335. Mutter Emerentia

335. Mutter Emerentia

Zu Arendsee war ein Nonnenkloster des Benediktinerordens, nur für adelige Jungfrauen, das großen und guten Rufes sich erfreute. Das Haus ist noch allda zu sehen und auch die Kirche, mit mancherlei Bildwerk geziert. Als der erste Religionskrieg in Deutschland entbrannt war und die katholische Religion in diesen Landen verdrängt wurde, drohte auch diesem Kloster Angriff und Plünderung, doch ward der feindliche Heerführer bewogen, der Domina aus besondern Rücksichten freien Abzug zu gewähren. Diese edle Klosterfrau hieß Emerentia von Rietdorf, und als ihr freier Abzug gewährt war, sprach sie ferner Wunsch und Bitte aus, es möge ihr erlaubt werden, auch vom Kloster einiges in Sicherheit zu bringen, etwa so viel und nicht mehr, als sie unter ihrem Chormantel werde bergen können. Da vermeinte nun der Heerführer, die hochwürdige Frau werde die reichen Meßgewande und sonstigen Kirchenornate gern mit fortschleppen wollen, und gestand nicht ohne Zögern und ungern diese Bitte zu, denn es war doch hauptsächlich auf des Klosters Plünderung und Spoliation abgesehen. Als nun die Domina aus dem Kloster trat, da bauschte ihr Mantel weit, weit um sie her, und der Feind dachte in seinem Sinn: Nun, die macht ausgebreiteten Gebrauch von der Erlaubnis, die hat sich ja beladen wie ein Kameel. Was hatte aber Mutter Emerentia unter ihrem Mantel? Zehn Paar Füße sah man darunter gehen. Sie hatte die neun Klosterjungfrauen ihres Konvents unter den Mantel gehüllt, wie eine treue Henne die Küchlein unter ihre Flügel, damit ihnen nicht Leid noch Unbill widerfahre. Das brachte der frommen Mutter Emerentia großen Ruhm. Ihr Bild wurde hernachmals in der erhaltenen Klosterkirche an der Orgelempore angebracht, wie sie mit ihrem Mantel die Jungfrauen deckt, und darüber wurde geschrieben:

Die Versammlung des jungfräulichen Klosters Arenthsee.

darunter aber:

Emerentia von Rietdorf, Domina.
Allheide von Eickstedte,
Anna von Baldenstedten u. s w.

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336. Osterburger Pech

336. Osterburger Pech

Als Kaiser Lothar einstens durch die Altmark reiste, wollte die Stadt Osterburg der Ehre seines Besuches auch gern teilhaft werden, sandte daher Abgeordnete aus ihrer Mitte an den kaiserlichen Herrn und ließ ihn feierlich einladen. Der Kaiser nahm die Einladung an und kam, brachte aber ein überaus zahlreiches Gefolge mit, dessen sich in solcher Zahl das gute Städtlein gar nicht vermutet und versehen hatte. Gleichwohl geschah alles, was nur geschehen konnte, den hohen Gast zu ehren, welcher auch zufrieden war, aber nicht so waren das einige seines Gefolges, die begannen Hader zu suchen bei dem Feste und verhöhnten bei einem Aufzuge insonderheit das löbliche Gewerk der Büttner, das eine große Braupfanne voll Bier dahertrug und einen Reifentanz anstellte. Dieses Handwerk nahm das übel, meinte, auf grobe Klötze gehörten grobe Keile, und hämmerten und pochten auf ihre Gegner nach Büttnerart; so gedieh der Hader zur Keilerei und die Keilerei zum Getümmel und das Getümmel zur Schlacht, in welcher fast alle Einwohner von Osterburg erschlagen und Stadt und Burg zertrümmert wurden. Das war ein teurer Besuch.

