römischen Besatzung noch von dem Hofe irgendein Widerstand zu erwarten sei, überdies in dringender Geldverlegenheit, landete in Alexandreia mit den zwei ihn begleitenden, auf 3200 Mann zusammengeschmolzenen Legionen und 800 keltischen und deutschen Reitern, nahm Quartier in der königlichen Burg und ging daran, die nötigen Summen beizutreiben und die ägyptische Erbfolge zu ordnen, ohne sich stören zu lassen durch Potheinos‘ naseweise Bemerkung, daß Caesar doch über diese Kleinigkeiten nicht seine so wichtigen eigenen Angelegenheiten versäumen möge. Gegen die Ägypter verfuhr er dabei gerecht und selbst nachsichtig. Obwohl der Beistand, den sie Pompeius geleistet hatten, zur Auflegung einer Kriegskontribution berechtigte, ward doch das erschöpfte Land damit verschont und unter Erlaß dessen, was auf die im Jahre 695 (59) stipulierte und seitdem erst etwa zur Hälfte abbezahlte Summe weiter rückständig war, lediglich eine Schlußzahlung von 10 Mill. Denaren (3 Mill. Taler) gefordert. Den beiden kriegführenden Geschwistern ward die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten anbefohlen und beide zur Untersuchung und Entscheidung des Streites vor den Schiedsherrn geladen. Man fügte sich; der königliche Knabe befand sich bereits in der Burg und auch Kleopatra stellte dort sich ein. Caesar sprach das Reich Ägypten, dem Testament des Auletes gemäß, den beiden geschwisterlichen Gatten Kleopatra und Ptolemaeos Dionysos zu und gab ferner unaufgefordert, unter Kassierung der früher verfügten Einziehung des Kyprischen Reiches, dieses als ägyptische Sekundogenitur an die jüngeren Kinder des Auletes Arsinoe und Ptolemaeos den Jüngeren.

Allein im stillen bereitete ein Ungewitter sich vor. Alexandreia war eine Weltstadt so gut wie Rom, an Einwohnerzahl der italischen Hauptstadt schwerlich nachstehend, an rührigem Handelsgeist, an Handwerkergeschick, an Sinn für Wissenschaft und Kunst ihr weit überlegen; in der Bürgerschaft war ein reges nationales Selbstgefühl und wenn kein politischer Sinn, doch ein unruhiger Geist, der sie ihre Straßenkrawalle so regelmäßig und so herzhaft abhalten ließ wie heutzutage die Pariser; man kann sich ihre Empfindungen denken, als sie in der Residenz der Lagiden den römischen Feldherrn schalten und ihre Könige vor seinem Tribunal Recht nehmen sah. Potheinos und der königliche Knabe, beide begreiflicherweise sehr unzufrieden sowohl mit der peremtorischen Einmahnung alter Schulden wie mit der Intervention in dem Thronstreit, welche nur zu Gunsten der Kleopatra ausfallen konnte und ausfiel, schickten zur Befriedigung der römischen Forderungen die Schätze der Tempel und das goldene Tischgerät des Königs mit absichtlicher Ostentation zum Einschmelzen in die Münze; mit tiefer Erbitterung schauten die abergläubisch frommen und der weltberühmten Pracht ihres Hofes wie eines eigenen Besitzes sich erfreuenden Ägypter die nackten Wände ihrer Tempel und die hölzernen Becher auf der Tafel ihres Königs. Auch die römische Okkupationsarmee, welche durch den langen Aufenthalt in Ägypten und die vielen Zwischenheiraten zwischen den Soldaten und ägyptischen Mädchen wesentlich denationalisiert war und überdies eine Menge alter Soldaten des Pompeius und verlaufener italischer Verbrecher und Sklaven in ihren Reihen zählte, grollte Caesar, auf dessen Befehl sie ihre Aktion an der syrischen Grenze hatte einstellen müssen, und seiner Handvoll hochmütiger Legionäre. Schon der Auflauf bei der Landung, als die Menge die römischen Beile in die alte Königsburg tragen sah, und die zahlreichen Meuchelmorde, welche gegen seine Soldaten in der Stadt verübt wurden, hatten Caesar darüber belehrt, in welcher ungeheuren Gefahr er mit seinen wenigen Leuten dieser erbitterten Menge gegenüber schwebte. Allein die Umkehr war wegen der in dieser Jahreszeit herrschenden Nordwestwinde schwierig, und der Versuch der Einschiffung konnte leicht das Signal zum Ausbruch der Insurrektion werden; überhaupt lag es nicht in Caesars Art, unverrichteter Sache sich davonzumachen. Er beorderte also zwar sogleich Verstärkungen aus Asien herbei, trug aber, bis diese eintrafen, zunächst die größte Sicherheit zur Schau. Nie war es lustiger in seinem Lager hergegangen als während dieser alexandrinischen Rast; und wenn die schöne und geistreiche Kleopatra mit ihren Reizen überhaupt nicht, und am wenigsten gegen ihren Richter, sparsam war, so schien auch Caesar unter all seinen Siegen die über schöne Frauen am höchsten zu schätzen. Es war ein lustiges Vorspiel zu sehr ernsten Auftritten. Unter Führung des Achillas und, wie später sich auswies, auf geheimen Befehl des Königs und seines Vormundes, erschien die in Ägypten stehende römische Okkupationsarmee unvermutet in Alexandreia; und sowie die Bürgerschaft sah, daß sie kam, um Caesar anzugreifen, machte sie mit den Soldaten gemeinschaftliche Sache. Mit einer Geistesgegenwart, die seine frühere Tolldreistigkeit gewissermaßen rechtfertigt, raffte Caesar schleunigst seine zerstreuten Mannschaften zusammen, bemächtigte sich der Person des Königs und seiner Minister, verschanzte sich in der königlichen Burg und dem benachbarten Theater, ließ, da es an Zeit gebrach, die in dem Haupthafen unmittelbar vor dem Theater stationierte Kriegsflotte in Sicherheit zu bringen, dieselbe anzünden und die den Hafen beherrschende Leuchtturminsel Pharos durch Boote besetzen. So war wenigstens eine beschränkte Verteidigungsstellung gewonnen und der Weg offen gehalten, um Zufuhr und Verstärkungen herbeizuschaffen. Zugleich ging dem Kornmandanten von Kleinasien sowie den nächsten untertänigen Landschaften, den Syrern und Nabatäern, den Kretensern und den Rhodiern, der Befehl zu, schleunigst Truppen und Schiffe nach Ägypten zu senden. Die Insurrektion, an deren Spitze die Prinzessin Arsinoe und deren Vertreter, der Eunuch Ganymedes, sich gestellt hatten, schaltete indes frei in ganz Ägypten und in dem größten Teil der Hauptstadt, in deren Straßen täglich gefochten ward, ohne daß es weder Caesar gelang, sich freier zu entwickeln und bis zu dem hinter der Stadt befindlichen Süßwassersee von Marea durchzubrechen, wo er sich mit Wasser und mit Fourage hätte versorgen können, noch den Alexandrinern, der Belagerten Herr zu werden und sie alles Trinkwassers zu berauben; denn als die Nilkanäle in Caesars Stadtteil durch hineingeleitetes Seewasser verdorben waren, fand sich unerwartet trinkbares Wasser in den am Strande gegrabenen Brunnen. Da Caesar von der Landseite nicht zu überwältigen war, richteten sich die Anstrengungen der Belagerer darauf, seine Flotte zu vernichten und ihn von der See abzuschneiden, auf der die Zufuhr ihm zukam. Die Leuchtturminsel und der Damm, durch den diese mit dem Festland zusammenhing, teilte den Hafen in eine westliche und eine östliche Hälfte, die durch zwei Bogenöffnungen des Dammes miteinander in Verbindung standen. Caesar beherrschte die Insel und den Osthafen, während der Damm und der Westhafen im Besitz der Bürgerschaft war, und seine Schiffe fuhren, da die alexandrinische Flotte verbrannt war, ungehindert ab und zu. Die Alexandriner, nachdem sie vergeblich versucht hatten, aus dem Westhafen in den östlichen Brander einzuführen, stellten darauf mit den Resten ihres Arsenals ein kleines Geschwader her und verlegten damit Caesars Schiffen den