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872. Nacht

Geschichte
des Seif Sul Jesn

In den ältesten Zeiten war ein König von Jemen, mit
Namen Sul Jesn, ein Hamjaride von dem Geschlecht der Fubbaa, welche noch lange
vor der Zeit Mohameds herrschten. Er hatte zahlreiche Heere und einen großen
Hofstaat. Sein Minister, welcher Jottreb hieß, war sehr bewandert in den
Wissenschaften der Alten. Einst sah er im Traum den Namen des Propheten und die
Verkündigung seiner Sendung in späteren Zeiten, und dass er der letzte der
Propheten sein werde. Da glaubte er an ihn noch vor seinem Erscheinen,
verheimlichte aber seinen Glauben. Eines Tages hielt der König Heerschau über
seine Truppen, und freute sich ihrer Zahl und ihrer Schönheit. „Gibt es
wohl,“ fragte er seinen Wesir, „jemanden auf der Erde, der mir an
Macht gleich käme?“ – „O doch,“ erwiderte dieser, „es ist
der König Baal-Beg. Seine Truppen füllen die Wüste und bebautes Land, die
Ebenen und die Schluchten.“ – „Den muss ich bekämpfen,“ rief der
König aus, „und seine Macht vernichten!“ Sogleich befahl er, dass das
Heer sich bereit halten solle, und nach wenigen Tagen schon hörte man die
Trommeln und die Kriegstrompete. Der König selbst mit seinem Wesir zog im
prachtvollsten Schmuck aus, und sie gelangten nach beschleunigtem Marsch vor die
heilige Stadt Medina, welcher Gott ihren Ruhm erhalten möge. „Hier,“
sagte der Wesir zum König, „ist das heilige Haus Gottes und der Ort der
großen Zeremonien. Hier geziemt es niemanden einzutreten, außer ganz rein mit
entblößtem Haupt und barfuss. Wandle mit Deinen Begleitern um dasselbe herum,
wie es die Araber zu tun pflegen.“ Dieser Ort gefiel dem König so wohl, dass er
beschloss, ihn zu zerstören, die Steine des Hauses in sein Land zu bringen, und
es dort für sich aufbauen zu lassen, damit die Araber von nun an zu ihm
wallfahrten möchten, und er sich dann vor allen anderen Königen brüsten könne.
Mit diesem Vorsatz beschäftigte er sich die ganze Nacht. Allein am anderen
Morgen fand er sich fürchterlich aufgeschwollen. Sogleich schickte er zum Wesir,
und klagte ihm seinen Zufall. „Dieses ist ein Pfeil,“ entgegnete der Wesir,
„womit Dich der Herr dieses Hauses getroffen hat: ändere Deinen Vorsatz, den
Tempel zu zerstören, so wirst Du gesund werden.“ – Der König gab seinen Vorsatz
auf, und fühlte sich bald geheilt. Bald darauf sagte er: „Das war ein übel, welches mir bei Nacht
zustieß, und am anderen Tag von selbst verging. Ich will doch das Haus
vernichten.“ Aber am anderen Morgen erkannte man sein Gesicht nicht mehr,
vor lauter Geschwüren, die es bedeckten. Da nahte sich der Wesir und sprach:
„König entsage Deinem Vorhaben, denn es wäre eine Widersetzlichkeit gegen
den Herrn des Himmels und der Erde, der jeden Widerspenstigen vernichten
kann.“ – Als der König diese Worte hörte, ging er in sich und sprach:
„Was willst Du, dass ich tun soll?“ Da erwiderte der Wesir:
„Bekleide das Haus mit Teppichen aus Jemen.“ Der König beschloss
dieses zu tun, und da die Nacht einbrach, begab er sich zur Ruhe. Da hatte er
eine Erscheinung. Sei befahl ihm, nicht weiter in das Land des Königs Baal-Beg
einzudringen, sondern nach Abessinien und Nigritien zu gehen. Dort bleibe und
wähle es zu Deinem Wohnort, und wahrlich, es wird aus Deinem Geschlecht Einer
hervorgehen, durch welchen die Drohung Noahs in Erfüllung gehen wird. Als der
König am anderen Morgen erwachte, erzählte er dies Gesicht seinem Wesir, der
ihm aber empfahl, ganz nach seinem eigenen Gutdünken zu handeln. Alsbald gab
der König Befehl zum Aufbruch. Das Heer setzte sich in Bewegung, und nach zehn
Tagen gelangten sie in ein Land, dessen Boden aus Kreide bestehen mochte, denn
es war ganz weiß anzusehen. Da nahte sich der Wesir Jottreb dem König, und bat
ihn um die Erlaubnis, hier eine Stadt für sein Volk gründen zu dürfen. „Warum
dieses?“, fragte der König. – „Weil hier einst,“ erwiderte er, „der Zufluchtsort
des Propheten sein wird, welcher zu Ende der Zeiten, mit Namen Mohamed, gesandt
werden wird.“