895. Die zwölf Steine

895. Die zwölf Steine

Von den zwölf Steinen nahm einstmals der Teufel einen und wollte ihn auf die Wendelinskirche im Tale herabschleudern; er trug und schleppte ihn durch das große Rappenloch bis auf die Mitte der Schiehald, da wurde ihm der Fels zu schwer, er legte ihn hin, setzte sich darauf und verschnaufte. Wie er ihn nun wieder aufheben wollte, hatte er ihn unten tief in die Erde gedrückt und oben ein Loch hineingesessen und könnt‘ ihn nicht wieder aufheben. Da liegt denn nun der Stein noch immer auf der Schiehald und heißt der Teufelsstein. Von Zeit zu Zeit stattet der Teufel diesem und den andern Steinen einen Besuch ab, da fährt er mit sechs Geißböcken dort herum spazieren und knallt mit einer Flammengeißel, daß die Funken darum herumfahren. Da ist nicht zu raten, hinaufzugehen, denn mit dem Teufel ist nicht gut spaßen.

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896. Die Seejungfrauen

896. Die Seejungfrauen

Der Herrenwiesersee im badischen Gebirge heißt auch der Hummelsee oder der kleine Mummelsee, zum Unterschiede von dem großen Mummelsee, der drei Stunden südlicher gelegen ist. Dieser kleine Mummelsee ist unergründlich wie der große, und auch in ihm wohnten vorzeiten Seejungfrauen, Seeweiblein genannt, die waren gut und hülfreich, kamen zur Nacht herab ins Seeland, wuschen frommen Leuten ihre Wäsche, bleichten sie zur Nacht im Mondschein und trockneten sie, buken auch Brot, fegten die Häuser und hatten sich ganz wie die guten hülfreichen Erdmännele und Erdwichtele. Auch den guten Wein schnitten sie zur Herbstzeit ab und trugen ihn in die Bütten, aber den sauern ließen sie hängen für die Vögel, darum gab es in den alten Zeiten bessern Wein und süßern als jetzt, und auch die Menschen waren besser, denn seit sich hie und da so ganz miserable Banden zusammengetan, denen Treue und Glaube nichts mehr gilt, welche Gott leugnen und seine Diener verhöhnen, da kommen auch die Seejungfrauen nicht mehr zum Vorschein und helfen nicht mehr, nur allenfalls kommen noch schlimme, wie jene Nixe im Hutzebacher See, die wechselte einer Köhlersfrau ihr Knäblein gegen einen abscheulichen Balg aus, während die Mutter ins Holz gegangen war. Selbiger Wechselbalg hatte einen Kopf wie ein Sester (Gefäß, das sechzehn Maß Wein faßt) und Kalbsaugen, und war dabei häßlich wie ein Kanker, und hatte auch so dünne Beine. Er schrie beständig wie ein Rabe und wie ein Frosch. Wie der Mann heimkam und den Balg fand und seiner Frau Wehklage vernahm, strich er den Balg mit Ruten – da hörten beide ihr Kind am Seeufer weinen. Eilend holte es die Mutter, und der Vater nahm den Wechselbalg und warf ihn in den See. Da fuhr gleich die Nixe heraus, zerriß den Wechselbalg und fraß ihn mit Stumpf und Stiel, dabei wallte und wogte und rauschte und brauste der See und schlug hohe Wellen. Vom Hutzebacher See gibt es viele Sagen.

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897. Vom großen Mummelsee

897. Vom großen Mummelsee

Im Schwarzwald ist der große Mummelsee gelegen, gar weit berufen, auf hohem Berge und von unergründlicher Tiefe. Man darf in ihn – so ging sonst die allgemeine Sage – so wenig Steine oder Sonstiges hineinwerfen als in den Pilatus-See, sonst wird der heiterste Himmel trüb, und es entstehen gleich Stürme und Ungewitter. Er duldet auch keine Fische, wohl aber große Salamander eigner Art.

