Der Weg zum Schlachtfelde, wo Skirvoillo die Deutschen geschlagen hatte, war für Zbyszko und dessen Gefährten leicht zu finden, weil sie ihn schon kannten. So erreichten sie es denn bald, eilten jedoch, des unerträglichen Geruches wegen, den die Leichen ausströmten, rasch vorüber. Außer einer Unzahl von Wölfen verjagten die Reiter auch Scharen von Krähen, Raben und Dohlen. Dann begannen sie eifrig nach den, auf dem Wege zurückgelassenen Spuren der Flüchtlinge zu suchen. Obgleich kurz zuvor eine ganze Heeresabteilung hier vorbeigezogen war, fand der erfahrene Macko doch ohne Schwierigkeit auf dem zerstampften Boden die Abdrücke von riesenhaften Hufen, die sich nach der entgegengesetzten Richtung hinzogen als die, welche die Heeresabteilung eingeschlagen hatte. So erklärte er denn den jüngeren, in Kriegshändeln weniger erfahrenen Leuten folgendes: »Es ist ein Glück, daß es seit der Schlacht nicht geregnet hat. Seht nur! Arnolds Pferd, das einen Mann von ungewöhnlichem Wuchse trug, muß auch ein gewaltiges gewesen sein, und es ist leicht zu erkennen, daß es beim Galopp während der Flucht sich tiefer mit den Füßen in die Erde eingrub, als wenn es langsam nach jener Seite gelenkt worden wäre, und daß es deshalb auch tiefere Spuren zurückließ. Wer Augen hat, der schaue, wie sich die Hufe in die feuchten Stellen eingedrückt haben. Mit Gottes Hilfe werden wir dieser Hundsbrut auf die Fährte kommen, es sei denn, sie hätte schon irgendwo Schutz hinter sicheren Mauern gefunden.«

»Sanderus sagte,« entgegnete Zbyszko, »daß sich keine Burgen hier in der Nähe befinden, und so verhält es sich auch, da die Kreuzritter neuerdings dies Land in Besitz genommen haben, aber nicht im stande gewesen sind, sich darin anzubauen. Wo sollten die Flüchtlinge sich verbergen? Die Bauern, welche hier wohnten, befinden sich jetzt im Lager bei Skirwoillo, denn sie sind desselben Stammes wie die Samogitier … Die Dörfer wurden, wie Sanderus uns gesagt hat, durch die Deutschen verbrannt, die Weiber und Kinder an entlegene Plätze des Waldes gebracht. Schonen wir unsere Pferde nicht, so werden wir jene Ritter bald eingeholt haben.«

»Wir müssen aber die Pferde schonen, denn selbst wenn wir unser Ziel erreichen, hängt dann doch unsere Rettung von ihnen ab,« erwiderte Macko.

»Ritter Arnold,« warf Sanderus ein, »ward in der Schlacht durch einen Streitkolben zwischen den Schulterblättern getroffen. Anfangs achtete er nicht darauf, er kämpfte weiter, aber schließlich muß die Wunde seine Kräfte doch über die Maßen erschöpft haben, denn so ist’s immer, zuerst spürt man nichts, und zuletzt schmerzt sie doch. Aus diesem Grunde kann er nicht rasch entfliehen, und vielleicht muß er irgendwo Rast machen.«

»Und die Dienstleute? Hast Du nicht gesagt, daß sich keine bei Ritter Arnold und dem alten Komtur befinden?« fragte Macko.

»Bei ihnen befinden sich zwei Reitersmänner, an deren Sätteln die Tragbahre befestigt ist. Noch eine ganze Schar von Kriegsknechten ist dabei gewesen, doch wurde sie von den Samogitiern eingeholt und vernichtet.«

»So hört denn!« sagte Zbyszko. »Unsere Mannen sollen die Reitersmänner, welche die Tragbahre mit sich führen, knebeln, Ihr, Oheim, greift Zygfryd an, und ich gehe auf Arnold los.«

»Nun,« erwiderte Macko, »mit Zygfryd kann ich es wohl aufnehmen, denn durch die Gnade unseres Herrn Jesu habe ich noch Kraft in den Knochen. Aber sei Du selbst nicht allzu zuversichtlich, denn jener Ritter muß ein wahrer Riese sein.«

»Ei, wir werden ja sehen!« antwortete Zbyszko.