Vor hundert Jahren ist es geschehen, daß einem Brauer zu Osterburg seine Bottiche behext waren, so daß ihm kein einziges Gebräu geriet, welches letztere Mißgeschick auch außerhalb Osterburg manchem Brauer noch in neuester Zeit widerfahren soll. Guter Rat war folglich teuer, und gutes Bier war gar nicht zu bezahlen. Der Brauer wandte sich dahin und dorthin um Abhülfe, und endlich erfuhr er, daß in Stendal ein wahrer Hexenmeister wohne, der alles vermöge, und dem kein böser Geist widerstehen könne. Er berief also diesen Wundermann, und selbiger kam, läuterte und weihte auf ganz besondere Weise das Pech und begann unter wunderlichen Zeremonien und Zaubersprüchen die Bottiche auszubrennen. Aber der gute Zauberer mußte etwas versehen haben, oder der Geist, der in den Bottichen saß, mußte stärker sein als die gegen ihn angewendeten Wunderkräfte, denn mit einem Male brannte das Pech die Bottiche an, und die Bottiche brannten das Haus und das Haus brannte die Straße an, und in wenigen Stunden lagen mehr als zwei Dritteile des Städtchens Osterburg in Asche. Osterburg hatte den höchsten und künstlichst gebauten Kirchturm in der ganzen Altmark, auch dieser Turm wurde ein Opfer derselben verderblichen Feuersbrunst. So war durch dieses geweihte Pech aller Hexerei in den Braubottichen auf das kräftigste gesteuert.

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337. Die rote Furt

337. Die rote Furt

Ohnweit Osterburg ist vorzeiten eine große und blutige Schlacht geschlagen worden. Albrecht von Askanien und Huder von Stade stritten allda um den Landesbesitz, um die Altmark. Auf beiden Seiten blieben viele Krieger tot, und deren Blut rötete die Erde weit umher, nicht minder ein Bächlein, die Elia geheißen. Das Erdreich dort herum ist noch immer rot, und das Bächlein nahe dem Dorfe Kruncke heißt noch bis heute die rote Furt.

Anderer Sage nach soll aber die rote Erde und die rote Furt davon herrühren, daß vorlängst zwischen den beiden tapfern Städtlein Osterburg und Seehausen, die einander so nachbarlich nahe liegen, daß der Weg von einer Stadt zur andern kein Dorf berührt, eine mörderliche Schlacht geschlagen worden sei, in welcher Schlacht der Anführer der Osterburger, dieweil es in der ganzen Stadt an Pferden gänzlich Mangel gehabt, auf einem Ochsen geritten und zu Felde gerückt sei. Von der roten Erde bei Deutz geht die ähnliche Sage einer großen Schlacht.

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32. Der Krötenstuhl

32. Der Krötenstuhl

Im Elsaß war eine Burg, hieß Nothaeder, auf der wohnte ein Herzog, welcher eine überaus schöne Tochter hatte. Sie war aber nicht weniger stolz als schön, kein Freier, so viel deren kamen, ihre Hand zu erlangen, war ihr gut genug, und mancher nahm sich das Leben, weil er ihre Gunst nicht erlangen konnte. Der letzte, der das tat, verwünschte die hartherzige Jungfrau in einen harten Steinfelsen, und daß sie nur alle Freitag einmal sichtbarlich sich zeigen dürfe, aber auch nur alle drei Wochen einmal in ihrer wahren Gestalt als Jungfrau, zum andern Mal als eine Schlange und zum dritten als eine häßliche Kröte. Jeden Freitag kommt sie nun hervor, wäscht oder badet sich auf dem Felsen an einem Quellborn und sieht sich um nach allen Weiten, ob kein Erlöser nahe. Wollte jemand an das Wagestück gehen, der muß an einem Freitag auf den Felsen gehen, da findet er eine Muschel, darin liegen drei Wahrzeichen: eine dunkelgelbe Schlangenschuppe, ein Stückchen grasgelbe Krötenhaut und eine goldgelbe Haarlocke. Diese drei Dinge muß der Befreier zu sich stecken und bei sich tragen und zur Mittagsstunde am nächsten Freitag wieder hinauf auf den wüsten Felsen steigen, und zwar dreimal, und muß einmal die Schlange, zum andern die Kröte, zum dritten die Jungfrau küssen. Das war mehr verlangt als bei der schönen Schlangenjungfrau im Heidenloch bei Augst, eine Schlange und eine Kröte zu küssen, ohne zu entfliehen! Wem das aber möglich ist, der erlöset die Verzauberte, bringt sie zur Ruhe und wird durch ihre Schätze unermeßlich reich. Schon mancher fand die Merkzeichen, wagte sich in die öden Burgtrümmer und kam nimmermehr wieder, sei es, daß, ehe er den Kuß gewagt, Furcht und Grausen ihn tötete, sei es, daß er den Kuß wagte und vor Entsetzen in des Todes Arme sank, denn wie lieblich sie als Jungfrau erscheint, immer gleich jung, niemals gealtert, so schrecklich ist sie als Kröte, nämlich so groß wie etwa ein mäßiger Backofen, und spaucht Feuer – wer kann da küssen? Am allerschrecklichsten ist sie als Schlange, lang und stark wie ein Heubaum. Einmal hatte ein kecker Bursch doch sich überwunden und die Schlange geküßt, da war die Schlange hinweg, nun kam die Kröte, die war über alle Maßen abscheulich anzusehen, das Eingeweide drehte sich ihm im Leibe um, und er entrann; die Kröte aber hüpfte plump und schwer hinter ihm her und verfolgt‘ ihn bis zum Krötenstuhl – und spie ihm den Berg hinab noch ganze Bündel Feuer nach.