Gar viele und mancherlei Sagen gehen von dem Mummelsee; Waldmännlein und Waldfrauen, Wasserminnen und Nixenmänner haben sich allda häufig sehen lassen. Den Namen hat er von den vielen Mümmlein, Seerosen oder Seelilien, die auf ihm blühen, die geheimnisvollen Nymphäen, die aus tiefster Tiefe herauf ihre Blätter und Blumenstengel treiben. Kleine Steine oder Erbsen und dergleichen durfte man ohne Schaden in den Mummelsee hängen; war die Zahl ungerad, so wurde eine gerade Zahl derselben im Säcklein heraufgezogen, umgekehrt aber eine ungerade.

Hirten, welche einst am Mummelsee weideten, sahen dem Wasser einen braunen Stier entsteigen, der sich unter ihre Herde mischte, aber da kam alsbald ein Männlein mit einem Stecken, das trieb den Stier mit aller Gewalt wieder in das tiefe Wasser.

Ein Jagdgesell sah am See ein Waldmännlein sitzen, das hatte den Schoß voll Geld und spielte damit, wie Kinder mit Sand spielen. Dieser Schütz war von der dummen Art, die gleich nach allem schießt, es sei damit ein Nutz oder keiner, hatte daher rasch die Büchse im Anschlag und wollte auf das Waldmännlein losbrennen, da tat es einen Hupf in den See hinein wie ein Frosch, ward zum Wassermännlein und rief dem Jäger zu: Du lausiger Lump! Leichtlich hätt‘ ich dich reich gemacht, wenn du mir die Zeit geboten, statt nach mir zu zielen! Nun sollst du verkommen in Armut und Elend. Und da ist der Gesell auch niemals auf einen grünen Zweig gekommen, und hinterm Zaun ist er gestorben.

Der Mummelsee friert selten zu; tut er’s aber, so hat er seine Tücken. Einstmals war er fest zugefroren, ein Bauer fuhr zwei Holzstämme mit einem paar Ochsen darüber, ohne daß das Eis nur krachte. Auf einmal, wie der Bauer schon am andern Ufer war, kam ihm sein Hund nachgesprungen, da krachte das Eis und brach, und der Hund ertrank.

Ein Herzog von Württemberg war begierig zu erfahren, wie tief doch der Mummelsee sei, und ließ ein Floß bauen, darauf zu fahren und die Faden zu messen. Die Messer banden nach und nach neun Rollen Bindfaden aneinander und fanden noch keinen Boden, da begann aber das Floß zu sinken, und die Messer mußten eilen, das Ufer zu gewinnen. Lange haben am Ufer noch Stücke von dem Floß gelegen. Ein Markgraf von Baden schoß geweihte Kugeln in den See da brausete er wild auf und wollte überwallen, daß der Herr mit seiner ganzen Gesellschaft eilend entweichen mußte.

Einstens kam zu einem Bauer ein Männlein auf den Hof, das bettete sich in die Binsen und das Geröhrig am Brunnen und vertraute dem Bauer, es sei ein Wassermännlein, und sein Weiblein sei ihm abhanden, das suche er nun schon in allen Seen vergebens, wolle zusehn, ob es nicht in den Mummelsee entführt sei; bat den Bauer, seiner am See zu harren oder eines Wahrzeichens gewärtig zu sein. Lange blieb es aus, und endlich kam es gar nicht wieder. Nur sein Stecken fuhr aus dem Wasser in die Höhe, und an derselben Stelle färbte sich der See plötzlich blutrot, und das rote Wasser sprang ein paar Schuh hoch in die Luft. Da merkte der Bauer, daß das Wassermännlein drunten ertötet worden sei, wahrscheinlich hatte es den Räuber seines Weibleins gefunden, das sich willig hatte entführen lassen, darum man noch im Sprüchwort sagt von solchen Weibern und Maiden, die gern der Lockung folgen: Sie geht gern in das Wasser. –