»Du bist stark, das leugne ich nicht, aber es giebt noch stärkere als Du. Hast Du all der Unsrigen, hast Du jener Ritter vergessen, die wir in Krakau sahen? Könntest Du gegen Powala aus Taczew aufkommen? Und gegen Herrn Paszko Zlodziej aus Biskupice, oder gar gegen Zawisza Czarny? Wie? Rühme Dich nicht allzu sehr und denke daran, um was es sich handelt.«

»Rotgier war auch kein Schwächling,« brummte Zbyszko.

»Und wird sich für mich keine Aufgabe finden?« fragte der Böhme. Doch er bekam keine Antwort, da Mackos Gedanken von anderen Dingen in Anspruch genommen waren.

»Sofern Gott uns seinen Segen verleiht,« sagte er, »werden wir die masovischen Wälder erreichen. Dort werden wir in Sicherheit sein und alles mit einem Schlag zu Ende bringen.«

Gleich darauf seufzte er jedoch wieder, weil er wohl dachte, daß auch dann noch nicht alles zu Ende sein werde, und auch etwas für die unglückliche Jagienka geschehen müsse.

»Ach!« sagte er, »wie wunderbar sind Gottes Fügungen. Ich sinne oft darüber nach, warum es so gekommen ist, warum Du Dich nicht in herkömmlicher Weise vermählt hast, wie andere Männer, so daß ich in Ruhe und Frieden bei Euch hätte wohnen können … Bei allen Edelleuten unserer Heimat Pflegt es so zu sein … Nur wir allein ziehen unstät von Land zu Land, anstatt in christlicher Weise zu Hause zu wirtschaften.«

»Nun, das ist wahr, aber es ist der Wille Gottes!« antwortete Zbyszko.

Schweigend ritten sie einige Zeit weiter, dann wendete sich der alte Ritter wieder zu seinem Bruderssohn: »Setzest Du Vertrauen in diesen Landstreicher? Was für ein Mensch ist es?«

»Er ist leichtfertig, vielleicht auch ein Taugenichts, aber mir ist er sehr ergeben und Verrat habe ich von ihm nicht zu fürchten.«

»Wenn dem so ist, mag er vorausreiten, denn falls er die Ritter auch einholt, werden sie doch nicht erschrecken. Er kann ihnen sagen, er sei aus der Gefangenschaft entflohen, und sie werden ihm leicht Glauben schenken. So wird es am besten sein. Würden sie zuerst uns von weitem erblicken, so hätten sie dadurch die Möglichkeit, sich entweder irgendwo zu verstecken, oder sich zur Verteidigung zu rüsten.«

»Bei Nacht wird er nicht allein voranreiten, denn er ist sehr furchtsam,« entgegnete Zbyszko, »aber während des Tages wird es in der That so am besten sein. Ich will ihm sagen, er möge dreimal im Tage Rast machen und auf uns warten; wenn wir ihn aber nicht mehr an einem Futterplatze treffen, soll dies ein Zeichen sein, daß er sich schon bei ihnen befindet. Dann können wir seine Spur leicht verfolgen und die Feinde überfallen.«

»Und wird er sie nicht warnen?«

»Nein, er ist mir mehr zugethan als jenen. Ich werde ihm auch sagen, daß wir ihn bei dem Ueberfall gleichfalls binden werden, so daß er vor ihrer Rache geschützt ist … Mag er sich gebärden, als ob er uns ganz und gar nicht kenne …«

»Also denkst Du daran, sie am Leben zu lassen?«

»Und was könnte ich sonst thun?« antwortete Zbyszko in etwas trübseligem Tone. »Erwägt doch nur! … Befänden wir uns in Masovien oder irgendwo in unserer Heimat, dann dürften wir sie zum Kampfe fordern, wie ich Rotgier zum Kampfe gefordert habe, und auf Leben und Tod mit ihnen kämpfen, aber hier, in ihrem eigenen Lande, geht dies nicht an … Hier handelt es sich um Danusia, hier ist Eile vonnöten. Wir müssen rasch und in aller Stille zu Werk gehen; um kein Ungemach über uns heraufzubeschwören, müssen wir, wie Ihr gesagt habt, so schnell die Pferde laufen können, nach den masovischen Wäldern sprengen. Ueberfallen wir sie unvermutet, so treffen wir sie vielleicht ohne Waffen, ja, sogar ohne Schwerter! Und dann sollten wir sie töten? Mir graut vor solcher Schande! Sind wir nicht beide gegürtete Ritter, und jene auch?« …

»Traun, Du hast recht!« antwortete Macko. »Aber vielleicht kommt es gar nicht zum Kampf.«

Zbyszko runzelte die Stirne und auf seinem Gesichte drückte sich die offenbar allen Männern aus Bogdaniec angeborene Energie aus, auch sah er in diesem Augenblick, besonders in der Art wie er vor sich hinschaute, Macko so ähnlich, als ob er dessen leiblicher Sohn gewesen wäre.