Weg, als dieselben eine Transportflotte mit einer aus Kleinasien nachgekommenen Legion hereinbugsierten; indes wurden Caesars vortreffliche rhodische Seeleute des Feindes Herr. Nicht lange darauf nahmen indes die Bürger die Leuchtturminsel weg79 und sperrten von da aus die schmale und klippige Mündung des Osthafens für größere Schiffe gänzlich; so daß Caesars Flotte genötigt war, auf der offenen Reede vor dem Osthafen zu stationieren und seine Verbindung mit der See nur noch an einem schwachen Faden hing. Caesars Flotte, auf jener Reede zu wiederholten Malen von der überlegenen feindlichen Seemacht angegriffen, konnte weder dem ungleichen Kampf ausweichen, da der Verlust der Leuchtturminsel ihr den inneren Hafen verschloß, noch auch das Weite suchen, da der Verlust der Reede Caesar ganz von der See abgesperrt haben würde. Wenn auch die tapfern Legionäre, unterstützt durch die Gewandtheit der rhodischen Matrosen, bisher noch immer diese Gefechte zu Gunsten der Römer entschieden hatten, so erneuerten und steigerten doch die Alexandriner mit unermüdeter Beharrlichkeit ihre Flottenrüstungen; die Belagerten mußten schlagen, so oft es den Belagerern beliebte, und wurden jene ein einziges Mal überwunden, so war Caesar vollständig eingeschlossen und wahrscheinlich verloren. Es ward schlechterdings nötig, einen Versuch zur Wiedergewinnung der Leuchtturminsel zu machen. Der zwiefache Angriff, der durch Boote von der Hafen-, durch die Kriegsschiffe von der Seeseite her gemacht ward, brachte in der Tat nicht bloß die Insel, sondern auch den unteren Teil des Dammes in Caesars Gewalt; erst bei der zweiten Bogenöffnung des Dammes befahl Caesar anzuhalten und den Damm hier gegen die Stadt zu durch einen Querwall zu sperren. Allein während hier um die Schanzenden ein hitziges Gefecht sich entspann, entblößten die römischen Truppen den unteren, an die Insel anstoßenden Teil des Dammes; unversehens landete hier eine Abteilung Ägypter, griff die auf dem Damm am Querwall zusammengedrängten römischen Soldaten und Matrosen von hinten an und sprengte die ganze Masse in wilder Verwirrung in das Meer. Ein Teil ward von den römischen Schiffen aufgenommen; die meisten ertranken. Etwa 400 Soldaten und eine noch größere Zahl von der Flottenmannschaft wurden das Opfer dieses Tages; der Feldherr selbst, der das Schicksal der Seinigen geteilt, hatte sich auf sein Schiff und, als dieses von Menschen überschwert sank, schwimmend auf ein anderes retten müssen. Indes so empfindlich auch der erlittene Verlust war, er ward durch den Wiedergewinn der Leuchtturminsel, die samt dem Damm bis zur ersten Bogenöffnung in Caesars Händen blieb, reichlich aufgewogen. Endlich kam der ersehnte Entsatz. Mithradates von Pergamon, ein tüchtiger Kriegsmann aus der Schule des Mithradates Eupator, dessen natürlicher Sohn er zu sein behauptete, führte zu Lande von Syrien her eine buntscheckige Armee heran: die Ityräer des Fürsten von Libanos, die Beduinen des Jamblichos, Sampsikeramos‘ Sohn, die Juden unter dem Minister Antipatros, überhaupt die Kontingente der kleinen Häuptlinge und Gemeinden Kilikiens und Syriens. Von Pelusion, das Mithradates am Tage seiner Ankunft zu besetzen geglückt war, schlug er, um das durchschnittene Terrain des Delta zu vermeiden und den Nil vor seiner Teilung zu überschreiten, die große Straße nach Memphis ein, wobei seine Truppen von den besonders in diesem Teil Ägyptens zahlreich ansässigen Juden vielfache landsmannschaftliche Unterstützung empfingen. Die Ägypter, jetzt den jungen König Ptolemaeos an der Spitze, welchen Caesar in der vergeblichen Hoffnung, die Insurrektion durch ihn zu beschwichtigen, zu den Seinigen entlassen hatte, entsandten ein Heer auf dem Nil, um Mithradates auf dessen jenseitigem Ufer festzuhalten. Dasselbe traf auch, noch jenseits Memphis bei dem sogenannten Judenlager, zwischen Omion und Heliopolis, auf den Feind; allein Mithradates, geübt, in römischer Weise zu manövrieren und zu lagern, gewann dennoch unter glücklichen Gefechten das andere Ufer bei Memphis. Caesar andererseits, sowie er von dem Eintreffen der Entsatzarmee Kunde erhielt, führte einen Teil seiner Truppen auf Schiffen an die Spitze des Sees von Marea westlich von Alexandreia und marschierte um diesen herum und den Nil hinab dem flußaufwärts herankommenden Mithradates entgegen. Die Vereinigung erfolgte, ohne daß der Feind sie zu hindern versucht hätte. Caesar rückte dann in das Delta, wohin der König sich zurückgezogen hatte, warf, trotz des tiefeingeschnittenen Kanals vor ihrer Front, die ägyptische Vorhut im ersten Anlauf und stürmte sofort das ägyptische Lager selbst. Es befand sich am Fuß einer Anhöhe zwischen dem Nil, von dem nur ein schmaler Weg es trennte, und schwer zugänglichen Sümpfen. Caesar ließ zugleich von vorn und seitwärts auf dem Weg am Nil das Lager berennen und während dieses Sturmes ein drittes Detachement die Anhöhen hinter dem Lager ungesehen ersteigen. Der Sieg war vollständig; das Lager ward genommen und was von den Ägyptern nicht unter den feindlichen Schwertern fiel, ertrank bei dem Versuch, zu der Nilflotte zu entkommen. Mit einem der Boote, die mit Menschen überladen sanken, verschwand auch der junge König in den Wellen seines heimischen Stromes. Unmittelbar vom Schlachtfeld rückte Caesar von der Landseite her geradeswegs an der Spitze seiner Reiterei in den von den Ägyptern besetzten Teil der Hauptstadt. Im Trauergewande, ihre Götterbilder in den Händen, empfingen ihn um Friede bittend die Feinde, die Seinigen aber, da sie ihn von der anderen Seite, als von der er ausgezogen als Sieger wiederkehren sahen, mit grenzenlosem Jubel. Das Schicksal der Stadt, die den Herrn der Welt in seinen Plänen zu kreuzen gewagt und um ein Haar seinen Untergang herbeigeführt hatte, lag in Caesars Hand; allein er war zu sehr Regent, um empfindlich zu sein, und verfuhr mit den Alexandrinern wie mit den Massalioten. Caesar, hinweisend auf die arg verwüstete und bei Gelegenheit des Flottenbrandes ihrer Kornmagazine, ihrer weltberühmten Bibliothek und anderer bedeutender öffentlicher Gebäude beraubte Stadt, ermahnte die Einwohnerschaft, sich künftig allein der Künste des Friedens ernstlich zu befleißigen und die Wunden zu heilen, die sie sich selber geschlagen; übrigens begnügte er sich, den in Alexandreia angesessenen Juden dieselben Rechte zu gewähren, deren die griechische Stadtbevölkerung genoß, und anstatt der bisherigen, wenigstens dem Namen nach den Königen von Ägypten gehorchenden römischen Okkupationsarmee eine förmliche römische Besatzung, zwei der daselbst belagerten und eine dritte später aus Syrien nachgekommene Legion, unter einem von ihm selbst ernannten Befehlshaber nach Alexandreia zu legen. Zu diesem Vertrauensposten ward absichtlich ein Mann ausersehen, dessen Geburt es ihm unmöglich machte, denselben zu mißbrauchen, Rufio, ein tüchtiger Soldat, aber eines Freigelassenen Sohn. Das Regiment Ägyptens unter Roms Oberhoheit erhielten Kleopatra und deren jüngerer Bruder Ptolemaeos; die Prinzessin Arsinoe ward, um nicht den nach orientalischer Art der Dynastie ebenso ergebenen wie gegen den einzelnen Dynasten gleichgültigen Ägyptern abermals als Vorwand für Insurrektionen zu dienen, nach Italien abgeführt; Kypros wurde wieder ein Teil der römischen Provinz Kilikien.