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898. Der Grafensprung

898. Der Grafensprung

Über der Murg erhebt sich ein steiler Felsenabhang, der zu dem Berge gehört, darauf Neu-Eberstein erbaut ist, der heißt der Rieß oder auch der Grafensprung. Ein Graf von Eberstein saß mit seinen Zechkumpanen beim Weine, da ward in der Regel gewettet über dies und das, je abenteuerlicher, je besser, und da schlug der Graf eine Zechwette vor, wer den Rieß hinab- und hineinreite, der solle Großes gewinnen – aber da schrieen alle die Ritter, das sei unmöglich. Aber Graf Eberstein hatte bereits einen Sturm und wollte die Wette gehalten haben an seinen Gästen, setzte sich auf seinen zuverlässigen Schimmel und ritt mit so vielem Gleichmut den steilen Rieß hinab, wie der Graf von Klettenburg in die Kirche zu Ellrich ritt. Mit Staunen und Grauen sahen es die Ritter, aber nun sollte der Graf von Eberstein auch hinaufreiten. Tollkühn trieb der Graf sein Pferd den steilen Fels hinan, gelangte auch eine Strecke empor, aber nur zu seinem Unglück, denn je höher er schon war, um so tiefer fiel er, da sein Pferd sich mit ihm überschlug und beide zerschmettert im Grunde lagen. Darauf wurde dem Rieß der Name Grafensprung, sollte aber eher Grafenfall lauten oder Grafensturz. Oft hat man hernachmals bei nächtlicher Weile des Grafen Geist auf dem Geist des Schimmels herab oder hinauf bis zur Hälfte reiten sehen. Auch spuken um die Ebersteinburgen noch sonstige Geister, leiten Wanderer irre, und hausen deren auch zahlreich im sogenannten Hilpert bei Gaggenau, wo vom Murgufer ein Schlaufloch bis nach Baden durchgeht, dahinein vordessen die Geister und Hullenpöpel von den Pöpelsträgern getragen und gebannt worden.

Weiter aufwärts im Murgtale, zwischen den nahe beisammenliegenden Dörfern Langenbrand und Gausbach, ist im Felsenufer ein mächtiges Geklüft, das zieht tief in den Berg hinein, ist voller Geister und heißt die Hölle. Niemand hat noch dieser Grotte Ende erkundet. Zwei Zackenfelsen stehen als Wächter davor, schwarz und unheimlich starrend.

Zu Forbach, eine Strecke über Gausbach, unterm Seekopfberg, war vor etwa hundert Jahren ein Schulmeister, der war ein starker Geist, weil er selbst an Geister nicht glaubte, oder bildete sich’s wenigstens ein, er wär’s,wie viele seinesgleichen, Hohe und Geringe, sich das einbilden; der ging einmal hinunter nach dem Städtlein Gernsbach, allda etwas zu kaufen; seine Tochter begleitete ihn, und er sandte sie mit dem Eingekauften voraus, da er noch einiges im Tale zu besorgen hatte, und folgte später nach. Schon dämmerte es über der Flur, als der starke Geist von Wiesenbach nach Langenbrand zuschritt, und da kam er an den Felsen vor der Hölle vorbei und fühlte sich wunderlich gehoben und getragen und emporgezogen, und merkte, daß er schwebte, doch hielt er Hut und Stock fest, wollte schreien, vermocht‘ es aber nicht, und endlich fand er sich auf einem hohen Steinfels, der war so spitz, daß er unmöglich darauf sitzen konnte, mußte bloß stehen wie ein Säulenheiliger eine ganze Nacht hindurch – und am Morgen schelgten Fischer oder Flößer die Murg herunter, die hörten den starken Geist, der auf einem Felsen vor der Hölle stand, gotteserbärmlich schreien. Da hatten die Männer große Mühe und Not, mit Hülfe von Leitern den Mann herunterzubringen. Und von selbiger Nacht an hat der starke Schulmeistergeist an noch stärkere Geister geglaubt, dieweil ihm der Glaube nicht mit dem Schauen, sondern mit dem Fühlen gekommen, Hören und Sehen ihm aber vergangen.

