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663. Nacht

Diese Zeile bestätigten dem Greis den Verdacht, den er
schon über das Geschlecht meiner Schwester hegte,, welche er wie eine
Abenteurerin betrachtete. Ihr begreift, dass diese Vermutung ihr eben nicht zum
Vorteil bei ihm gereichte, und dass die vorgeschlagene Verbindung ihm gerade
nicht sehr gefiel. Die Ausdrücke des Zettels erlaubten ihm jedoch keinen
Zweifel über den Ausfall des Spiels. Sein Geiz flößte ihm die Mittel ein,
durch welche er diese Verbindung verhindern könnte. Es kam nur darauf an, die
vorgeschlagene Bedingung zu beseitigen. Ein geschickt benutztes Radiermesser
machte ihn davon los, und nachdem die drei wichtigen Worte ausradiert waren,
siegelte er das Papier wieder zu und legte es an den Ort, von welchem er es
genommen hatte. Das Spiel, obgleich lange und wohl durchfochten, endete durch
einen entscheidenden Zug, den meine Schwester auf gewisse Weise ihrem Gegner
vorbereitet hatte, um ihm zu zeigen, dass sie absichtlich verlöre. Dieser griff
eifrig nach dem Zettel, las ihn, lachte und sagte: „Euer Vermögen gehört
mir. Was das Geschenk Eures Herzens betrifft, so hattet Ihr nicht nötig, diese
Bedingung zu machen, da das meinige Euch schon lange gehört.“

„So lest doch,“ erwiderte sie, „so lest
doch mein Schreiben zu Ende.“

„Aber ich kann ja doch nicht mehr lesen, als Ihr
geschrieben habt.“

Meine ungeduldige Schwester nahm ihm das Papier aus den
Händen und war erstaunt, die wichtigsten Worte ausgelöscht zu sehen. Sie
bemühte sich, ihre Unruhe zu verbergen. „Mein Gedächtnis,“ sagte
sie, „wird meiner Unbesonnenheit zu Hilfe kommen. Nehmt diese Hand an. Sie
gehört Euch ebenso wohl als meine Person.“

„Mein Freund,“ sagte der junge Mann, „ich
begnüge mich mit Eurem auf rechtliche Weise gewonnenen Vermögen. Aber ich habe
nicht die Absicht, Euch zum Sklaven zu machen. Niemals werde ich Eure Freiheit
antasten. Sie ist ein zu kostbares Gut, um im Spiel drangesetzt zu werden:
Verkauft Euch an andere als an Eure Freunde.“

„Wenn ich Euch zum Gatten nehme,“ sagte meine
Schwester zu ihm, „so glaube ich mir keinen Herrn zu geben.“ Der junge
Mann fand sich durch diesen Vorschlag schwer beleidigt, geriet in den heftigsten
Zorn und zog seinen Kandschar. „Elender Fremdling,“ sagte er,
„was macht Dich so frech, zu glauben, dass Männer von meinem Rang sich
Deinen schändlichen Begierden hingeben könnten!“

Glücklicherweise hielt der Vater den Arm seines Sohnes
zurück. Die arme Fremde hatte kaum Zeit, die Flucht zu ergreifen, und nachdem
sie den besten Tisch in Kairo gehalten hatte, war sie nun dahin gekommen,
betteln zu müssen.

Ich sah sie eines Tages ganz mit Lumpen bedeckt ankommen.
Sie war genötigt, sich zu nennen, um erkannt zu werden. Ich warf mich an ihren
Hals, indem ich einen Strom von Tränen vergoss, und gab ihr meine schönsten
Kleider. Die Undankbare nahm meine Liebkosungen und meine Kleider mit
Gleichgültigkeit an. Sie zitterte vor Wut, als sie erfuhr, dass ich unsern
Vetter geheiratet hatte. Dieser bezeigte sich jedoch so freundschaftlich gegen
sie, dass sie ihren Unwillen verbarg.

„Ihr seid,“ sagte er, „genug in der Welt
herumgekommen, um die Gefahren der Reisen und die Unbeständigkeit des Glückes
zu kennen. Bleibt bei uns. Ich übernehme es, Euch zu ersetzen, was Ihr verloren
habt, und Euch einen Gatten auszusuchen, mit dem Ihr ruhige Tage verleben sollt.
Wir wollen dann alle als eine Familie leben.

Aber das Glück, dessen ich genoss, war für meine
Schwester eine grausame Qual. Wir waren nicht wenig verwundert, sie einige Zeit
nach ihrer Ankunft neue Vorbereitungen machen und uns die Summe abfordern zu
sehen, welche wir zu ihrer Mitgift bestimmt hatten, mit dem Versprechen, sie uns
nach ihrer Heimkehr zurückzuzahlen.

„Wagt Ihr diese Heimkehr zu hoffen?“, sagte mein
Gatte zu ihr. „Die erste Reise hat Euch Euer Vermögen gekostet. Fürchtet,
auf dieser zweiten um Eure Person und Euer Leben zu kommen.“

Wir bekamen keine andere Antwort von ihr als die, dass sie
ohne Geld reisen würde, weil ihr Talente ihr schon welches erwerben würden. Da
wir verzweifelten, diese halsstarrige Frau zur Vernunft zu bringen, gaben wir
ihr eine ziemlich beträchtliche Summe. Sie brachte zwei Jahre auf dieser Reise
zu, und während dieser brachten uns unsere fruchtbaren Ländereien reichliche
Ernten, und unsere Herden mehrten sich ansehnlich.