Cassy
Kurze Zeit genügte, um Tom mit allem, was er in seiner neuen Lebensweise zu hoffen oder zu fürchten hatte, vertraut zu machen. Er war ein geschickter und brauchbarer Arbeiter in allem, was er angriff; und war sowohl aus Gewohnheit wie aus Grundsatz pünktlich und treu. Von stiller und friedlicher Gemütsart, hoffte er durch unausgesetzten Fleiß wenigstens einem Teile der Leiden seiner Lage zu entgehen. Er hatte soviel Tyrannei und Jammer vor Augen, daß er wohl hätte am Leben verzweifeln können; aber er war entschlossen, sich mit frommer Geduld zu mühen und Ihm zu vertrauen, der gerecht urteilt, nicht ohne einige Hoffnung, daß sich noch ein Weg der Rettung für ihn finden könnte.
Legree war ein stummer Beobachter von Toms Brauchbarkeit. Er schätzte ihn als einen seiner allerbesten Arbeiter, und doch fühlte er eine geheime Abneigung gegen ihn – den angeborenen Widerwillen des Schlechten gegen das Gute. Er sah klärlich, daß, sooft seine Gewalttätigkeit und Roheit Hilflose traf, wie es häufig geschah, Tom es wohl beachtete, denn so fein ist die Atmosphäre der Meinung, daß sie sich selbst ohne Worte fühlbar macht, und sogar die Meinung eines Sklaven kann einem Herrn unangenehm sein. Tom legte auf verschiedene Weise eine Weichheit des Gefühls und eine zärtliche Teilnahme für seine Leidensgenossen an den Tag, die ihnen seltsam und neu war und welche Legree mit argwöhnischem Auge beobachtete. Er hatte Tom in der Absicht gekauft, mit der Zeit eine Art Aufseher aus ihm zu machen, dem er manchmal während kurzer Abwesenheiten seine Angelegenheiten anvertrauen konnte; und seiner Ansicht nach war das erste, zweite und dritte Erfordernis für eine solche Stelle unnachsichtige Härte. Legree war darin mit sich einig, daß Tom, da er noch nicht hart genug sei, hart gemacht werden müsse; und einige Wochen nach Toms Ankunft beschloß er seine Kur zu beginnen.
Eines Morgens, als sämtliche Sklaven antraten, um aufs Feld zu gehen, gewahrte Tom zu seiner Überraschung ein neues Gesicht unter ihnen, dessen Erscheinung seine Aufmerksamkeit erregte. Es war eine schlanke und zart gebaute Frau mit merkwürdig feinen Händen und Füßen und in sauberen und anständigen Kleidern. Nach ihrem Gesicht zu urteilen mochte sie zwischen 35 und 40 Jahre alt sein; und es war ein Gesicht, das man, einmal gesehen, nie wieder vergessen konnte, eins von den Gesichtern, welche auf den ersten Blick uns an eine phantastische, leidensvolle und romantische Lebensgeschichte denken lassen. Die Stirn war hoch und die Bogen der Augenbrauen wunderschön gezogen, die gerade, gut geformte Nase, der schön geschnittene Mund und die anmutigen Umrisse ihres Kopfs und ihrer Büste verrieten, daß sie früher schön gewesen sein mußte; aber ihr Gesicht war von tiefen Furchen des Schmerzes und stolzen und bitteren Duldens durchzogen. Ihre Gesichtsfarbe war fahl und ungesund, ihre Wangen hohl, ihre Züge spitz und die ganze Gestalt ausgemergelt. Aber ihr Auge war im höchsten Grade merkwürdig – so groß, so düster schwarz, von langen, ebenso dunklen Wimpern beschattet und von so trauervollem und wild verzweifeltem Ausdruck. In jedem Zuge ihres Gesichts, in jeder Biegung ihrer zuckenden Lippe, sprach sich ungezähmter Stolz und Trotz aus; aber in ihrem Auge lag eine unergründlich tiefe, nicht zu erhellende Nacht des Schmerzes – ein so hoffnungsloser und unveränderlicher Ausdruck, daß er grauenerregend gegen den Stolz und Trotz ihres ganzen übrigen Wesens abstach.
Woher sie kam, oder wer sie war, wußte Tom nicht. Er sah sie zuerst, wie sie aufrecht und stolz im ungewissen Zwielicht des Morgens neben ihm herschritt. Die übrigen Sklaven kannten sie jedoch, denn mancher Blick und mancher Kopf wendete sich ihr zu, und unter den elenden, zerlumpften, halbverhungerten Geschöpfen, die sie umringten, gab sich ein unterdrücktes, aber sichtbares Frohlocken kund.