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8. Die Herren von Hohensax

8. Die Herren von Hohensax

Zwischen dem Altmann-Berge, dem Nachbar des Hohen Säntis, und dem Rheintale liegt die alte Stammburg der Freiherren von Hohensax. Deren einer hieß Hans Philipp, war ein ritterlicher Kriegsheld und zog ins Niederland, für dessen Freiheit er mitfocht, war ein Protestant und gerade in Frankreich, als die Ketzerverfolgung begann. Mit Mühe entrann er der Pariser Bluthochzeit. Dieser Freiherr von Hohensax hielt die alten Lieder gar wert, welche die Minnesänger in der Schweiz und in Schwaben gedichtet und gesungen hatten, und besaß von ihnen jenes hochwerte Buch, das ein Stolz der deutschen Poesie, jetzt aber in den Händen der Franzosen ist, die es vordessen aus Deutschland entführt haben und nimmermehr wieder herausgeben, weil man es ihnen nicht wieder genommen hat, da es rechte Zeit dazu war. Gar wert hielt der Freiherr das alte Liederbuch, da geschah es, daß ihn, manche sagen um des Glaubens willen, sein Neffe Ulrich Georg von Hohensax erschlug, das geschah im Jahre 1559. Darauf kam das Buch mit dem unverwelklichen altdeutschen Liederschatz in die Hände und in die Liberei des Kurfürsten von der Pfalz gen Heidelberg, von wo es durch die Franzosen weggeschleppt wurde. Wunderbares aber begab sich mit dem Leichnam des Ermordeten; dieser verwesete nicht, als er in der Kirche zu Sennewald beigesetzt war, das dünkete die Umwohner ein absonderliches Zeichen, und meinten, obgleich der Verstorbene stetig ein Protestant gewesen, er müsse etwa doch ein heiliger Mann gewesen sein. Verschafften sich heimlich von ihm erst einen Finger, dann deren mehr, endlich wurde der ganze Leichnam hinweggeführt, gerade wie sein alter Liederschatz, nur mit dem Unterschied, daß die Sennenwalder Klage erhoben um den Leichnam des Hohensaxers und derselbe wieder herüberwandern mußte, da sie ihn denn noch heutigen Tages in ihrer Kirche als eine Mumie zeigen. – Vordessen lebte auch noch ein Freiherr dieses edlen Geschlechts auf Hohensax, der war mit einem Ding begabt, das nicht eben selten ist in diesen felsreichen Alpentälern, einem Glied, das ihn ärgerte, und konnt‘ und mocht‘ es doch nicht ausreißen und von sich werfen, wie die Schrift gebeut. Da zog er mit zu Felde, und in einer heißen Schlacht, in welcher Mann gegen Mann kämpfte, empfing er einen Schwerthieb, daß ihm gleich das Blut stromweis vom Halse abquoll. Doch hatte der Feind den glücklichsten Streich getan, er hatte dem Freiherrn von Hohensax das ärgernde Glied weggehauen, seinen Kropf.

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89. Sankt Arnulfs Ring

89. Sankt Arnulfs Ring

Von besonders hohem Alter ist auch zu Trier die Moselbrücke, ein dauerbares Gebäu von Steinen ungeheurer und ungewöhnlicher Größe, auf jeden Fall ein Bauwerk aus Römerzeiten; der Kaiser Nero soll schon über diese Brücke gezogen sein, um alles Land bis Köln zu erobern. Wo sich die Bogen der Brücke miteinander schließen, stehen Säulen, welche über die Brustwehr der Brücke emporragen, darauf sollen heidnische Götterbilder gestanden haben. Einst fühlte der heilige Arnulf sein Gewissen belastet, und da er von ohngefähr über die Moselbrücke ging, sah er in des Wassers Tiefe nieder, zog einen kostbaren Ring vom Finger und warf ihn voll Vertrauen auf Gottes Allmacht und Barmherzigkeit hinab in die Mosel, indem er rief: Wenn ich hoffen darf, daß meine Sünden mir verziehen werden, so werde ich diesen Ring wiederbekommen. Es vergingen wenige Jahre und der heilige Arnulf wurde unterdes Bischof zu Metz. Da lieferte eines Tages ein Fischer in die bischöfliche Küche einen großen Fisch, und da der Koch diesen zubereitete für die Tafel seines Herrn, fand er voller Verwunderung im Eingeweide des Fisches einen schönen Ring und brachte den Ring zum Bischof. Da sahe dieser, daß es sein Ring war, den der Fisch, ihn wohl für eine Speise haltend, beim Fallen hinabgeschlungen und einige Jahre bei sich behalten – und pries Gott in Demut für dieses Gnadenzeichen und tat sich aller sündigen Gedanken ab, um dieser Gnade sich wert zu erzeigen.

