Die Flagge des Vaterlandes.
VII.
Es war Winter und die Morgen bitter kalt. Natürlich drösten Latte und Käfer – M’Turk gehörte zu jener Sorte von Leuten, die unter allen Umständen feierlich Toilette machen – bis es allerhöchste Zeit war, herauszuspringen und zum Aufruf in die gaserhellte Turnhalle zu eilen. Die Folge war, daß sie oft zu spät kamen; und da jede Unpünktlichkeit ihnen einen schwarzen Strich eintrug, und drei schwarze Striche in der Woche Strafexerzieren nach sich zogen, so folgte, daß der Sergeant nicht wenige Stunden mit ihnen beschäftigt war. Foxy nahm das Drillen der Zuspätgekommenen mit allem Pomp seines ehemaligen Soldatentums vor.
»Sie brauchen nich‘ zu denken, daß es mir Vergnügen macht« (dies war die ständige Einleitung). »Ich würd‘ viel lieber in Ruhe in meiner Wohnung meine Pfeife rauchen. Aber da haben wir ja heute auch wieder unsere alte Brigade. Wenn ich Sie bloß ständig herbekommen könnt‘, Master Corkran«, sagte er, während er das Glied ausrichtete.
»Beinah‘ sechs Wochen haben Sie mich ja gehabt, Sie alter Vielfraß. Von rechts abzählen!«
»Nicht so übereilig, bitte. Ich hab‘ hier zu kommandieren. Linksum! Langsam – marsch!« Fünfundzwanzig Faullenzer, alles alte Uebeltäter, marschierten in die Turnhalle. »Jeder holt sich leise die Hanteln und geht leise wieder auf seinen Platz zurück! Von rechts abzählen, nicht so laut! Die Ungeraden einen Schritt vor. Die Geraden bleiben stehen. Jetzt, Rumpf beugen vorwärts! Nach mir sich richten!«
Die Hanteln hoben und senkten sich, klirrten gegeneinander und wurden gleichmäßig zurückgezogen. Die Jungen waren mit der schweren Arbeit gut vertraut.
»Sehr gut. Es wird mir leid tun, wenn einer von Ihnen die Gewohnheit annimmt, pünktlich zu werden. Die Hanteln leise zurückgebracht. Wir wollen jetzt ein bißchen einfaches Exerzieren versuchen.«
»Puh! Das einfache Exerzieren kenn ich.«
»’s wär‘ auch noch schöner, wenn Sie’s nich‘ kennen täten, Master Corkran. Alle gleichzeitig – – es ist nicht so leicht, wie’s aussieht.«
»Ich wett‘ ’nen Schilling, Foxy, ich kann ebenso gut drillen wie Sie.«
»Das wollen wir nachher seh’n. Nun denken Sie sich, Sie wären nicht wegen Zuspätkommen bestraft, sondern eine halbe Kompanie auf dem Paradefeld, und ich der kommandierende Offizier. Da ist gar nichts bei zu lachen. Wenn Sie Glück haben, werden die meisten von Ihnen ihr halbes Leben lang drillen müssen. Machen Sie mir ’n bißchen Ehre. Lange genug hab‘ ich Sie vorgehabt, weiß der Himmel!«
Sie reihten sich zu vieren auf, marschierten und machten Schwenkungen und Wendungen, ganz im Bann der Subordination. Foxy hatte recht, wenn er sagte, daß er sie so lange vorgehabt hätte.
Die Tür des Turnsaals öffnete sich und ließ einen alten Herrn ein, gefolgt von M’Turk.
Der Sergeant, der gerade eine Schwenkung ausführen ließ, sah ihn nicht. »Nicht schlecht,« murmelte er, »gar nicht schlecht.«
»Der Flügelmann hat bloß auf der Stelle zu treten, Master Swayne. Na, Master Corkran, Sie sagten, Sie verständen den Drill ebenso gut wie ich. Wollen Sie so freundlich sein und das Kommando übernehmen! Wiederholen Sie meine Kommandos eins nach dem andern und bringen Sie sie wieder in die erste Stellung zurück.«
»Was bedeutet das? Was bedeutet das?« fragte der Besucher in autoritativem Ton.
»Ein – ein wenig Exerzieren, Sir«, stammelte Foxy, ohne etwas von den Ursachen zu erwähnen, die zu diesem Drill Veranlassung gegeben hatten.
»Ausgezeichnet – ausgezeichnet. Ich wünschte nur, es wären mehr dabei«, sagte der Herr aufmunternd. »Lassen Sie sich nicht stören. Sie waren gerade dabei, irgendeinem das Kommando zu übergeben, nicht wahr?« Er setzte sich und blies seinen Atem in die frostige Luft.
»Ich werd‘ ’nen schönen Dreck anrichten, – ganz sicher«, murmelte Latte verzweifelt, und sein Unbehagen wurde nicht gemildert durch die aus dem letzten Gliede flüsternd weitergegebene Mitteilung, daß der alte Herr General Collinson wäre, ein Mitglied des Aufsichtsrates des Instituts.
»Wie – wer?« fragte Foxy.
»Collinson, K. C. B. – Er kommandierte die Pompadours, meines Vaters altes Regiment«, flüsterte Swayne I.
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte der Besucher. »Ich weiß, wie’s tut. Ihre erste Uebung – wie?«
»Ja, Sir.« Er schöpfte verzweifelt tief Atem. »Achtung! Richtung!« Der Schall seiner eigenen Stimme stellte sein Vertrauen wieder her.
Er ließ Kehrt machen, auflösen, zu vieren abschwenken und stellte das Glied wieder her, ohne ein einziges Mal unschlüssig zu sein. Die offizielle Strafstunde war längst vorüber, aber niemand dachte daran. Sie unterstützten Latte nach besten Kräften – Latte, der in tödlicher Furcht war, daß seine Stimme überschnappen würde.
»Er macht Ihnen Ehre, Sergeant«, lautete des Besuchers Gutachten. »Tüchtiges Exerzieren – und gutes Material dazu. Es ist aber doch merkwürdig: ich habe mit Ihrem Direktor gefrühstückt, und er hat mir nichts davon gesagt, daß das Institut ein Kadettenkorps hätte.«
»Wir haben keins, Sir. Dies ist nur eine kleine Uebung«, erklärte der Sergeant.
»Sind aber nicht alle sehr dahinter?« fragte M’Turk, der zum erstenmal den Mund auftat, mit einem Zwinkern in seinen tiefliegenden Augen.
»Warum bist du aber nicht dabei, Willy?«
»Oh, ich bin nicht pünktlich genug«, erwiderte M’Turk. »Der Sergeant nimmt nur die besten von uns.«
»Rührt euch! Abtreten!« schrie Foxy, eine Explosion in den Gliedern fürchtend. »Ich – ich hätte Ihnen sagen müssen, Sir – daß – – –«
»Sie sollen aber ein Kadettenkorps haben.« Der General verfolgte seinen eigenen Gedankengang. »Sie sollen ein Kadettenkorps haben, wenn meine Empfehlung im Aufsichtsrat dazu helfen kann. Noch niemals, soviel ich mich entsinne, bin ich so zufrieden gewesen. Diese Knaben, die Sie so anfeuern, sollten der ganzen Schule ein Beispiel sein.«
»Sie sind’s auch«, sagte M’Turk.