»Endlich muß sie auch dran glauben – freut mich!« sagte einer.
»Hi! hi! hi!« sagte eine andere. »Nun wirst du auch schon sehen, wie es tut, Missis! Na, wird die arbeiten!«
»Bin neugierig, ob sie auch abends ihre Hiebe kriegt, wie wir andern!«
»Sollte mich freuen, wenn sie einmal die Peitsche zu kosten bekäme, das schwöre ich!« sagte wieder eine andere.
Die Frau beachtete diese Reden nicht, sondern ging mit demselben Ausdruck zürnenden Trotzes ihres Wegs, als ob sie nichts hörte.
Tom hatte beständig unter gebildeten Leuten gelebt, und fühlte daher sogleich aus ihrem ganzen Wesen heraus, daß sie zu dieser Klasse gehörte; aber wie und warum sie so tief gesunken, konnte er nicht erraten. Die Frau sah ihn nicht an und sprach nicht mit ihm, obgleich sie auf dem ganzen Wege nach dem Felde an seiner Seite blieb.
Tom war bald eifrig mit seiner Arbeit beschäftigt, aber er warf oft einen Blick auf sie, um zu sehen, wie sie arbeitete. Er sah sogleich, daß angeborenes Geschick und Gewandtheit ihr die Arbeit viel leichter machten als den meisten andern. Sie las sehr rasch und sehr rein und mit einer Miene von spöttischem Trotz, als ob sie ebensosehr die Arbeit wie die Schande und Erniedrigung der Lage, in der sie sich befand, verabscheute.
Im Laufe des Tages arbeitete Tom neben der Mulattin, welche in demselben Transport mit ihm hierher gekommen war. Offenbar war sie außerordentlich leidend und Tom hörte sie oft beten, wie sie wankte und zitterte und auf dem Punkte zu stehen schien, hinzusinken. Ohne ein Wort zu sprechen, legte Tom, wie er in ihre Nähe kam, mehrere Handvoll Baumwolle aus seinem Sack in den ihrigen.
»Ach, nein, nein!« sagte die Frau mit überraschtem Blick. »Ihr werdet in Ungelegenheiten kommen.«
Gerade jetzt kam Sambo heran. Er schien einen besonderen Haß auf diese Frau geworfen zu haben und sagte, die Peitsche schwingend im brutalen Kehltone: »Was ist das, Luce – macht wohl Streiche hier?« und dabei gab er der Frau mit seinem schweren, rindsledernen Schuh einen Tritt und schlug Tom mit der Peitsche übers Gesicht.
Tom ging wieder schweigend an seine Arbeit; aber die Frau, die schon den letzten Grad der Erschöpfung erreicht hatte, fiel in Ohnmacht.
»Ich will sie schon wieder zu sich bringen!« sagte der Aufseher mit rohem Grinsen. »Ich will ihr was eingeben, was besser als Kampfer ist!« Und er zog eine Nadel aus dem Rockaufschlag und bohrte sie ihr bis an den Kopf ins Fleisch. Die Frau stöhnte und erhob sich bald. »Steh auf, du Bestie, und arbeite, oder ich will dir noch ein Kunststück zeigen!«
Die Frau schien für ein paar Augenblicke zu einer unnatürlichen Kraft angestachelt zu sein und arbeitete mit verzweifeltem Eifer.
»Sieh zu, daß du dabei bleibst«, sagte der Aufseher, »oder du wirst heute abend wünschen, du wärest tot, sage ich dir!«
»Das wünsche ich jetzt schon!« hörte Tom sie sagen; und wieder hörte er sie sagen: »O Gott, wie lange? O Herr, warum hilfst du uns nicht!«
Auf die Gefahr, sich den größten Mißhandlungen auszusetzen, trat Tom wieder zu ihr und tat alle Baumwolle aus seinem Sack in den ihrigen.
»Ach nein, das dürft Ihr nicht tun! Ihr wißt gar nicht, wie sie Euch bestrafen werden!«
»Ich kann es besser ertragen, als Ihr«, sagte Tom, und er stand wieder auf seiner Stelle. In einem Augenblick war alles vorbei.