Dieser alexandrinische Aufstand, so geringfügig er an sich war und so wenig er innerlich zusammenhing mit den weltgeschichtlichen Ereignissen, die zugleich im römischen Staate sich vollzogen, griff dennoch insofern in dieselben folgenreich ein, als er den Mann, der alles in allem war und ohne den nichts gefördert und nichts gelöst werden konnte, vom Oktober 706 (48) bis zum März 707 (47) nötigte, seine eigentlichen Aufgaben liegen zu lassen, um mit Juden und Beduinen gegen einen Stadtpöbel zu kämpfen. Die Folgen des persönlichen Regiments fingen an, sich fühlbar zu machen. Man hatte die Monarchie; aber überall herrschte die entsetzlichste Verwirrung und der Monarch war nicht da. Ebenwie die Pompeianer waren augenblicklich auch die Caesarianer ohne obere Leitung; es entschied überall die Fähigkeit der einzelnen Offiziere und vor allen Dingen der Zufall.

In Kleinasien stand bei Caesars Abreise nach Ägypten kein Feind. Indes hatte Caesars Statthalter daselbst, der tüchtige Gnaeus Domitius Calvinus, Befehl erhalten, dem König Pharnakes wiederabzunehmen, was derselbe den Verbündeten des Pompeius ohne Auftrag entrissen hatte; und da dieser, ein starrköpfiger und übermütiger Despot wie sein Vater, die Räumung Klein-Armeniens beharrlich verweigerte, so blieb nichts übrig, als gegen ihn marschieren zu lassen. Calvinus hatte von den drei ihm zurückgelassenen, aus pharsalischen Kriegsgefangenen gebildeten Legionen zwei nach Ägypten absenden müssen; er ergänzte die Lücke durch eine eiligst aus den im Pontus domizilierten Römern zusammengeraffte und zwei nach römischer Art exerzierte Legionen des Deiotarus und rückte in Klein-Armenien ein. Allein das bosporanische, in zahlreichen Kämpfen mit den Anwohnern des Schwarzen Meeres erprobte Heer erwies sich tüchtiger als das seinige. In dem Treffen bei Nikopolis ward Calvinus‘ pontisches Aufgebot zusammengehauen und liefen die galatischen Legionen davon; nur die eine alte Legion der Römer schlug mit mäßigem Verlust sich durch. Statt Klein-Armenien zu erobern, konnte Calvinus nicht einmal verhindern, daß Pharnakes sich seiner pontischen „Erbstaaten“ wieder bemächtigte und über deren Bewohner, namentlich die unglücklichen Amisener, die ganze Schale seiner scheußlichen Sultanslaunen ausgoß (Winter 706/07 48/47). Als dann Caesar selbst in Kleinasien eintraf und ihm sagen ließ, daß der Dienst, den Pharnakes ihm persönlich geleistet, indem er Pompeius keine Hilfe gewährt habe, nicht in Betracht kommen dürfe gegen den dem Reiche zugefügten Schaden und daß vor jeder Unterhandlung er die Provinz Pontus räumen und das geraubte Gut zurückstellen müsse, erklärte er sich zwar bereit zu gehorchen; aber wohl wissend, wie guten Grund Caesar hatte, nach dem Westen zu eilen, machte er dennoch keine ernstlichen Anstalten zur Räumung. Er wußte nicht, daß Caesar abtat, was er angriff. Ohne weiter zu verhandeln, nahm Caesar die eine von Alexandreia mitgebrachte Legion und die Truppen des Calvinus und Deiotarus zusammen und rückte gegen Pharnakes‘ Lager bei Ziela. Wie die Bosporaner ihn kommen sahen, durchschritten sie keck den tiefen Bergspalt, der ihre Front deckte, und griffen den Hügel hinauf die Römer an. Caesars Soldaten waren noch mit dem Lagerschlagen beschäftigt und einen Augenblick schwankten die Reihen; allein die kriegsgewohnten Veteranen sammelten sich rasch und gaben das Beispiel zum allgemeinen Angriff und zum vollkommenen Siege (2. August 707 47). In fünf Tagen war der Feldzug beendigt – zu dieser Zeit, wo jede Stunde kostbar war, ein unschätzbarer Glücksfall. Mit der Verfolgung des Königs, der über Sinope heimgegangen war, beauftragte Caesar des Pharnakes illegitimen Bruder, den tapferen Mithradates von Pergamon, welcher zum Lohn für die in Ägypten geleisteten Dienste an Pharnakes‘ Stelle die bosporanische Königskrone empfing. Im übrigen wurden die syrischen und kleinasiatischen Angelegenheiten friedlich geschlichtet, die eigenen Bundesgenossen reich belohnt, die des Pompeius im ganzen mit Geldbußen oder Verweisen entlassen. Nur der mächtigste unter den Klienten des Pompeius, Deiotarus, wurde wieder auf sein angestammtes enges Gebiet, den tolistobogischen Gau, beschränkt. An seiner Stelle ward mit Klein-Armenien König Ariobarzanes von Kappadokien belehnt, mit dem von Deiotarus usurpierten Vierfürstentum der Trokmer aber der neue König des Bosporus, welcher wie von väterlicher Seite dem pontischen, so von mütterlicher einem der galatischen Fürstengeschlechter entstammte.

Auch in Illyrien hatten, während Caesar in Ägypten war, sehr ernsthafte Auftritte sich zugetragen. Die delmatische Küste war seit Jahrhunderten ein wunder Fleck der römischen Herrschaft und die Bewohner mit Caesar seit den Kämpfen um Dyrrhachion in offener Fehde; im Binnenland aber wimmelte es noch von dem thessalischen Kriege her von versprengten Pompeianern. Indes hatte Quintus Cornificius mit den aus Italien nachrückenden Legionen sowohl die Eingeborenen wie die Flüchtlinge im Zaum gehalten und zugleich der in diesen rauben Gegenden so schwierigen Verpflegung der Truppen genügt. Selbst als der tüchtige Marcus Octavius, der Sieger von Curicta, mit einem Teil der Pompeianischen Flotte in diesen Gewässern erschien, um hier zur See und zu Lande den Krieg gegen Caesar zu leiten, wußte Cornificius, gestützt auf die Schiffe und den Hafen der Iadestiner (Zara), nicht bloß sich zu behaupten, sondern bestand auch selbst zur See gegen die Flotte des Gegners manches glückliche Gefecht. Aber als der neue Statthalter von Illyrien, der von Caesar aus dem Exil zurückberufene Aulus Gabinius, mit fünfzehn Kohorten und 3000 Reitern im Winter 706/07 (48/47) auf dem Landweg in Illyrien eintraf, wechselte das System der Kriegführung. Statt wie sein Vorgänger sich auf den kleinen Krieg zu beschränken, unternahm der kühne tätige Mann sogleich, trotz der rauben Jahreszeit, mit seiner gesamten Streitmacht eine Expedition in die Gebirge. Aber die ungünstige Witterung, die Schwierigkeit der Verpflegung und der tapfere Widerstand der Delmater rieben das Heer auf; Gabinius mußte den Rückzug antreten, ward auf diesem von den Delmatern angegriffen und schmählich geschlagen, und erreichte mit den schwachen Überresten seiner stattlichen Armee mühsam Salome, wo er bald darauf starb. Die meisten illyrischen Küstenstädte ergaben sich hierauf der Flotte des Octavius; die an Caesar festhielten, wie Salome und Epidauros (Ragusa vecchia), wurden von der Flotte zur See, zu Lande von den Barbaren so heftig bedrängt, daß die Übergabe und die Kapitulation der in Salome eingeschlossenen Heerestrümmer nicht mehr fern schien. Da ließ der Kommandant des brundisischen Depots, der energische Publius Vatinius, in Ermangelung von Kriegsschiffen gewöhnliche Boote mit Schnäbeln versehen und sie mit den aus den Hospitälern entlassenen Soldaten bemannen und lieferte mit dieser improvisierten Kriegsflotte der weit überlegenen Octavianischen bei der Insel Tauris (Torcola zwischen Lelina und Curzola) ein Treffen, in dem die Tapferkeit des Anführers und der Schiffssoldaten wie so oft ersetzte, was den Schiffen abging, und die Caesarianer einen glänzenden Sieg erfochten. Marcus Octavius verließ diese Gewässer und begab sich nach Afrika (Frühjahr 707 47); die Delmater setzten zwar noch Jahre lang mit großer Hartnäckigkeit sich zur Wehr, allein es war dies nichts als ein örtlicher Gebirgskrieg. Als Caesar aus Ägypten zurückkam, hatte sein entschlossener Adjutant die in Illyrien drohende Gefahr bereits beseitigt.

Um so ernster stand es in Afrika, wo die Verfassungspartei vom Anfang des Bürgerkrieges an unumschränkt geherrscht und ihre Macht fortwährend gesteigert hatte. Bis zur Pharsalischen Schlacht hatte hier eigentlich König Juba das Regiment geführt; er hatte Curio überwunden, und die Kraft des Heeres waren seine flüchtigen Reiter und seine zahllosen Schützen; der Pompeianische Statthalter Varus spielte neben ihm eine so subalterne Rolle, daß er sogar diejenigen Soldaten Curios, die sich ihm ergeben hatten, dem König hatte ausliefern und deren Hinrichtung oder Abführung in das innere Numidien hatte mitansehen müssen. Dies änderte sich nach der Pharsalischen Schlacht. An eine Flucht zu den Parthern dachte, mit Ausnahme des Pompeius selbst, kein namhafter Mann der geschlagenen Partei. Ebensowenig versuchte man, die See mit vereinten Kräften zu behaupten; Marcus Octavius‘ Kriegführung in den illyrischen Gewässern stand vereinzelt und war ohne dauernden Erfolg. Die große Majorität der Republikaner wie der Pompeianer wandte sich nach Afrika, wo allein noch ein ehrenhafter und verfassungsmäßiger Kampf gegen den Usurpator möglich schien. Dort fanden die Trümmer der bei Pharsalos zersprengten Armee, die Besatzungstruppen von Dyrrhachion, Kerkyra und dem Peloponnes, die Reste der illyrischen Flotte sich allmählich zusammen; es trafen dort ein der zweite Oberfeldherr Metellus Scipio, die beiden Söhne des Pompeius, Gnaeus und Sextus, der politische Führer der Republikaner Marcus Cato, die tüchtigen Offiziere Labienus, Afranius, Petreius, Octavius und andere. Wenn die Kräfte der Emigration verringert waren, so hatte dagegen ihr Fanatismus sich womöglich noch gesteigert. Man fuhr nicht bloß fort, die Gefangenen und selbst die Parlamentäre Caesars zu ermorden, sondern König Juba, in dem die Erbitterung des Parteimannes mit der Wut des halbbarbarischen Afrikaners zusammenfloß, stellte die Maxime auf, daß in jeder der Sympathien mit dem Feinde verdächtigen Gemeinde die Bürgerschaft ausgerottet und die Stadt niedergebrannt werden müsse, und führte auch gegen einige Ortschaften, zum Beispiel das unglückliche Vaga bei Hadrumetum, diese Theorie in der Tat praktisch durch. Ja daß nicht die Hauptstadt der Provinz selber, das blühende, ebenwie einst Karthago von den numidischen Königen längst mit scheelem Auge angesehene Utica, von König Juba dieselbe Behandlung erfuhr und daß man gegen die, allerdings nicht mit Unrecht, der Hinneigung zu Caesar beschuldigte Bürgerschaft mit Vorsichtsmaßregeln sich begnügte, hatte sie nur Catos energischem Auftreten zu danken.