»Was gäbe ich darum,« sagte er in dumpfem Tone, »wenn ich Zygfryd, diesen Bluthund, vor Jurands Füße legen könnte – Gott gewähre mir dies!«

»Er gewähre Dir dies!« wiederholte Macko.

Unter solchen Gesprächen hatten sie eine große Strecke zurückgelegt, als die Nacht anbrach, eine schöne, wenn auch nicht mondhelle Nacht. Sie mußten jetzt Rast machen, damit die Pferde ausschnaufen, die Leute sich durch Speise und Schlaf stärken konnten. Bevor sie jedoch der Ruhe pflegten, sagte Zbyszko zu Sanderus, daß er am folgenden Morgen allein vorausreiten müsse, und dieser erklärte sich bereit dazu, indem er mir die Bedingung stellte, daß er zu ihnen zurückkehren dürfe, falls ihm durch wilde Tiere oder durch die einheimischen Leute irgend eine Gefahr drohe. Auch bat er um die Erlaubnis, statt dreimal, viermal Halt machen zu dürfen, denn er ängstige sich sogar auch in gottgesegneten Gegenden, sobald er allein sei, und wie viel mehr noch werde er sich also in der furchtbaren Wildnis ängstigen, worin sie sich gerade befanden.

Das Nachtlager ward aufgeschlagen, und nachdem sie sich durch Speise gestärkt hatten, legten sie sich auf Felle an das kleine Feuer nieder, das sechzig Schritte vom Wege angezündet worden war. Die Knechte hielten abwechselnd Wache bei den Pferden, welche sich lange herumwälzten, zuletzt aber, nachdem sie ihr Futter gefressen hatten, einschliefen, wobei immer eines den Kopf auf den Hals des andern legte. Doch kaum graute der Morgen und warf seinen lichten Schein auf die Wipfel der Bäume, als Zbyszko emporsprang, die andern erweckte, und während es Tag ward, machten sie sich auf den Weg. Die Spuren der riesenhaften Hufe von Arnolds Hengst waren wieder ohne Schwierigkeit zu finden, denn eingedrückt in den niedrigen, gewöhnlich sumpfigen Boden, hatten sie sich unversehrt erhalten. Sanderus ritt voraus und entschwand bald ihren Blicken, aber in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Mittag trafen sie ihn schon an einem Futterplatze. Er sagte ihnen, daß er kein lebendes Wesen erblickt, mit Ausnahme eines großen Auerochsen, vor dem er aber nicht die Flucht ergriffen habe, weil das Tier ihm zuerst aus dem Wege gegangen sei. Um die Mittagszeit, beim ersten Imbiß, erzählte er indessen, er habe einen Landmann, einen Zeidler mit einer Leiter gesehen, ihn aber nicht festgehalten, aus Furcht, tiefer im Walde könnten sich noch mehr seinesgleichen befinden. Er habe versucht, ihn über dies und jenes auszuforschen, doch hätten sie sich nicht zu verständigen vermocht.

Während sie weiter ritten, fühlte sich Zbyszko mehr und mehr beunruhigt. Wie sollte es werden, wenn ihr Weg sie nun zu höherliegenden Gefilden führte, wo der Boden fest und trocken war, so daß die bisher sichtbaren Spuren verschwanden? Oder wenn sie ihr Ziel lange nicht erreichten und in eine mehr bevölkerte Gegend kämen, wo die Einwohner längst gewöhnt waren, dem Orden Gehorsam zu leisten, ein Ueberfall also und die Entführung Danusias beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit ward? Denn wenn auch Zygfryd und Arnold sich nicht innerhalb der Mauern eines Schlosses oder Kastells, wenn sie sich auch nicht in Sicherheit befanden, war doch vorauszusehen, daß das einheimische Volk deren Partei nehmen würde.