Plötzlich erhob die unbekannte Frau, die wir beschrieben haben und die während ihrer Arbeit nahe genug gekommen war, um Toms letzte Worte zu hören, ihre schweren, schwarzen Augen und heftete sie einen Augenblick auf ihn, dann nahm sie eine Quantität Baumwolle aus ihrem Korbe und legte sie in seinen Sack.
»Ihr kennt nichts von diesem Ort«, sagte sie, »oder Ihr würdet so etwas nicht tun. Wenn Ihr erst einen Monat hier seid, werdet Ihr nicht mehr daran denken, jemand zu helfen; Ihr werdet es schwer genug finden, für Eure eigne Haut Sorge zu tragen.«
»Der Herr verhüte das, Missis!« sagte Tom, indem er unbewußt seine Mitarbeiterin auf dem Felde mit der ehrerbietigen Benennung anredete, welche unter den gebildeteren Klassen, unter denen er gelebt hatte, gang und gäbe ist.
»Der Herr kommt nie hierher«, sagte die Frau bitter, wie sie mit raschen Fingern ihre Arbeit fortsetzte; und abermals zuckte das höhnische Lächeln um ihre Lippen.
Aber der Aufseher auf der anderen Seite des Feldes hatte wohl gesehen, was die Frau getan hatte, und die Peitsche schwingend kam er jetzt heran.
»Was! Was!« sagte er zu der Frau mit triumphierender Miene. »Ihr macht gar Streiche? Wart nur! Ihr steht jetzt unter mir – nehmt Euch in acht, oder Ihr sollt’s kriegen!«
Da schoß es wie ein Blitzstrahl plötzlich aus diesen schwarzen Augen heraus; sie drehte sich mit zitternden Lippen und mit offenen Nasenlöchern um, richtete sich empor und heftete einen vor Wut und Hohn flammenden Blick auf den Aufseher.
»Hund!« sagte sie. »Rühre mich an, wenn du’s wagst! Ich besitze noch Macht genug, um dich von Hunden zerreißen, lebendig verbrennen oder in Stückchen zerschneiden zu lassen! Ich habe nur ein Wort zu sprechen.«
»Wozu, zum Teufel, seid Ihr denn hier?« sagte der Mann, offenbar eingeschüchtert, und trat mürrisch ein paar Schritte zurück. »Meinte es nicht bös, Misse Cassy.«
»Nun, so komm mir nicht zu nahe!« sagte die Frau. Und wirklich schien der Aufseher ganz besonders geneigt zu sein, sich etwas an dem anderen Ende des Feldes zu tun zu machen, und ging schnellen Schrittes dorthin.
Die Frau machte sich jetzt rasch wieder an ihre Arbeit, und machte damit Fortschritte, welche Tom in das höchste Erstaunen setzten. Sie schien wie durch Zauberei zu arbeiten. Ehe der Abend da war, war ihr Korb voll, die Baumwolle zusammengepreßt und noch daraufgehäuft, und doch hatte sie mehrere Male große Quantitäten Tom gegeben. Lange nach Dämmerung marschierte der ganze müde Zug mit den Körben auf dem Kopfe nach dem zum Aufspeichern und Wiegen der Baumwolle bestimmten Gebäude. Legree war da und sprach eifrig mit den beiden Aufsehern.
»Dieser Tom da macht einem schrecklich zu schaffen, tat immer Baumwolle in Lucys Korb. Das ist einer von denen, die allen Niggers glauben machen, ’s ginge ihnen schlecht, wenn Master nicht ein Auge auf ihm hat!« sagte Sambo.
»Was da! Der schwarze Schlingel!« sagte Legree. »Er wird wohl erst eine Lektion kriegen müssen, Bursche?«
Beide Neger grinsten scheußlich bei dieser Andeutung.
»Ja, ja! Überlaßt nur Master Legree das Lektionen geben; der Teufel selber könnte das nicht besser machen, als Master!« sagte Quimbo.
»Ich denke, Bursche, das beste ist, von ihm das Peitschen besorgen zu lassen, bis er seine Grillen los wird. Wir wollen es ihn schon lehren.«
»Ach, Master, ’s wird viel Mühe kosten, ihm das aus dem Kopf zu bringen!«
»Aber es muß ihm aus dem Kopfe«, sagte Legree und schob den Tabak auf die andere Seite seines Mundes.
»Dann ist da die Lucy – die widerspenstigste und häßlichste Dirne auf der ganzen Plantage!« fuhr Sambo fort.