»Donnerwetter! Ist es schon so spät? Ich habe meinen Einspänner ja schon eine halbe Stunde warten lassen. Ja, ich muß jetzt fort. Es ist doch immer am besten, sich alles selbst anzusehen. Wo kommt man aus dem Institut heraus? Willst du mir den Weg zeigen, Willy? Wer war der Knabe, der das Kommando führte?«
»Corkran, glaube ich, heißt er.«
»Du solltest ihn doch kennen. Mit der Art Jungen müßtest du verkehren. Wirklich kein gewöhnlicher Schlag. Ein prächtiger Anblick! Fünfundzwanzig Knaben, die doch eigentlich viel lieber Kricket spielen würden« – es war mitten im Winter, aber alten Herrschaften, und besonders Leuten, die lange in den Tropen gelebt haben, passieren solche kleinen Irrtümer, und M’Turk klärte ihn nicht weiter auf – »exerzieren aus reiner Liebe zur Sache. Ein Skandal, daß so viel gutes Material brach liegt, aber ich glaube, ich werde schon was tun können.«
»Und wer ist dein Freund mit dem weißen Backenbart?« fragte Latte, als M’Turk in das Studierzimmer zurückkam.
»General Collinson. Er kommt manchmal zur Jagd zu meinem Vater herüber. Ganz anständiger Kerl. Er sagt, ich sollte recht viel mit dir verkehren, Latte.«
»Hat er was ‚rausgerückt?«
M’Turk wies einen gesegneten ganzen Souvereign vor.
»Ah!« rief Latte und annektierte das Geldstück, denn er war Schatzmeister. »Wir wollen mächtig Fressalien einkaufen. Du bist ganz nett unverschämt gewesen, Turkey, von unserer Pünktlichkeit, und daß wir so dahinter sind, zu quatschen.«
»Wußte der alte Junge nicht, daß wir wegen Zuspätkommens bestraft waren?« fragte Käfer.
»Keine Idee. Er war zum Frühstück zum Direktor gekommen. Ich fand ihn, wie er nachher auf eigene Faust überall ‚rumschnüffelte, und dachte, ich könnte ihm das famose Exerzieren zeigen. Als ich sah, daß er so zufrieden war, wollt‘ ich seinen Eifer nicht dämpfen. Hätt‘ ich was gesagt, hätt‘ er vielleicht gar nicht mit dem Moos herausgerückt.«
»War unser alter Foxy nicht auch zufrieden? Saht ihr, wie er hinter den Ohren rot wurde?« sagte Käfer. »Es war ’ne schlimme Sache für ihn. Haben wir ihm nicht wundervoll beigestanden? Wir wollen jetzt nach Keytes Laden ‚runtergehn und Kakao und Würstchen kaufen.«
Sie überholten Foxy, der eilte, das Abenteuer Keyte zu erzählen; der war seinerzeit Wachtmeister in einem Kavallerieregiment gewesen und nun, ein kriegsmüder Veteran, Postmeister und Krämer im Ort.
»Sie haben uns was zu verdanken«, sagte Latte bedeutungsvoll.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Master Corkran. Ich hab‘ manchmal amtlich recht schlimm mit Ihnen umgehn müssen, hier und da, aber das muß ich sagen, daß ich mir außeramtlich – wenn’s nicht mit Rauchen oder über die Grenzen laufen oder so was ist – keinen zuverlässigeren jungen Herrn wünschen kann, mir aus ’ner Klemme zu helfen. Wie Sie das Kommando führten, das war wunderbar, und das ist nich‘ zu viel gesagt. Wenn Sie von jetzt ab regelmäßig kommen würden – – –«
»Dann müßte er ja aber dreimal in der Woche zu spät kommen«, sagte Käfer. »Sie können doch nicht erwarten, Foxy, daß Ihnen jemand das zu Gefallen tun wird.«
»Ja, das stimmt, wenn Sie es aber doch einrichten könnten, und Sie auch, Master Käfer – es wär‘ doch sehr gut für Sie, wenn das Kadettenkorps gebildet würde. Ich denke, der General wird es empfehlen.«
Sie kramten in Keytes Laden ganz nach Belieben umher, denn der alte Mann, der sie gut kannte, war tief im Gespräch mit Foxy.
»Ich glaube, wir haben für sieben Schilling und sechs Pence genommen«, rief Latte schließlich über den Ladentisch hinüber; »zählen Sie aber lieber noch mal nach.«
»Nein, Ihr Wort gilt mir jeden Tag, Master Corkran. – Bei den Pompadours stand er, Sergeant? – Wir lagen einmal mit ihnen zusammen – bei Umballa, glaub‘ ich.«
»Ich weiß nicht, was diese Fleischbüchse hier kostet: achtzehn Pence oder einen Schilling und vier Pence?« »Einen Schilling und vier Pence, Master Corkran. Natürlich, Sergeant, wenn’s ’nen Zweck hätte, meine Zeit drauf zu verwenden, würd‘ ich’s mit Vergnügen tun; aber ich bin zu alt. Aber ich möcht‘ gern noch mal einen Drill seh’n.«
»Ach, komm doch, Latte«, rief M’Turk. »Er hört ja nicht auf dich. Leg‘ das Geld doch hin.«
»Ich muß es doch gewechselt haben, du Esel. Keyte! Gemeiner Keyte! Korporal Keyte! Wachtmeister Keyte – wollen Sie mir ’nen Souvereign wechseln?«
»Ja, selbstverständlich. Sieben Schilling und sechs Pence.« Er sah abwesend vor sich hin, reichte das Silber hinüber und verschwand in dem dunklen, Raum hinter dem Laden.
»Jetzt quatschen die beiden wieder bis zum Tee über den Aufstand«, meinte Käfer.
»Der olle Keyte war bei Sobraon mit«, sagte Latte. »Ich hab‘ ihn manchmal davon sprechen hören. Er übertrifft Foxy ganz gewaltig.«
*
Des Direktors Antlitz, unergründlich wie immer, war über einen Stoß Briefe gebeugt.
»Was meinen Sie dazu?« fragte er schließlich Ehrwürden Gillett.
»Es ist ein guter Gedanke, das läßt sich nicht abstreiten – ein guter Gedanke –« »Zugegeben. Aber?«
»Ich habe nur meine Bedenken – das ist’s. So gut, wie ich die Jungen kenne – in ihre Launen kann ich mich nicht hineindenken. Aber ich gestehe, es würde mich sehr überraschen, wenn die Sache einschlägt. Es ist nichts für unser Institut. Wir bereiten für die Armee vor.«
»Meine Sache in dieser Angelegenheit ist es, die Wünsche des Aufsichtsrates auszuführen. Sie verlangen ein Kadettenkorps von Freiwilligen – es soll gebildet werden. Ich habe aber vorgeschlagen, daß wir keine Kosten für Uniformen aufwenden müssen, bis der Drill beendet ist. General Collinson wird uns fünfzig tödliche Waffen schicken – kürzer gemachte Snidergewehre nennt er sie – alle sorgsam zugespundet.«
»Na, in einem Institut, wo geladene Salonpistolen in einer Menge in Gebrauch sind, wie bei uns, ist das auch notwendig.« Ehrwürden John lächelte.
