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853. Nacht

Nachdem die Prinzessin in Alaeddins Hände ihr
Glaubenbekenntnis und ihre Anhänglichkeit an die Religion Mohammeds erneuert
hatte, bat er sie, ihn mit den Eigenschaften des kostbaren Steines bekannt zu
machen, und auf welche Weise derselbe zuerst in ihre Hände gekommen wäre.

„Herr,“ antwortete die Prinzessin, „dieser
Stein ist ein wahrer Schatz. E ist mit fünf Eigenschaften begabt, welche ich
Euch will kennen lehren, und die uns zur gelegenen Zeit und Stunde dienlich sein
werden. Die Mutter meines Vaters, des Königs, die, in allen Künsten der
Zauberei unterrichtet, vollkommen die allerverwickeltsten Talismane zu lesen
verstand und nach ihrem Gefallen zu den Schätzen aller Könige der Erde
gelangen konnte, fand diesen Stein eines Tages zufällig in einem Schatz, wo er
mit der größten Sorgfalt verwahrt wurde. Als ich erwachsen war und mein
vierzehntes Jahr erreicht hatte, ließ man mich das Evangelium lesen; aber da
ich den Namen Mohammeds (welchen Gott mit Gnaden und Segnungen überfüllen
möge!) überall, in den heiligen Büchern des Pentateuchs, in den Evangelien,
den Psalmen und im Koran wieder fand, so glaubte ich an ihn: Ich wurde
Muselmännin und wurde innig überzeugt, dass man Gott, den Allerhöchsten, auf
keine andere würdigere Weise anbeten kann als in der muselmännischen Religion,
welche die einzig wahrhafte ist. Meine Großmutter gab mir, als sie krank wurde,
diesen kostbaren Stein und entdeckte mir seine fünf Eigenschaften. Da die
Krankheit meiner Großmutter zunahm, besuchte mein Vater sie, als sie schon im
Begriff war, den Geist aufzugeben, und bat sie noch, ihm vermöge ihrer Kunst
sein eigenes Schicksal zu verkündigen und besonders, auf welche Weise er seien
Laufbahnendigen würde.

„Mein Sohn,“ sagte sie zu ihm, „es wäre
besser für Dich, die Zukunft nicht zu wissen, als dass Du sie zu durchdringen
trachtest; da Du mich aber durch Deine Bitten dazu nötigst, Dir die Wahrheit zu
sagen, so wisse, dass Du durch die Hand eines Fremdlings sterben wirst, der aus
Alexandrien kommt.“

Mein Vater schor von Stund an, alle Einwohner von
Alexandrien töten zu lassen, die seinen Untertanen in die Hände fielen. Er
ließ den Schiffshauptmann kommen, der Euch hergeführt hat, und befahl ihm,
alle muselmännischen Schiffe, denen er begegnete, anzugreifen und alle
Gefangenen zu töten, die aus Alexandrien wären. Der unmenschliche
Schiffshauptmann vollzog diesen blutigen Befehl nur allzu streng; denn er hat
schon so viele Muselmänner umgebracht, als er Haare auf dem Kopf hat.

Nach dem Tod meiner Großmutter wollte ich erforschen, wer
derjenige wäre, welchen der Himmel mir zum Gemahl bestimmte; und durch die
Geheimnisse meiner Kunst erkannte ich, dass es Alaeddin Abulschamat, der
Vertraute und Freund des Kalifen Harun Arreschyd sein sollte. Die Zeiten sind
erfüllt, Herr, und ich schätze mich glücklich, dass der Augenblick da ist,
der alle meine Wünsche krönen soll.“

Alaeddin, erstaunt und gerührt von dieser Rede, bezeigte
seine Freude darüber, der Gemahl einer Prinzessin zu werden, welche ihm so
große Dienste geleistet und welche der Himmel so hoch begünstigt hatte; aber
zugleich äußerte er sein lebhaftes Verlangen, nach Bagdad zurückzukehren.

Die Prinzessin sagte ihm, sie ginge hin, alles zu ihrer
Abreise vorzubereiten, und bat ihn, ihr zu folgen. Sie führte ihn auf Wegen,
welche ihr allein bekannt waren, in den Palast, verschloss ihn in eins der
Zimmer ihrer Wohnung und begab sich zu ihrem Vater.

Dieser Fürst war damals gerade bei Tisch. Er bezeigte
große Freude über den Besuch seiner Tochter und lud sie ein, bei ihm zu
bleiben und ihm Gesellschaft zu leisten. Husn Merim willigte ein, und der König
entließ alle Gegenwärtigen und schloss sich allein mit ihr ein. Die Prinzessin
benutzte die Gelegenheit und die gute Lauen, worin sie ihn sah, und schenkte ihm
so oft zu trinken ein, dass er sich berauschte. Als sie ihn so weit hatte, wie
sie wollte, bot sie ihm eine Trinkschale dar, in welche sie ein Schlafpulver
geschüttet hatte. Der König hatte es kaum geleert, als er schon bewusstlos
rücklings übersank.

Die Prinzessin eilte sogleich nach ihren Zimmern, ließ
Alaeddin aus seinem Versteck hervorkommen und erzählte ihm, was sie soeben
vollbracht hatte. Alaeddin ließ sich alsbald in das Zimmer des Fürsten
führen, band ihm die Füße und Hände fest zusammen und ließ ihn ein Pulver
einatmen, welches die Wirkung des zuvor verschluckten Pulvers wieder aufhob.

Als der König wieder zu sich kam, war er höchst
erstaunt, sich gefesselt zu finden und einen Fremdling zu sehen, welchen er
nicht kannte.

Alaeddin nahm alsbald das Wort, warf ihm seine Grausamkeit
gegen die Muselmänner vor und sagte ihm, das einzige Mittel, so viel Untaten zu
sühnen, wäre, den Islam anzunehmen.

Der König verwarf diesen Antrag mit Abscheu und ließ
sich zu Lästerungen gegen Mohammed hinreißen. Da konnte Alaeddin seinen
Unwillen nicht länger zurückhalten, er zog seinen Dolch, durchbohrte ihm das
Herz und streckte ihn tot zu seinen Füßen hin.

Alaeddin schrieb hierauf einen offenen Brief, in welchem
er kürzlich die Begebenheiten auseinandersetzte, welche hier soeben
stattgehabt, und auf welche wunderbare Weise Gott die Grausamkeit des Königs
bestraft hätte. Er legte diesen Zettel auf die Stirn des Leichnams und kehrte
zu der Prinzessin zurück.