An die Waldvögel

An die Waldvögel

            Könnt mich auch sonst mit schwingen
Übers grüne Revier,
Hatt ein Herze zum Singen
Und Flügel wie ihr.

Flog über die Felder,
Da blüht‘ es wie Schnee,
Und herauf durch die Wälder
Spiegelt‘ die See.

Ein Schiff sah ich gehen
Fort über das Meer,
Meinen Liebsten drin stehen –
Dacht meiner nicht mehr.

Und die Segel verzogen,
Und es dämmert‘ das Feld,
Und ich hab mich verflogen
In der weiten, weiten Welt.

Der Unverbesserliche

DER UNVERBESSERLICHE

Ihr habt den Vogel gefangen,
Der war so frank und frei,
Nun ist ihms Fliegen vergangen,
Der Sommer ist lange vorbei.

Es liegen wohl Federn neben
Und unter und über mir,
Sie können mich alle nicht heben
Aus diesem Meer von Papier.

Papier! wie hör ich dich schreien,
Da alles die Federn schwenkt
In langen, emsigen Reihen –
So wird der Staat nun gelenkt.

Mein Fenster am Pulte steht offen,
Der Sonnenschein schweift übers Dach,
Da wird so uraltes Hoffen
Und Wünschen im Herzen wach.

Die lustigen Kameraden,
Lerchen, Quellen und Wald,
Sie rauschen schon wieder und laden:
Geselle, kommst du nicht bald?

Und wie ich durch die Gardinen
Hinaussah in keckem Mut,
Da hört ich Lachen im Grünen,
Ich kannte das Stimmlein recht gut.

Und wie ich hinaustrat zur Schwelle,
Da blühten die Bäume schon all
Ein Liebchen, so frühlingshelle,
Saß drunter beim Vogelschall.

Und eh wir uns beide besannen,
Da wiehert´ das Flügelroß –
Wir flogen selbander von dannen,
Daß es unten die Schreiber verdroß.

(Joseph von Eichendorff)

Joseph Freiherr von Eichendorff

Auf meines Kindes Tod

Freuden wollt ich Dir bereiten;

Zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz

Wollt‘ ich treulich dich geleiten

Durch das Leben himmelwärts.

Doch du hast’s allein gefunden,

Wo kein Vater führen kann,

Durch die ernste dunkle Stunde

Gingst du schuldlos mir voran.

Wie das Säuseln leiser Schwingen

Draußen über Wald und Kluft

Ging zur selben Stund‘ ein Singen

Ferne durch die stille Luft.

Und so fröhlich glänzt der Morgen,

‚s war, als ob das Singen sprach:

Jetzo lasset alle Sorgen;

Liebt ihr mich, so folgt mir nach!

Ich führt‘ dich oft spazieren

In Winter-Einsamkeit;

Kein Laut ließ sich da spüren,

Du schöne, stille Zeit!

Lenz ist’s nun, Lerchen singen

Im Blauen über mir;

Ich weine still – sie bringen

Mir einen Gruß von dir.

Von fern‘ die Uhren schlagen,

Es ist schon tiefe Nacht,

die Lampe brennt so düster,

das Bettlein ist gemacht.

Die Winde nur noch gehen

Wehklagend um das Haus,

Wir sitzen einsam drinnen

Und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müßtest leise

Du klopfen an die Tür,

Du hätt’st dich nur verirret

Und käm’st nun müd‘ zurück.

Wir armen, armen Toren!

Wir irren ja im Graus

Des Dunkels noch verloren, –

Du fand’st dich längst nach Haus.

Dort ist so tiefer Schatten,

Du schläfst in guter Ruh‘,

Es deckt mit grünen Matten

Der liebe Gott dich zu.

Die alten Weiden neigen

Sich auf dein Bett herein,

Die Vöglein in den Zweigen,

sie singen treu dich ein.

Und wie in goldnen Träumen

Geht linder Frühlingswind

Rings in den stillen Bäumen –

Schlaf wohl, mein süßes Kind!

Mein liebes Kind, Ade!

Ich konnt‘ Ade nicht sagen,

Als sie dich fortgetragen,

Vor tiefem, tiefem Weh.

Jetzt auf lichtgrünem Plan

Stehst du im Myrtenkranze

Und lächelst aus dem Glanze

Mich still voll Mitleid an.

Und Jahre nahn und gehen,

Wie bald bin ich verstoben –

O bitt‘ für mich da droben,

Daß wir uns wiedersehn!

Der Schatzgräber

Der Schatzgräber

              Wenn alle Wälder schliefen,
Er an zu graben hub,
Rastlos in Berges Tiefen
Nach einem Schatz er grub.

Die Engel Gottes sangen
Derweil in stiller Nacht,
Wie rote Augen drangen
Metalle aus dem Schacht.

»Und wirst doch mein!« und grimmer
Wühlt er und wühlt hinab,
Da stürzen Steine und Trümmer
Über dem Narren herab.

