Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (* 27. August 1770 in Stuttgart, † 14. November 1831 in Berlin) war war ein idealistischer Philosoph, der das dialektische Denken in spekulative Höhen trieb und enzyklopädisch ausweitete. Sein System resultiert aus dem Grundsatz: Das Wahre ist das Ganze. [Phänomenologie des Geistes, Vorrede, S. 22]. Dieses Ganze realisiert sich in der Geschichte durch antithetische Teilwahrheiten, die sich in einer höheren Synthese zusammenfinden. Diese wird ihrerseits zur Antithese in einem neuen Gegensatz. Der dialektische Grundgegensatz ist der von Geist und Materie. Der Geist kommt in der Materie (seinem Anderen) gestaltend zu sich selbst. Unter dieser Perspektive entwickelte Hegel eine umfassende Geschichtsphilosophie von großer deutender Kraft.

Hegels spekulatives, eher aufs große Ganze als aufs kleine Detail gerichtete Denken wird einerseits als Fortsetzung von, andererseits aber auch als deutlicher Gegensatz zu der Philosophie Immanuel Kants gesehen. Während Kant sich selbst eher in der Tradition der englischen Philosophie sah und noch klar dem Zeitalter der Aufklärung angehört, ist Hegel in die deutsche Klassik einzuordnen.

Die Hegelschen Werke wurden zum Ausgangspunkt für zahlreiche Strömungen der Philosophie, unter anderem den Hegelianismus und den Marxismus.

Frühe Zeit (1790 – 1800)

Geboren am 27. August 1770 als Sohn des Rentkammersekretärs Georg Ludwig Hegel, dessen protestantische Vorfahren aus Österreich in das lutherische Württemberg eingewandert waren, wuchs Hegel als ältestes von drei Kindern in einer protestantisch-pietistischen Umgebung auf.

Nach Besuch des Stuttgarter Karls-Gymnasiums studierte er ab dem 27. Oktober 1788 als herzoglicher Stipendiat des theologischen Stifts in Tübingen (dem später dadurch berühmten Tübinger Stift). Ihn verbindet dort eine enge Freundschaft mit Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling und Friedrich Hölderlin, beides Zimmergenossen von ihm. Nach zwei Jahren philosophischer Ausbildung wurde er Magister der Philosophie. Nach drei Jahren Theologiestudium legte er im Herbst 1793 sein Konsistorialexamen ab.

Er bestritt danach seinen Lebensunterhalt mit Hauslehrerstellen 1793 bis 1796 in Bern und 1797 bis 1800 in Frankfurt am Main. Der Tod seines Vaters 1799 ermöglichte es ihm, einige Jahre finanziell unabhängig zu leben.

Hegels theologische Jugendschriften sind religiös und politisch orientiert. Schon diese Schriften, die um die Themen Trennung, Entzweiung festgewordener Gegensätze und Differenz kreisen, nehmen die spätere Dialektik durch Aufhebung und Versöhnung dieser Trennungen vorweg.

Jena (1800 – 1807)

Im Jahr 1800 ging Hegel nach Jena, habilitierte im Jahr 1801 und wurde Privatdozent. Nach Empfehlung durch Goethe wurde er 1805 zum a. o. Professor ernannt. In Jena entstand die Phänomenologie des Geistes. Aufgrund der Besetzung von Jena durch die französischen Truppen unter Napoleon verließ Hegel 1807 die Stadt und wechselte nach Bamberg als Redakteur der Bamberger Zeitung.

Nürnberg (1808 – 1816)

Von der Beschäftigung als Redakteur der Bamberger Zeitung gelangte Hegel 1809 nach Nürnberg. Die Vermittlung dorthin besorgte der Freund Friedrich Immanuel Niethammer, selbst zu der Zeit Oberschulrat und Mitglied der Sektion für öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten in München. Niethammers Frau horchte in einem Beibrief zu einem Verpflegungspaket schon einmal vor, da sich Niethammer nicht sicher war, ob er nicht doch mit einem derartigen Angebot beleidigend wirke. Doch Hegel war, nachdem sich eine Professur in Heidelberg zerschlagen hatte, um des sicheren Einkommens durchaus dankbar. Und so erging am 15. November 1808 die Ernennung zum Professor der Vorbereitungswissenschaften und Rektor des Egidiengymnasiums in Nürnberg.