»So sind also außer des Sergeanten Zeit keine Aufwendungen nötig.«
»Wenn er keine Erfolge hat, wird man’s Ihnen zur Last legen.«
»Natürlich. Ich werde heute nachmittag im Korridor eine Bekanntmachung anschlagen lassen, und – – –«
»Ich werde das Resultat beobachten.«
»Wollen Sie gefälligst die Hände von dem neuen Gewehrgestell lassen!«
Foxy mühte sich mit einer lärmenden Rotte in der Turnhalle ab. »Selbst einem verdammten Snidergewehr tut’s nicht gut, wenn man immerzu das Schloß schnappen läßt, Master Swayne. – Ja, die Uniformen kommen später, wenn wir erst weiter vorgeschritten sind; jetzt wollen wir uns bloß auf den Drill beschränken. Ich will jetzt die Namen von denen aufschreiben, die sich beteiligen wollen. – Stellen Sie das Gewehr hin, Master Hogan!«
»Was wirst du tun, Käfer?« fragte eine Stimme.
»Ich habe schon so viel Drill gehabt, wie ich brauche, danke schön.«
»Was! Nachdem du schon so viel gelernt hast? Mach‘ mit. Sei kein Spielverderber; in einer Woche bist du zum Korporal befördert«, schrie Latte.
»Ich trete nicht in die Armee ein.« Käfer zeigte auf seine Brille.
»Warten Sie ’nen Augenblick, Foxy«, sagte Hogan. »Wo wollen Sie uns drillen?«
»Hier – in der Turnhalle – bis Sie so weit gebracht sind, daß Sie draußen auf die Straße kommen können!« Der Sergeant warf sich in die Brust.
»Damit all die Kerle von Northam zusehen können? Paßt uns nicht, Foxybus.«
»Na, darüber wollen wir uns nicht aufhalten. Erst werden wir mal exerzieren, und dann wollen wir weiterseh’n.«
»Hallo!« rief Ansell aus Macreas Hause und drängte sich durch das Volk. »Warum wird hier so viel Spektakel um ’n lumpiges Kadettenkorps gemacht?«
»In Sandhurst wird’s Ihnen ’ne Menge Zeit ersparen«, erwiderte der Sergeant. »Sie werden viel früher aus dem Drill entlassen werden, wenn Sie mit ’ner guten Grundlage ankommen.«
»Hm! Ich mache mir auch nichts daraus, zu üben, aber ich will mich nicht vor allen Leuten mit ’nem Kindergewehr zum Affen machen. Perowne, was willst du tun? Hogan macht mit.«
»Weiß nicht, ob ich die Zeit dazu habe«, meinte Perowne. »Hab‘ jetzt furchtbar viel Extrastunden.«
»Na, dann nenn‘ das auch Extrastunde«, schlug Ansell vor. »’s wird auch nicht lange dauern, bis wir den Drill weghaben.«
»Das stimmt schon. Aber vor allen Leuten marschieren – wie ist das damit?« schlug Hogan vor und ahnte nicht, daß er drei Jahre später vor Fort Minhla in der Sonne Birmas fallen würde.
»Fürchtest wohl, die Uniform wird nicht zu deinem zarten Teint passen?« fragte M’Turk mit boshaftem Grinsen.
»Halt’s Maul, Turkey. Du trittst nicht in die Armee ein.«
»Nein, aber ich will auch ’nen Stellvertreter schicken. He! Morrel und Wake! Ihr zwei Füchse da am Gewehrgestell, Ihr sollt Freiwillige sein.«
Tief errötend – sie waren zu schüchtern gewesen, um sich vorher zu melden – kamen die Kleinen auf den Sergeanten zu.
»Aber ich will die kleinen Jungen nicht haben – wenigstens nicht zuerst«, sagte der Sergeant enttäuscht. »Ich möchte lieber ein paar von der alten Brigade – die Zuspätgekommenen – und die ein bißchen vornehmen.«
»Seien Sie nicht undankbar, Sergeant. Sie sind beinah‘ so groß wie die, die man jetzt in der Armee findet.« M’Turk las die Zeitungen und konnte als wohl informiert gelten. Aber er konnte nicht wissen, daß Wake noch vor seinem dreißigsten Jahre Bimbaschi in der ägyptischen Armee sein würde.
Hogan, Swayne, Latte, Perowne und Ansell standen in tiefster Beratung bei dem Sprungpferd, und Latte führte wie gewöhnlich das große Wort. Der Sergeant beobachtete sie voll Unbehagen, denn er wußte, daß viele ihr Vorgehen abwarteten.
»Foxy ist nicht mit meinen Rekruten zufrieden«, sagte M’Turk schmerzvollen Tons zu Käfer. »Besorg‘ du ihm ein paar.«
Durchaus nicht abgeneigt, schleppte Käfer zwei weitere Füchse heran – beide nicht über Karabinergröße.
»Hier, Foxy! Hier ist Kanonenfutter. Streitet für Haus und Herd, ihr jungen Biester – und seid ein bißchen fix damit.«
»Er ist noch immer nicht glücklich«, meinte M’Turk.
»Denn der Brauch in unserm Heere
Ist auch Brauch in unserer Flotte.«
Hier fiel Käfer ein. Sie hatten das Gedicht in einem alten Bande des Punch gefunden, und es schien zu der Situation zu passen:
»Und beides war am Unglück schuld,
Was niemand bestreiten kann.«
»Seien Sie ruhig, junge Herren! Wenn Sie nicht helfen können, dann hindern Sie wenigstens nicht.« Foxys Auge weilte noch immer auf der Ratsversammlung am Sprungpferd. Carter, White und Tyrrell, die drei Jungen von Einfluß, hatten sich schon zum Eintritt bereit erklärt. Die übrigen spielten unentschlossen mit den Gewehren.
»Noch ’nen Augenblick«, rief Latte. »Können wir die Bande da ‚rauswerfen, ehe wir anfangen?«
»Natürlich«, erklärte Foxy. »Jeder, der beitreten will, kann hierbleiben. Die, die nicht die Absicht haben, gehen hinaus und machen leise die Tür hinter sich zu.«
Ein halbes Dutzend von denen, die sich entschlossen hatten, stürzte sich auf die andern, daß diese kaum Zeit hatten, in den Korridor zu entweichen.
»Na, warum machst du nicht mit?« fragte Käfer und brachte seinen Kragen in Ordnung.
»Warum du nicht?«
»Was hat’s für einen Zweck. Wir treten ja nicht in die Armee ein. Und dann – ich kenne die Uebungen, nur die Griffe natürlich nicht. Möcht‘ gern wissen, was sie drinnen machen.«
»Sie verabreden was mit Foxy. Hast du nicht gehört, wie Latte sagte: »So wollen wir’s machen, und wenn er keine Lust hat, kann er’s bleiben lassen.« Foxy soll ihnen alles einpauken. Verstehst du nicht, du Idiot? In knapp einem Jahr gehen sie nach Sandhurst oder treten ins Geschäft ein. Sie werden ihren Drill lernen, und dann werden sie die Sache sofort liegen lassen. Denkst du, Jungen, die soviel Extrastunden haben, werden zum Spaß Freiwillige werden?«
»Na, ich weiß nichts davon. Ich dacht‘, ich könnte ein Gedicht darüber machen – sie ein bißchen vornehmen, verstehst du? – »Die Ballade von den Köterjägern« – nicht?«
»Ich glaub‘ nicht, daß das geht, denn King wird ganz gewaltig schwer über das Korps herfallen. Er ist nicht um Rat gefragt worden. Er schnüffelt jetzt um die Anschlagtafel ‚rum. Wir wollen ihn mal ködern.« Sie wanderten sorglos auf den Hausmeister zu – ein höchst bescheidenes Paar.