Da weder Caesar selbst noch einer seiner Statthalter das geringste gegen Afrika unternahm, so hatte die Koalition vollkommen Zeit, sich dort politisch und militärisch zu reorganisieren. Vor allem war es notwendig, die durch Pompeius‘ Tod erledigte Oberfeldherrnstelle aufs neue zu besetzen. König Juba hatte nicht übel Lust, die Stellung, die er bis auf die Pharsalische Schlacht in Afrika gehabt, auch ferner zu behaupten; wie er denn überhaupt nicht mehr als Klient der Römer, sondern als gleichberechtigter Verbündeter oder gar als Schutzherr auftrat und zum Beispiel es sich herausnahm, römisches Silbergeld mit seinem Namen und Wappen zu schlagen, ja sogar den Anspruch erhob, allein im Lager den Purpur zu führen und den römischen Heerführern ansann, den purpurnen Feldherrnmantel abzulegen. Metellus Scipio ferner forderte den Oberbefehl für sich, weil Pompeius ihn, mehr aus schwiegersöhnlichen als aus militärischen Rücksichten, im thessalischen Feldzug als sich gleichberechtigt anerkannt hatte. Die gleiche Forderung erhob Varus als – freilich selbsternannter – Statthalter von Afrika, da der Krieg in seiner Provinz geführt werden sollte. Endlich die Armee begehrte zum Führer den Proprätor Marcus Cato. Offenbar hatte sie recht. Cato war der einzige Mann, der für das schwere Amt die erforderliche Hingebung, Energie und Autorität besaß; wenn er kein Militär war, so war es doch unendlich besser, einen Nichtmilitär, der sich zu bescheiden und seine Unterfeldherrn handeln zu lassen verstand, als einen Offizier von unerprobter Fähigkeit, wie Varus, oder gar einen von erprobter Unfähigkeit, wie Metellus Scipio, zum Oberfeldherrn zu bestellen. Indes die Entscheidung fiel schließlich auf ebendiesen Scipio, und Cato selbst war es, der sie im wesentlichen bestimmte. Es geschah dies nicht, weil er jener Aufgabe sich nicht gewachsen fühlte oder weil seine Eitelkeit bei dem Ausschlagen mehr ihre Rechnung fand als bei dem Annehmen; noch weniger, weil er Scipio liebte oder achtete, mit dem er vielmehr persönlich verfeindet war und der überall bei seiner notorischen Untüchtigkeit einzig durch seine Schwiegervaterschaft zu einer gewissen Bedeutung gelangt war; sondern einzig und allein, weil sein verbissener Rechtsformalismus lieber die Republik von Rechts wegen zugrunde gehen ließ, als sie auf irreguläre Weise rettete. Als er nach der Pharsalischen Schlacht auf Kerkyra mit Marcus Cicero zusammentraf, hatte er sich erboten, diesem, der noch von seiner kilikischen Statthalterschaft her mit der Generalschaft behaftet war, als dem höherstehenden Offizier, wie es Rechtens war, das Kommando in Kerkyra zu übertragen und den unglücklichen Advokaten, der seine Lorbeeren vom Amanos jetzt tausendmal verwünschte, durch diese Bereitwilligkeit fast zur Verzweiflung, aber auch alle halbwegs einsichtigen Männer zum Erstaunen gebracht. Die gleichen Prinzipien wurden hier geritten, wo etwas mehr darauf ankam; Cato erwog die Frage, wem die Oberfeldherrnstelle gebühre, als handelte es sich um ein Ackerfeld bei Tusculum, und sprach sie dem Scipio zu. Durch diesen Ausspruch wurde seine eigene und die Kandidatur des Varus beseitigt. Er war es aber auch, und er allein, der mit Energie den Ansprüchen des Königs Juba entgegentrat und es ihn fühlen ließ, daß der römische Adel zu ihm nicht bittend komme wie zu dem Großfürsten der Parther, um bei dem Schutzherrn Beistand zu suchen, sondern befehlend und von dem Untertan Beistand fordernd. Bei dem gegenwärtigen Stande der römischen Streitkräfte in Afrika konnte Juba nicht umhin, etwas gelindere Saiten aufzuziehen, obgleich er freilich bei dem schwachen Scipio es dennoch durchsetzte, daß die Besoldung seiner Truppen der römischen Kasse aufgebürdet und für den Fall des Sieges ihm die Abtretung der Provinz Afrika zugesichert ward.

Dem neuen Oberfeldherrn zur Seite trat wiederum der Senat der „Dreihundert“, der in Utica seinen Sitz aufschlug und seine gelichteten Reihen durch Aufnahme der angesehensten und vermögendsten Männer des Ritterstandes ergänzte.

Die Rüstungen wurden, hauptsächlich durch Catos Eifer, mit der größten Energie gefördert und jeder waffenfähige Mann, selbst Freigelassene und Libyer, in die Legionen eingestellt; wodurch dem Ackerbau die Hände so sehr entzogen wurden, daß ein großer Teil der Felder unbestellt blieb, aber allerdings auch ein imposantes Resultat erzielt ward. Das schwere Fußvolk zählte vierzehn Legionen, wovon zwei bereits durch Varus aufgestellt, acht andere teils aus den Flüchtigen, teils aus den in der Provinz Konskribierten gebildet und vier römisch bewaffnete Legionen des Königs Juba waren. Die schwere Reiterei, bestehend aus den mit Labienus eingetroffenen Kelten und Deutschen und allerlei darunter eingereihten Leuten, war ohne Jubas römisch gerüstete Reiterschar 1600 Mann stark. Die leichten Truppen bestanden aus zahllosen Massen ohne Zaum und Zügel reitender und bloß mit Wurfspeeren bewaffneter Numidier, aus einer Anzahl berittener Bogenschützen und großen Schwärmen von Schützen zu Fuß. Dazu kamen endlich Jubas 120 Elefanten und die von Publius Varus und Marcus Octavius befehligte 55 Segel starke Flotte. Dem drückenden Geldmangel wurde einigermaßen durch eine Selbstbesteuerung des Senats abgeholfen, die um so ergiebiger war, als die reichsten afrikanischen Kapitalisten in denselben einzutreten veranlaßt worden waren. Getreide und andere Vorräte hatte man in den verteidigungsfähigen Festungen in ungeheuren Massen aufgehäuft, zugleich aus den offenen Ortschaften die Vorräte möglichst entfernt. Die Abwesenheit Caesars, die schwierige Stimmung seiner Legionen, die Gärung in Spanien und Italien hoben allmählich die Stimmung, und die Erinnerung an die Pharsalische Schlacht fing an, neuen Siegeshoffnungen zu weichen.

Die von Caesar in Ägypten verlorene Zeit rächte nirgend sich schwerer als hier. Hätte er unmittelbar nach Pompeius‘ Tode sich nach Afrika gewendet, so würde er daselbst ein schwaches, desorganisiertes und konsterniertes Heer und vollständige Anarchie unter den Führern vorgefunden haben; wogegen jetzt, namentlich durch Catos Energie, eine der bei Pharsalos geschlagenen an Zahl gleiche Armee unter namhaften Führern und unter einer geregelten Oberleitung in Afrika stand.

Es schien überhaupt über dieser afrikanischen Expedition Caesars ein eigener Unstern zu walten. Noch vor seiner Einschiffung nach Ägypten hatte Caesar in Spanien und Italien verschiedene Maßregeln zur Einleitung und Vorbereitung des afrikanischen Krieges angeordnet; aus allen war aber nichts als Unheil entsprungen. Von Spanien aus sollte, Caesars Anordnung zufolge, der Statthalter der südlichen Provinz, Quintus Cassius Longinus, mit vier Legionen nach Afrika übersetzen, dort den König Bogud von Westmauretanien80 an sich ziehen und mit ihm gegen Numidien und Afrika vorgehen. Aber jenes nach Afrika bestimmte Heer schloß eine Menge geborener Spanier und zwei ganze ehemals Pompeianische Legionen in sich; Pompeianische Sympathien herrschten in der Armee wie in der Provinz, und das ungeschickte und tyrannische Auftreten des Caesarischen Statthalters war nicht geeignet, sie zu beschwichtigen. Es kam förmlich zum Aufstande; Truppen und Städte ergriffen Partei für oder gegen den Statthalter; schon war es darauf oder daran, daß die, welche gegen den Statthalter Caesars sich erhoben hatten, offen die Fahne des Pompeius aufsteckten; schon hatte Pompeius‘ ältester Sohn Gnaeus, um diese günstige Wendung zu benutzen, sich von Afrika nach Spanien eingeschifft, als die Desavouierung des Statthalters durch die angesehensten Caesarianer selbst und das Einschreiten des Befehlshabers der nördlichen Provinz den Aufstand eben noch rechtzeitig unterdrückten. Gnaeus Pompeius, der unterwegs mit einem vergeblichen Versuch, sich in Mauretanien festzusetzen, Zeit verloren hatte, kam zu spät; Gaius Trebonius, den Caesar nach seiner Heimkehr aus dem Osten zur Ablösung des Cassius nach Spanien sandte (Herbst 707 47), fand überall unweigerlichen Gehorsam. Aber natürlich war über diesen Irrungen von Spanien aus nichts geschehen, um die Organisation der Republikaner in Afrika zu stören; ja es war sogar, infolge der Verwicklungen mit Longinus, König Bogud von Westmauretanien, der auf Caesars Seite stand und wenigstens König Juba einige Hindernisse hätte in den Weg legen können, mit seinen Truppen nach Spanien abgerufen worden.