Die Besoldung betrug 900 Gulden zuzüglich einer Rektoratszugabe von 100 Gulden und freier Logis, was man ihm anfänglich allerdings in Richtung 100 Gulden oder freie Logis auszulegen versuchte. Hegel hielt nun den Unterricht in Philosophie wie vorgesehen, darüber hinaus aber auch vertretungsweise Germanistik, Griechisch und höhere Mathematik. Die Anforderungen der pädagogischen Vermittlung wirkten sich nach seinen eigenen Aussagen in die Richtung einer Mehrung der Transparenz der Darstellung überaus positiv aus.

Die Gliederung des Unterrichts war zwar streng – so wurde der Stoff beispielsweise in diktierten Paragraphen abgehandelt, auch wurde vom einzelnen Schüler erwartet, das in der vergangenen Stunde Durchgenommene in der nächsten aufsagen zu können -, dies System wurde aber dann wieder durchlässig dadurch, dass Zwischenfragen nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht waren und so das Auskunftgeben des Lehrers den größten Anteil der Stunde zu füllen vermochte.

Das so in die Hefte gebrachte philosophische Wissen wurde später von Karl Rosenkranz aus den Schülermitschriften kompiliert und als Philosophische Propädeutik herausgegeben. Aber auch Hegel selbst griff in der Heidelberger Zeit auf seine Aufzeichnungen der Philosophiestunden am Egidiengymnasium gern zurück.

Die erhoffte Ordnung der finanziellen Verhältnisse stellte sich nicht ein. So wenig die öffentlichen Gelder für einen Pedell, einen Kopisten etc. gereicht zu haben scheinen, so wenig ist man wohl auch in der Lage gewesen, den Rektor selbst regelmäßiger Zahlungen zu versichern. Rückstände von Monaten in der Anweisung des Gehaltes konnten vorkommen und brachten Hegel wieder Schwierigkeiten. In anderer Hinsicht brachte die Nürnberger Zeit allerdings etwas Neues. Wohl zu seiner eigenen Überraschung lernte Hegel hier eine junge Frau kennen, die mit ihm in den Stand der Ehe zu treten gewillt war:

Ehestand Hegels

Marie von Tucher war gerade zwanzig Jahre alt, als ihr Hegel am 16. April 1811 die Ehe antrug. Sie war damit in etwa halb so alt wie Hegel selbst. Dennoch scheinen die Bedenken des Vaters, Jobst Wilhelm Karl Freiherr von Tuch zu Simmelsdorf, Senator der Stadt Nürnberg, und auch der Mutter Maries, geb. Susanna Freiin Haller von Hallerstein, auf einem anderen Gebiete als dem des Alters gelegen zu haben.

Als Niethammer von der Neuigkeit mit dem Datum des 18. Aprils 1811 erfuhr, schrieb Hegel dazu, sein Glück ist zum Teil an die Bedingung gebunden, dass [er] eine Stelle auf der Universität erhalte, da Marie doch neben der Aussteuer mit einer jährlichen Apanage von 100 Talern beschieden werden sollte. Um die Sache nicht zu dramatisieren, erweist sich Niethammer auch hier als Freund und antwortet mit einer Art Empfehlungsschreiben für Hegel, durchaus zur Vorlage bei den Tuchers geeignet.

Auf diese oder andere Weise scheinen sich die Tucherschen Bedenken dann zerstreut zu haben, denn für den 16. September 1811 wurde die Hochzeit anberaumt.

Abfassung der Logik

In genau der Zeit kurz nach der Eheschliessung begann Hegel auch an seiner Wissenschaft der Logik zu schreiben. Es ist keine Kleinigkeit, im ersten Semester seiner Verheiratung ein Buch des abstrusesten Inhaltes […] zu schreiben bekam Niethammer im Februar 1812 zu hören. Im Jahr 1813 wurde Hegel dann zum Schulrat ernannt, womit sich seine materielle Situation etwas verbesserte.