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899. Geist Blaserle

899. Geist Blaserle

Das Pfarrhaus zu Eisingen ist eine Zeitlang ein rechtes Spukhaus gewesen. Zuvörderst hielt sich ein Geist darin auf, der hatte die üble Gewohnheit, abends gleich nach Sonnenuntergang den Leuten in das Gesicht zu blasen, ohne sich sonst wahrnehmen zu lassen, und war unter dem Namen Blaserle der Herrschaft wie dem Gesinde bekannt. Einst bekam der Pfarrer eine Kuh geschenkt, aber kaum war das Tier im Stalle, so brüllte es fort und fort, fraß auch nicht und hatte sich so ungebärdig, daß der Pfarrer die Kuh verkaufen mußte, worauf sie denn ganz gut tat und gedieh. Das Blaserle war es gewesen, das die arme Kuh gequält. Das Federvieh gedieh auch nicht, es schrie sich tot. Das hat lange Zeit gedauert, und half kein Mittel, bis endlich das Blaserle von selbst aufhörte, seinen bösen Mutwillen gegen Menschen und Tiere auszuüben, und aus der Pfarre wegkam, man wußte nicht wie.

Das war ein Geist, nun ging aber auch noch ein anderer im Hause um, des Natur war nicht luftig wie die des Blaserles, sondern schwerfällig. Er schlich und schlürfte mit so schweren Tritten durch das Haus, daß die Balken knackten, und tat schaurige Ächzer, ohne sich jemals sichtbar zu zeigen. So ging er durch alle Stuben, über alle Treppen und durch die Ställe sogar. Er hatte keinen Namen, schien aber eine namenlose Qual mit sich herumzutragen. Dieses war Nummer Zwei; nun kam aber auch eine weiße Nonne, die erschien sichtbarlich, schwebte stets nach dem Stalle und verschwand dort. Da es nun nicht gut ist, daß der Mensch allein sei, was auch von Geistern gelten mag, so erschienen auch noch eine Schlange mit einem Bund Schlüssel im Maule und ein gespenstischer welscher Hahn, die wandelten auch selbander oder zu dritt mit der Nonne nach dem Stalle und verschwanden dort. Einst faßte, vom Pfarrer ermuntert, eine Magd sich ein Herz und folgte der Nonne, die ihr noch dazu stets winkte, und ging mit einem Licht der Nonne nach in dem finstern Stall. Dort wies die Nonne nach einem Winkel und verschwand. Andern Tages grub man dort nach, erhob einen großen Stein, fand darunter einen kupfernen Topf und darin die Gebeine zweier Nonnenkinder. Man begrub diese auf den Kirchhof an dem Orte, wo das alte Weihwasser hingeschüttet wurde, und Nonne und Schlange kamen nicht wieder. Nur die Welschhahnengestalt ließ sich als gebratener Konsistorialvogel zuzeiten noch im Pfarrhause erblicken, wenn die Kirchenvisitation war oder das Fest der Kirchweihe; just wie beim Major Eckart zu Gotha.

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892. Der Rabe auf Stolzeneck

