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Obwohl nun der Böhme Jagienka geradezu anbetete und sein Herz ihn mehr und mehr zu der wunderbar schönen Tochter der Sieciechowa hinzog, dürstete doch sein jugendlicher kühner Geist vor allem nach Krieg und Streit. Trotzdem aber war er auf Mackos Befehl nach Spychow zurückgekehrt, wußte er doch, was ihm als Untergebener zukam, ja, er fand eine gewisse Befriedigung in dem Gedanken, daß er den beiden Frauen Schutz und Schirm sein könne. Als indessen Jagienka selbst erklärte, was auch ganz richtig war, sie bedürften in Spychow keinerlei Schutz, Hlawas Pflicht sei es daher vornehmlich, Zbyszko zur Seite zu stehen, begrüßte er diesen Ausspruch mit Freuden. Da er Macko zudem nur unmittelbar unterstand, konnte er dem alten Ritter gegenüber leicht die Entschuldigung geltend machen, seine rechtmäßige Herrin habe ihm befohlen, Spychow zu verlassen und sich zu Zbyszko zu begeben.

Jagienka jedoch ging in ihrem Thun von der Voraussetzung aus, ein solch mutiger, gewandter Knappe wie Hlawa könne Zbyszko von unendlichem Nutzen sein und ihn aus gar mancherlei Fährlichkeiten erretten. Hatte er dies doch schon bei der fürstlichen Jagd bewiesen, als Zbyszkos Leben durch den wilden Auerochsen ernstlich bedroht war. Und nun gar erst im Kriegsfalle, in einem Kriege an der litauischen Grenze, wie schätzbar mußten da seine Dienste sein. Hlawas ganzes Sinnen und Trachten war auch darauf gerichtet, in den Krieg zu ziehen. Als er daher zusammen mit Jagienka das Gelaß Jurands verließ, sagte er: »Allergnädigste Herrin, darf ich Euch um ein gutes Wort auf die Fahrt bitten!«

»Wie soll ich dies verstehen?« fragte Jagienka. »Willst Du Dich denn heute schon auf den Weg machen?«

»Nein, erst morgen mit Tagesanbruch, damit die Pferde heute Nacht noch rasten können. Gar lange währt die Fahrt nach Samogitien.«

»So gehe denn! Wird es Dir doch jetzt noch leichter fallen, den Ritter Macko einzuholen.«

»Das ist kaum anzunehmen. Der alte Ritter ist an die größten Mühseligkeiten gewöhnt und ist schon viele Tagreisen vor mir voraus. Außerdem will er den kürzeren Weg durch Preußen einschlagen, während ich durch Wüsteneien ziehen muß. Er kann auch allerwärts die Briefe Lichtensteins vorzeigen, während ich mir nur durch dieses hier freie Bahn verschaffen kann.«

So sprechend legte er die Hand auf den Griff seines Schwertes, Jagienka aber rief: »Seid ja stets auf Eurer Hut. Wenn Ihr Euch nun doch einmal auf den Weg machen wollt, müßt Ihr auf Erreichung Eures Zieles bedacht sein und alles thun, um nicht den Kreuzrittern in die Hände zu fallen. Aber auch in den Wäldern habt acht auf Euch selbst, denn dort hausen gar schlimme Götter, die von den Menschen verehrt wurden, bevor diese sich zum Christentum bekehrt haben. Wohl erinnere ich mich noch daran, wie die Ritter Macko und Zbyszko davon erzählt haben.«

»Auch ich erinnere mich deren Worte, doch jede Furcht liegt mir fern. Keine Götter, nein, armselige Wesen sind jene, ohne Macht, ohne Gewalt. Doch sowohl vor ihnen wie vor den Deutschen will ich mich hüten, wenn nun der Krieg ernstlich entbrennt.«

»So ist der Krieg noch nicht ausgebrochen? Sprich, was hast Du darüber bei den Deutschen gehört?«