»Was heißt das?« sagte King und heuchelte Erstaunen. »Ich dachte, ihr wäret dabei, für euer Vaterland kämpfen zu lernen.«
»Ich glaube, Sir, die Truppe ist schon vollzählig«, sagte M’Turk.
»Es ist sehr schade«, seufzte Käfer.
»Vierzig tapfere Verteidiger haben wir denn also? Wie edel! Welche Aufopferung. Meiner Meinung nach mag es aber möglich sein, daß nur der Wunsch, ihren normalen Pflichten zu entrinnen, die Triebfeder dieses Eifers ist. Zweifellos werden ihnen besondere Privilegien zugebilligt werden, wie dem Gesangchor und dem Naturwissenschaftlichen Verein – man muß nicht »Wanzenjäger« sagen.«
»Oh, das glaube ich, Sir«, sagte M’Turk eifrig. »Der Direktor hat zwar noch nichts davon gesagt, aber er wird’s natürlich tun.«
»Oh, ganz sicher.«
»Es ist auch möglich, mein Käfer«, wandte King sich an den letzten Sprecher, »daß die Hausmeister – ein notwendiger, aber manchmal etwas außer acht gelassener Faktor in unserer bescheidenen Existenz – ein Wort in der Sache mitzureden haben. Das Leben bedeutet – wenigstens für die Jugend – nicht nur Kaffee und Kriegsmunition. Erziehung und Unterricht gehören nebenbei auch zu unsern Zielen.«
»Er ist doch immer dasselbe Schwein«, brummte M’Turk, als sie außer Hörweite waren. »Man weiß immer, wo man ihn anpacken kann. Hast du gemerkt, wie er sich gleich darüber hergemacht hat über den Direktor und besondere Privilegien?«
»Hol‘ ihn der Teufel! Er hätte auch so anständig sein und das Unternehmen unterstützen können. Ich hätte solche nette Ballade dichten können, die es ‚runtermachte, und nun muß ich riesig enthusiastisch sein. Aber das schadet nichts, wir können Latte trotzdem in unserm Zimmer vornehmen, nicht wahr?«
»Natürlich, aber sonst müssen wir ganz gewaltig für das Kadettenkorps sein. Kannst du nicht ’n famoses Epigramm machen, à la Catullus, über King, daß er dagegen ist?« – Käfer war mitten in dieser lobenswerten Beschäftigung, als Latte zurückkehrte, ganz erhitzt von seinem ersten Drill.
»Hallo, mein Mann mit dem Ladestock!« fing M’Turk an. »Wo ist dein toter Hund? – Soll das Verteidigung oder Herausforderung sein?«
»Herausforderung«, rief Latte und stürzte auch schon auf ihn zu. »Paß‘ auf, Turkey, du darfst nicht auf das Korps schimpfen. Wir haben es prächtig zustande gebracht. Foxy hat geschworen, er bringt uns nicht eher ins Freie, bis wir ihm selbst sagen, wir möchten heraus.«
»Unangenehm berührende Zurschaustellung unreifer Kinder, Idiosynkrasie erweckendes Nachäffen – Puh!«
»Nimmst du King vor, Käfer?« fragte Latte während einer Gefechtspause.
»Nicht so sehr, aber das ist sein genialer Stil.«
»Na, nun hört mal auf euren Onkel Latte – denn der ist ein großer Mann. Sintemal und alldieweilen Foxy uns jetzt abwechselnd das Korps drillen läßt – privatim et seriatim – werden wir es bald weghaben, wie man eine halbe Kompagnie kommandieren muß. Ergo und propter hoc, wenn wir erst abgegangen und eingetreten sind, werden wir desto früher mit dem Drill fertig sein, und so, meine geliebten Hörer, verbinden wir jetzt Ausbildung mit nützlichem Vergnügen.«
»Ich wußte ja, du würdest es als ’ne Art Extralektion anseh’n, du kaltblütiges Biest«, sagte M’Turk. »Hast du nicht Lust, für dein teures Vaterland zu sterben?«
»Solang‘ ich es vermeiden kann, nicht. Deshalb müßt ihr nicht über das Korps schimpfen.«
»Das haben wir schon abgemacht vor Jahren«, entgegnete Käfer voll Hohn. »King wird das Schimpfen schon besorgen.«
»Dann mußt du über King schimpfen, mein teurer Poet. Mach‘ ein hübsches leichtes Liedchen und laß‘ die Füchse es dann singen.«
»Und du bleibst bei den Freiwilligen. Stoß‘ nicht an den Tisch –«
»Er wird aber gar keine Anhaltspunkte haben«, sagte Latte mit dunkler Andeutung.
Sie kamen nicht eher dahinter, was er gemeint hatte, als bis sie sich ein paar Tage später entschlossen, das Korps beim Exerzieren zu beobachten. Sie fanden die Tür der Turnhalle verschlossen und einen Fuchs als Wachtposten davor.
»Das ist ’ne nette Unverschämtheit«, meinte M’Turk und bückte sich.
»Du darfst nicht durch das Schlüsselloch seh’n«, erklärte die Schildwache.
»Das kann mir gefallen! Wake, du kleines Biest, ich bin’s gewesen, der dich ins Korps gebracht hat.«
»Kann nichts dagegen tun. Mein Befehl lautet, niemandem zu erlauben zu seh’n.«
»Und gesetzt den Fall, wir tun’s?« fragte M’Turk. »Gesetzt den Fall, wir haben Lust, dich totzuschlagen?«
»Mein Befehl lautet, den Namen von jedem, der mich auf meinem Posten nicht in Ruhe läßt, dem Korps anzugeben, und das wird ihn dann schon vornehmen – nach dem Kriegsgericht.«
»Was Latte doch für ein Biest ist«, meinte Käfer. Sie waren keinen Augenblick im Zweifel darüber, wer das System erdacht hatte.
»Kommst dir wohl wie ein gewaltiger Centurione vor, nicht wahr?« fragte Käfer und horchte auf das Krachen und Stampfen der zu Boden gesetzten Gewehre da drinnen.
»Mein Befehl lautet, nicht zu sprechen, außer meine Befehle zu erklären – sonst bekomme ich Prügel, wenn ich’s tue.«
M’Turk sah Käfer an. Die beiden schüttelten die Köpfe und machten sich von dannen.
»Ich schwöre, Latte ist ein großer Mann«, sagte Käfer nach einer langen Pause. »Ein Trost ist nur, daß diese Geheimnistuerei King schön wild machen wird.«
Die Sache versetzte noch mehr Leute als King in Aufregung, aber die Mitglieder des Korps waren stummer als Austern. Foxy, den kein Gelübde band, trug seine Schmerzen zu Keyte hin.