Bedenklicher noch waren die Vorgänge unter den Truppen, die Caesar im südlichen Italien hatte zusammenziehen lassen, um mit ihnen nach Afrika überzuschiffen. Es waren größtenteils die alten Legionen, die in Gallien, Spanien, Thessalien Caesars Thron begründet hatten. Den Geist dieser Truppen hatten die Siege nicht gebessert, die lange Rast in Unteritalien vollständig zerrüttet. Die fast übermenschlichen Zumutungen, die der Feldherr an sie machte und deren Folgen in den schrecklich gelichteten Reihen nur zu grell hervortraten, ließen selbst in diesen Eisenmännern einen Sauerteig des Grolls zurück, der nur der Zeit und Ruhe bedurfte, um die Gemüter in Gärung zu bringen. Der einzige Mann, der ihnen imponierte, war seit einem Jahre fern und fast verschollen, ihre vorgesetzten Offiziere aber scheuten weit mehr sich vor den Soldaten als diese vor ihnen und sahen den Weltbesiegern jede Brutalität gegen ihre Quartiergeber und jede Indisziplin nach. Als nun der Befehl, sich nach Sizilien einzuschiffen, kam und der Soldat das üppige Wohlleben in Kampanien wieder mit einer dritten, der spanischen und thessalischen an Drangsalen sicher nicht nachstehenden Kampagne vertauschen sollte, rissen die allzulange gelockerten und allzuplötzlich wiederangezogenen Zügel. Die Legionen weigerten sich zu gehorchen, bevor die versprochenen Geschenke ihnen gezahlt seien, und wiesen die von Caesar gesandten Offiziere mit Hohnreden, ja mit Steinwürfen zurück. Ein Versuch, den beginnenden Aufstand durch Steigerung der versprochenen Summen zu dämpfen, hatte nicht bloß keinen Erfolg, sondern die Soldaten brachen massenweise auf, um die Erfüllung der Versprechungen in der Hauptstadt von dem Feldherrn zu erpressen. Einzelne Offiziere, die die meuterischen Rotten unterwegs zurückzuhalten versuchten, wurden erschlagen. Es war eine furchtbare Gefahr. Caesar ließ die wenigen in der Stadt befindlichen Soldaten die Tore besetzen, um die mit Recht befürchtete Plünderung wenigstens für den ersten Anlauf abzuwehren, und erschien plötzlich unter dem tobenden Haufen mit der Frage, was sie begehrten. Man rief: den Abschied. Augenblicklich ward er, wie gebeten, erteilt. Wegen der Geschenke, fügte Caesar hinzu, welche er für den Triumph seinen Soldaten zugesagt habe, sowie wegen der Äcker, die er ihnen nicht versprochen, aber bestimmt gehabt, möchten sie an dem Tage, wo er mit den anderen Soldaten triumphieren werde, sich bei ihm melden; an dem Triumphe selbst freilich könnten sie, als vorher entlassen, natürlich nicht teilnehmen. Auf diese Wendung waren die Massen nicht gefaßt; überzeugt, daß Caesar ihrer für den afrikanischen Feldzug nicht entraten könne, hatten sie den Abschied nur gefordert, um, wenn er ihnen verweigert werde, daran ihre Bedingungen zu knüpfen. Halb irre geworden in dem Glauben an ihre eigene Unentbehrlichkeit; zu unbehilflich um wieder einzulenken und die verfahrene Unterhandlung in das rechte Geleise zurückzubringen; als Menschen beschämt durch die Treue, mit der der Imperator auch seinen treuvergessenen Soldaten Wort hielt, und durch die Hochherzigkeit desselben, welche ebenjetzt weit mehr gewährte, als er je zugesagt hatte; als Soldaten tief ergriffen, da der Feldherr ihnen in Aussicht stellte, dem Triumph ihrer Kameraden als Bürgersleute zuschauen zu müssen und da er sie nicht mehr „Kameraden“ hieß, sondern „Bürger“ und mit dieser aus seinem Munde so fremdartig klingenden Anrede gleichsam mit einem Schlage ihre ganze stolze Soldatenvergangenheit zerstörte, und zu alledem unter dem Zauber des unwiderstehlich gewaltigen Menschen – standen die Soldaten eine Weile stumm und zaudernd, bis von allen Seiten der Ruf erscholl, daß der Feldherr sie wieder zu Gnaden annehmen und es ihnen wieder gestatten möge, Caesars Soldaten zu heißen. Caesar gestattete es, nachdem er hinreichend sich hatte bitten lassen; den Rädelsführern bei dieser Meuterei aber wurde an ihren Triumphalgeschenken ein Dritteil gekürzt. Ein größeres psychologisches Meisterstück kennt die Geschichte nicht, und keines, das vollständiger gelungen wäre.