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329. Isern-Schnibbe

329. Isern-Schnibbe

Nahe bei der Stadt Gardelegen an der Milde liegt ein festes Haus, die Isern-Schnibbe genannt, das soll gar ururalten Ursprunges sein. Drusus, der Römerfeldherr, soll dasselbe schon begründet, der Göttin Isis darin ein Heiligtum errichtet haben. Davon hieß es dann Isisburg und Isenburg. Vergebens belagerten es die Wenden, sie bekamen manche harte Schlappe und mußten mit Schnipp und Schnapp abziehen, daher nannten sie das feste Haus die Isern-Schnibbe. Um dieses Haus herum war, wie in einem Garten, die Stadt gelegen, davon sie auch den Namen Gardelegen erhalten; aber da sich durch eine Räuberbande, die in einem nahen Busche hausete, und welche die Gardelegener einfingen, ihnen eine noch bessere Gelegenheit zu einer Stadt bot, so legten sie das neue Gardelegen dahin, wo es jetzt noch steht. Vor dreihundert Jahren stand auf der alten Stadtstätte noch ein altes Steinkreuz mit unlesbarer Inschrift, das war dem heiligen Petrus zu Ehren errichtet, und alljährlich zog am Sonntag Exaudi die ganze Stadt hinaus nach dem Kreuze in der Gegend des Hauses Isern-Schnibbe und freute sich des Tages.

Am Ende der Burgstraße nach der Isern-Schnibbe hin war sonst auch ein Tor, dadurch ritten die Herren von Alvensleben ein, welche die Gerichtsbarkeit über die Burgstraße hatten, in der Nähe reich begütert waren und zumeist auf ihrem Haupthaus zu Calbe saßen. Und weil das Tor der Burgstraße infolge des Öffnungsrechtes für die Herren von Alvensleben Tag und Nacht nach deren Verlangen offengehalten werden sollte, so entstand Zwistigkeit zwischen ihnen und dem Magistrat von Gardelegen, denn der Magistrat war der Ansicht, wenn man in einer Stadt bei Tage und bei Nacht die Tore aufgesperrt halten solle, da brauche man weder Schutzwächter noch Mauern, und hätte daher viel lieber dieses Tor statt ganz offen ganz zu gesehen. Nun traf sich’s eines Tages, daß auf dem Rathaus zu Gardelegen ein Zweckessen stattfand, bei welchem auch das älteste Familienoberhaupt derer von Alvensleben zugegen war, und da war man fröhlich und guter Dinge und berührte keinen Streit. Nur im Scherz gedachte der Bürgermeister des Tores und sagte: Was meint Ihr, gnädiger Herr, wenn wir’s zumauern ließen? – Ho! sagte der Herr von Alvensleben, wartet noch ein wenig, ich will erst spazierenreiten! – Bis Ihr zurückkommt, kann es zu sein! sagte jener drauf, und der Ritter hob den Humpen, tat einen Schlurf und rief: Habt Ihr so flinke Maurer? Um Euer ganzes Nest reit‘ ich im Schritt herum und bin doch wieder da, ehe eine Schwelle so hoch liegt, daß ich nicht darüber hinübersprengen könnte! – Versucht’s, Herr Ritter! – Topp! Ich reite! rief der Herr von Alvensleben und ließ sein bestes Roß vorführen und ritt zum Burgtore hinaus. Der Bürgermeister hatte aber mit Absicht den Scherz auf die Bahn gebracht, um ihn in Ernst zu verkehren, er hatte die Maurer und die Steine und Kalk und Mörtel alles schon zur Hand, und hinter dem Reiter schloß sich der Torflügel, legte sich Stein auf Stein. Der Reiter ritt wohlgemut über die Mildebrücke und um die Stadt herum, brauchte nicht sonderlich lange Zeit, hatte ein treffliches Roß und die beste Laune, als er aber schon sein Ziel wieder im Auge hatte, da stürzte sein Roß, doch ohne Schaden, und hier der Aufenthalt, dort die Eile ursachten, daß binnen der kürzesten Zeit die Gardelegener ein Tor und die Herren von Alvensleben ein Recht weniger hatten.

