Project Description

639. Nacht

Geschichte
einer Dame von Kairo und ihrer vier Galane

Eine junge, ihrem Gatten zärtlich ergebene Dame von
Kairo, die nur durch dringende Notwendigkeit zum Ausgehen veranlasst werden
konnte, ging eines Tages, von einem Bad heimkehrend, vor der Gerichtsstätte
eines Kadis vorbei, als diese eben geschlossen wurde. Der Kadi erblickte sie,
und ihr edler Anstand und Gang fielen ihm auf und ließen ihn auf das, was er
nicht sah, günstig schließen. Er nahte sich ihr und flüsterte ihr zu, dass er
ein geheimes Stelldichein mit ihr wünschte. die Dame, welche bei sich
beschloss, ihn seines unwürdigen Betragnes wegen zu bestrafen, willigte
scheinbar ein und bat ihn, am Abend in ihr Haus zu kommen, was er freudig
versprach. Sie verfolgte nun ihren Heimweg, wurde aber auf demselben von drei
anderen Männern angeredet, die ihr gleiche Vorschläge wie der Kadi machten,
welche sie auch alle annahm und den Abend zum Empfang ihrer Besuche bestimmte.
Der erste dieser drei Galane war der Obereinnehmer der Hafensteuer, der zweite
der Vorsteher der Schlächterzunft und der dritte ein reicher Kaufmann.

Als die Dame wieder zu Hause war, erzählte sie ihrem
Mann, was sich ereignet hatte, und bat ihn, ihr zu erlauben, dass sie die
Unverschämtheit der vier Männer durch eine List, welche sie sich ersonnen,
bestrafen dürfte; eine Bestrafung, welche ihm und ihr nicht bloß große
Belustigung, sondern auch wirklichen Vorteil verschaffen würde, da gewiss auf
ein Geschenk von jedem zu rechnen wäre. Der Mann, überzeugt, dass er sich auf
die Treue seiner Frau verlassen könnte, gab seine Einwilligung zu ihrem
Vorhaben, worauf sie ein gutes Mahl bereitete, sich sorgfältig kleidete und
sich auf ein Sofa setzte, um ihre Gäste zu erwarten.

Es war eben die Stunde des Abendgebetes, als der Kadi an
die Türe seiner Schönen klopfte, die sie öffnete, ihn einließ und einen
Rosenkranz von schönen Perlen, den er ihr darbot, annahm. Sie bat ihn, sich
auszukleiden und einen bequemeren Anzug anzulegen. Sie bekleidete ihn nun mit
einer langen Weste von gelbem Musselin und setzte ihm eine Mütze von derselben
Farbe auf, was ihr Mann durch die Vorhänge eines Kabinetts mit ansah, der sich
vor Lachen über die zärtlichen Grimassen des verleibten Richters die Seiten
hielt. Das Glück des ehrwürdigen Galans verwandelte sich jedoch schnell in
schreckvolle Bestürzung; denn er hatte sich kaum niedergesetzt und von einer
Erfrischung gekostet, als ein lauter Schlag an die Türe gehört wurde, worauf
die Dame, die sich auf sehr täuschende Weise erschreckt stellte, ausrief:
„Der Prophet beschütze uns! Denn das ist das Pochen meines Mannes: Und
wenn er Euch hier findet, wird er uns beide töten.“ Der Kadi war bei
diesen Worten mehr tot als lebendig. Aber die Dame richtete ihn wieder etwas
auf, indem sie ihn in ihre Schlafkammer stieß und ihn bat, sich dort ja nicht
zu regen, wo sich dann schon ein Ausweg zu seiner Rettung finden würde. Er
kauerte sich in einen Winkel der Kammer und gelobte heilig, dass er, wenn er
diesmal der Gefahr entginge, der Liebe auf immer Valet sagen wollte, und wenn
der Satan selbst die Gestalt einer schönen Frau annähme, er ihn doch nicht
verlocken sollte.

Als die Dame den Kadi so versteckt hatte, eilte sie an die
Türe, wo sie den harrenden Oberaufseher der Hafensteuer fand, der ihr ein
Kästchen mit Juwelen zum Geschenk brachte. Sie empfing ihn auf das
freundlichste, bat ihn, seine reichen Kleider abzulegen, und ließ ihn eine rote
Jacke anziehen und eine schwarz gefleckte Mütze aufsetzen. Kaum hatte er sich
niedergesetzt, als ein neues Pochen gehört wurde und sie mit ihm dasselbe Spiel
wie mit dem Kadi spielte, welcher sich etwas getröstet fühlte, als er einen
ehrwürdigen Beamten in ebenso lächerlichem Aufzug sah, als sein eigener war.
Die alten Galane bedauerten sich gegenseitig durch Zeichen, wagten aber aus
Furcht, entdeckt zu werden, nicht zu sprechen.

Der Vorsteher der Schlächterzunft wurde eingelassen, sein
Geschenk angenommen, er musste sich auch entkleiden, zog eine blaue Jacke an und
setzte eine scharlachene Mütze auf, die mit Muschelschalen und Flittergold
ausgeputzt war. Aber kaum war er mit dem Umkleiden fertig, als ein vierter
lauter Schlag gehört wurde, die Schreckensszene sich erneuerte und der
erschrockene Galan in die Kammer eilte, um seinen Nebenbuhlern Gesellschaft zu
leisten. Es erschien jetzt der ehrwürdige Kaufmann, welcher der listigen Dame
reiche Schleier, seidene Stoffe und gestickte Musseline schenkte, worauf er, als
er zum Umkleiden aufgefordert wurde, eine himmelblaue Jacke anzog und eine rot
und weiß gestreifte Mütze aufsetzte. Kaum war er angekleidet, als ein
donnerndes Klopfen an die Haustüre seinen Entzückungen ein Ende machte und er
von der Dame, welche sich sehr erschrocken stellte, weil es das Pochen ihres
Mannes wäre, in die Schlafkammer getrieben wurde, wo er zu seinem Erstaunen
drei nahe Bekannte fand.