Auf den afrikanischen Feldzug wirkte diese Meuterei immerhin wenigstens insofern nachteilig ein, als sie die Eröffnung desselben beträchtlich verzögerte. Als Caesar in dem zur Einschiffung bestimmten Hafen von Lilybäon eintraf, waren die zehn nach Afrika bestimmten Legionen dort bei weitem noch nicht vollständig versammelt und eben die erprobten Truppen noch am weitesten zurück. Indes kaum waren sechs Legionen, darunter fünf neu gebildete, daselbst angelangt und die nötigen Kriegs- und Transportschiffe angekommen, als Caesar mit denselben in See stach (25. Dezember 707 47 des unberichtigten, etwa 8. Oktober des Julianischen Kalenders). Die feindliche Flotte, die der herrschenden Äquinoktialstürme wegen bei der Insel Ägimuros vor der Karthagischen Bucht auf den Strand gezogen war, hinderte die Überfahrt nicht; allein dieselben Stürme zerstreuten die Flotte Caesars nach allen Richtungen, und als Caesar unweit Hadrumetum (Susa) die Gelegenheit zu landen ersah, konnte er nicht mehr als etwa 3000 Mann, größtenteils Rekruten, und 150 Reiter ausschiffen. Der Versuch, das vom Feinde stark besetzte Hadrumetum wegzunehmen, mißlang; dagegen bemächtigte Caesar sich der beiden nicht weit voneinander entfernten Hafenplätze Ruspina (Monastir bei Susa) und Klein-Leptis. Hier verschanzte er sich; aber seine Stellung war so unsicher, daß er seine Reiter auf den Schiffen und diese segelfertig und mit Wasservorrat versehen hielt, um jeden Augenblick, wenn er mit Übermacht sollte angegriffen werden, wieder sich einschiffen zu können. Indes war dies nicht nötig, da eben noch zu rechter Zeit die verschlagenen Schiffe anlangten (3. Januar 708 46). Gleich am folgenden Tage unternahm Caesar, dessen Heer infolge der von den Pompeianern getroffenen Anstalten Mangel an Getreide litt, mit drei Legionen einen Zug in das innere Land, ward aber nicht weit von Ruspina auf dem Marsche von den Heerhaufen angegriffen, die Labienus heranführte, um Caesar von der Küste zu vertreiben. Da Labienus ausschließlich Reiterei und Schützen, Caesar fast nichts als Linieninfanterie hatte, so wurden die Legionen rasch umzingelt und den Geschossen der Feinde preisgegeben, ohne sie erwidern oder mit Erfolg angreifen zu können. Zwar machte die Deployierung der ganzen Linie die Flügel wieder frei und mutige Angriffe retteten die Ehre der Waffen; allein der Rückzug war unvermeidlich, und wäre Ruspina nicht so nahe gewesen, so hätte der maurische Wurfspeer vielleicht hier dasselbe ausgerichtet, was bei Karrhä der parthische Bogen. Caesar, den dieser Tag von der ganzen Schwierigkeit des bevorstehenden Krieges überzeugt hatte, wollte seine unerprobten und durch die neue Gefechtsweise entmutigten Soldaten keinem solchen Angriff wieder aussetzen, sondern wartete das Eintreffen seiner Veteranenlegionen ab. Die Zwischenzeit wurde benutzt, um die drückende Überlegenheit des Feindes in den Fernwaffen einigermaßen auszugleichen. Daß die geeigneten Leute von der Flotte als leichte Reiter oder Schützen in die Landarmee eingereiht wurden, konnte nicht viel helfen. Etwas mehr wirkten die von Caesar veranlaßten Diversionen. Es gelang, die am südlichen Abhang des Großen Atlas gegen die Sahara zu schweifenden gaetulischen Hirtenstämme gegen Juba in Waffen zu bringen; denn selbst bis zu ihnen hatten die Schläge der marianisch-sullanischen Zeit sich erstreckt, und ihr Groll gegen den Pompeius, der sie damals den numidischen Königen untergeordnet hatte, machte sie den Erben des mächtigen, bei ihnen noch vom Jugurthinischen Feldzug her in gutem Andenken lebenden Marius von vorn herein geneigt. Die mauretanischen Könige, Bogud in Tingis, Bocchus in Jol, waren Jubas natürliche Rivalen und zum Teil längst mit Caesar in Bündnis. Endlich streifte in dem Grenzgebiet zwischen den Reichen des Juba und des Bocchus noch der letzte der Catilinarier, jener Publius Sittius aus Nuceria, der achtzehn Jahre zuvor aus einem bankrotten italischen Kaufmann sich in einen mauretanischen Freischarenführer verwandelt und seitdem in den libyschen Händeln sich einen Namen und ein Heergefolge geschaffen hatte. Bocchus und Sittius fielen vereinigt in das numidische Land, besetzten die wichtige Stadt Cirta, und ihr Angriff sowie der der Gätuler nötigte den König Juba, einen Teil seiner Truppen an seine Süd- und Westgrenze zu senden. Indes blieb Caesars Lage unbequem genug. Seine Armee war auf den Raum einer Quadratmeile zusammengedrängt; wenn auch die Flotte Getreide herbeischaffte, so ward doch der Mangel an Fourage von Caesars Reitern ebenso gefühlt wie vor Dyrrhachion von denen des Pompeius. Die leichten Truppen des Feindes blieben, aller Anstrengungen Caesars ungeachtet, den seinigen so unermeßlich überlegen, daß es fast unmöglich schien, die Offensive in das Binnenland hinein auch mit Veteranen durchzuführen. Wenn Scipio zurückwich und die Küstenstädte preisgab, so konnte er vielleicht einen Sieg erfechten wie die, welche des Orodes Wesir über Crassus, Juba über Curio davongetragen hatten, wenigstens aber den Krieg ins unendliche hinausziehen. Diesen Feldzugsplan ergab die einfachste Überlegung: selbst Cato, obwohl nichts weniger als ein Strateg, riet dazu und erbot sich, zugleich mit einem Korps nach Italien überzufahren und dort die Republikaner unter die Waffen zu rufen, was bei der gründlichen Verwirrung daselbst gar wohl Erfolg haben konnte. Allein Cato konnte nur raten, nicht befehlen; der Oberbefehlshaber Scipio entschied, daß der Krieg in der Küstenlandschaft geführt werden solle. Es war dies nicht bloß insofern verkehrt, als man damit einen sicheren Erfolg verheißenden Kriegsplan fahren ließ, sondern auch insofern, als die Landschaft, in die man den Krieg verlegte, in bedenklicher Gärung, und das Heer, das man Caesar gegenüberstellte, zum guten Teil ebenfalls schwierig war. Die fürchterlich strenge Aushebung, die Wegschleppung der Vorräte, die Verwüstung der kleineren Ortschaften, überhaupt das Gefühl einer von Haus aus fremden und bereits verlorenen Sache aufgeopfert zu werden, hatten die einheimische Bevölkerung erbittert gegen die auf afrikanischem Boden ihren letzten Verzweiflungskampf kämpfenden römischen Republikaner; und das terroristische Verfahren der letzteren gegen alle auch nur der Gleichgültigkeit verdächtigen Gemeinden hatte diese Erbitterung zum furchtbarsten Haß gesteigert. Die afrikanischen Städte erklärten, wo sie irgend es wagen konnten, sich für Caesar; unter den Gätulern und den Libyern, die unter den leichten Truppen und selbst in den Legionen in Menge dienten, riß die Desertion ein. Indes Scipio beharrte mit aller dem Unverstand eigenen Hartnäckigkeit auf seinem Plan, zog mit gesamter Heeresmacht von Utica her vor die von Caesar besetzten Städte Ruspina und Klein-Leptis, belegte nördlich davon Hadrumetum, südlich Thapsus (am Vorgebirge Râs Dimâs) mit starken Besatzungen und bot in Gemeinschaft mit Juba, der mit all seinen nicht durch die Grenzverteidigung in Anspruch genommenen Truppen gleichfalls vor Ruspina erschien, zu wiederholten Malen dem Feinde die Schlacht an. Aber Caesar war entschlossen, seine Veteranenlegionen zu erwarten. Als diese dann nach und nach eintrafen und auf dem Kampfplatz erschienen, verloren Scipio und Juba die Lust, eine Feldschlacht zu wagen, und Caesar hatte kein Mittel, sie bei ihrer außerordentlichen Überlegenheit an leichter Reiterei zu einer solchen zu zwingen. Über Märsche und Scharmützel in der Umgegend von Ruspina und Thapsus, die hauptsächlich um die Auffindung der landüblichen Kellerverstecke (Silos) und um Ausbreitung der Posten sich bewegten, verflossen fast zwei Monate. Caesar, durch die feindlichen Reiter genötigt, sich möglichst auf den Anhöhen zu halten oder auch seine Flanken durch verschanzte Linien zu decken, gewöhnte doch während dieser mühseligen und aussichtslosen Kriegführung allmählich seine Soldaten an die fremdartige Kampfweise. Freund und Feind erkannten in dem vorsichtigen Fechtmeister, der seine Leute sorgfältig und nicht selten persönlich einschulte, den raschen Feldherrn nicht wieder und wurden fast irre an dieser im Zögern wie im Zuschlagen sich gleichbleibenden Meisterschaft. Endlich wandte Caesar, nachdem er seine letzten Verstärkungen an sich gezogen hatte, sich seitwärts gegen Thapsus. Scipio hatte diese Stadt, wie gesagt, stark besetzt und damit den Fehler begangen, seinem Gegner ein leicht zu fassendes Angriffsobjekt darzubieten; zu dem ersten fügte er bald den zweiten, noch minder verzeihlichen hinzu, die von Caesar gewünschte und von Scipio mit Recht bisher verweigerte Feldschlacht jetzt zur Rettung von Thapsus auf einem Terrain zu liefern, das die Entscheidung in die Hände der Linieninfanterie gab. Unmittelbar am Strande, Caesars Lager gegenüber, traten Scipios und Jubas Legionen an, die vorderen Reihen kampffertig, die hinteren beschäftigt, ein verschanztes Lager zu schlagen; zugleich bereitete die Besatzung von Thapsus einen Ausfall vor. Den letzteren zurückzuweisen, genügten Caesars Lagerwachen. Seine kriegsgewohnten Legionen, schon nach der unsicheren Aufstellung und den schlecht geschlossenen Gliedern den Feind richtig würdigend, zwangen, während drüben noch geschanzt ward und ehe noch der Feldherr das Zeichen gab, einen Trompeter, zum Angriff zu blasen, und gingen auf der ganzen Linie vor, allen voran Caesar selbst, der, da er die Seinigen ohne seinen Befehl abzuwarten vorrücken sah, an ihrer Spitze auf den Feind eingaloppierte. Der rechte Flügel, den übrigen Abteilungen voran, scheuchte die ihm gegenüberstehende Linie der Elefanten – es war dies die letzte große Schlacht, in der die Bestien verwendet worden sind – durch Schleuderkugeln und Pfeile zurück auf ihre eigenen Leute. Die Deckungsmannschaft ward niedergehauen, der linke Flügel der Feinde gesprengt und die ganze Linie aufgerollt. Die Niederlage war um so vernichtender, als das neue Lager der geschlagenen Armee noch nicht fertig und das alte beträchtlich entfernt war; beide wurden nacheinander fast ohne Gegenwehr erobert. Die Masse der geschlagenen Armee warf die Waffen weg und bat um Quartier; aber Caesars Soldaten waren nicht mehr dieselben, die vor Ilerda willig der Schlacht sich enthalten, bei Pharsalos der Wehrlosen ehrenvoll geschont hatten. Die Gewohnheit des Bürgerkrieges und der von der Meuterei zurückgebliebene Groll machten auf dem Schlachtfelde von Thapsus in schrecklicher Weise sich geltend. Wenn der Hydra, mit der man kämpfte, stets neue Köpfe nachwuchsen, wenn die Armee von Italien nach Spanien, von Spanien nach Makedonien, von Makedonien nach Afrika geschleudert ward, die immer heißer ersehnte Ruhe immer nicht kam, so suchte, und nicht ganz ohne Ursache, der Soldat davon den Grund in Caesars unzeitiger Milde. Er hatte es sich geschworen nachzuholen, was der Feldherr versäumt, und blieb taub für das Flehen der entwaffneten Mitbürger wie für die Befehle Caesars und der höheren Offiziere. Die fünfzigtausend Leichen, die das Schlachtfeld von Thapsus bedeckten, darunter auch mehrere als heimliche Gegner der neuen Monarchie bekannte und deshalb bei dieser Gelegenheit von ihren eigenen Leuten niedergemachte Caesarische Offiziere, zeigten, wie der Soldat sich Ruhe schafft. Die siegende Armee dagegen zählte nicht mehr als fünfzig Tote (6. April 708 46).