Heidelberg (1816 – 1818)

Am 19. Oktober 1816 traf Hegel in Heidelberg ein. Am 28. Oktober hielt er seine Antrittsvorlesung. Als Vorlesungsleitfaden erschien im Mai 1817 die erste Auflage der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften.

Er arbeitete in der Redaktion der Heidelberger Jahrbücher für Literatur mit. Dort erschien seine Schrift über die Verhandlungen der Landesfürsten des Königreiches Württemberg.

Berlin (1818 – 1831)

Am 26. Dezember 1817 erhielt Hegel das Angebot von zum Altenstein, dem ersten preußischen Kultusminister, an die Berliner Universität zu kommen.

Im Jahre 1818 folgte Hegel dem Ruf an die Universität von Berlin, deren Rektor zu dieser Zeit Schleiermacher war. Hegel wurde selbst Rektor der Universität im Jahre 1829. Er starb 1831 an der in Berlin stark verbreiteten Cholera und wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof begraben.

Dialektik

Der zentrale Begriff, den man mit Hegels Denken verbindet, lautet Dialektik. Dieser Begriff hat eine sehr lange Tradition und bedeutet ursprünglich bloß Kunst der Gesprächsführung. Hegel interpretiert Dialektik auf eine neue Weise. Sie ist nun eine Bewegung, die sich über Widersprüche historisch konkretisiert. Das unterscheidet ihn deutlich von der Epoche der Aufklärung, dem 18. Jahrhundert, und damit auch von Immanuel Kant. Die Aufklärung war tendenziell ahistorisch und zielte auf eine reine Vernunft, eine reine Wahrheit als Fluchtpunkt und Maß alles Wirklichen. Für Hegel haben sich dagegen Vernunft, Wahrheit, Selbstbewusstsein erst in einem geschichtlichen Prozess zu realisieren. Dies geschehe in dem berühmten – allerdings von Hegel selbst nie mit diesen Begriffen bezeichneten – dialektischen Dreischritt: These – Antithese – Synthese. Alles, was ist, hat auch seinen Widerspruch; die Wahrheit ist das Zusammentreten von Spruch und Widerspruch in der höheren Vereinigung der Synthese, darin seien die Widersprüche aufgehoben. Aufhebung, wiederum ein zentraler Terminus bei Hegel, bedeutet eine Dreiheit, nach den lateinischen Wörtern negare (verneinen), elevare (emporheben) und conservare (bewahren).

Beispiele dafür:

1. aus Hegels Logik. Die Philosophie beginnt mit dem Sein. Das Sein hat unmittelbar den Gegensatz des Nichts an sich. Bei genauerer Analyse stellt Hegel aber fest, dass Sein und Nichts identisch sind. Die Synthese beider nennt er Werden, das ständige Übergehen beider ineinander. Das Werden ist eine neue These, die als Antithese das Dasein gebiert. Diese Dialektik ist der Motor des Systems, aus dem Hegel schließlich jede Realität, auch jede Gedankenrealität, entwickelt.

2. Beispiel aus der Phänomenologie des Geistes von 1807: Sinnliche Gewissheit – Wahrnehmung – Verstand. Hegel will das Werden des Geistes zu sich selbst begrifflich erfassen (auf den Begriff bringen). Wieder ist die Frage nach dem Anfang äußerst wichtig. Die Sinnliche Gewissheit ist die reichste Form des Geistes, bei näherem Betrachten aber zugleich die ärmste, sie sieht alles, kann sich aber an nichts erinnern. Die Wahrnehmung steht dazu im Gegensatz, denn sie verfügt über Erinnerung, sie kann Zusammenhänge über die Zeit feststellen. Aber sie kann sich täuschen. Deshalb ist der Verstand die Synthese von Sinnlicher Gewissheit und Wahrnehmung.