Hohnlachen wild erschallte
Aus der verfallnen Kluft,
Der Engelsang verhallte
Wehmütig in der Luft.

Marienlied

Marienlied

        Wenn ins Land die Wetter hängen
Und der Mensch erschrocken steht,
Wendet, wie mit Glockenklängen,
Die Gewitter Dein Gebet,
Und wo aus den grauen Wogen
Weinend auftaucht das Gefild,
Segnest Du’s vom Regenbogen –
Mutter, ach, wie bist Du mild!

Wenns einst dunkelt auf den Gipfeln
Und der kühle Abend sacht
Niederrauschet in den Wipfeln:
O Maria, heilge Nacht!
Laß mich nimmer wie die andern,
Decke zu der letzten Ruh
Mütterlich den müden Wandrer
Mit dem Sternenmantel zu.

Frühlingsnacht

FRÜHLINGSNACHT

Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängts schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mirs doch, als könnts nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagens,
Und in Träumen rauschts der Hain,
Und die Nachtigallen schlagens:
Sie ist Deine, sie ist dein!

(Joseph von Eichendorff)

Dryander mit der Komödiantenbande

Joseph von Eichendorff

Mich brennts an meinen Reiseschuhn,
Fort mit der Zeit zu schreiten –
Was wollen wir agieren nun
Vor so viel klugen Leuten?

Es hebt das Dach sich von dem Haus
Und die Kulissen rühren
Und strecken sich zum Himmel ‚raus,
Strom, Wälder musizieren!

Und aus den Wolken langt es sacht,
Stellt alles durcheinander,
Wie sichs kein Autor hat gedacht:
Volk, Fürsten und Dryander.

Da gehn die einen müde fort,
Die andern nahn behende,
Das alte Stück, man spielts so fort
Und kriegt es nie zu Ende.

Und keiner kennt den letzten Akt
Von allen, die da spielen,
Nur der da droben schlägt den Takt,
Weiß, wo das hin will zielen.

Nachruf

Du liebe, treue Laute,
Wie manche Sommernacht,
Bis daß der Morgen graute,
Hab‘ ich mit dir durchwacht!

Die Täler, wieder nachten,
Schon sinkt das Abendrot,
Doch die sonst mit uns wachten,
Die liegen lange tot.

Was wollen wir nun singen
Hier in der Einsamkeit,
Wenn alle von uns gingen,
Die unser Lied erfreut‘?

Wir wollen dennoch singen!
So still ist’s auf der Welt;
Wer weiß, die Lieder dringen
Vielleicht zum Sternezelt.

Wer weiß, die da gestorben,
Sie hören droben mich
Und öffnen leis‘ die Pforten
Und nehmen uns zu sich.

Götterdämmerung

Götterdämmerung

                Von kühnen Wunderbildern
Ein großer Trümmerhauf,
In reizendem Verwildern
Ein blühnder Garten drauf;

Versunknes Reich zu Füßen,
Vom Himmel fern und nah,
Aus anderm Reich ein Grüßen –
Das ist Italia!

Wenn Frühlingslüfte wehen
Hold übern grünen Plan,
Ein leises Auferstehen
Hebt in den Tälern an.

Da will sichs unten rühren
Im stillen Göttergrab,
Der Mensch kanns schauernd spüren
Tief in die Brust hinab.

Verwirrend in den Bäumen
Gehn Stimmen hin und her,
Ein sehnsuchtsvolles Träumen
Weht übers blaue Meer.

Und unterm duftgen Schleier,
Sooft der Lenz erwacht,
Webt in geheimer Feier
Die alte Zaubermacht.

Frau Venus hört das Locken,
Der Vögel heitern Chor,
Und richtet froh erschrocken
Aus Blumen sich empor.

Sie sucht die alten Stellen,
Das luftge Säulenhaus,
Schaut lächelnd in die Wellen
Der Frühlingsluft hinaus.

Doch öd sind nun die Stellen,
Stumm liegt ihr Säulenhaus,
Gras wächst da auf den Schwellen,
Der Wind zieht ein und aus.

Wo sind nun die Gespielen?
Diana schläft im Wald,
Neptunus ruht im kühlen
Meerschloß, das einsam hallt.

Zuweilen nur Sirenen
Noch tauchen aus dem Grund,
Und tun in irren Tönen
Die tiefe Wehmut kund. –

Sie selbst muß sinnend stehen
So bleich im Frühlingsschein,
Die Augen untergehen,
Der schöne Leib wird Stein. –

Denn über Land und Wogen
Erscheint, so still und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein andres Frauenbild.

Ein Kindlein in den Armen
Die Wunderbare hält,
Und himmlisches Erbarmen
Durchdringt die ganze Welt.

Da in den lichten Räumen
Erwacht das Menschenkind,
Und schüttelt böses Träumen
Von seinem Haupt geschwind.