Daraufhin zog der kluge Böhme sinnend die Brauen zusammen und ließ sich nach kurzem Schweigen also vernehmen: »Es herrscht Krieg, und doch ist dies kein rechter Krieg. Fleißig haben wir allenthalben Umfrage gehalten, und besonders der Ritter Macko ließ es sich sehr angelegen sein, denn gar schlau ist er, und mit jedem Deutschen kann er es aufnehmen. Entweder erfand er einen Vorwand, wenn er nach dem oder jenem fragen wollte, oder er schützte freundschaftliches Wohlwollen vor, wenn er sich nach irgend etwas erkundigte. Dabei verriet er sich aber nie, sondern benützte die schwache Seite eines jeden dazu, alles Wissenswerte so geschickt aus ihm herauszulocken, wie man den Fisch mit der Angel aus dem Wasser lockt. Leiht mir nur ein geduldiges Ohr, gnädigste Herrin, dann sollt Ihr alles genau erfahren. Vor etlichen Jahren überließ Fürst Witold, der gegen die Tataren ziehen und deshalb Frieden mit den Ordensrittern haben wollte, Samogitien den Deutschen. Eitel Liebe und Einigkeit herrschte nunmehr. Burgen gestattete er den Kreuzrittern zu gewinnen, ja, bei meiner Treu, er leistete ihnen sogar Hilfe dabei. Auf einer Insel traf er mit dem Großmeister zusammen, sie aßen, tranken und versicherten sich gegenseitig treuer Freundschaft. Sogar in den jenseits des Flusses gelegenen Forsten durften die Kreuzritter jagen, und als sich die armen Bewohner Samogitiens gegen die Herrschaft des Ordens erhoben, nahm Fürst Witold nicht nur für die Deutschen Partei, sondern er stand ihnen sogar mit seinem Kriegsheere bei. In ganz Litauen murrte man darob, griff er doch dadurch sein eigenes Geschlecht an. Der Untervogt von Szczytno erzählte uns dies alles. Hei, wie pries er die Herrschaft der Kreuzritter in Samogitien, wie rühmte er es, daß sie Priester dahin senden, welche den Einwohnern die heilige Taufe erteilen, und daß sie zu Zeiten einer Hungersnot daselbst nicht mit Korn kargen. – Das mag nun seine Richtigkeit haben, geschah es doch auf Befehl des Großmeisters, der weit gottesfürchtiger ist, als all die andern, allein was thaten darum die Kreuzritter? Die Kinder führten sie fort nach Preußen, die Frauen beschimpften sie vor den Augen ihrer Ehegatten und ihrer Brüder, und so sich einer oder der andere ihrem Thun widersetzte, ward er zum Strange verurteilt, und aus diesen Ursachen, o Herrin, ist der Krieg entbrannt.«

»Wie war es aber mit Fürst Witold?«

Geraume Zeit hindurch verschloß der Fürst seine Augen gegen die in Samogitien verübten Greuel und blieb den Ordensrittern nach wie vor zugethan. Erst noch vor ganz kurzem nahm sein Ehegemahl, die Fürstin, längeren Aufenthalt in Preußen, ja sogar in Marienburg. Gleich der Königin von Polen ist sie dort empfangen worden. Und dies geschah vor ganz kurzem. Mit Geschenken ward sie überhäuft, und so viele Turniere, Feste und Schaustellungen aller Art fanden statt, daß man sie nicht aufzuzählen vermag. Allgemein herrschte der Glaube, die Freundschaft zwischen Fürst Witold und den Kreuzrittern werde ewig dauern, da trat ganz unerwartet eine Sinnesänderung bei ihm ein.«

»Nach dem, was ich von meinem gottseligen Vater und von Macko gehört habe, ändert Fürst Witold gar häufig seinen Sinn.«