Das 3. Beispiel schließt sich hier direkt an und ist eines der sinnfälligsten und wirkungsmächtigsten Momente des Hegelschen Denkens, die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft, die das Selbstbewusstsein erklärt. Zur These des Bewusstseins gesellt sich die Antithese eines anderen Bewusstseins. Beide binden sich aneinander, aber nicht friedlich, sondern in einem Kampf, in dem es um Anerkennung geht. Die Synthese ist schließlich das Selbstbewusstsein, doch ist es in dem einen Fall selbständig, in dem anderen nicht, Herr und Knecht. Hegel greift hier – wie auch sonst oft – zu einer sehr drastischen Wortwahl, er schreibt von einem Kampf um Leben und Tod, der indes sinnlos wäre, wenn tatsächlich das stärkere Bewusstsein das schwächere umbrächte, denn damit wäre es mit der Anerkennung vorbei. Der Knecht erweist sich im weiteren Verlauf des Geschehens als das stärkere Prinzip, weil es an der Natur arbeitet. Indem er die Natur bearbeitet, wird er Herr über diese und damit gleichzeitig Herr über seine knechtische Natur, die in sich in seiner Todesfurcht manifestiert. Wahre Freiheit kann er erlangen, wenn er diese Furcht überwindet und sich gegen seinen Herrn auflehnt. (Arbeit, auch eine Hegelsche Kategorie, eine gewisse Ähnlichkeit gibt es zur heutigen Prinzipal-Agent-Theorie).

Die Synthese dieser Dialektik ist nun die Freiheit. Man kann diese Stufe deuten als den Übergang von einer feudalen Gesellschaft mit leibeigenen Bauern hin zu einer bürgerlichen Gesellschaft, oder man kann sie vergleichen mit einer (mythischen) Phase der heroischen Staatengründung, wie sie etwa in antiken Dramen oder modernen Westernfilmen aus Hollywood geschildert werden. Marx leitet hieraus die Idee des Klassenkampfes ab. Axel Honneth entwickelte an dieses Kapitel anschließend in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine sozialphilosophische Theorie über soziale Konflikte.

Kreise, System, Weltgeschichte

Hegels großes Ziel war es, systematisch alle sinnlichen und geistigen Wirklichkeiten zu erfassen. Seine Philosophie gipfelt folglich in einer alles umfassenden Enzyklopädie. Er folgt dabei konsequent einem dreigliedrigen Schema. Dieses bezeichnet er als einen Kreis von Kreisen. Der erste Kreis wird von der Logik markiert, der zweite heißt Naturphilosophie, der dritte Philosophie des Geistes. Die Logik gibt die begrifflichen Grundlagen, die Naturphilosophie erfasst die physikalischen, chemischen und biologischen Grundlagen, der Geist schließlich die menschlichen Belange samt Politik und Weltgeschichte. Die Weltgeschichte hat einen Endpunkt, der in aufgehobener Weise (s.o.) zugleich der Anfang ist. Man hat Hegels Konzept mit der Odyssee verglichen, bei der der Held, Odysseus, am Ende wieder dort landet, von wo er aufgebrochen ist, Ithaka.

Im Einzelnen ist dazu zu sagen: unter Logik fasst Hegel nicht das, was seit Aristoteles und gewissermaßen bis heute darunter verstanden wird, sondern quasi die Struktur, den Möglichkeitsgrund, auf dem sich Sein (naturwissenschaftlich) und Geist aufbauen. Hegels Naturphilosophie ist nur schwer mit dem heutigen Verständnis von Naturwissenschaften zu vereinbaren, sie spiegelt das Wissen seiner Zeit aber sehr präzise wider. Es ist frappierend, welche Massen an Literatur Hegel verarbeitet und in sein System integriert hat. Dazu gehören völlig überholte Modelle wie das der geologischen Erdalterbestimmung (Hegel glaubte wahrscheinlich nicht daran, orientierte sich aber an der Bibel) wie auch zukunftsmächtige Forschungen wie die Alexander von Humboldts. Eine Renaissance auch dieses Teils der Hegelschen Philosophie bahnt sich an.