892. Der Rabe auf Stolzeneck

Von der Burgtrümmer Stolzeneck gehen viele Sagen. Ein Ritter, der diese Burg besaß, zog in das Heilige Land zum Kampfe gegen die Ungläubigen und ließ unter dem Schutz einiger treuer Diener seine einzige Schwester, eine blühende Jungfrau, allein auf seiner Burg zurück, wo sie ruhig und friedsam ihre Tage verlebte. Da erschien nach mehr als einem Jahre auf Stolzeneck als Gast ein nachbarlicher Ritter, der verliebte sich heftig in das Fräulein und warb um ihre Hand, sie aber konnte ihn nicht lieben und wies ihn ab. Ihr Liebling und Zeitvertreib war ein zahmer Rabe, den sie aufgezogen hatte, der ihren Namen rief, und der auch immer um sie war. Es dauerte nicht lange, so kam der aufdringliche Freier wieder und drang aufs neue in das Fräulein, allein sie wies seine Werbung mit noch mehr Strenge ab als zuvor. Da schwur er ihr im heftigen Zorne die grimmigste Rache, und es währte nur kurze Frist, so berannte er die Burg, die bei weitem nicht genug bemannt war, um einem Angriff zu widerstehen, ließ alle Diener des Fräuleins ermorden, ja bis auf das Fräulein alles, was nur auf der Burg lebte, und mit Not entkam der Rabe, der schnell aus dem Fenster entflog, als der Wüterich sein Schwert nach ihm schwang. Das unglückliche Fräulein ließ der Ritter in den Turm werfen und schwur, daß sie darinnen verhungern und verdursten solle, wenn sie ihn nicht erhöre. Jeden Tag kam er vor das Gitter ihres Kerkers, das nach dem Burghof sah, und fragte, ob sie ihn nun erhören wolle. Allein, obschon er ihr weder Trank noch Speise reichen ließ, so lebte sie doch und war immer kräftig genug, ihm ein Nein hinaufzurufen. Das machte, der treue Rabe brachte ihr während der Nacht Beeren, Früchte und kleine Brote, die er und seine Brüder den Bäckern in der Nachbarschaft entführten, und das währte eine lange, lange Zeit, und da kehrte ihr Bruder von seinem Kreuzzuge wieder heim. Mit Schreck und Staunen fand er seine Burg offen, unbewacht, verödet, die Diener hinweg, die Schwester nicht zu finden, aber Schwärme von Raben auf den Bäumen und den verfallenden Dächern. Da traf, als er über den Burghof wandelte und ausrief: Schwester! o meine liebe Schwester! Wo soll ich dich finden? ein Klageton aus der Tiefe an sein Ohr, und er eilte an das Gitter und hörte das Entsetzliche, was sich begeben, aus seiner gefangenen Schwester Munde. Indem so kam der grausame und unmenschliche Freier dahergestürmt, der voll Wut einen Fremden am Gitter und seine Schandtat entdeckt sah, und wollte den Fremden durchbohren, aber da schrie des Fräuleins Rabe und flog ihm entgegen und hackte ihm nach den Augen, und ringsum schrieen die Raben und flogen herbei wie eine schwarze Wolke, und schlugen mit den Flügeln, und krallten sich an ihn an, und hackten ihm die Augen aus dem Kopfe, so daß er sinnverwirrt zu Boden stürzte, und der Ritter von Stolzeneck stieß ihm sein Schwert durch das Herz und befreite seine Schwester. – Hernach haben die Raben den Getöteten gefressen, und sein Gebein ist in ungeweihte Erde verscharrt worden. Das Bild des treuen Raben aber ward in Stein zum ewigen Gedächtnis ausgehauen und blieb in einem Bogen der Burg erhalten bis auf späte Zeiten.

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887. Die Weibertreue

887. Die Weibertreue

Überm Städtchen Weinsberg liegt eine Burgtrümmer, insgemein die Weibertreue geheißen, von der die Sage eine der allbekanntesten ist in allen deutschen Gauen. Es geschah im Jahre des Herrn 1140, daß König Konrad III. von Hohenstaufen die Stadt Winesberg am Neckar belagerte, die dem Herzoge Welf von Bayern zuständig war. König Konrad von Schwaben war zu Waiblingen geboren und wurde von seinem Kriegsvolk der Waiblinger geheißen, der Bayerherzog aber, Konrads Gegner, hieß Welf, daraus entstanden die Feldschreie: Hie Welf, hie Waibling! Dieses verwelschten hernach italienische Truppen in Guelf und Ghibellin, und so ist die Benennung Welfen und Ghibellinen aufgekommen. Da nun Welf eine Schlacht bei Waiblingen verloren hatte, warf er sich mit den Seinen in das Schloß Weinsberg, konnte aber eine lange Belagerung darin nicht aushalten, sondern mußte um Gnade nachsuchen. Nun hatte der Kaiser auf dringendes Bitten den Frauen freien Abzug gewährt, und daß eine jede von ihrem Schatz mit sich tragen dürfe, soviel sie könne, die Männer aber sollten alle über die Klinge springen. Die Frauen aber dachten mehr an die Treue, die sie ihren Männern schuldig waren, als daran, ihre Fahrnis zu retten und zu bergen, und nahm eine jede ihren Mann auf den Rücken, und ging die Herzogin Jutta mit ihrem Gemahl Welf voran den Berg hinab, und die andern folgten in langer Reihe. Das gefiel dem Kaiser über die Maßen wohl, und begnadigte auch die Männer, obschon sein Bruder, Herzog Friedrich, Einsprache tat und solche Gnade nicht guthieß. Da antwortete ihm aber der Kaiser: Regium verbum non decere immutari: am Königswort ziemt nicht zu rütteln. Als der Florentiner Fürst Lorenz von Medici, da er erkrankt war, auf seinem Lager dieses Ereignis las, lachte er sich gesund darüber, so wohl gefiel ihm dieser treue deutsche Ernst, den er wohl nicht für Scherz nehmen mochte, wie Deutsche selbst getan, welche die schöne Frauentat aus der Geschichte hinaus haben leugnen oder spötteln wollen.