Eine Fortsetzung des Kampfes fand nach der Schlacht von Thapsus so wenig in Afrika statt, wie anderthalb Jahre zuvor im Osten nach der Pharsalischen Niederlage. Cato als Kommandant von Utica berief den Senat, legte den Stand der Verteidigungsmittel dar und stellte es zur Entscheidung der Versammelten, ob man sich unterwerfen oder bis auf den letzten Mann sich verteidigen wolle, einzig sie beschwörend, nicht jeder für sich, sondern alle für einen zu beschließen und zu handeln. Die mutigere Meinung fand manchen Vertreter; es wurde beantragt, die waffenfähigen Sklaven von Staats wegen freizusprechen, was aber Cato als einen ungesetzlichen Eingriff in das Privateigentum zurückwies und statt dessen einen patriotischen Aufruf an die Sklaveneigentümer vorschlug. Allein bald verging der größtenteils aus afrikanischen Großhändlern bestehenden Versammlung diese Anwandlung von Entschlossenheit, und man ward sich einig zu kapitulieren. Als dann Faustus Sulla, des Regenten Sohn, und Lucius Afranius mit einer starken Abteilung Reiterei vom Schlachtfelde her in Utica eintrafen, machte Cato noch einen Versuch, durch sie die Stadt zu halten; allein ihre Forderung, sie zuvörderst die unzuverlässige Bürgerschaft von Utica insgesamt niedermachen zu lassen, wies er unwillig zurück und ließ lieber die letzte Burg der Republikaner dem Monarchen ohne Gegenwehr in die Hände fallen als die letzten Atemzüge der Republik durch eine solche Metzelei entweihen. Nachdem er, teils durch seine Autorität, teils durch freigebige Spenden, dem Wüten der Soldateska gegen die unglücklichen Uticenser nach Vermögen gesteuert und, soweit es in seiner Macht stand, denen, die Caesars Gnade sich nicht anvertrauen mochten, die Mittel zur Flucht, denen, die bleiben wollten, die Gelegenheit, unter möglichst leidlichen Bedingungen zu kapitulieren mit rührender Sorgfalt gewährt und durchaus sich überzeugt hatte, daß er niemand weiter Hilfe zu leisten vermöge, hielt er seines Kommandos sich entbunden, zog sich in sein Schlafgemach zurück und stieß sich das Schwert in die Brust. Auch von den übrigen geflüchteten Reitern retteten sich nur wenige. Die von Thapsus geflüchteten Reiter stießen auf die Scharen des Sittius und wurden von ihnen niedergehauen oder gefangen; ihre Führer Afranius und Faustus wurden an Caesar ausgeliefert und, da dieser sie nicht sogleich hinrichten ließ, von dessen Veteranen in einem Auflauf erschlagen. Der Oberfeldherr Metellus Scipio geriet mit der Flotte der geschlagenen Partei in die Gewalt der Kreuzer des Sittius und durchbohrte sich selbst, da man Hand an ihn legen wollte. König Juba, nicht unvorbereitet auf einen solchen Ausgang, hatte für diesen Fall beschlossen, zu enden, wie es ihm königlich dünkte, und auf dem Markte seiner Stadt Zama einen ungeheuren Scheiterhaufen rüsten lassen, der mit seinem Körper auch all seine Schätze und die Leichen der gesamten Bürgerschaft von Zama verzehren sollte. Allein die Stadtbewohner verspürten kein Verlangen, bei der Leichenfeier des afrikanischen Sardanapal sich als Dekoration verwenden zu lassen und schlossen dem König, da er, vom Schlachtfeld flüchtend, in Begleitung von Marcus Petreius vor der Stadt erschien, die Tore. Der König, eine jener im grellen und übermütigen Lebensgenuß verwilderten Naturen, die auch aus dem Tode sich ein Taumelfest bereiten, begab sich mit seinem Begleiter nach einem seiner Landhäuser, ließ einen reichlichen Schmaus auftragen und forderte nach geendeter Mahlzeit den Petreius auf, mit ihm im Zweikampf um den Tod zu fechten. Es war der Besieger Catilinas, der ihn von der Hand des Königs empfing; der König ließ darauf von einem seiner Sklaven sich durchbohren. Die wenigen angesehenen Männer, welche entkamen, wie Labienus und Sextus Pompeius, folgten dem älteren Bruder des letzteren nach Spanien und suchten, wie einst Sertorius, in den Gebirgen und Gewässern dieser immer noch halb unabhängigen Landschaften ein letztes Räuber- und Piratenasyl. Ohne Widerstand ordnete Caesar die afrikanischen Verhältnisse. Wie schon Curio beantragt hatte, ward das Reich des Massinissa aufgelöst. Der östlichste Teil oder die Landschaft von Sitifis ward mit dem Reich des Königs Bocchus von Ostmauretanien vereinigt, auch der treue König Bogud von Tingis mit ansehnlichen Gaben bedacht. Cirta (Constantine) und den umliegenden Landstrich, die bisher, unter Jubas Oberhoheit, der Fürst Massinissa und dessen Sohn Arabion besessen hatten, erhielt der Condottiere Publius Sittius, um seine halbrömischen Scharen daselbst anzusiedeln81; zugleich aber wurde dieser Distrikt sowie überhaupt der bei weitem größte und fruchtbarste Teil des bisherigen Numidischen Reiches als „Neuafrika“ mit der älteren Provinz Afrika vereinigt und die Verteidigung der Küstenlandschaft gegen die schweifenden Stämme der Wüste, welche die Republik einem Klientelkönig überlassen hatte, von dem neuen Herrscher auf das Reich selbst übernommen.

Der Kampf, den Pompeius und die Republikaner gegen Caesars Monarchie unternommen hatten, endigte also nach vierjähriger Dauer mit dem vollständigen Sieg des neuen Monarchen. Zwar die Monarchie ward nicht erst auf den Schlachtfeldern von Pharsalos und Thapsus festgestellt; sie durfte bereits sich datieren von dem Augenblick, wo Pompeius und Caesar im Bunde die Gesamtherrschaft begründet und die bisherige aristokratische Verfassung über den Haufen geworfen hatten. Doch waren es erst jene Bluttaufen des 9. August 706 (48) und des 6. April 708 (46), die das dem Wesen der Alleinherrschaft widerstreitende Gesamtregiment beseitigten und der neuen Monarchie festen Bestand und förmliche Anerkennung verliehen. Prätendenteninsurrektionen und republikanische Verschwörungen mochten nachfolgen und neue Erschütterungen, vielleicht sogar neue Revolutionen und Restaurationen hervorrufen; aber die während eines halben Jahrtausend ununterbrochene Kontinuität der freien Republik war durchrissen und im ganzen Umfang des weiten Römischen Reiches durch die Legitimität der vollendeten Tatsache die Monarchie begründet. Der verfassungsmäßige Kampf war zu Ende; und daß er zu Ende war, das sprach Marcus Cato aus, als er zu Utica sich in sein Schwert stürzte. Seit vielen Jahren war er in dem Kampfe der legitimen Republik gegen ihre Bedränger der Vormann gewesen; er hatte ihn fortgesetzt, lange nachdem jede Hoffnung zu siegen in ihm erloschen war. Jetzt aber war der Kampf selbst unmöglich geworden; die Republik, die Marcus Brutus begründet hatte, war tot und niemals wieder zum Leben zu erwecken; was sollten die Republikaner noch auf der Erde? Der Schatz war geraubt, die Schildwache damit abgelöst; wer konnte sie schelten, wenn sie heimging? Es ist mehr Adel und vor allem mehr Verstand in Catos Tode, als in seinem Leben gewesen war. Cato war nichts weniger als ein großer Mann; aber bei all jener Kurzsichtigkeit, jener Verkehrtheit, jener dürren Langweiligkeit und jenen falschen Phrasen, die ihn, für seine wie für alle Zeit, zum Ideal des gedankenlosen Republikanertums und zum Liebling aller damit spielenden Individuen gestempelt haben, war er dennoch der einzige, der das große, dem Untergang verfallene System in dessen Agonie ehrlich und mutig vertrat. Darum, weil vor der einfältigen Wahrheit die klügste Lüge innerlich sich zernichtet fühlt und weil alle Hoheit und Herrlichkeit der Menschennatur schließlich nicht auf der Klugheit beruht, sondern auf der Ehrlichkeit, darum hat Cato eine größere geschichtliche Rolle gespielt als viele an Geist ihm weit überlegene Männer. Es erhöht nur die tiefe und tragische Bedeutung seines Todes, daß er selber ein Tor war: eben weil Don Quichotte ein Tor ist, ist er ja eine tragische Gestalt. Es ist erschütternd, daß auf jener Weltbühne, darauf so viele große und weise Männer gewandelt und gehandelt hatten, der Narr bestimmt war zu epilogieren. Auch ist er nicht umsonst gestorben. Es war ein furchtbar schlagender Protest der Republik gegen die Monarchie, daß der letzte Republikaner ging, als der erste Monarch kam; ein Protest, der all jene sogenannte Verfassungsmäßigkeit, mit welcher Caesar seine Monarchie umkleidete, wie Spinneweben zerriß und das Schibboleth der Versöhnung aller Parteien, unter dessen Ägide das Herrentum erwuchs, in seiner ganzen gleisnerischen Lügenhaftigkeit prostituierte. Der unerbittliche Krieg, den das Gespenst der legitimen Republik Jahrhunderte lang, von Cassius und Brutus an bis auf Thrasea und Tacitus, ja noch viel weiter hinab, gegen die Caesarische Monarchie geführt hat – dieser Krieg der Komplotte und der Literatur ist die Erbschaft, die Cato sterbend seinem Feinde vermachte. Ihre ganze vornehme, rhetorisch transzendentale, anspruchsvoll strenge, hoffnungslose und bis zum Tode getreue Haltung hat diese republikanische Opposition von Cato übernommen und dann auch den Mann, der im Leben nicht selten ihr Spott und ihr Ärgernis gewesen war, schon unmittelbar nach seinem Tode als Heiligen zu verehren begonnen. Die größte aber unter diesen Huldigungen war die unfreiwillige, die Caesar ihm erwies, indem er von der geringschätzigen Milde, mit welcher er seine Gegner, Pompeianer wie Republikaner, zu behandeln gewohnt war, allein gegen Cato eine Ausnahme machte und noch über das Grab hinaus ihn mit demjenigen energischen Hasse verfolgte; welchen praktische Staatsmänner zu empfinden pflegen gegen die auf dem idealen Gebiet, ihnen ebenso gefährlich wie unerreichbar, opponierenden Gegner.