Hegels Geschichtsphilosophie ist der wirkungsmächtigste Teil seines Systems. Während das 18. Jahrhundert sich um den Begriff der (ungeschichtlich verstandenen) Vernunft gekümmert hat, leitet Hegel ein Jahrhundert der Geschichte und der Entwicklung ein. Seine Definition von Geschichte lautet: Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, womit eine der ersten Nennungen des Konzepts des Fortschritts gegeben wurde. Als erstes war das menschheitliche Bewusstsein so, dass nur einer frei war, der Kaiser, der Pharao. Dann wurde man sich bewusst, dass einige frei seien, die Freien in Griechenland, als es dort noch Sklaven und quasi versklavte Frauen gab. Im Christentum ist laut Hegel das Bewusstsein so, dass jeder frei ist, selbst wenn er im Gefängnis sitzt.

Hegels Schema ist genial einfach, im Detail aber oft äußerst verwickelt. Dem Geschichtsmodell wird immerzu vorgeworfen, dass es extrem eurozentristisch sei. Insbesondere sind seine Äußerungen über Afrika und Afrikaner bei Anwendung heutiger Maßstäbe indiskutabel, obwohl dem entgegengehalten werden kann, daß Rationalität auf dem afrikanischen Kontinent anders definiert werden müsse als in Europa (Léopold Sédar Senghor spricht von einer europäischen „Augenvernunft“ und einer afrikanischen „Umarmungsvernunft“). Indiskutabel auch, wie Hegel das Deutsche als höchste Stufe des (Welt)geistes installierte, obwohl dies, von einer Wertung einmal abgesehen, innerhalb seines Systems Sinn ergibt, da er ja gerade die bislang höchste erreichte philosophische Synthese verkörpert, und seine Philosophie ja nicht rein zufällig in „Deutschland“ entstanden ist (wenngleich zweifellos andere europäische Sprachkulturen und Nationen „Deutschland“ befruchtetet haben, und umgekehrt).

Sprache

Zur dialektischen Entwicklung seiner Begriffe bedient sich Hegel einer ganz eigenen Sprache. Heute wie zu seinen Lebzeiten tut man sich schwer, diese zu verstehen. Manche Satzkonstruktionen reizen die grammatikalischen Möglichkeiten der deutschen Sprache über Gebühr aus, weil Hegel oft die anspruchsvollere griechische Syntax im Deutschen nachbildet.

Die Beschreibung von Karl Rosenkranz, Schüler und späterer Biograph Hegels, bietet eine psychologische Erklärung:

Das offenbar Beschwerliche an Hegels Sprache kann ich mir dadurch erklären, dass er gewissermaßen in Hauptwörtern dachte, dass bei Betrachtung eines Gegenstands ihm die Bezeichnungen gleichsam wie Gestalten erschienen, die miteinander in Handlungen traten, und deren Handlungen er dann erst in Worte übersetzen müsse. Nicht als ob ihm die Regeln irgendwie gefehlt hätten, sondern weil er den Inhalt seiner Gedanken erst übersetzte, so dass ihm jede Sprache gewissermaßen fremd schien. (Karl Rosenkranz)

Hat die Hegelsche Philosophie es sich zur Aufgabe gestellt, das Sich-selbst-Werden oder In-sich-Zurückkehren des Weltgeistes darzustellen, so eröffnet und illustriert sich dieses Vorhaben im Besonderen in der Sprache, derer sie sich bedient. Sprache und Anspruch müssen einhergehen in der Frage nach dem Sinn der dunklen Ausdrucksweise Hegels. Das ungeheure Satzkonstrukt, das sich bei Hegel auftut oder vielmehr in sich selbst verschließt, ist vor allem auch Ausdruck des Anspruch Hegels: Er, als Begründer der absoluten Philosophie, muss sich selbst ein Weltgeist werden, um diese Aufgabe zu meistern. Hegel rechtfertigt sich so durch das Vorhaben selbst. Gott selbst spricht durch die Erscheinung Hegel. Gott argumentiert nicht über seine Meinung, er liefert keine Erläuterungen zum Verständnis, er bedarf keiner Rechtfertigung.