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324. Magdeburgs Erbauung

324. Magdeburgs Erbauung

Magdeburg ist eine uralte Stadt, die soll Julius Cäsar begründet haben, siebenundvierzig Jahre vor Christi Geburt, und habe einen Tempel in ihr erbaut, den er der Venus geweiht, dessen Stätte man noch zeigt, und der erste Name dieser alten Stadt war Parthenopolis; vom Mädchenbilde der holden Liebesgöttin aber hat man sie später Maidenburg und endlich Magdeburg genannt. Nach Karl des Großen Zeit wurde die Stadt von den Wenden und Ungarn ganz verwüstet und blieb nur ein kleiner, von armen Elbfischern bewohnter Ort. Den schenkte hernachmals Kaiser Otto der Große seiner Gemahlin Editha, der es allda wohlgefiel, und diese begründete das neue Magdeburg und in Gemeinschaft mit ihrem Gemahle auch den Dom, darinnen neben ihrem Gemahle auch ihr herrliches Marmorbildnis zu sehen. Das eine Kaiserbildnis hält einen runden Reif in der Hand, der aus neunzehn kleinen vergoldeten Tönnchen gebildet ist, die bedeuten, daß auf den Dombau neunzehn Tonnen Goldes verwendet worden sind. Die Kaiserin Editha fuhr damals in einem Wagen herum und bestimmte Ausdehnung, Mauern und Befestigung der neuen Stadt. Am und im Dome ist mancherlei steinern und hölzern Bildwerk zu sehen, an das sich Sagen knüpfen. Ein Schäfer mit seinem Knecht und Schafen und Hunden, der nach einem Sterne am Turme blickt. So hoch der Stern steht, so hoch habe der Schäfer den Turm auf seine Kosten bauen lassen. Ein Mönch, auf den der Teufel lauert, weil er in unbedachter Vermessenheit sich ihm verschworen. Zwei gefesselte Männer aus Holz im Dome selbst stellen zwei Grafen von Gleichen vor, die den Dombau wehren wollten, und deren Bildnisse man dann in Ketten aufhing.

