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590. Nacht

Die listige Frau, welche beschlossen hatte, ihrem Mann
wegen seine Filzigkeit einen Streich zu spielen, teilte ihre Absicht einer ihrer
Freundinnen mit, die hochschwanger war, und sagte zu ihr, sie sollte, wenn die
Zeit ihrer Niederkunft nahte, unter ihrem Dach bleiben; „denn,“ setzte
sie hinzu, „ich muss diesen Kadi lächerlich machen, der so viele
unglückliche Frauen misshandelt hat, indem er sie vor Hunger fast umkommen
ließ, ihnen dann die Haare abschnitt und sich unter dem Vorwand ihrer
Unzüchtigkeit von ihnen schied, ohne ihnen ihre Mitgift wiederzugeben.“
Die Freundin antwortete: „Dein Wille ist mir Gesetz.“

Als die Freundin nun fühlte, dass ihre Niederkunft nahe
wäre, kam sie in das Haus der Frau des Kadis, als er eben abwesend war, und
brachte einen hübschen Knaben zur Welt. Die Frau des Kadis bereitete nun ein
schmackhaftes Gericht, aus geriebenem Salzfleisch und gerösteten Bohnen
bestehend und mit Zwiebeln, Knoblauch und verschiedenen Sämereien und Gewürzen
versehen. Als der Kadi zur Essenszeit nach Hause kam, wurde ihm die Speise
aufgetragen, und da er sehr hungrig war, aß er nicht nur mittags, sondern auch
abends sehr gierig und unmäßig. Bald nachher begann sein Bauch zu schwellen,
der Wind knurrte in seinen Eingeweiden, er bekam Kolik und Krämpfe und solche
Schmerzen, dass er in Todesangst laut jammerte. Seien herzulaufende Frau klagte
mit ihm über seinen Zustand, befühlte den leidenden Teil mit ihrer Hand und
stieß, nachdem sie ihn hier und da gedrückt hatte, einen heftigen Schrei aus,
worauf sie ausrief: „Ein Wunder, ein Wunder! Der allmächtige Allah kann
tun, was er will: Sein Wille geschehe! Denn mein Herr, der Kadi, ist gewisslich
schwanger.“

Der Kadi schalt ungeachtet seiner Todesangst seien Frau,
indem er zu ihr sagte: „Bist Du toll, Weib? Wann hast Du jemals von der
Schwangerschaft eines Mannes gehört?“ – „Toll oder nicht,“
erwiderte sie, „Du hast sicher Geburtswehen und wirst bald niederkommen,
denn ich bemerke die Bewegungen des Kindes.“ – „Heiliger Prophet, steh
mir bei!“, kreischte der Kadi, dessen Krämpfe so zunahmen, dass er sich in
der größten Todesangst hin- und herwand wie ein Wurm. Die Frau rannte nun
fort, als wollte sie Hilfe herbeiholen, aber sie kam bald mit dem Kind ihrer
Freundin, welches sie unter ihrem Schleier verbarg, und mit einem kupfernen
Gefäß zurück, welches letzteres sie nahe an ihren Mann setzte, der sich mit
großen Qualen immer hin- und herwälzte. Die Frau schien mit ihm zu leiden,
rieb seinen Rücken und stellte sich, als betete sie für seine glückliche
Niederkunft. Die Kolik war so arg, dass der arme Kadi in die stärksten
Zuckungen verfiel und einige Zeit ohne Besinnung blieb. Endlich kam ihm aber die
Natur zu Hilfe. Die Frau kneippte nun das Kind, welches schrie, worauf sie es
denn unter ihrem Schleier hervorzog und in ein Freudengeschrei ausbrach, indem
sie ausrief: „Dank sei unserm großen Propheten gesagt, durch dessen Hilfe
der Himmel Dir eine glückliche Niederkunft gegönnt hat!“ Der Kadi, der
sich erleichtert fühlte, öffnete, als er zu sich kam, seine Augen, sah, wie
seine Frau das Kind hätschelte, und hörte, wie sie ausrief: „Sieh, mein
lieber Mann, sieh Dein Kind! Lass es uns Wunderquelle nennen.“ Der Kadi war
zwar höchlich erstaunt, fand sich jedoch so plötzlich erleichtert und konnte,
da er ein neugeborenes Kind erblickte, nicht an seiner wundervollen Entbindung
zweifeln. Er gab seiner Frau den Auftrag, für eine Amme zu sorgen, worauf sie
ging und as Kind zu seiner Mutter trug, sodann zu ihrem Mann zurückkehrte, ihm
half, sich anzukleiden, ihm einen stärkenden Trank bereitete und eingab und ihm
empfahl, sich schlafen zu legen und einige Tage auszuruhen. Der Kadi, den die
Krampfkolik sehr erschöpft hatte, schlief bald ein und erwachte erst nachlangem
Schlaf, wodurch sein Leib wohl sehr gestärkt wurde; aber sein Geist war doch
sehr beunruhigt, dass das Geheimnis seines seltsamen Abenteuers bekannt werden
möchte. Er sagte deshalb zu seiner Frau: „Lass uns die Sache geheim
halten, damit mich die Leute nicht verspotten und sagen: „Unser Kadi hat
ein Kind geboren!“ Sie erwiderte hierauf: „Ich fürchte, dass so etwas
nicht lange verheimlicht werden kann, da die Amme natürlich plappern
wird.“