Das Subjekt scheint sich im Satz selbst – wo es sich eigentlich mit einem Prädikat behaften sollte – gewahr zu werden sich selbst zu sein: Dergestalt formuliert sich der unbewiesene Verweis auf die höhere Logik der Gesamtintention. Seitenlang wird das Subjekt, um das sich die Geschehnisse bewenden, nur in Pronominalform geführt, so dass der Unterschied langsam zu zerfließen und der Leser der unausgesprochenen Suggestion zu unterliegen droht, alles sei schließlich Geist und Einheit.

Terminologie

Im Folgenden die Ausarbeitung einiger zentraler Begrifflichkeiten der Hegelschen Dialektik. Hegel benutzt an keiner Stelle die im Zusammenhang mit seiner Dialektik oft verwendeten Termini These, Antithese, Synthese. Er hat diese eingedeutscht.

Das An-sich-Sein stellt das dialektisch Unvermittelte, die Thesis, dar, das heißt, es ist noch nicht in Austausch getreten mit einer Negation von ihm. Es ist ein einfaches Sein, das Vorhandensein, welches noch nicht zu sich gefunden hat.

Das Für-andere-Sein oder auch Außer-sich-Sein ist die erste Negation des An-sich-Seins, seine Antithesis. Das An-sich tritt außer sich, es ist für das Sein der anderen. Das Ich ist nicht ursprünglich ein Ich für sich selbst, sondern es bildet sich gemäss Hegel wesentlich mittels der anderen und umgekehrt. Das Umfeld wird Gegenstand des Wesens und dieses gleichsam Gegenstand des Umfelds. Das einfache An-sich-Sein wird sich in diesem Außer-sich-Sein ein anderes.

Das Für-sich-Sein ist die Negation des Für-andere-Sein, die Synthesis von An-sich-Sein und Für-andere-Sein. Das An-sich-Sein hat sich im Für-andere-Sein bewahrt: In diesem Moment kehrt das entäußerte Wesen wieder zu sich selbst zurück. Im überwundenen Für-andere-Sein ist es an den anderen gereift. Das Wissen im An-sich-Sein ist im Außer-sich-treten des Für-andere-Sein ein Wissen von sich selbst geworden, das Subjekt konnte sich selbst zum Gegenstand nehmen, heißt, es hat sich selbst im anderen erkannt als das, was es ist: ein wissendes Subjekt. Nach Hegel: Die einfache Gewissheit seiner selbst ist ihm geworden.

Das An-und-für-sich-Sein ist das neu gesetzte An-sich-Sein, das eine neuerliche dialektische Bewegung eingeht. Hegels Dialektik beschreibt so einen ewig zu wiederholenden Kreis.

Die Negation versteht Hegel im dreifachen Sinne. Die Verneinung eines Begriffs kann die Vernichtung (einfache Negation), die Aufhebung als Aufbewahrung (des An-sich-Seins im Für-andere-Sein) oder die Aufhebung als Erhebung (zur Synthese) desselben bedeuten. Die Negation ist so bei Hegel die Triebkraft aller dialektischen Bewegung.

Der ursprüngliche Begriff Substanz faßt das Zugrundeliegende, das Wesen der Dinge, das immer schon Dagewesene zusammen. Hegel versteht den Begriff in zweifacher Weise: Die Substanz ist bei ihm Subjekt, ein zwar zugrunde liegendes, doch vielmehr sich entwickelndes Wesen. Das Zugrundeliegende ist Hegel ferner die Bewegung des Gesamtsubjekts, des Weltgeistes.