»Nicht Menschen gegenüber, die auf Ehre halten, wohl aber den Kreuzrittern gegenüber, auf die man niemals bauen kann. Als sie von ihm die Auslieferung verschiedener Flüchtlinge verlangten, da erklärte er, zur Auslieferung der Mannen niederen Standes sei er zwar bereit, die Freigeborenen gebe er jedoch nicht preis, denn ein freier Mann habe das Recht, da zu leben, wo es ihm gefalle. Daraufhin entstanden ernstliche Zwistigkeiten, Briefe wurden gewechselt, Drohungen wurden laut. Kaum drang die Kunde hiervon zu den Samogitiern, so brach der Aufruhr gegen die Deutschen los. Die Besatzungen wurden niedergemetzelt, die Burgen erstürmt. Doch nicht genug daran, jetzt machen sie sogar fortwährend Einfälle in Preußen. Und Fürst Witold läßt dies nicht nur geschehen, sondern er freut sich über die Bedrängnis der Kreuzritter, er leistet den Samogitiern insgeheim Hilfe.«

»Ich verstehe,« erwiderte Jagienka. »Doch so lange die Hilfe nur im Geheimen geleistet wird, kann doch von einem Kriege keine Rede sein.«

»Der Krieg wird scheinbar mit den Samogitiern, in Wirklichkeit indessen mit Witold geführt. Allerwärts suchen die Deutschen ihre Grenzburgen zu verteidigen und nur zu gerne würden sie einen Zug nach Samogitien unternehmen. Allein damit hat es noch gute Wege, sie müssen dazu den Winter abwarten. Das Land ist durchweg so sumpfig, daß die Kreuzritter dies jetzt nicht wagen dürfen. Da wo ein Samogitier sicher dahin schreitet, versinkt ein Deutscher in dem Moraste. Deshalb ist auch der Winter ein Freund der Deutschen. Sobald daher der Frost eintritt, werden die Kreuzritter mit ihrer ganzen Streitmacht vorrücken, während Fürst Witold die Samogitier unterstützen wird, wenn er die Zustimmung des Königs von Polen erhält, welcher der Oberherr des Großfürsten sowie von ganz Litauen ist.«

»So wird es auch zu einem Kriege mit dem König von Polen kommen?«

»Dies behauptet man wenigstens sowohl bei den Deutschen wie bei uns. Aus diesem Grunde bitten auch die Kreuzritter an allen Höfen um Unterstützung und die Kapuzen 11 brennen ihnen auf den Häuptern, wie dies bei allen Missethätern der Fall ist; denn mit der Königsmacht ist nicht zu spaßen, und ein jeder der polnischen Ritter speit sofort in die Hand, wenn die Kreuzritter auch nur genannt werden.«

Als Jagienka diese Worte vernahm, seufzte sie tief auf und meinte: »Wie viel besser haben es doch die Männer in der Welt, als wir Frauen! Du kannst nun zum Beispiel in den Krieg ziehen, wie dies Zbyszko und Macko schon gethan haben, wir aber müssen hier in Spychow bleiben.«

»Wie könnte dies auch anders sein, allergnädigste Herrin? Wohl müßt Ihr hier verweilen, allein Ihr seid in völliger Sicherheit. Auch jetzt noch ist der Name Jurands bei den Deutschen gefürchtet, und ich selbst bin in Spychow Zeuge davon gewesen, wie sie von Angst ergriffen wurden, als sie Kunde von seiner Anwesenheit in Spychow erhielten.«

»Wohl wissen wir, daß wir hier nichts zu fürchten haben, denn auch der alte Tolima schützt uns, die Sümpfe schützen uns. Doch gar schwer fällt es mir, in Ungewißheit hier ausharren zu müssen.«

»Sobald sich irgend etwas ereignen sollte, werde ich Euch Nachricht zukommen lassen. Schon vor unserem Aufenthalt in Szczytno habe ich in Erfahrung gebracht, daß zwei gar tüchtige junge Burschen von hier beabsichtigten, freiwillig in den Krieg zu ziehen. Der alte Tolima vermag sie nicht daran zu hindern, entstammen die beiden doch edeln Geschlechtern aus Lekawica. Nunmehr machen sie sich mit mir auf die Fahrt, und im Falle der Not werde ich sofort einen von ihnen abschicken, damit er Euch von allem unterrichte.«

»Gott lohne es Dir. Ich habe zwar stets gewußt, wie klug Du in jeder Bedrängnis zu handeln verstehst, bis in den Tod werde ich Dir aber dankbar bleiben für Deine treue Ergebenheit.«