Aber zum Glück waren diese Befürchtungen grundlos, denn an der nächsten Haltestelle trafen sie um die bestimmte Zeit Sanderus zwar nicht mehr an, entdeckten jedoch an einem dicht am Wege stehenden Fichtenbaume einen großen Einschnitt in der Form eines Kreuzes, der offenbar kurz zuvor gemacht worden war. Da schaute einer auf den andern, ein tiefer Ernst malte sich in ihren Zügen, und ihre Herzen klopften heftig. Macko und Zbyszko sprangen unverzüglich vom Pferde, um auf dem Boden nach den Spuren zu forschen, und suchten eifrig, aber dies währte nicht lange, da beide bald völlig klar sahen.

Offenbar hatte Sanderus hier den Weg verlassen und war in den Waid eingedrungen, indem er den Spuren der großen Hufe nachging, die zwar nicht so tief wie auf der Landstraße, aber doch ziemlich deutlich waren, denn das mächtige Tier hatte bei jedem Schritte die Zweige der Fichtenbäume in den Torfgrund gestampft und schwarze Flecken an diesen Zweigen zurückgelassen. Auch andere Spuren blieben den scharfen Augen Zbyszkos nicht verborgen, daher bestieg er wieder sein Pferd, Macko das seine, und sie begannen nun miteinander und mit dem Böhmen in so leisem Tone zu beraten, wie wenn der Feind dicht daneben gewesen wäre.

Der Böhme gab ihnen den Rat, den Weg zu Fuß fortzusetzen, aber dies wollten sie nicht thun, weil sie nicht wußten, wie weit sie noch durch den Wald zu ziehen hatten. Einige der unberittenen Mannen sollten indessen vorausgeschickt werden und, falls sie etwas Besonderes gewahrten, ein Zeichen geben, damit die Reitersmänner sich in Bereitschaft setzen konnten.

So ritten sie denn unverweilt weiter durch den Wald. Ein zweiter Einschnitt an einem Fichtenbaume zeigte ihnen, daß sie Sanderus‘ Spur nicht verloren hatten. Binnen kurzem bemerkten sie auch, daß sie sich auf einem ziemlich begangenen Wege, oder vielmehr Fußpfad befanden. Nun waren sie überzeugt, daß sie auf irgend eine Ansiedelung stoßen und die Flüchtlinge dort finden mußten.

Die Sonne neigte sich schon dem Untergange zu und schimmerte golden zwischen den Bäumen hervor. Der Abend versprach schön zu werden. Tiefe Stille herrschte im Walde, denn für Vögel und anderes Getier war die Zeit der Ruhe gekommen. Nur da und dort unter den von der Sonne beleuchteten Zweigen sprangen noch Eichhörnchen umher, die von den Strahlen rot übergossen waren. Zbyszko, Macko, der Böhme, sowie ihre Knechte ritten im Gänsemarsch, einer hinter dem andern her. In dem sicheren Gefühle, daß die Mannen zu Fuß ihnen um eine beträchtliche Strecke voraus waren und sie nötigenfalls warnen würden, besprach sich der alte Ritter mit seinem Bruderssohn, ohne die Stimme allzusehr zu dämpfen.

»Laß uns nach der Sonne die Zeit berechnen,« sagte er. »Von dem letzten Futterplatze, bis zu der Stelle, wo das Kreuz eingeschnitten war, haben wir eine große Strecke zurückgelegt. Die Krakauer Uhr muß nun ungefähr die dritte Stunde zeigen … Sanderus befindet sich wohl längst bei jenen Rittern und hat auch genug Zeit gehabt, ihnen von seinen Abenteuern zu erzählen. Wenn er uns nur nicht verrät.«

»Er wird uns nicht verraten,« entgegnete Zbyszko.

»Und wenn sie ihm nur glauben,« fügte Macko hinzu, »denn glauben sie ihm nicht, so wird es ihm schlimm ergehen.«

»Warum sollten sie ihm nicht glauben? Und was wissen sie von uns? Aber ihn kennen sie gut. Auch kommt es ja häufig vor, daß Kriegsgefangene entfliehen.«

»Gerade das ist wichtig, denn wenn er ihnen gesagt hat, er sei aus der Gefangenschaft entflohen, werden sie vielleicht aus Furcht, er könne verfolgt werden, sogleich wieder aufbrechen.«

»Dann würde er irgend eine Ausflucht ersinnen, er würde ihnen begreiflich machen, daß eine solche Verfolgung kaum zu erwarten ist.«

Eine Weile schwiegen sie, dann dünkte es Macko, sein Bruderssohn flüstere ihm etwas zu, deshalb wandte er sich an ihn und fragte: »Was sagst Du?«

Doch Zbyszko hatte den Blick gen Himmel gerichtet, er flüsterte Macko nichts zu, aber er empfahl Gott Danusia und seine kühne Unternehmung.

