Project Description

600. Nacht

Der Fischer gehorchte den Befehlen Kut-al-Kulubs, begab
sich nach dem Platz, auf welchem das Gebäude errichtet wurde, und erblickte den
Sultan und den Wesir, die den Arbeitern zusahen. Der Sultan fragte den Fischer,
ob er Arbeit suchte, und als dieser es bejahte, wurde er gedungen. Er ging nun
an die Arbeit, aber sein Gemüt war von seiner Gebieterin so erfüllt, dass er
alle Augenblicke sein Werkzeug weglegte, das Halsband hervorzog und es tief
aufseufzend betrachtete, was der Sultan bemerkte, der zu seinem Wesir sagte:
„Dieser Mann ist vielleicht unglücklicher als ich. Wir wollen ihn herrufen
und ausfragen.“ Der Wesir holte ihn und sagte zu ihm, er sollte ehrlich
gestehen, warum er so tief geseufzt hätte. „Ach!“, erwiderte er,
„ich bin entfernt von meiner Geliebten, die mir dieses Halsband gegeben
hat, um es anzusehen, wenn ich ihrer gedächte; und meine Seele ist so voll von
ihr, dass ich mein Werkzeug weglegen muss, um das Halsband immerfort zu
bewundern.“

Als der Sultan das Halsband sah, erkannte er es sogleich
als ein von ihm für Kut-al-Kulub um hundert Dinare erkauftes. Er verbarg seine
Bewegung und sagte: „Wem gehört dieses Halsband?“ – „Meiner
Sklavin,“ erwiderte der Arbeiter, „der ich es für hundert Dinare
gekauft habe.“ – „Kannst Du uns,“ versetzte der Sultan, „in
Deine Wohnung führen, damit wir sie zu sehen bekommen?“ – „Ich
fürchte,“ erwiderte der Arbeiter, „ihre Züchtigkeit zu verletzen;
doch ich will sie befragen und Euch, wenn sie einwilligt, in meine Wohnung
einladen.“ – „So ist es recht und schicklich,“ sagte der Sultan.

Der Arbeiter ging mit Sonnenuntergang heim und
benachrichtige Kut-al-Kulub von dem Vorgefallenen, worauf sie ihn ersuchte, am
Morgen alles Nötige zu einem anständigen Mahl einzukaufen, zu welchem Behufe
sie ihm fünf Dinare gab. Er besorgte morgens den Einkauf, ging an seine Arbeit
und sagte dem Sultan und dem Wesir, sie würden zur Hausmannskost seiner Sklavin
willkommen sein, „oder,“ sagte er, „vielmehr meiner Göttin, denn
als solche hab‘ ich sie in demütiger Entfernung verehrt.“

Der Sultan und der Wesir begleiteten den Arbeiter in sein
Haus, wo sie zu ihrem Erstaunen eine zierliche Mahlzeit bereitet fanden, an
welcher sie teilnahmen und nachher Sorbet und Kaffee tranken. Der Sultan
verlangte, die Sklavin zu sehen, die sich nur eben blicken ließ und sogleich
wieder verschwand. Der Sultan erkannte sie jedoch und fragte den Arbeiter:
„Willst Du dieses Mädchen verkaufen?“ – „Ich kann nicht, Herr;
denn ich leibe sie von ganzer Seele, obgleich ohne Erwiderung.“ –
„Möge Deine Liebe belohnt werden!“, rief der Sultan aus, „aber
komm nach Sonnenuntergang in den Palast und bringen sie mit.“ – „Dein
Wille ist mir Gesetz!“, erwiderte der Arbeiter.

Mit Sonnenuntergang führte der Arbeiter seine Sklavin in
den Palast, woselbst Verschnittene sie schon erwarteten und in den Harem führen
wollten; aber der arme Mann schlang seine Arme um sie und rief aus: „Sie
ist meine Geliebte, und ich kann nicht von ihr lassen.“ Hierauf erzählte
ihm der Sultan, wie er sie verloren hätte, und bat ihn, sie aufzugeben. Da er
wohl wusste, dass er sich seinem Oberherrn nicht widersetzen durfte, so
unterwarf er sich seinen Befehlen mit Ergebung, worauf der Sultan ihm hundert
Dinare, einen reichen Anzug und eine schöne Sklavin schenkte, indem er ihn
zugleich unter seine höheren Beamten aufnahm. Auch zeichnete er sich in seiner
neuen Stellung so aus, dass er zu dem Rang eines ersten Ministers emporstieg und
die Pflichten dieses hohen Postens mit solcher Geschicklichkeit und Redlichkeit
erfüllte, dass man ihn nur vorzugsweise den gerechten Wesir nannte.