»Nichts Schlimmes ist mir von Euch geschehen, nur Gutes habe ich von Euch empfangen. Der Ritter Zych machte mich als ganz jungen Burschen bei Boleslaw zum Gefangenen, und ohne Lösegeld zu fordern, schenkte er mir die Freiheit wieder. Doch Euch zu dienen, galt mir mehr als alle Freiheit! Gott gewähre mir nur noch das Glück, mein Blut für Euch vergießen zu dürfen, vielgeliebte Herrin.«

»Gott geleite Dich und sei mit Dir!« ergriff nun Jagienka das Wort, dem Böhmen die Hand entgegenstreckend.

Doch er wollte ihr größere Ehre erweisen. So sank er denn vor ihr auf die Knie und küßte ihre Füße. Dann schaute er empor, indem er, ohne sich zu erheben, also sprach: »Ich bin nur ein einfacher Knecht, allein trotzdem stamme ich aus edlem Geschlechte und diente Euch treu. Gebt mir daher ein Angedenken von Euch mit auf die Reise. Weist meine Bitte nicht ab! Gar viele werden in dem Kriege niedergemäht werden, ich aber rufe den heiligen Georg zum Zeugen auf, daß ich trotzdem in der ersten, nicht aber in der letzten Reihe kämpfen werde.«

»Was soll das für ein Angedenken sein, um das Ihr mich bittet?« fragte Jagienka erstaunt.

»Gebt mir ein Band von Euch! Selbst mit dem kleinsten Streifchen will ich zufrieden sein. Unter Eurem Zeichen zu sterben, wird mir leichter werden, wenn mir mein Ende beschieden sein sollte.«

Noch tiefer neigte er sich zu ihren Füßen, um dann die Herrin nochmals mit gefalteten Händen anzuflehen. Tiefer Kummer malte sich jetzt auf Jagienkas Antlitz, die nach kurzem Schweigen, wie von einem plötzlichen Schmerze überwältigt, erwiderte: »Ei, Du Getreuer, weshalb bittest Du mich um ein Angedenken? Nichts Gutes kann es Dir bringen. Von einer Glücklichen fordere ein Angedenken, dann wird Dir die Gabe auch Glück bringen. Doch wie ist es um mich bestellt? Nur Kummer und Sorge lasten auf mir, nur Elend wird mir die Zukunft bringen. O niemals wird Dir oder einem andern ein Zeichen von mir Glück verleihen, denn wie wäre dies möglich, da ich selbst nicht glücklich bin. Glaube mir, Hlawa, gar viel Schlimmes giebt es auf dieser Welt, gar viel Schlimmes, gar viel …«

Sie verstummte plötzlich, fühlte sie doch, daß sie in Thränen ausbrechen würde, wenn sie noch weiter spräche, denn schon wurden ihr die Augen feucht. Auch der Böhme war tief bewegt, denn er begriff nur zu wohl, wie schwer ihr eine Entscheidung darüber fallen müsse, ob sie nach Zgorzelic heimkehren, in dessen Nähe ja die wilden Gesellen Cztan und Wilk hausten, oder ob sie in Spychow bleiben solle, wohin früher oder später Zbyszko mit Danusia kommen würde. Hlawa hatte ein tiefes Verständnis für all das, was in dem Herzen des Mägdleins vorging, allein er wußte keinen Rat, wie ihr zu helfen sei. Abermals umfaßte er ihre Füße und wiederholte immer und immer wieder: »Hei! Sterben möchte ich für Euch, sterben möchte ich für Euch!«

Jagienka aber sagte: »Steh auf! Die Tochter der Sieciechowa möge Dich zum Kriege gürten oder Dir ein Angedenken verleihen, denn Glück leuchtet ihr schon lange aus den Augen, wenn sie Dich anschaut.«