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325. Kriegesvorzeichen

325. Kriegesvorzeichen

Magdeburg hat mehr als kaum irgendeine andere deutsche Stadt durch verheerende Kriege gelitten. In der frühen Zeit schon durch wilde vom Osten her eindringende Völker zerstört, hat es der Trübsal und der Zerstörung hernachmals noch übergenug erduldet. Fast immer sind dem Unglück aber auch Zeichen vorhergegangen, die es voraussagend meldeten. Unter Kaiser Heinrich IV. waren schreckliche Wunderzeichen am Himmel zu sehen, auf der Marsch in der Stadtnähe ward eine große Rabenschlacht gehalten, die dauerte einen ganzen Tag lang, und die Marsch bedeckte sich über und über von den im heftigen Streit miteinander gebliebenen Raben. Die Bischofstäbe in den Kapellen schwitzten und deuteten den Angstschweiß der Geistlichkeit und Bürgerschaft vor; Kinder redeten im Mutterleibe, und aus angeschnittenem, frischbackenem Brot floß häufig Blut, und hinter all diesen Zeichen drein folgte schreckliches Weh. So geschähe es auch, da Magdeburg im Streite lag mit Herzog Georg von Mecklenburg, der in das Land eingefallen war und es arg verwüstete. Da rüstete sich die Stadt und zog am Tage des heiligen Mauritius, welcher der Schutzpatron der Stadt ist, die Bürgermeister an der Spitze, dem Feind zu einer großen Schlacht entgegen. Da kamen sie in das Feld zwischen Hillersleben und Meseberg, über der Ohre drüben, eine Meile von der Stadt, und da begegnete ihnen ein Mann in Tracht und Gestalt eines Bauers, gar alt und eisgrau, aber mit ganz jugendlichem und schönem Antlitz, blühend und holdselig, der hob die Hände gegen sie auf und sprach: Wohin gedenket ihr, Bürger von Magdeburg? Wisset ihr nicht, daß der Tag eures Schutzheiligen euch niemalen Glück gebracht? Ward nicht vor zweihundert Jahren (1350) auf diesem Boden und an diesem Tage Magdeburgs Macht geschlagen und gebrochen und später noch einmal an demselben Tage? Kehret um und sehet, daß ihr eure Stadt gut befestiget, denn das Unglück ist euch nahe!

Einige wenige der Mannen verwunderten sich über dieses Mannes Rede und wollten sie beherzigen, die stets unverständige Menge und Überzahl solcher Wehrschaft aber dünkte sich wunderklug, hatte schrecklichen Mut und meinte, den Feind zu fressen und aufzureiben, daß kein Stäublein von ihm vorhanden bleibe, zumal auch die Bürgerhauptleute sonderlich entbrannte Kampfhähne waren, trotz den Rummelpuffen des tollen Jahres. Aber nach einer halben Stunde sangen sie aus einem andern Tone; da war die Schlacht schon vorbei, wie ein geschwindes Wetter. Die Magdeburger verloren zwölfhundert Tote und dreihundert Gefangene und elf Stück Feldschlangen und sonstige Kriegsmenagerie, auch elf Bürgerfähnlein, und die Spötter und Verächter des greisen Warners waren alle erschlagen oder gefangen oder in die Ohre gejagt mit einem großen Teile des von ihnen angeführten Volkes; dieses Todesbad nannte man hernach spottweise die Magdeburger Taufe. Als man später fleißig Nachforschung nach jenem Alten hielt, der das Unglück vorausgesagt, hat ihn weder vorher noch nachher jemand gesehen gehabt oder eine Nachricht von ihm erteilen können.

Wie Magdeburg von Kaiser Karl und in dessen Auftrag vom Kurfürsten Moritz zu Sachsen hart belagert wurde, war es zwar glücklicher, aber das nächste Jahrhundert offenbarte ihm genugsam durch manches Zeichen die unter Tilly nahende abermalige Zerstörung.

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326. Zauberverblendung

326. Zauberverblendung

Ein Zauberer kam gen Magdeburg, schlug auf offnem Markt seine Bude auf und sammelte viel Volkes um sich her, sammelte auch ein ziemliches Geld ein, bevor er anfing mit seinem Hokuspokus und Abrakadabra. Da nun das Spiel im Gange war, zeigte sich unter andern ein allerliebstes wunderkleines Pferdchen, das tanzte im Ring und belustigte die Menge; gegen das Ende aber stellte der Zauberer seine Frau, seine Magd, den Hanswurst und das Pferdchen nebeneinander und hub einen Schwatz an, darin er klagte über das schlechte und schmachvolle Zeitalter, in welchem man jetzt lebe, wo die Leute davonliefen, wenn der Teller käme und sie bezahlen sollten, und wie ein ehrlicher Mann es doch zu gar nichts Rechtem bringen könne. Habe es nunmehr mit den lieben Seinigen satt auf dieser Welt und absonderlich in Magdeburg, wolle daher auswandern und davonziehen, zunächst gen Himmel, und wenn es ihm da nicht glücke, gen Bitterfeld (zwischen Dessau und Halle), allwo es auch gar schön, und darauf warf er ein Seil in die Luft, das erfaßte flugs das Rößlein und fuhr stracks daran in die Höhe, und der Zauberer erwischte das Pferdchen beim Schwanz, rief: hoppdiho! und fuhr auf, und seine Frau hing sich an ihres Mannes Beine und die Magd an der Frau ihre Beine und der Hanswurst an der Magd ihren Nock, und so fuhr die Gesellschaft aufhin, und der Zauberer rief aus der Luft herunter:

Sehen wir uns nicht mehr auf dieser Welt,
So sehen wir uns doch in Atterfeld! –

und alles Volk lachte und staunte mit weit offnem Munde, bis ihm in der Richtung nach dem Himmel und gen Bitterfeld zu die Gesellschaft aus den Augen kam. Da kam ein Bürger aus der Stadt gegangen, dem sagten seine Bekannten von dem Wunder, es wäre schade, daß er es nicht auch gesehen, so was sehe man nicht alle Tage. Aber der Bürger sprach: Das kann nicht wahr sein, denn alleweile habe ich den Zauberer, sein Rößlein und seine Leute in ihre Herberge eingehen sehen, sind also derohalben weder gen Himmel noch gen Bitterfeld durch die Luft gefahren. –

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327. Capistranus‘ Kardinalsbirne

327. Capistranus‘ Kardinalsbirne

Als der eifrige Barfüßermönch Johann Capistranus gen Magdeburg kam, um auch allda dem Volke Buße zu predigen, und daß es sich abtue allen eiteln Schmuckes, da zog ihm der Erzbischof Friedrich mit seiner ganzen Klerisei entgegen unter Glockengeläute mit Kreuzen und Fahnen, und viel Volk folgte nach, und ward also prächtig empfangen und ihm auf dem neuen Markt ein hoher Predigtstuhl erbaut, von dem herab er predigte. Da brachten die Männer alle Brett-, Würfel- und Kartenspiele, Larven und Pritschen und Narrengugeln vom Mummenschanz, und die Frauen brachten ihre Schnüre und Schleier und Zöpfe und allerlei Putztand; da ließ der eifrige Volksprediger ein Feuer schüren und alles Dargebrachte darin zu Asche verbrennen. Capistranus predigte so gewaltig, daß die Leute weinen mußten, wenn sie auch zu fern standen, ihn zu verstehen; wie mögen erst die geweint haben, die ihm nahe standen! Er erschloß die Tränenschleusen und ließ sie stromweise rinnen, welches Kunststück ihm noch immer nachzutun versucht wird. Da man nun beim Mahle nach der Predigt dem Capistran ganz besonders gute Birnen auftischte, die ihm sehr trefflich mundeten, zumal er sich den Hals mochte sehr trocken geredet haben, so segnete und weihete er diese Birnen, und dieselben haben von da den Namen Kardinalsbirnen empfangen. Ob sie nun besser von Art und Geschmack sind als die Melanchthonsbirne, welche der Sage nach im Superintendenturgarten zu Pegau seit dreihundert Jahren gepflegt wird, weil Melanchthon sie vortrefflich befand, das werden wohl leichter die Pomologen als die Theologen entscheiden.

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328. Wolmirstedts Name

328. Wolmirstedts Name

Als Kaiser Karl der Große in diesen Gegenden zog und an die Elbe kam, gefiel ihm die Lage und Landschaft dort, wo der Lauf der Ohre dem Elbstrom zustrebt, ausnehmend wohl, er ließ seine Kriegerscharen Lager aufschlagen und Wachthügel aufwerfen und sprach: Wohl mir die Stätte! – weil er allda ruhen wollte und auch eine bessere reinere Luft spürte als in manchem nachbarlichen Strich Landes, zum Beispiel in Halle. Da ist hernachmals ein Ort und aus dem Ort ein Städtlein geworden, das hat den Namen Wolmirstedt behalten. Beim Dorfe Jerschleben (Gersleben) sind noch Hügel, die oben etwas ausgegraben und hohl, das sollten die Wachthügel gewesen sein, und werden noch heute die Karlskessel genannt.

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