Die Kunde von den Vorgängen in Szczytno war indessen schon vor dem Bruder Rotgier nach Ciechanow gelangt und erweckte dort große Verwunderung und Unruhe. Weder der Fürst noch sonst jemand am Hofe konnte den Sachverhalt begreifen. In jüngster Zeit erst, gerade als Mikolaj aus Dlugolas sich nach Marienburg mit einem Briefe des Fürsten begeben sollte, worin dieser sich bitter über die Entführung Danusias durch die aufrührerischen, an der Grenze wohnenden Komture beklagte und fast drohend die unverzügliche Rückgabe des Mädchens verlangte, war ein Schreiben des Grundherrn von Spychow eingetroffen, mit der Nachricht, daß seine Tochter sich nicht bei den Kreuzrittern, sondern in den Händen gewöhnlicher, fremdländischer Räuber befinde und daß sie binnen kurzem gegen ein Lösegeld freigelassen werde.
Infolgedessen war der Gesandte nicht abgereist, denn niemand war es auch nur in den Sinn gekommen, daß die Kreuzritter Jurand zu einem solchen Briefe gezwungen hatten, indem sie ihm mit dem Tode seiner Tochter drohten. Aber auch so erschien das Vorgegangene unbegreiflich, weil die streitsüchtigen Grenzbewohner, welche einesteils dem Fürsten, andernteils dem Orden untergeben waren, wohl zur Sommerzeit Raubzüge zu unternehmen pflegten, nicht aber im Winter, wo der Schnee ihre Spuren verraten hätte. Gewöhnlich überfielen sie Kaufleute, auch erlaubten sie sich Plünderungen, in den Dörfern nahmen sie die Leute fest und trieben das Vieh fort; daß sie es jedoch wagten, sogar mit dem Fürsten anzubinden und dessen Pflegetochter, das einzige Kind eines mächtigen, allgemein gefürchteten Ritters zu entführen, dies schien geradezu alles Maß zu überschreiten. Jurands Brief, der mit dessen eigenem Siegel versehen war und diesmal durch einen Boten überbracht ward, von dem man wußte, daß er thatsächlich aus Spychow kam, hatte indessen alle Zweifel beschwichtigt. So war denn jeder Argwohn hinfällig geworden, der Fürst aber geriet in einen heftigen, ganz ungewöhnlichen Wutanfall und ordnete eine Verfolgung der Räuber längs der Grenze seines Fürstentums an, indem er zugleich den Fürsten von Plock aufforderte, das Gleiche zu thun und die Frevler nicht zu schonen.
Gerade um diese Zeit traf nun die Kunde von dem ein, was sich in Szczytno begeben hatte, und von Mund zu Mund gehend vergrößerte sie sich um das Zehnfache. Man erzählte sich, Jurand sei mit fünf andern vor der Burg angekommen, durch das offene Thor eingedrungen und habe ein solches Blutbad angerichtet, daß nur wenige von der Besatzung übrig geblieben seien. Ferner wurde berichtet, daß man in den benachbarten Burgen Hilfe suchen und die tüchtigsten Ritter sowie Scharen bewaffneten Fußvolks herbeiholen mußte, welche erst nach zweitägiger Belagerung im stande waren, sich den Eintritt in die Burg zu erzwingen und dort Jurand samt seinen Gefährten zu besiegen. Man sprach auch davon, daß nun wahrscheinlich von denselben Scharen die Grenze überschritten werde und daß unfehlbar ein großer Krieg beginne. Der Fürst, welcher wußte, wie viel dem Großmeister daran lag, daß im Kriegsfall mit dem polnischen König die beiden masovischen Fürstentümer neutral blieben, schenkte diesen Gerüchten wenig Glauben, denn ihm war es nicht verborgen, daß die Polen sich von keiner menschlichen Macht zurückhalten ließen, wenn die Kreuzritter mit ihm oder mit dem Fürsten Ziemowit von Plock Krieg anfangen würden. Deshalb fürchtete sich der Meister vor einem Kriege. Ein Krieg mußte kommen, das wußte er wohl, doch wünschte er ihn hinauszuschieben, zuvörderst darum, weil er friedliebender Natur war, zweitens darum, weil er, um sich mit der Streitmacht Jagiellos zu messen, ein Heer in Bereitschaft halten mußte, wie der Orden noch nie eines aufgestellt hatte, und weil er überdies gezwungen war, sich der Hilfe der Fürsten und der Ritterschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch im ganzen Westen zu versichern.
Der Fürst fürchtete daher den Krieg nicht, doch wollte er sich Klarheit über das verschaffen, was vorgegangen war und was er thatsächlich von den Ereignissen in Szczytno, von dem Verschwinden Danusias, sowie von den Gerüchten über die Verhältnisse au der Grenze denken solle. Wenn schon er nun den Ordensleuten nicht gewogen war, vernahm er es doch mit Genugthuung, als eines Abends der Hauptmann der Bogenschützen ihm verkündigte, daß ein Kreuzritter eingetroffen sei und um Gehör bitte.
Er empfing ihn auf hochmütige Weise, und wiewohl er sofort sah, daß er einen der Brüder vor sich hatte, die in dem Jagdhofe gewesen waren, that er doch, als ob er sich seiner nicht erinnere, und fragte ihn, wer er sei, woher er komme und was ihn nach Ciechanow führe.