Auf ihr Rufen erschien Anielka sofort aus dem anstoßenden Gemache. Sie hatte längst an der Thüre gelauscht, und nur durch ihre Schüchternheit war sie davon abgehalten worden, Abschied von dem schönen Knappen zu nehmen, trotzdem sie sich mit ganzer Seele darnach sehnte. Verwirrt, scheu, klopfenden Herzens trat sie jetzt wie traumbefangen ein. Thränen schimmerten in ihren Augen, als sie, einer Apfelblüte gleich, mit niedergeschlagenem Blicke, stumm und wortlos vor ihm stand. Für Jagienka empfand Hlawa bei der Ergebenheit und der Verehrung, die er ihr zollte, die größte Ehrfurcht. Niemals hätte er es gewagt, auch nur in Gedanken sich zu ihr zu erheben, der Tochter der Sieciechowa fühlte er sich jedoch ebenbürtig, und da ihm heißes Blut durch die Adern rollte, konnte er sich dem Zauber nicht entziehen, der von ihr ausging. Und ihre Schönheit ergriff ihn jetzt umsomehr, als durch ihre Verwirrung, ihre Thränen die Liebe durchschimmerte, wie durch das klare Wasser des Baches der goldene Grund durchschimmert. So wandte er sich denn nun zu ihr und sagte: »Wißt, ich ziehe in den Krieg. Möglicherweise falle ich. Werdet Ihr dann um mich klagen?«

»Ich werde um Euch klagen,« antwortete die Maid mit ihrem dünnen Stimmchen.

Und unverweilt flossen ihre Thränen, die ja bei ihr stets in Bereitschaft waren. Aufs tiefste bewegt, küßte ihr Hlawa die Hände, indem er Jagienkas wegen den heißen Wunsch nach zärtlicherer Liebkosung unterdrückte.

»Gürte ihn oder gieb ihm ein Angedenken auf die Fahrt mit,« ließ sich nun Jagienka vernehmen, »damit er unter Deinem Zeichen kämpfen kann.«

Wahrlich, es fiel der Tochter der Sieciechowa nicht leicht, ihm etwas zu geben, ging sie doch in Männerkleidern umher. Umsonst sann und sann sie! Weder ein Band noch eine Schleife trug sie bei sich. Die Laden aber, in denen die Gewandungen der Mägdlein mitgeführt wurden, waren noch nicht geöffnet worden, seitdem diese Zgorzelic verlassen hatten. Anielka wußte nicht, was beginnen. Da kam ihr Jagienka zu Hilfe, indem sie ihr riet, das Netz von dem Haupte zu nehmen und es ihm zu geben.

»Bei Gott, gebt mir das Netz!« rief Hlawa, nicht wenig erfreut. »An meinem Helme will ich es tragen, und wehe der Mutter des Deutschen, der es mir zu entreißen sucht.«

Mit beiden Händen fuhr sich Anielka an das Haupt, und gleich darauf fielen ihr die hellen, glänzenden Haare über Schultern und Nacken. Als sie Hlawa so vor sich stehen sah, die schöne Maid mit aufgelösten Haaren, da veränderte sich mit einem Schlage sein Gesicht, auf dem Röte und Blässe wechselte. Rasch das Netz ergreifend, führte er es an die Lippen, barg es dann an seiner Brust, warf sich nochmals vor Jagienka nieder, umfaßte hierauf fast leidenschaftlich die Knie Anielkas, erhob sich schnell und verließ mit den Worten die Stube: »Damit muß ich mich zufrieden geben.«

Trotzdem nun der Böhme wegmüde und wenig erfrischt war, legte er sich doch nicht zur Ruhe nieder; die ganze Nacht zechte er mit den beiden jungen Edelleuten aus Lekawica, welche mit ihm nach Samogitien ziehen wollten. Allein er betrank sich dabei nicht, nein, mit dem ersten Morgengrauen trat er in den Vorhof der stark befestigten Burg, wo die Pferde, schon gesattelt, feiner harrten.

Da ward in der Mauer über dem Wagenschuppen ein Fenster aus Ochsenblase sachte ein wenig aufgethan, und durch die Spalte schaute ein blaues Augenpaar in den Vorhof. Der Böhme bemerkte dies sofort. Schon that er einige Schritte auf die Mauer zu, um das an seinem Helme befestigte Netz zu zeigen und nochmals Abschied zu nehmen, da hinderten ihn Pater Kaleb und der alte Tolima daran, die in den Vorhof kamen, weil sie ihm noch Ratschläge für die Fahrt erteilen wollten.