Macko wollte sich bekreuzen und erhob gerade die Hand, als plötzlich einer der vorausgesandten Mannen aus den dichten Haselnußsträuchern hervortrat und zu ihm heranschlich: »Eine Pechsiederei!« sagte er. »Sie sind hier.«

»Halt!« rief Zbyszko in gedämpftem Tone, und im nämlichen Augenblick sprang er schon vom Pferde.

Macko, der Böhme, sowie die Knechte thaten das Gleiche. Drei von diesen erhielten den Befehl, bei den Pferden zu bleiben, sich mit ihnen bereit zu halten und sorgsam darauf zu achten, daß keiner der türkischen Renner wiehere. Zu den fünf andern sagte Macko: »Wir werden zwei Reitknechte und Sanderus dort treffen. Die müßt ihr sofort knebeln und so einer bewaffnet ist und sich zur Wehr setzen will, dann gebt ihm einen Schlag auf den Kopf.«

Und sie gingen vorwärts. Unterwegs flüsterte Zbyszko nochmals seinem Oheim zu: »Ihr stürzt Euch aus den alten Zygfryd, ich mich auf Arnold.«

»Sei nur behutsam!« antwortete der alte Kämpe.

Und er winkte dem Böhmen mit den Augen, indem er ihm dadurch zu verstehen gab, daß er jeden Augenblick bereit sein müsse, seinem Herrn Hilfe zu leisten.

Jener neigte das Haupt, zum Zeichen, daß er dies thun werde. Dabei holte er tief Atem und faßte sein Schwert, um zu sehen, ob es leicht aus der Scheide gehe.

Doch Zbyszko gewahrte dies und sagte: »Nein, Dir befehle ich, sogleich zu der Tragbahre zu eilen und während des Kampfes auch nicht einen Fuß breit von ihr zu weichen.«

In tiefer Stille schritten sie rasch vorwärts, fortwährend zwischen dichten Haselnußbüschen, aber sie waren noch nicht weit gekommen, zweihundertfünfzig Schritte höchstens, als das Gesträuch plötzlich ein Ende nahm und sie auf einer von Buschwerk umsäumten Lichtung standen, wo sich die rauchgeschwärzten Ueberreste einer Pechsiederei und zwei Hütten, oder Erdwohnungen befanden, in denen zweifellos Pechsieder gewohnt hatten, bis sie durch den Krieg daraus vertrieben worden waren. Die Strahlen der untergehenden Sonne beleuchteten mit hellem Glanze die Wiese, die rußigen Ueberreste und die beiden ziemlich weit voneinander entfernt stehenden Erdwohnungen. Auf einem gefällten Baumstamme vor der einen saßen zwei Ritter, vor der andern ein breitschultriger, rothaariger Mann und Sanderus. Diese beiden waren damit beschäftigt, einige Panzer mit Lappen abzureiben, und zu Sanderus‘ Füßen lagen auch zwei Schwerter, welche er offenbar später reinigen wollte.

»Sieh!« sagte Macko, den Arm Zbyszkos fassend, um ihn noch einen Augenblick zurückzuhalten, »absichtlich hat er ihnen Schwerter und Panzer genommen. Das ist gut! Der mit dem grauen Haupte muß …«

»Vorwärts!« schrie Zbyszko plötzlich, und der Windsbraut gleich stürmten sie aus die Wiese hinaus. Die beiden Ritter sprangen sofort auf, doch bevor sie noch zu Sanderus gelangen konnten, hatte Macko den alten Zygfryd schon an der Brust gepackt, nach rückwärts gebogen und sich auf ihn geworfen. Zbyszko und Arnold fuhren aufeinander wie zwei Habichte, umschlangen sich mit den Armen, und nun begann ein verzweifeltes Ringen. Der breitschultrige Deutsche, welcher zuvor neben Sanderus gesessen hatte, griff zwar sofort nach einem Schwert, doch ehe er im stande war, es zu gebrauchen, schlug ihm Wit, einer der Mannen Mackos, mit der Streitaxt auf das rote Haupt und streckte ihn zu Boden. Dann warfen er und die andern Mannen sich dem Befehle des alten Ritters gemäß auf Sanderus, um ihn zu knebeln. Trotzdem dieser aber wußte, daß es eine verabredete Sache war, brüllte er aus Furcht gleich einem einjährigen Kalbe, dem die Kehle abgeschnitten wird.