»Solchen Unsinn hab‘ ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Sie schließen die Halle zu und stellen innen und außen ganz richtig ’nen Posten hin, und dann gehn sie an die Arbeit, ganz scharf dahinter, schärfer wie Mostrich.«
»Aber wozu soll das alles sein?« fragte der Ex-Wachtmeister.
»Um den Drill zu lernen. So was haben Sie noch nie geseh’n. Wenn ich sie entlassen habe, fangen sie erst recht an und üben Griffe; aber ins Freie wollen sie nicht kommen, nicht für alles in der Welt. ’s ist ’ne ganz verrückte Geschichte. Wenn Sie ’n Kadettenkorps sind, hab‘ ich gesagt, dann seien Sie auch ein Kadettenkorps, anstatt sich hinter geschlossenen Türen zu verstecken.«
»Und was sagen die maßgebenden Leute dazu?« »Das ärgert mich auch«, sagte der Sergeant voll Verdruß. »Ich geh‘ zum Direktor, und er steht mir nicht bei. Manchmal denk‘ ich, er macht sich über mich lustig. Ich hab‘ als Sergeant nie Freiwillige zu drillen gehabt – Gott sei Dank – aber mir haben die andern immer leid getan. Ich bin froh darüber.«
»Ich möchte sie gern mal seh’n«, meinte Keyte. »Aus dem, was Sie da sagen, Sergeant, kann ich nicht seh’n, worauf sie aus sind.«
»Fragen Sie mich nich‘, Wachtmeister! Fragen Sie den sommersprossigen jungen Corkran. Er ist der Generalissimus.«
Einem Kämpfer von Sobraon gegenüber kann man so leicht nicht nein sagen, noch dem einzigen Pastetenbäcker innerhalb der Institutsgrenzen etwas abschlagen. So kam also Keyte auf eine Einladung hin, auf einen Stock gestützt, altersschwach und zittrig, setzte sich in eine Ecke und sah zu.
»Sie machen sich gut. Sie machen sich ungewöhnlich gut«, brummte er während der Uebungen.
»Oh, das ist noch lange nicht das, was nachher kommt. Warten Sie nur, bis ich sie entlasse.«
Nach dem Kommando »Wegtreten« lösten die Glieder sich noch nicht auf. Perowne trat vor, stellte sich der Truppe gegenüber in Positur und kommandierte zehn Minuten lang, während er sein Gedächtnis durch kurze Blicke in ein rot gebundenes Buch mit Metallschloß auffrischte. (Das ist derselbe Perowne, der von seinen eigenen Leuten in Aequatorial-Afrika erschossen wurde.)
Ansell folgte ihm, und auf Ansell folgte Hogan. Allen drei wurde blindlings Gehorsam geleistet.
Dann stellte Latte sein Snidergewehr beiseite, holte tief Atem und beglückte die Kompagnie mit einem Schwall von Injurien.
»Halt, Master Corkran! Das gehört zu keinem Drill«, schrie Foxy.
»Schon gut, Sergeant. Sie wissen nie, was Sie zu ihren Leuten zu sagen haben. – Um Himmels willen, versucht doch einmal gerade zu stehen, ohne euch aneinander zu lehnen, ihr triefäugigen, heringsdünnen Straßenlümmel. Es macht mir kein Vergnügen, euch hier zu striegeln. Das hätte besorgt sein müssen, ehe ihr hierher kamt, ihr – ihr Besendiebe.«
»Die alte Geschichte – die alte Geschichte. Wir kennen das«, sagte Keyte und rieb sich die tränenden Augen. »Wo hat er das aber her?«
»Von seinem Vater – oder seinem Onkel. Was weiß ich! Die Hälfte von ihnen muß in Hörweite von Kasernen geboren worden sein. (Foxy hatte nicht so unrecht mit seiner Vermutung.) Seit dieser Freiwilligen-Unsinn angefangen hat, hab‘ ich mehr Geschimpfe gehört als in einem ganzen Jahr im Dienst.«
»Im hintersten Gliede ein Mann sieht aus, als ob er seinen Bauch beim Pfandleiher gelassen hätte. Ja du, Rekrut Ansell –« und Latte geißelte das Opfer drei Minuten lang en gros und en détail.
»Hallo!« Er nahm wieder seinen gewöhnlichen Ton an. »Achtung! Du bist rot geworden, Ansell, Du wackelst!«
»Kann nicht dafür, daß ich rot geworden bin«, war die Antwort. »Glaub‘ auch nicht, daß ich gewackelt habe.«
»Na, jetzt bist du an der Reihe.« Latte nahm seinen Platz im Glied wieder ein.
»O Gott, o Gott! ’s ist die reine Komödie«, kicherte der aufmerksame Keyte.
Ansell war auch mit Verwandten in der Armee gesegnet, und bedächtig, schleppend und schläfrig – sein Stil war reflektierender als der Lattes – leuchtete er in unergründliche Tiefen hinein.
»Achtung!« schrie er triumphierend. »Du kannst es auch nicht aushalten.« Latte war beträchtlich rot geworden und sein Gewehr zitterte sichtlich.
»Hab’s nicht geglaubt«, sagte er und suchte sich gewaltsam zusammenzunehmen. »Aber nach ’ner Weile kam ich ganz und gar aus der Fassung. Doll, nicht wahr?«
»Gut für das Temperament«, meinte der phlegmatische Hogan, als sie die Gewehre wieder an das Gestell lehnten.
»Haben Sie schon jemals so was geseh’n?« wandte sich Foxy hoffnungsvoll an Keyte.
»Ich versteh‘ mich nicht auf Freiwillige, aber dies ist die dollste Sache, die ich jemals sah. Ich kann mir aber schon denken, worauf sie hinauswollen. O Gott, wie oft bin ich zu meiner Zeit ‚runtergemacht und angeschnauzt worden. Sie machen sich gut, wirklich sehr gut.«
»Wenn ich sie nur ins Freie bekommen könnte, dann könnte ich alles mit ihnen vornehmen, Wachtmeister. Vielleicht wird’s anders, wenn die Uniformen kommen.«
Es war in der Tat Zeit, daß das Korps der Neugier des Instituts einige Konzessionen machte. Dreimal war der Wachtposten bereits mißhandelt worden, und dreimal schon hatte das Korps Kriegsgericht über den Uebeltäter abhalten müssen. Die ganze Schule war wütend. Was hatte, fragten sie, ein Kadettenkorps, das für niemand sichtbar war, für einen Zweck? Mister King gratulierte ihnen zu ihren unsichtbaren Verteidigern, und sie konnten seine Stiche nicht parieren. Foxy wurde mürrisch und eigensinnig. Selbst aus dem Korps äußerten einige offen ihre Zweifel an der Richtigkeit ihres Verfahrens, und die Uniformfrage tauchte am nahen Horizont auf.
Aber wie es so oft im Leben geschieht, wurde die Angelegenheit plötzlich von außerhalb in Ordnung gebracht.
Der Direktor hatte dem Aufsichtsrat pflichtgemäß mitgeteilt, daß seinem Wunsche entsprochen worden sei und, soviel er wisse, die Knaben beim Ueben wären.
