Tullia d’Aragona (1508/10 – 1556)

Tullia d’Aragona wurde in Rom geboren. Sie stammte aus einem adligen Haus. Ihr Vater war vermutlich Pietro Tagliavia von Aragon, Erzbischof und Kardinal, der Geliebte ihrer Mutter Giulia Ferrarese, die mit Constanzo Palmieri verheiratet war.

Bekannte Dichter und Wissenschaftler gehörten zu ihrem Freundeskreis (Guilio Camillo, Francesco Maria Molza, Kardinal Hypolitos von Medici, Ercole Bentivolglio, Filippo Strozzi, Lattanzio Benucci, Benedetto Varchi, Girolamo Muzio, Pietro Manelli).

Sie gilt als eine der berühmtesten Kurtisanen der Renaissance

Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie in Ferrara und Rom, wo sie bis zum Tod ihres Mannes wohnte.

Als Witwe begab sie sich unter den Schutz der Herzogin von Toledo, mit deren Unterstützung sie ein Buch mit Versen und Gedichten herausbrachte, die von ihr und ihren Verehrern verfasst worden waren.

Außerdem schrieb sie den Dialog Über die Unendlichkeit der Liebe, der 1547 in Florenz erschien und Casimo I. de Medici gewidmet war. Die Form der dialoghi geht auf Pietro Bembo zurück.

Benedetto Varchi, der wichtigste Gesprächspartner von Tullia d’Aragona in dem Dialog, hatte den Dialog durchgesehen. Ein weiterer Gesprächspartner ist Muzio Lattanzio Benucci.

Tullia d’aragona schreibt sich die Rolle der Schülerin zu, die Fragen stellt, die dann von Varchi beantwortet werden. Allerdings wird diese Rolle nicht starr durchgehalten.

Inhaltlich bezieht sich der Dialog auf Platons Symposion und den Phaidros, sowie auf die zeitgenössischen Autoren Marsillio Ficino, Sperone und Pietro Bembo.

Der Dialog diskutiert u.a. Fragen zum Verhältnis von Rhetorik und Logik, zur Verbindung zwischen platonischen und aristotelischem Denken, die Begriffe Unendlichkeit und Unsterblichkeit sowie das Liebesideal Petrarcas.

Ansatzpunkt ist die Frage, ob Liebe unendlich sein müsse, oder ob es möglich sei, mit Maß und Grenze zu lieben.

Den Beweis, dass Liebe kein Ende kenne, führt Varchi, indem er auf den Unterschied zwischen dem Substantiv Liebe und dem Verb lieben reflektiert. Anhand grammatikalisch-logischer Überlegungen kommt die Philosophin zu dem Schluss, dass Liebe als Substantiv, dem Verb lieben gegenüber eine höhere Stellung zukomme. Damit stimmt sie mit Varchi der aristotelischen Theorie von der Überlegenheit der Substantive (Nomen) über das Akzidenz (Verb) zu.

Tullia d’Aragona räumt dem Geliebten den höheren Wert ein und belegt dies am Beispiel Gottes, der Liebender und Geliebter zugleich ist.

Verschiedene Exkurse führen das Gespräch zu den Fragen, ob die Seele allein oder zusammen mit dem Körper als edler einzustufen sei und wie man die Liebe definieren solle.

Varchi stellt fest, dass die Liebe kein Ende und Ziel hätte, dass Liebe und Lieben nur der Zeit, nicht der Substanz nach unterschiedlich seien und dass die Liebe die Ursache des Liebens sei.

Tullia d’Aragona rät ein, dass es Liebende gäbe, die lieben, um ein Ziel zu erreichen, und wenn sie dies geschafft haben, aufhören zu lieben. Nach Varchi liegt in diesem Fall keine Liebe vor, sind es in diesem Fall keine Liebenden.

Tullia d’Aragona unterscheidet dementsprechend zwei Arten von Liebe. Die eine nennt sie "gemein und ehrenhaft", die andere "aller Ehre würdig oder tugendhaft".

Letztere wird nicht durch Leidenschaften hervorgerufen, sondern durch Vernunft. Das Ziel der Liebenden besteht darin, sich in den Gegenstand der Liebe verwandeln, um zu einer Vereinigung zu gelangen. Die Vereinigung findet nicht auf körperlicher, sondern auf geistiger Ebene statt.

Anders als Platon betont Tullia d’Aragona (und darin stimmt sie Varchi zu), dass auch Frauen zu einer solchen unendlichen Form der Liebe fähig sind.

Zeitweise war die Philosophin mit ihren Gedichten, Rime, und ihrem Dialog recht erfolgreich, starb aber 1556 verarmt als Prostituierte.

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