  1. Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklärte dem feindlichen Oberfeldherrn daß er bereit sei, es mit zehn von seinen Leuten gegen die beste feindliche Kohorte (500 Mann) aufzunehmen (Bell. Afr. 45). „In der Fechtweise der Alten“, urteilt Napoleon I., „bestand die Schlacht aus lauter Zweikämpfen; in dem Munde des heutigen Soldaten würde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurionen nur richtig war.“ Von dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die seinen Memoiren angehängten Berichte über den Afrikanischen und den Zweiten Spanischen Krieg, von denen jener einen Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in jeder Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab.
  2. Diese Ziffer gab Pompeius selbst an (Caes. civ. 1, 6) und es stimmt damit, daß er in Italien etwa 60 Kohorten oder 30000 Mann einbüßte und 25000 nach Griechenland überführte (Caes, civ. 3, 10).
  3. Der Senatsbeschluß war vom 7. Januar; am 18. wußte man schon in Rom seit mehreren Tagen, daß Caesar die Grenze überschritten habe (Cic. Att. 7, 10; 9, 10, 4); der Bote brauchte von Rom nach Ravenna allermindestens drei Tage. Danach fällt der Aufbruch um den 12. Januar, welcher nach der gangbaren Reduktion dem julianischen 24. November 704 (50) entspricht.
  4. Da nach formellem Recht die „gesetzliche Ratversammlung“ unzweifelhaft ebenso wie das „gesetzliche Gericht“ nur in der Stadt selbst oder innerhalb der Bannmeile stattfinden konnte, so nannte die bei dem afrikanischen Heer den Senat vertretende Versammlung sich die „Dreihundert“ (Bell. Afr. 88, 90; App. hist. 2, 95), nicht weil er aus 300 Mitgliedern bestand, sondern weil dies die uralte Normzahl der Senatoren war. Es ist sehr glaublich, daß diese Versammlung sich durch angesehene Ritter verstärkte; aber wenn Plutarch (Cato min. 59, 61) die Dreihundert zu italischen Großhändlern macht, so hat er seine Quelle (Bell. Afr. 90) mißverstanden. Ähnlich wird der Quasisenat schon in Thessalonike geordnet gewesen sein.
  5. Nach dem berichtigten Kalender am 5. November 705 (49).
  6. Die genaue Bestimmung des Schlachtfeldes ist schwierig. Appian (bist. 2, 75) setzt dasselbe ausdrücklich zwischen (Neu-) Pharsalos (jetzt Fersala) und den Enipeus. Von den beiden Gewässern, die hier allein von einiger Bedeutung und unzweifelhaft der Apidanos und Enipeus der Alten sind, dem Sofadhitiko und dem Fersaliti, hat jener seine Quellen auf den Bergen von Thaumakoi (Dhomoko) und den Dolopischen Höhen, dieser auf dem Othrys, und fließt nur der Fersaliti bei Pharsalos vorbei; da nun aber der Enipeus nach Strabon (9 p. 432) auf dem Othrys entspringt und bei Pharsalos vorbeifließt, so ist der Fersaliti mit vollem Recht von W. M. Leake (Travels in Northern Greece. Bd. 4. London 1835, S. 320) für den Enipeus erklärt worden und die von Göler befolgte Annahme, daß der Fersaliti der Apidanos sei, unhaltbar. Damit stimmen auch alle sonstigen Angaben der Alten über beide Flüsse. Nur muß freilich mit Leake angenommen werden, daß der durch die Vereinigung des Fersaliti und des Sofadhitiko gebildete, zum Peneios gehende Fluß von Vlokho bei den Alten, wie der Sofadhitiko, Apidanos hieß: was aber auch um so natürlicher ist als wohl der Sofadhitiko, nicht aber der Fersaliti beständig Wasser hat (Leake, Bd. 4, S. 321). Zwischen Fersala also und dem Fersaliti muß Altpharsalos gelegen haben, wovon die Schlacht den Namen trägt. Demnach ward die Schlacht am linken Ufer des Fersaliti gefochten, und zwar so, daß die Pompeianer, mit dem Gesicht nach Pharsalos stehend, ihren rechten Flügel an den Fluß lehnten (Caes. civ. 3, 83. Frontin. strat. 2, 3, 22). Aber das Lager der Pompeianer kann hier nicht gestanden haben, sondern nur am Abhang der Höhen von Kynoskephalae am rechten Ufer des Enipeus, teils weil sie Caesar den Weg nach Skotussa verlegten, teils weil ihre Rückzugslinie offenbar über die oberhalb des Lagers befindlichen Berge nach Larisa ging; hätten sie, nach Leakes (Bd. 4, S. 482) Annahme, östlich von Pharsalos am linken Ufer des Enipeus gelagert, so konnten sie nimmermehr durch diesen gerade hier tief eingeschnittenen Bach (Leake, Bd. 4, S. 469) nordwärts gelangen und Pompeius hätte statt nach Larisa, nach Lamia flüchten müssen. Wahrscheinlich schlugen also die Pompeianer am rechten Ufer des Fersaliti ihr Lager und passierten den Fluß, sowohl um zu schlagen, als um nach der Schlacht wieder in ihr Lager zu gelangen von wo sie sodann sich die Abhänge von Krannon und Skotussa hinaufzogen, die über dem letzteren Orte zu den Höhen von Kynoskephalae sich gipfeln. Unmöglich war dies nicht. Der Enipeus ist ein schmaler, langsam fließender Bach, den Leake im November zwei Fuß tief fand und der in der heißen Jahreszeit oft ganz trocken liegt (Leake, Bd. 1, S. 448 und Bd. 4, S. 472; vgl. Lucan. 6, 373), und die Schlacht ward im Hochsommer geschlagen. Ferner standen die Heere vor der Schlacht drei Viertelmeilen auseinander (App. civ. 2, 65), so daß die Pompeianer alle Vorbereitungen treffen und auch die Verbindung mit ihrem Lager durch Brücken gehörig sichern konnten. Wäre die Schlacht in eine völlige Deroute ausgegangen, so hätte freilich der Rückzug an und über den Fluß nicht ausgeführt werden können, und ohne Zweifel aus diesem Grunde verstand Pompeius nur ungern sich dazu, hier zu schlagen. Der am weitesten von der Rückzugsbasis entfernte linke Flügel der Pompeianer hat dies auch empfunden; aber der Rückzug wenigstens ihres Zentrums und ihres rechten Flügels ward nicht in solcher Hast bewerkstelligt, daß er unter den gegebenen Bedingungen unausführbar wäre. Caesar und seine Ausschreiber verschweigen die Überschreitung des Flusses, weil dieselbe die übrigens aus der ganzen Erzählung hervorgehende Kampfbegierde der Pompeianer zu deutlich ins Licht stellen würde, und ebenso die für diese günstigen Momente des Rückzugs.
  7. In diesen Zusammenhang gehört die bekannte Anweisung Caesars an seine Soldaten, nach den Gesichtern der feindlichen Reiter zu stoßen. Die Infanterie, welche hier in ganz irregulärer Weise offensiv gegen die Kavallerie auftrat, der mit den Säbeln nicht beizukommen war, sollte ihre Pila nicht abwerfen, sondern sie als Handspeere gegen die Reiter brauchen und, um dieser sich besser zu erwehren, damit nach oben zu stoßen (Plut. Pomp. 69. 71; Plut. Caes. 45; App, civ. 2, 76, 78; Flor. epit. 2, 13; Oros. hist. 6, 15; irrig Frontin strat. 4, 7, 32). Die anekdotenhafte Umwandlung dieser Instruktion, daß die Pompeianischen Reiter durch die Furcht vor Schmarren im Gesicht zum Weglaufen sollten gebracht werden und auch wirklich „die Hände vor die Augen haltend“ (Plutarch) davongaloppiert seien, fällt in sich selbst zusammen: denn sie hat nur dann eine Pointe, wenn die Pompeianische Reiterei hauptsächlich aus dem jungen Adel Roms, den „artigen Tänzern“, bestand; und dies ist falsch. Höchstens kann es sein, daß der Lagerwitz jener einfachen und zweckmäßigen militärischen Ordre diese sehr unsinnige, aber allerdings lustige Wendung gab.
  8. Der Verlust der Leuchtturminsel muß in der Lücke Bell. Alex. 12 ausgefallen sein, da die Insel anfänglich ja in Caesars Gewalt war (civ. 3,112; Bell. Alex. 8). Der Damm muß beständig in der Gewalt der Feinde gewesen sein, da Caesar mit der Insel nur durch Schiffe verkehrte.
  9. Die Staatengestaltung im nordwestlichen Afrika während dieser Zeit liegt sehr im Dunkel. Nach dem Jugurthinischen Kriege herrschte König Bocchus von Mauretanien wahrscheinlich vom westlichen Meere bis zum Hafen von Saldae, in dem heutigen Marokko und Algier; die von den mauretanischen Oberkönigen wohl von Haus aus verschiedenen Fürsten von Tingis (Tanger), die schon früher vorkommen (Plut. Sert. 9) und zu denen vermutlich Sallusts (hist. 3, 31 Kritz) Leptasta und Ciceros (Vat. 5, 12) Mastanesosus gehören, mögen in beschränkten Grenzen selbständig gewesen oder auch bei ihm zu Lehen gegangen sein; ähnlich wie schon Syphax über viele Stammfürsten gebot (App. Pun. 10) und um diese Zeit in dem benachbarten Numidien Cirta, wahrscheinlich doch unter Jubas Oberherrlichkeit, von dem Fürsten Massinissa besessen ward (App. civ. 4, 54). Um 672 (82) finden wir an Bocchus‘ Stelle einen König Bocud oder Bogud (Oros. hist. 5, 21, 14), des Bocchus Sohn. Von 705 (49) an erscheint das Reich geteilt zwischen dem König Bogud, der die westliche, und dem König Bocchus, der die östliche Hälfte besitzt und auf welche die spätere Scheidung Mauretaniens in Boguds Reich oder den Staat von Tingis und Bocchus‘ Reich oder den Staat von Jol (Caesarea) zurückgeht (Plin. nat. 5, 2, 19, vergl. Bell. Afr. 23).
  10. Die Inschriften der bezeichneten Gegend bewahren zahlreiche Spuren dieser Kolonisierung. Der Name der Sittier ist dort ungemein häufig; die afrikanische Ortschaft Milev führt als römische den Namen colonia Sarnensis (CIL VIII, p. 1094), offenbar von dem nucerinischen Flußgott Sarnus (Suet. rhet. 4).