Von den Bedingungen, unter denen sie den Drill ausführten, erwähnte er nichts. General Tollinson war natürlich entzückt und erzählte seinen Freunden von der Sache. Einer von diesen Freunden hatte das Glück, einen Freund zu haben, der Parlamentsmitglied war – ein eifriger, intelligenter und vor allem patriotischer Mann, ängstlich besorgt, möglichst viel Gutes in der möglichst kürzesten Zeit zustande zu bringen. Aber leider kann niemand für die Freunde seiner Freunde die Verantwortung übernehmen. Wenn Tollinsons Freund ihn bei dem General eingeführt hätte, hätte dieser seine Maßregeln ergriffen und viel Unheil verhütet. Aber der Freund sprach nur von seinem Freunde, und da in der ganzen Welt zwei Leute niemals ganz und gar derselben Meinung sind, war das Gemälde, daß er Tollinson entwarf, nicht ganz genau. Außerdem war der Mann aber auch ein M. P., ein unfehlbarer Konservativer, und der General hatte den scheuen Respekt des englischen Soldaten vor jedem Mitglied des höchsten Appellationshofes. Der Mann ging nach Westen, um in einigen gesegneten Wahlkreisen Licht zu verbreiten. Würde es nicht ein guter Gedanke sein, wenn er, mit des Generals Empfehlung bewaffnet und das treffliche, neu errichtete Kadettenkorps zum Text nehmend, ein paar Worte spräche, nur eine kleine Ansprache an die Jungen hielte – eh? Sie wissen schon, was für sie paßt. – Er würde gerade der richtige Mann dazu sein. – »Solch eine Ansprache, die die Jungen versteh’n, wissen Sie?«
»Zu meiner Zeit hielt man ihnen nicht viele Ansprachen«, meinte der General argwöhnisch.
»Ah, die Zeiten ändern sich – die Erziehung schreitet vor, usw. Die Knaben von heute sind die Männer von morgen. Ein solcher Eindruck in der Jugend wird wahrscheinlich von Dauer sein. Und gerade zu dieser Zeit, wissen Sie, wo das Land vor die Hunde geht!«
»Sie haben vollkommen recht.« Auf dem Inselreich hatte gerade Mr. Gladstone sein Regiment für fünf Jahre angetreten, und was er bisher davon gesehen hatte, gefiel dem General nicht. Er würde ganz bestimmt dem Direktor schreiben, denn es stand völlig außer Zweifel, daß die Knaben von heute die Männer von morgen waren. Das wäre, wenn er so sagen dürfte, wirklich ungemein gut gesagt.
In seiner Antwort teilte der Direktor mit, es würde ihn sehr freuen, Mister Raymond Martin, M. P., von dem er schon so viel gehört hätte, zu begrüßen, für eine Nacht aufzunehmen und ihm zu gestatten, zu den Schülern über irgendein Thema zu sprechen, von dem er glaubte, daß es sie interessieren dürfte. Wenn Mister Martin bisher noch keinem solchen besonderen Auditorium britischer Jugend gegenübergestanden hätte, so zweifelte er, der Direktor, nicht daran, daß er interessante Erfahrungen machen würde.
»Und ich glaube nicht, daß ich in diesem letzten Punkt so sehr unrecht habe«, vertraute er Ehrwürden John an. »Wissen sie vielleicht etwas von einem Raymond Martin?«
»Ich war mit jemand dieses Namens auf der Universität«, erwiderte der Kaplan. »Er war ein wenig ungehobelt, soweit ich mich erinnern kann, aber verzweifelt ernst.«
»Er will am nächsten Sonnabend zu den Schülern über Patriotismus sprechen.«
»Wenn es etwas gibt, was unsere Jungen mehr als alles andere verabscheuen, dann ist es, wenn man ihnen ihre Sonnabend-Abende nicht läßt. Neben der Kocherei und dem Schmausen hat der Patriotismus keine Aussichten.«
»Und ebensowenig die Kunst. Besinnen Sie sich noch auf unseren Shakespeareabend?« Der Direktor zwinkerte mit den Augen. »Oder auf den humoristischen Herrn mit der Laterna magica?«
*
»Und was, zum Teufel, ist dieser Raymond M.P.?« fragte Käfer, als er im Korridor die Ankündigung der Vortrages las. »Weshalb kommt die Bande immer am Sonnabend angezogen?«
»Ah! Romeo, Romeo, warum denn Romeo?« sprach M’Turk über seine Schulter hinweg, indem er die Künstlerin zitierte, die im vorigen Halbjahr Shakespeare rezitiert hatte. »Na, so schlecht wie du wird er hoffentlich nicht sein. Latte, bist du auch ordentlich patriotisch? Denn wenn du’s nicht bist, wird dieser Kunde dir’s schon beibringen.«
»Hoffentlich wird er nicht den ganzen Abend brauchen. Ich denke, wir müssen schon hingehn und zuhören.«
»Ich möcht‘ nicht um alles in der Welt darauf verzichten,« sagte M’Turk, »’ne Menge Jungen meinten, das Romeo-Romeo-Weib wäre schrecklich langweilig. Mir gefiel sie! Weißt du noch, als sie mitten drin den Schlucken bekam? Vielleicht wird er auch den Schlucken kriegen. Wer zuerst in der Turnhalle ist, belegt Plätze für die beiden andern.«
*
Es lag keine Befangenheit, sondern frische und fröhliche Leutseligkeit auf Mister Raymond Martin, M.P., als er vor des Direktors Haus vorgefahren kam, beobachtet von vielen Augen.
»Sieht ’n bißchen wie ’n gewöhnlicher Kerl aus«, lautete M’Turks Kommentar. »Sollt‘ mich nicht wundern, wenn er ein Radikaler ist. Er stritt sich mit dem Kutscher um’s Fahrgeld. Ich hab’s gehört.«
»Das war sein famoser Patriotismus«, erklärte Käfer.
Nach dem Tee machten sie das Wettrennen um Sitze, sicherten sich ihre besondere und unsichtbare Ecke und begannen zu kritisieren. Alle Gasflammen brannten. Auf dem kleinen Podium ganz am Ende des Raumes stand des Direktors Amtstisch, von dem aus Mister Martin sprechen wollte, und eine Reihe von Stühlen für die Lehrer.
Foxy trat jetzt herein, in offizieller Haltung, und lehnte etwas gegen den Tisch, das wie ein um einen Stab gewickeltes Stück Tuch aussah. Da noch keine Autoritätsperson zugegen war, applaudierten die Schüler und schrien: »Was ist das, Foxy? Weshalb stehlen sie dem Herrn seinen Regenschirm? – Hier gibt es nicht die Rute. Wir schlagen mit dem Stock! Nehmen Sie das Ding weg! – Von rechts abzählen!« und so weiter, bis der Eintritt des Direktors und der Lehrer allen Demonstrationen ein Ende machte.
»Ein Trost ist’s wenigstens, daß das Konferenzzimmer die Sache ebensowenig leiden kann wie wir. Seht bloß, wie King sich windet, um sich zu drücken.«
»Wo bleibt denn Raymundus Martin? Pünktlichkeit, meine geliebten Hörer, ist die – – –«
»Sei ruhig. Hier ist der edle Herzog. Donner, was für ’ne Wamme!« – Mister Martin, der jetzt im Abenddreß auftrat, hatte unleugbar eine solche Kehle – er war ein großer Mann von, gelinde gesagt, weiß und roter Gesichtsfarbe. Noch hatte Käfer keine Veranlassung gehabt, ausfallend zu werden.