Und, wie die Lerche singend,
Aus schwülen Zaubers Kluft
Erhebt die Seele ringend
Sich in die Morgenluft.

Joseph von Eichendorff

Joseph von Eichendorff

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd‘,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.

Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.

O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd‘ gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Laß ausruhn mich von Lust und Not,
Bis daß das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.

Klage

Klage

1809

              O könnt ich mich niederlegen
Weit in den tiefsten Wald,
Zu Häupten den guten Degen,
Der noch von den Vätern alt,

Und dürft von allem nichts spüren
In dieser dummen Zeit,
Was sie da unten hantieren,
Von Gott verlassen, zerstreut;

Von fürstlichen Taten und Werken,
Von alter Ehre und Pracht,
Und was die Seele mag stärken,
Verträumend die lange Nacht!

Denn eine Zeit wird kommen,
Da macht der Herr ein End,
Da wird den Falschen genommen
Ihr unechtes Regiment.

Denn wie die Erze vom Hammer,
So wird das lockre Geschlecht
Gehaun sein von Not und Jammer
Zu festem Eisen recht.

Da wird Aurora tagen
Hoch über den Wald hinauf,
Da gibts was zu singen und schlagen,
Da wacht, ihr Getreuen, auf.

Die Zauberin im Walde

Die Zauberin im Walde

          »Schon vor vielen, vielen Jahren
Saß ich drüben an dem Ufer,
Sah manch Schiff vorüber fahren
Weit hinein ins Waldesdunkel.

Denn ein Vogel jeden Frühling
An dem grünen Waldessaume
Sang mit wunderbarem Schalle,
Wie ein Waldhorn klang’s im Traume.

Und gar seltsam hohe Blumen
Standen an dem Rand der Schlünde,
Sprach der Strom so dunkle Worte,
’s war, als ob ich sie verstünde.

Und wie ich so sinnend atme
Stromeskühl und Waldesdüfte,
Und ein wundersam Gelüsten
Mich hinabzog nach den Klüften:

Sah ich auf kristallnem Nachen,
Tief im Herzensgrund erschrocken,
Eine wunderschöne Fraue,
Ganz umwallt von goldnen Locken.

Und von ihrem Hals behende
Tät sie lösen eine Kette,
Reicht‘ mit ihren weißen Händen
Mir die allerschönste Perle.

Nur ein Wort von fremdem Klange
Sprach sie da mit rotem Munde,
Doch im Herzen ewig stehen
Wird des Worts geheime Kunde.

Seitdem saß ich wie gebannt dort,
Und wenn neu der Lenz erwachte,
Immer von dem Halsgeschmeide
Eine Perle sie mir brachte.

Ich barg all im Waldesgrunde,
Und aus jeder Perl der Fraue
Sproßte eine Blum zur Stunde,
Wie ihr Auge anzuschauen.

Und so bin ich aufgewachsen,
Tät der Blumen treulich warten,
Schlummert oft und träumte golden
In dem schwülen Waldesgarten.

Fortgespült ist nun der Garten
Und die Blumen all verschwunden,
Und die Gegend, wo sie standen,
Hab ich nimmermehr gefunden.

In der Fern liegt jetzt mein Leben,
Breitend sich wie junge Träume,
Schimmert stets so seltsam lockend
Durch die alten, dunklen Bäume.

Jetzt erst weiß ich, was der Vogel
Ewig ruft so bange, bange,
Unbekannt zieht ewge Treue
Mich hinunter zu dem Sange.

Wie die Wälder kühle rauschen,
Zwischendurch das alte Rufen,
Wo bin ich so lang gewesen? –
O ich muß hinab zur Ruhe!«

Und es stieg vom Schloß hinunter
Schnell der süße Florimunde,
Weit hinab und immer weiter
Zu dem dunkelgrünen Grunde.

Hört die Ströme stärker rauschen,
Sah in Nacht des Vaters Burge
Stillerleuchtet ferne stehen,
Alles Leben weit versunken.

Und der Vater schaut‘ vom Berge,
Schaut‘ zum dunklen Grunde immer,
Regte sich der Wald so grausig,
Doch den Sohn erblickt‘ er nimmer.

Und es kam der Winter balde,
Und viel Lenze kehrten wieder,
Doch der Vogel in dem Walde
Sang nie mehr die Wunderlieder.

Und das Waldhorn war verklungen
Und die Zauberin verschwunden,
Wollte keinen andern haben
Nach dem süßen Florimunde. –

Treue

Treue

        Wie dem Wanderer in Träumen,
Daß er still im Schlafe weint,
Zwischen goldnen Wolkensäumen
Seine Heimat wohl erscheint:

So durch dieses Frühlings Blühen
Über Berg‘ und Täler tief,
Sah ich oft dein Bild noch ziehen,
Als obs mich von hinnen rief;

Und mit wunderbaren Wellen
Wie im Traume, halbbewußt,
Gehen ewge Liederquellen
Mir verwirrend durch die Brust.