»Nimm dich in acht, Sam; ich werde nächstens einmal fragen, warum du einen solchen Haß auf Lucy geworfen hast.«
»Nun, Master weiß ja, sie war widerspenstig gegen Master selbst und wollte mich nicht nehmen, wie es ihr geheißen wurde.«
»Ich wollte sie schon durch die Peitsche gehorsam machen«, sagte Legree und spuckte aus, »wenn wir nur nicht so schrecklich viel zu tun hätten, daß wir sie nicht zuschande hauen dürfen. Sie ist schwächlich, aber die schwächlichsten Dirnen lassen sich halb totschlagen, um ihren Willen zu behalten.«
»Ja, Lucy war ganz widerspenstig und faul, wollte nichts tun – und Tom hat ihr mit lesen helfen.«
»So? Nun, dann soll Tom das Vergnügen haben, sie zu peitschen. Es wird für ihn eine gute Übung sein, und er wird sie nicht so schrecklich hauen, wie ihr Teufel.«
»Hoho! ha! ha! ha!« lachten die beiden Schwarzen, und die teuflischen Laute schienen in Wahrheit kein unpassender Ausdruck des dämonischen Charakters zu sein, den Legree ihnen beigelegt hatte.
»Ja, Master, Tom und Misse Cassy haben Lucys Korb gemeinschaftlich gefüllt. Ich möchte fast meinen, ’s sind Steine drin, Master.«
»Ich werde das Wiegen besorgen!« sagte Legree mit Nachdruck.
Beide Aufseher ließen wieder ihr teuflisches Lachen erschallen. »Also Miß Cassy hat ihr Tagewerk verrichtet«, setzte er hinzu.
»Sie liest wie der Teufel und alle seine Engel!«
»Sie hat sie alle im Leibe, glaube ich!« sagte Legree und ging, einen brutalen Fluch brummend, nach dem Waagezimmer.
Langsam kamen die müden und niedergedrückten Geschöpfe in das Zimmer und brachten mit unterwürfigem Zaudern ihre Körbe an die Waage.
Legree schrieb das Gewicht auf seine Schiefertafel, an deren einer Seite ein Namensverzeichnis angeklebt war.
Toms Korb wurde gewogen und richtig befunden; und er wartete mit besorgtem Blick, wie es der Frau, der er geholfen hatte, gehen würde.
Vor Schwäche wankend, trat sie vor und gab ihren Korb hin. Er hatte das gehörige Gewicht, wie Legree recht wohl bemerkte, aber sich zornig stellend sagte er: »Was, du faule Bestie! Schon wieder zu wenig! Tritt dorthin, du sollst’s schon kriegen, und bald!«
Die Frau stöhnte voll tiefster Verzweiflung und setzte sich auf ein Brett hin.
Die Person, die man Miß Cassy genannt hatte, trat jetzt vor und übergab mit stolzer nachlässiger Miene ihren Korb. Wie sie ihn hinreichte, sah ihr Legree mit einem höhnischen, aber forschenden Blick in die Augen.
Sie sah ihn mit ihren schwarzen Augen fest an, ihre Lippen bewegten sich ein wenig, und sie sagte etwas auf französisch zu ihm. Was es war, wußte niemand, aber Legrees Gesicht nahm einen vollkommen teuflischen Ausdruck an, wie sie sprach; er hob die Hand, als wollte er schlagen – eine Gebärde, welche sie mit grimmiger Verachtung ansah, als sie sich umdrehte und fortging.
»Und nun komm einmal her, Tom«, sagte Legree. »Du weißt, ich sagte dir, daß ich dich nicht für die ganze gemeine Arbeit gekauft habe. Ich gedenke, dich zu befördern und dich zum Aufseher zu machen; und heute abend kannst du nur gleich anfangen, um deine Hand zu üben. Jetzt nimm diese Dirne da und peitsche sie aus; du hast es oft genug gesehen, um es machen zu können.«
»Ich muß Master um Verzeihung bitten«, sagte Tom, »hoffe, Master wird mich nicht dazu brauchen. Ich bin nicht daran gewöhnt – hab’s noch nie getan – und kann es nicht tun, ist mir nicht möglich.«
»Du wirst noch ziemlich viel lernen müssen, was du nicht kannst, ehe ich mit dir fertig bin!« sagte Legree, nahm einen Ochsenziemer und versetzte damit Tom einen schweren Schlag über die Wange und ließ darauf noch einen ganzen Regen von Hieben folgen.