»Seht bloß seinen Rücken an, während er mit dem Direktor spricht. Verdammt unhöflich, dem Publikum den Rücken zuzudrehen! Er ist ein Philister, ein Spießer, ein Jebusiter und Hethiter.« M’Turk lehnte sich zurück und schnaubte verachtungsvoll.
Mit ein paar farblosen Worten führte der Direktor den Redner ein und ließ sich dann unter Applaus nieder. Da Mister Martin das Beifallsklatschen auf sich bezog, verstärkte es sich natürlich nur noch mehr. Es dauerte einige Zeit, ehe er beginnen konnte. Er war nicht über das Institut, seine Traditionen und vererbten Anschauungen unterrichtet. Er wußte nicht, daß der letzte Zensus ergeben hatte, daß achtzig Prozent von den Jungen außer Landes geboren waren – im Feldlager, im Kantonnement oder auf hoher See; – noch, daß fünfundsiebzig Prozent Söhne von Offizieren in diesem oder jenem Truppenteil waren – Verwandte von Willoughbys, Paulets, de Castros, Maynes, Randalls – und alle daran dachten, ebenfalls den Beruf ihres Vaters zu ergreifen. Der Direktor hätte ihm dies und noch viel mehr sagen können, aber nach einem eine halbe Stunde langen Diner in seiner Gesellschaft hatte er sich dafür entschieden, überhaupt nichts zu sagen. Mister Raymond Martin schien so sehr viel zu wissen.
Er stürzte sich in seine Rede mit einem langgezogenen, beleidigenden »Na, Jungen«, das, obgleich sie sich dessen nicht bewußt waren, jeden jungen Nero in Erregung brachte. Er nähme an, sie wüßten – he? – weshalb er hergekommen wäre? Es passierte nicht oft, daß er Gelegenheit hätte, zu Knaben zu sprechen. Er glaubte, daß Jungen ganz dieselbe Sorte von Menschenkindern wären – ziemlich verdrehte Menschenkinder, meinten manche Leute – wie sie sie zu seiner Jugendzeit gewesen wären.
»Der Mann«, sagte M’Turk voll Ueberzeugung, »ist das Schwein von Gedara.«
Aber sie müßten daran denken, daß sie nicht immer Knaben bleiben würden. Sie würden zu Männern heranwachsen, denn die Knaben von heute wären die Männer von morgen, und von den Männern von morgen hinge der Glanz und Ruhm ihres glorreichen Vaterlandes ab.
»Wenn das so weiter geht, meine geliebten Hörer, wird es meine schmerzliche Pflicht sein, diesem Kerl da eins auszuwischen.« Latte holte tief Atem durch die Nase.
»Das geht nicht«, meinte M’Turk. »Er nimmt ja für seinen Romeo nichts bezahlt.«
Und deshalb sollten sie an die Pflichten und die Verantwortung des Lebens denken, das vor ihnen lag. Das Leben wäre nicht nur – er zählte ein paar Spiele auf, und damit sein Sturz noch plötzlicher und heftiger würde, fügte er unglücklicherweise noch »Murmeln« hinzu. »Ja, leben,« sagte er, »heißt nicht nur mit Murmeln spielen.«
Ein scharfes Atmen – unter den jüngeren Schülern fast wie ein Schrei – bebenden Abscheues ging durch den kaum. Das war ja ein Heide, ein Ausgestoßener, über alle Grenzen der Duldung hinaus, verdammt durch sich selbst vor allen Leuten! Latte barg den Kopf in den Händen, M’Turk trank mit glänzenden, fröhlichen Augen jedes Wort, und Käfer nickte mit feierlicher Billigung vor sich hin.
Zweifellos erwarteten manche von ihnen, in wenigen Jahren von der Königin durch ein Patent geehrt zu werden und ein Schwert zu tragen. Nun, er hätte auch einige Erfahrung in diesen Pflichten, als Major in einem Freiwilligen-Regiment, und es hätte ihn gefreut, zu erfahren, daß sie in ihrer Mitte ein Freiwilligenkorps gebildet hätten. Eine solche Einrichtung fördere gesunde, tüchtige Gesinnung, und wenn man diese pflege, werde sie einst von großem Nutzen für das Land sein, das sie so liebten, und dem anzugehören sie stolz waren. Manche der Anwesenden erwarteten – er hegte keinen Zweifel daran – manche von ihnen hegten den sehnlichen Wunsch, ihre Leute gegen die Geschosse der Feinde Englands zu führen, das Feld der Ehre in all dem Stolz ihrer jugendlichen Manneskraft zu betreten.
Nun ist die scheue Zurückhaltung eines Knaben zehnmal größer als die eines Mädchens, denn das hat die blinde Mutter Natur nur zu einem Zweck erschaffen, den Mann aber zu mehreren. Mit gewalttätiger Hand riß er diese Schleier herunter und zertrampelte sie unter den Füßen seiner wohlmeinenden Beredsamkeit. Mit heiserer Stimme schrie er eine Menge Gemeinplätze heraus, wie »Hoffnung auf Ehre« und »Ruhmesträume«, über die Knaben nicht einmal mit ihren vertrautesten Freunden sprachen, des frohen Glaubens, daß sie bis zum Augenblick, wo er davon sprach, nie an solche Möglichkeiten gedacht hätten. Er wies sie auf leuchtende Ziele, mit Fingern, die den Glanz von allen Horizonten wegwischten. Er entweihte die geheimsten Plätze ihrer Seelen mit seinem schreien und seinen Gestikulationen. Er bat sie, der Taten ihrer Ahnen zu gedenken, in einer weise, daß sie bis an ihre klingenden Ehren erröteten. Manche von ihnen – die scharfe Stimme schnitt durch eine eisige Stille – hätten wohl Verwandte gehabt, die im Kampf fürs Vaterland gefallen wären. (Nicht wenige van ihnen gedachten eines alten Schwertes, das zu Hause in einem Korridor oder über dem Tisch im Speisezimmer hing, und das sie betrachtet und verstohlen berührt hatten, seit sie gehen konnten.) Er beschwor sie, solchen herrlichen Beispielen nachzueifern, und voll größten Unbehagens sahen sie in alle Ecken.
Sie hatten noch nicht die Jahre, um sich ihre Gedanken klarmachen zu können. Sie fühlten nur voll Grimm, daß sie von einem dicken Mann beleidigt wurden, der Murmeln für ein Spiel ansah.
So arbeitete er weiter bis zum Schluß seiner Rede, die er übrigens später mit überwältigendem Erfolge bei einer Versammlung von Wählern wiederholte, indes sie hier, rot und voll Unbehagen, in saurem Widerwillen dasaßen. Nach vielen, vielen Worten griff er endlich nach dem tuchumwickelten Stock und legte die eine Hand auf die Brust. Dies, dies wäre das konkrete Symbol ihres Landes, dem Ehre und Achtung zu erweisen war. Möchte kein Knabe diese Flagge anschauen, der nicht die Absicht habe, würdig zu ihrem unvergänglichen Glanze beizutragen. Er schwenkte sie vor ihnen, einen großen Kaliko Union-Jack, der in allen drei Farben glänzte, und merkte auf das Beifallsdonnern, das seine Anstrengungen krönen sollte.