Und obgleich Zbyszko so stark war, daß der Saft aus einem Baumzweige quoll, wenn er daran drückte, hatte er nun doch die Empfindung, daß ihn nicht die Hände eines Menschen, sondern die Tatzen eines Bären umklammert hielten. Auch fühlte er, daß ohne den Panzer, welchen er trug, weil er sich gesagt hatte, daß sich wohl manch scharfe Lanzenspitze gegen ihn richten werde, der riesenhafte Deutsche ihm vielleicht die Rippen oder das Rückgrat zerbrochen hätte. Zwar hob ihn der junge Ritter ein wenig in die Höhe, aber jener hob ihn noch höher, und all seine Kraft zusammennehmend, versuchte er ihn derart zu Boden zu schmettern, daß er sich nicht mehr zu erheben vermochte.

Doch Zbyszko preßte den Deutschen ebenfalls gewaltsam zusammen, bis dessen Augen mit Blut unterlaufen waren, dann schob er seinen Fuß zwischen dessen Beine, stieß ihn an die Kniekehle und streckte ihn hin. Zwar fielen beide gleicherweise zu Boden, Zbyszko nach unten, aber in diesem Augenblick warf Macko, dem nichts entging, den halbtoten Zygfryd seinen Knechten zu, stürzte zu den Liegenden heran und hatte im Nu Arnolds Füße mit seinem Gürtel gebunden. Dann setzte er sich auf ihn, wie auf ein erschlagenes wildes Tier, indem er ihm die Spitze seines »Misericordia« an die Kehle führte.

Der Deutsche aber schrie laut auf, und seine Hände fielen kraftlos an den beiden Seiten Zbyszkos nieder, hierauf begann er zu ächzen, nicht nur wegen der Stichwunde, sondern auch weil er plötzlich einen entsetzlichen, unaussprechlichen Schmerz im Rücken verspürte, an dem er durch einen Keulenschlag während der Schlacht mit Skirwoillo verletzt worden war.

Da faßte ihn Macko mit beiden Händen und zog ihn von Zbyszko weg. Zbyszko erhob sich vom Boden, nahm eine sitzende Stellung an, dann wollte er aufstehen, konnte aber nicht. Er ließ sich wieder nieder und verharrte eine Weile regungslos. Mit bleichem, schweißbedecktem Antlitz, blutig unterlaufenen Augen, bläulichen Lippen blickte er vor sich hin, wie wenn er nicht völlig bei Bewußtsein gewesen wäre.

»Was ist Dir?« fragte Macko besorgt.

»Nichts, ich bin nur furchtbar ermattet. Helft mir auf die Füße.«

Macko faßte ihn unter den Armen und richtete ihn sofort empor.

»Kannst Du aufrecht stehen?«

»Ja!«

»Bist Du verletzt?«

»Nein. Aber der Atem stockt mir in der Brust.«

Unterdessen trat der Böhme, welcher offenbar sah, daß es nichts mehr für ihn zu thun gab, zur Hütte heran und packte die Alte sofort am Genicke. Bei diesem Anblick vergaß Zbyszko all seiner Beschwerden, er ermunterte sich sofort, und wie wenn der Kampf mit dem furchtbaren Arnold spurlos an ihm vorübergegangen wäre, lief er eilig der Hütte zu.

»Danuska! Danuska!« rief er.

Aber keine Stimme antwortete auf diesen Ruf.

»Danuska! Danuska!« wiederholte Zbyszko. Dann verstummte er. In der Hütte war es so dunkel, daß er im ersten Augenblick nichts zu unterscheiden vermochte. Doch hinter den Steinen hervor, welche rings um den Feuerherd aufgeschichtet lagen, drangen laute, rasche Atemzüge, wie die eines in die Enge getriebenen jungen Tieres.

»Danuska! Bei Gott dem Allmächtigen! Ich bin es! Ich bin Zbyszko!«

Und dann erblickte er in dem Halbdunkel auch ihre Augen, die weit aufgerissen, wie erschreckt und geistesabwesend dareinschauten.

Da eilte er auf sie zu und nahm sie in seine Arme, sie aber erkannte ihn nicht und sich von ihm losreißend, sagte sie atemlos und im Flüstertone: »Ich fürchte mich! Ich fürchte mich! Ich fürchte mich!« …

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