»Da!« sagte er, wie er innehielt, um Atem zu holen. »Wirst du nun auch jetzt noch sagen, du könntest es nicht tun?«
»Ja, Master«, sagte Tom und wischte sich mit der Hand das Blut weg, das ihm am Gesicht hinablief. »Ich will gern arbeiten, Tag und Nacht, und arbeiten, solange noch Leben und Atem in mir ist; aber das zu tun, kommt mir nicht recht vor; und Master, ich werde es niemals tun, niemals!«
Tom hatte eine merkwürdige weiche, sanfte Stimme und ein ehrerbietiges Wesen, welche Legree zu dem Glauben veranlaßt hatten, er wäre feig und werde sich leicht fügen. Als er diese letzten Worte sprach, lief ein Schauer des Staunens durch jeden Anwesenden; die arme Frau schlug die Hände zusammen und sagte:
»O Herr!« und jeder sah den andern unwillkürlich an und hielt den Atem an, wie um sich auf das Unwetter vorzubereiten, das gleich losbrechen mußte.
Legree sah ganz verblüfft aus, aber endlich brach er los:
»Was! Du verdammte, schwarze Bestie! Du willst mir sagen, du hältst es nicht für recht, das zu tun, was ich dir befehle! Wie kann sich einer von euch verdammtem Viehzeug Gedanken machen, was recht ist? Dem will ich ein Ende machen! Was denkst du denn eigentlich, was du bist? Du denkst wohl gar, du bist ein Gentleman, Master Tom, daß du deinem Herrn sagst, was recht ist und was nicht recht ist! Also behauptest du, es wäre unrecht, die Dirne zu peitschen?«
»Das ist meine Meinung, Master«, sagte Tom. »Das arme Geschöpf ist krank und schwach; ’s wäre geradezu grausam, und ich werde es nie und nimmermehr tun. Master, wenn Sie mich töten wollen, so töten Sie mich; aber nie werde ich meine Hand gegen einen dieser armen Leute hier erheben, nie – eher will ich sterben!«
Tom sprach das in sanftem Tone, aber mit einer Entschiedenheit, welche nicht mißverstanden werden konnte. Legree zitterte vor Zorn; seine grünlichen Augen funkelten wild, und selbst sein Backenbart schien sich vor Leidenschaft zu kräuseln; aber wie manche wilden Tiere, die mit ihrem Opfer spielen, bevor sie es zerreißen, hielt er seinen starken Trieb, sofort Gewalt zu brauchen, noch im Zaume und brach in bitteren Hohn aus.
»Ha, da haben wir endlich einmal einen Frommen mitten unter uns Sünder bekommen! – Einen Heiligen, einen feinen Herrn, der uns Sündern von unseren Sünden vorpredigen soll! Ein gewaltig heiliger Kerl muß es sein! Höre, du Schuft, du willst dich so fromm stellen – hast du nie in deiner Bibel gelesen: Diener, gehorchet Eurem Herrn? Bin ich nicht dein Herr? Habe ich nicht 1200 bare Dollar für alles, was in deinem verwünschten, schwarzen Leichnam ist, bezahlt? Bist du nicht mein mit Leib und mit Seele?« sagte er und gab Tom mit seinem schwere Stiefel einen heftigen Tritt: »Sprich!«
In der Tiefe seines physischen Leidens und von brutaler Bedrückung niedergebeugt fiel diese Frage wie ein Strahl voll Freude und Triumph in Toms Seele. Er richtete sich plötzlich auf, blickte ernst gen Himmel, während Tränen sich unter das an seinem Gesicht herabfließende Blut mischten, und rief aus:
»Nein, nein, nein! Meine Seele gehört Ihnen nicht, Master! Die haben Sie nicht gekauft – die können Sie nicht kaufen! Die ist gekauft und bezahlt von einem, der imstande ist, sie zu bewahren; es ist einerlei, Sie können mir nicht schaden!«
»Ich kann nicht«, sagte Legree mit höhnischem Grinsen; »das wollen wir sehen! Hier Sambo, Quimbo! Gebt diesem Hund eine Tracht Schläge, die er vor einem Monat nicht vergißt!«
Die beiden riesenhaften Neger, die jetzt Tom, mit teuflischem Frohlocken im Gesicht, packten, wären keine unpassende Personifikation der Mächte der Finsternis gewesen. Die arme Frau schrie laut auf vor Angst, und alle standen, von einer gemeinsamen Bewegung erfüllt, auf, während jene ihn widerstandslos hinausschleppten.