Sie schauten schweigend darauf hin. Sie hatten das Ding ja schon früher geseh’n – unten bei der Außenwachtstation, oder durch ein Fernrohr halbmast auf einer Brigg, die bei den Untiefen von Braunton gestrandet war; auf dem Dach des Golfklubhauses und in Keytes Schaufenster, wo eine bestimmte Sorte vielfarbigen Konfekts es auf dem Papier jeder Schachtel trug. Aber das Institut entfaltete es niemals; es war noch nie in ihr Leben getreten, der Direktor hatte nie davon gesprochen, ihre Väter hatten ihnen keine Erklärung davon gegeben. Es war ein ihnen verschlossenes, geheiligtes, entferntes Ding, was, im Namen aller Ungeschliffenheiten, wollte er denn, der da das Schreckensding vor ihren Augen schwenkte? Ein Gedanke! Vielleicht war er betrunken.
Der Direktor rettete die Situation, indem er schnell aufsprang und ein Dankvotum vorschlug. Auf seine erste Bewegung hin applaudierten sämtliche Schüler ganz wild, mit erleichtertem Aufatmen.
»Und ich bin sicher,« schloß er, und das Gaslicht fiel voll auf sein Gesicht, »daß ihr alle euch meinem herzlichsten Dank an Mister Raymond anschließen werdet für die erhebende Ansprache, die er uns gehalten hat.«
Bis zum heutigen Tage ist es noch nicht aufgeklärt worden, wie die Sache eigentlich war. Der Direktor behauptete, daß er nichts dergleichen getan habe, oder daß, wenn es doch der Fall gewesen sei, ihm etwas ins Auge geflogen sein müsse; aber alle damals Anwesenden sind überzeugt, daß er nach dem Wort »erhebend« ganz offen und feierlich gezwinkert habe. Mister Raymond Martin bekam vollauf seinen Beifall. Und er meinte: »Ohne mir etwas einzubilden, kann ich wohl glauben, daß meine paar Worte ihnen zu Herzen gegangen sind. Ich hätte nie gedacht, daß Knaben so Hurra rufen könnten.«
Er ging, als die Glocke zum Gebet läutete, und die Knaben stellten sich längs der Mauer auf. Die Flagge lag noch entrollt auf dem Tisch, und Foxy betrachtete sie voll Stolz, denn Mister Martins Beredsamkeit war ihm ans Herz gegangen. Der Direktor und das Lehrerkollegium drehten dem Podium den Rücken zu und konnten das beleidigend ins Auge fallende Ding nicht sehen, aber ein Aufseher verließ das Glied, rollte die Fahne schnell zusammen und warf sie ebenso schnell in einen Kasten, in dem Fechthandschuhe und Rappiere lagen.
Als ob er ein Federwerk ausgelöst hätte, brach dann unterdrücktes Beifallsmurmeln aus, das sich zu schnell entfesseltem Beifallssturm steigerte.
In den Schlafzimmern besprachen sie die Rede. Alle Stimmen waren sich ganz und gar einig. Mister Raymond Martin war ohne Zweifel in einem Rinnstein geboren und in einer Klippschule erzogen worden, wo mit Murmeln gespielt wurde. Ferner war er (ich gebe nur eine ganz knappe Auswahl aus dem reichen Vorrat) ein flügelschlagender Kerl, ein gemeiner Stänkerer, ein bierbäuchiger Fahnenschwenker (das war Lattes Beitrag) und verschiedenes andere, was man nicht gut wiedergeben kann.
Das freiwillige Kadettenkorps rückte am nächsten Montag ein, mit niedergeschlagenen und mit verschämten Gesichtern. Selbst jetzt hätte sich durch verständiges Schweigen noch die Klippe umschiffen lassen.
Aber Foxy sagte: »Nach einer so schönen Ansprache, wie Sie sie vorgestern abend gehört haben, sollten Sie die Uebungen mit erneutem Eifer aufnehmen. Ich kann nicht einsehen, was Sie davon abhalten sollte, heraus zu kommen und im Freien zu marschieren.«
»Können wir das nicht lassen, Foxy?« Lattes sanfter zarter Ton hätte ihn eigentlich warnen sollen.
»Nein, nicht, wo er uns so großmütig die Flagge geschenkt hat. Ehe er heute morgen abfuhr, hat er mir noch gesagt, er sähe kein Hindernis, warum das Korps sie nicht in Besitz nehmen und gebrauchen sollte. Es ist eine hübsche Flagge.« Latte brachte in tödlichem Stillschweigen sein Gewehr zum Gestell zurück und trat nicht wieder in das Glied zurück. Hogan und Ansell folgten seinem Beispiel.
Perowne zögerte. »Seht mal, sollen wir nicht –« begann er.
»In einem Augenblick werde ich sie aus dem Kasten herausholen«, sagte der Sergeant und drehte sich um. »Dann können wir – – –«
»Kommt!« schrie Latte. »Worauf zum Teufel wartet ihr noch? Auflösen! Abtreten!«
»Wie – was, zum – wo?«
Das Rasseln der Gewehre, die in das Gestell zurückgeworfen wurden, ertränkte seine Stimme, indes ein Junge nach dem andern das Glied verließ.
»Ich – ich weiß nicht, ob ich das nicht dem Direktor melden soll«, stotterte er.
»Melden Sie’s doch, und hol‘ sie der Teufel«, schrie Latte, weiß bis in die Lippen, und rannte hinaus.
*
»Dolle Sache«, sagte Käfer zu M’Turk. »Ich war im Arbeitszimmer und machte gerade ein nettes liebliches Gedicht über den bierbäuchigen Flaggenschwenker, da kam Latte rein, und ich rief »Hallo!« Und er fluchte auf mich wie ’n Schiffsknecht, und dann fing er an, ganz gewaltig zu heulen, legte den Kopf auf den Tisch und brüllte. Wollen wir nicht was tun?«
M’Turk war beunruhigt. »Vielleicht fehlt ihm was?«
Sie fanden ihn, mit hellglänzenden Augen, durch die Zähne pfeifend.
»Hab‘ ich dich nicht schön angeführt, Käfer? Ich wollt’s mal versuchen. War’s nicht ’ne gute Komödie? Hast du nicht geglaubt, ich heulte? Hab‘ ich’s nicht fein gemacht? Oh, du fetter alter Esel!« Und dann fing er an, Käfers Ohren und Backen zu bearbeiten, in einer Weise, die »Milchen« genannt wurde.
»Ich wußte ja, Du heultest«, antwortete Käfer unerschüttert. »Warum bist du nicht beim Drill?«
»Drill! Was für’n Drill?«
»Stell‘ dich man nicht dumm an! Drill in der Turnhalle.«
»Weil’s den gar nicht mehr gibt. Das Freiwilligen-Kadettenkorps ist aufgelöst, verabschiedet, tot, verfault, verdorben, stinkend. Und wenn du mich noch weiter so ansiehst, Käfer, schlag‘ ich dich tot. – O ja, und ich werd‘ beim Direktor wegen Fluchen angezeigt werden.«