Werke

  • Philosophische Enzyklopädie für die Oberklasse (1808 ff.)
  • Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (ab 1816)
  • Phänomenologie des Geistes (1806/07 – Erster Teil eines nichtvollendeten, früheren Systems)
  • Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821)
  • Philosophie der Geschichte
  • Philosophie der Religion
  • Vorlesungen über die Ästhetik
  • Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
  • Die Positivität der christlichen Religion (1795/96)
  • Der Geist des Christentums und sein Schicksal (1799/1800)
  • Die Verfassung Deutschlands (1800-02)
  • Mancherlei Formen die beim jetzigen Philosophieren vorkommen (1801)
  • Die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie (1801)
  • Über das Wesen der philosophischen Kritik (1802)
  • Wie der gemeine Menschenverstand die Philosophie nehme (1802)
  • Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie (1802)
  • Glauben und Wissen oder Reflexionsphilosophie der Subjektivität in der Vollständigkeit ihrer Formen als Kantische, Jacobische und Fichtesche Philosophie (1803)
  • Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts (1803)
  • Wer denkt abstrakt? (1807 – Fragment)
  • Friedrich Heinrich Jacobis Werke (1817)
  • Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahr 1815 und 1816 (1817)
  • Solgers nachgelassene Schriften und Briefwechsel (1828)
  • Hamanns Schriften (1828)
  • Über Grundlage, Gliederung und Zeitenfolge der Weltgeschichte. Von J. Görres (1830)
  • Über die englische Reformbill (1831)
  • Wissenschaft der Logik

Literatur

  • Dina Emundts/Rolf-Peter Horstmann: G.W.F. Hegel. Eine Einführung. Stuttgart 2002,
  • Thomas Sören Hoffmann: Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Eine Propädeutik. Wiesbaden 2004
  • Charles Taylor: Hegel. Frankfurt am Main 1983
  • Herbert Schnädelbach: Hegel zur Einführung.
  • Mechthild Lemcke, Christa Hackenesch (Hrsg.): Hegel in Tübingen. Tübingen 1984
  • Kuno Fischer: Hegels Leben, Werke und Lehre. Berlin 1911
  • Karl Rosenkranz: Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben. Berlin 1844
  • Franz Wiedmann: Hegel. Reinbek 1999
  • Christoph Helferich: Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Stuttgart 1979
  • Arsenji Gulyga: Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Leipzig 1981
  • Walter Jaeschke: Hegel-Handbuch. Leben, Werk, Schule. Stuttgart 2003
  • Theodor W. Adorno: Drei Studien zu Hegel. Frankfurt am Main 2003
  • Ernst Bloch: Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Frankfurt am Main 1971
  • Georg Lukacs: Der junge Hegel. Frankfurt am Main 1973
  • Wilhelm R. Beyer: Zwischen Phänomenologie und Logik. Hegel als Redakteur der Bamberger Zeitung. Köln 1974
  • Johannes Heinrichs: Die Logik der „Phänomenologie des Geistes“. Bonn 1983
  • Dieter Henrich: Hegel im Kontext. Frankfurt am Main 1988
  • Theodor Heuss: Deutsche Gestalten. Studien zum 19. Jahrhundert. Stuttgart 1947
  • Vittorio Hösle: Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität. Hamburg 1998
  • Calixt Hötschl: Das Absolute in Hegels Dialektik. Sein Wesen und seine Aufgabe. Paderborn 1941
  • Julius Klaiber: Hölderlin, Hegel und Schelling in ihren schwäbischen Jugendjahren. Festschrift zur Jubelfeier der Universität Tübingen, Frankfurt am Main 1981
  • Ernst Müller: Stiftsköpfe. Schwäbische Ahnen des deutschen Geistes aus dem Tübinger Stift. Heilbronn 1938
  • Karl Popper: Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde. Band II Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen. Tübingen 1945/2003
  • Jürgen Ritsert: Das Bellen des toten Hundes. Über Hegelsche Argumentationsfiguren im sozialwissenschaftlichen Kontext. Frankfurt am Main 1988
  • Joachim Ritter: Hegel und die französische Revolution. Frankfurt 1989
  • Dieter Redlich: Die Umkehrung der Hegelschen Dialektik. Programme idealistischer und materialistischer Dialektik. Bern 1999
  • Herbert Schnädelbach (Hrsg.): Hegels Philosophie – Kommentare zu den Hauptwerken, drei Bände, Frankfurt/Main 2000/2001
  • Raphael Wild: Gott erkennen – „Methode“ und „Begriff“ in G. W. F. Hegels Wissenschaft der Logik und Philosophie der Religion. London 2005

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