Es findet diese Sage von der Weibertreue, welcher Name auf die Burg Weinsberg vom Volke vor undenklicher Zeit übertragen ward, in deutschen Gauen mehr als an einem Ort ihren Widerhall, wenn auch nur immer eine einzelne Frau das tut, was hier von vielen geschah. Im Sachsenlande war ein Ritter von Staupitz in Fehde mit einem Ritter von Beerwalde und gewann diesem sein Schloß Kriebstein ab, warf sich mit den Seinen hinein und wehrte sich wacker, als Friedrich der Streitbare, der erste Kurfürst von Sachsen, beider Ritter Lehensherr, von dem verdrängten Beerwalder zu Hülfe gerufen, den Kriebstein belagerte. Da erflehte auch, wie sich die Burg nicht länger halten konnte, die Frau von Staupitz freien Abzug mit ihrem Heiratsgut, und der Kurfürst gewährte ihr dessen, so viel sie tragen könne. Und da trug sie ihren Gatten auf ihren Schultern herab als ihr bestes Gut, das sie erheiratet, und Kurfürst Friedrich sprach dasselbe, was Konrad III. gesprochen: Wenn einem Fürsten die Treue nichts mehr gilt, für wen soll sie dann noch einen Wert haben? – Das trug sich zu im Jahr 1415.

Gleich treuer Sinn lebte in der Königstochter, die vom König Grünewald freien Abzug für sich und ihr Gut begehrte und ihren Vater von bannen führte, und im Schwabenlande selbst hat sich’s 1499 begeben, daß die Freifrau von Thengen auf Burg Rosenegg im Hegau, ohnweit Hohentwiel, im Schwabenkriege ebensolche Treue an ihrem Gemahl bewies.

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888. Geister auf Weinsberg

888. Geister auf Weinsberg

Nicht von den Geistern zu reden, die der liebenswürdige Sohn und Jünger Apolls, Doktor Justinus Kerner, dessen gastliches, freundliches Dichterhaus dicht am Fuß der Weibertreue liegt, beschworen, gehört und gesehen, so hat es vordessen auch schon zu Weinsberg im Schloß spukende Geister gegeben. Der Schloßvogt Konrads von Weinsberg erschlug einen seiner Knechte. Bald nach der Tat betete er eines Sonnabends in der Schloßkapelle, da sah er, wie der Boden sich öffnete und eine Schar Gestalten wunderlicher Art diesem entwallte. Der Vogt entsetzte sich über den Anblick dieser Geister also sehr, daß er erkrankte und nun nicht mehr in die Kapelle kam. Da verbreitete der Spuk sich weiter, es polterte im Schloß, es warf, es äffte die Burgwächter, es verbreitete sich außer der Burg und spukte nun auch auf den Mauern des Städtleins und quälte die Wächter. Da geschah es, daß die Wallfahrt zu Unserer Frau zu den Nesseln bei Heilbronn sich auftat, da riet ein Geistkundiger den Weinsbergern, ein Fasten anzustellen, Bittgänge nach dem Nesselbusch zu tun und eine erkleckliche Geldsumme zum Bau des Karmeliterklosters beizusteuern, so würden sich der Geist des Ermordeten und seine Hülfsgeister beruhigen; also geschähe es, der Vogt starb zudem, und für dasmal hatte Weinsberg, Burg und Stadt, vor den Geistern Ruhe.

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