»Begieb Dich an den Hof des Fürsten Janusz,« sprach Pater Kaleb. »Möglicherweise triffst Du dort mit dem Ritter Macko zusammen, jedenfalls aber wird Dir über alles genaue Kunde werden, denn Du bist ja daselbst kein Fremder. Die Wege von dort nach Litauen sind bekannt, gar leicht wirst Du deshalb einen Führer durch die Wildnis finden. Ist es daher Dein fester Vorsatz, den Herrn Zbyszko aufzusuchen, so ziehe durch Litauen, nicht aber geradewegs nach Samogitien, in die Hände der Preußen. Bedenke auch dies: die Samogitier könnten Dich leicht töten, bevor Du zu sagen vermagst, wer Du bist, kommst Du jedoch von Fürst Witold, dann liegt die Sache ganz anders. Der Segen Gottes ruhe indessen über Dir und über den beiden andern Rittern. Kehre gesund zurück und bringe das Jungfräulein mit Dir, ich aber werde Tag für Tag von der Vesper an bis zum Erscheinen des ersten Sternes mit ausgebreiteten Armen, in Kreuzesgestalt, auf der Erde liegen und für Dich beten.«

»Ich danke Euch, Vater, für Eueren priesterlichen Segen,« ergriff nun Hlawa das Wort. »Schwer wird es zwar fallen, das Opfer lebend den Händen der Teufel zu entreißen, allein der Herr Jesus herrscht über Leben und Tod, deshalb wollen wir hoffnungsvoll, nicht aber traurig, in die Zukunft schauen.«

»Das ist das beste! Auch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ja, ja. Hoffnung ist Leben, doch unsere Herzensangst ist wohl berechtigt. Das Schlimmste ist, daß Jurand selbst, sobald der Name seines Töchterleins genannt wird, gen Himmel zeigt, als ob es dort zu schauen wäre.«

»Wie vermag er denn, es zu erschauen? Längst hat er ja die Augen eingebüßt!«

Da sagte Pater Kaleb wie zu sich selbst und doch auch wieder zu dem Böhmen gewendet: »Nicht selten pflegt es zu geschehen, daß gerade der Mensch, dessen irdisches Augenlicht erloschen ist, manches zu sehen vermag, was kein anderer erblicken kann. Häufig, gar häufig kommt dies vor. Ist es indessen denkbar, daß Gott der Herr diesem Lämmlein eine Kränkung zufügen ließ? Hat denn die Jungfrau den Kreuzrittern jemals Schlimmes gethan? Niemals! So voll Unschuld ist sie gewesen, wie eine Gotteslilie, gütig war sie gegen die Menschen, einem fröhlich singenden Waldvögelein glich sie! Gott der Herr liebt die Kindlein, er fühlt Erbarmen mit menschlichen Leiden … Traun! wenn sie den Tod erlitten hat, wird er sie vielleicht wieder erwecken, wie Pietrowin 12 erweckt ward, der aus dem Grabe auferstehend, noch lange Zeit weiter wirtschaftete. Bleibe gesund und möge Gott der Herr seine Hand schützend über Euch und über das Mägdlein halten.«

Nach diesen Worten kehrte Pater Kaleb in die Kapelle zurück, um die Frühmesse zu lesen, der Böhme aber bestieg sein Roß, neigte sich nochmals vor dem nunmehr geschlossenen Fenster und machte sich auf den Weg; war es doch nun völlig Tag geworden.

  1. Die Mütze brennt dem Diebe auf dem Kopfe: Polnisches Sprichwort. Anmerkung der Uebersetzerinnen.
  2. Polnische Sage von Pietrowin, der von dem heiligen Stanislaus vom Tode erweckt ward, um Zeugnis für den Verkauf seines Gutes abzulegen. Anmerkung der Uebersetzerinnen.