»Ich bin der Bruder Rotgier,« erwiderte der Kreuzritter, »und erst vor kurzer Zeit hatte ich die Ehre, mich vor dem allergnädigsten Fürsten zu beugen.«
»Wenn Du ein Bruder bist, weshalb trägst Du die Ordenszeichen nicht?«
Der Ritter erklärte nun, er habe den weißen Mantel nicht angelegt, weil er sonst unfehlbar durch die masovischen Ritter gefangen genommen oder erschlagen worden wäre. »Allüberall, auf der ganzen Welt,« sagte er, »in allen Königreichen und Fürstentümern ebnet uns das Zeichen des Kreuzes auf dem Mantel den Weg, ihm danken wir das Wohlwollen und die Gastfreundschaft vieler Menschen, in Masovien allein bringt das Kreuz dem, der es trägt, sicheres Verderben.«
Doch der Fürst fiel ihm zornig ins Wort: »Nicht das Kreuz bringt Euch Verderben,« sagte er, »denn auch wir verehren das Kreuz, sondern nur Eure eigene Lasterhaftigkeit … Und wenn Euch die Leute anderwärts besser aufnehmen, so kommt dies daher, daß sie Euch nicht so gut kennen.« Als er jedoch wahrnahm, daß der Ritter über diese Worte heftig erschrak, fragte er: »Bist Du in Szczytno gewesen, oder weißt Du, was sich dort zugetragen hat?«
»Ich bin in Szczytno gewesen und weiß, was sich dort zugetragen hat,« antwortete Rotgier, »nicht als Gesandter bin ich hierher gekommen, sondern einzig aus dem Grunde, weil der erfahrene und gottesfürchtige Komtur aus Insburk zu mir sagte: Unser Meister liebt den frommen Fürsten und vertraut seiner Gerechtigkeit; während ich daher nach Marienburg eile, begieb Du Dich nach Masovien und verkünde, welche Beschimpfungen wir erdulden mußten, welches Unglück uns zugestoßen ist. Gewiß wird der gerechte Herrscher den Friedensstörer, den grimmigen Streiter nicht begünstigen, welcher soviel Christenblut vergoß, als ob er ein Werkzeug des Satans wäre!«
Und nun erzählte er alles, was sich in Szczytno ereignet hatte: wie Jurand, welcher durch die Brüder berufen worden war, um zu sehen, ob das aus den Händen der Räuber befreite Mädchen seine Tochter sei, anstatt Dankbarkeit zu zeigen, im Wahnwitz über alle Mannen hergefallen sei, wie er Danveld, den Bruder Godfryd, den Engländer Hugues, von Bracht und zwei Knappen aus edlem Geschlechte erschlagen habe, von den Knechten gar nicht zu reden; wie die Brüder, welche kein Blut vergießen wollten, sich zuletzt gezwungen sahen, ein Netz über den Rasenden zu werfen, welcher dann die Waffe gegen sich selbst richtete und sich entsetzliche Wunden beibrachte, und wie man nicht nur in der Burg, sondern auch in der Stadt, in jener Nacht sofort nach dem Kampfe, inmitten des Wintersturmes in den Lüften lautes Gelächter und fürchterliche Stimmen gehört hatte, welche riefen: »Unser Jurand! Der Feind des Kreuzes! Der unschuldiges Blut vergossen hat! Unser Jurand!«
Die ganze Erzählung und vornehmlich die letzten Worte des Kreuzritters machten tiefen Eindruck auf die Anwesenden. Angst und Schrecken überkam sie, während sie sich fragten, ob Jurand thatsächlich höllische Mächte zu Hilfe gerufen habe – und sie versanken in tiefes Schweigen. Aber die Fürstin, welche ebenfalls zugegen war und um ihrer geliebten Danusia willen schmerzliche Sorge im Herzen hegte, wendete sich ganz unvermutet mit der Frage an Rotgier: »Ihr sagtet, Ritter, als Ihr jenes verkümmerte Geschöpf aus den Händen der Räuber befreit hattet, wäret Ihr der Meinung gewesen, es sei Jurands Tochter, und deshalb hättet Ihr ihn nach Szczytno berufen?«
»So ist es, allergnädigste Herrin!« erwiderte Rotgier.
»Und wie konntet Ihr dies glauben, da Ihr Jurands wirkliche Tochter bei mir auf dem Jagdhofe gesehen habt?«
Nun geriet Bruder Rotgier in Verwirrung, da er nicht auf diese Frage vorbereitet gewesen war. Der Fürst erhob sich und richtete einen strengen Blick auf ihn; auch Mikolaj aus Dlugolas, Mrokota aus Mocarzewo, Jasko aus Jagielnica und andere masovische Ritter sprangen sogleich auf den Mönch zu, indem einer nach dem andern in drohendem Tone fragte: »Wie konntet Ihr dies glauben? Sprich, Deutscher! Wie war dies möglich?«
Doch Rotgier hatte sich wieder gefaßt und sagte: »Wir Ordensbrüder erheben unsere Augen nicht zu den Frauen. Auf dem Jagdhofe weilten gar viele Hoffräulein in der Umgebung der allergnädigsten Fürstin, aber welche unter ihnen Jurands Tochter war, wußte keiner der Unsrigen.«
»Danveld wußte es,« ließ sich hier Mikolaj aus Dlugolas vernehmen, »er sprach mit ihr während der Jagd.«
»Danveld steht nun vor Gott!« entgegnete Rotgier, »und von ihm will ich nur das eine sagen, daß am Morgen nach seinem Tode auf seinem Sarge blühende Rosen gefunden wurden. In dieser Winterszeit aber kann keine Menschenhand sie dort niedergelegt haben.«
Abermals trat ein tiefes Schweigen ein.
»Wieso erfuhrt Ihr, daß Jurands Tochter entführt worden war?« fragte der Fürst.
»Gerade die Verwegenheit dieser That hat sie überall ruchbar gemacht.«
»Aber ich bin höchst erstaunt darüber, daß Ihr eine Blödsinnige für Jurands Tochter halten konntet!« warf der Fürst mit Nachdruck ein.
Darauf entgegnete Bruder Rotgier: »Danveld sagte: ›Gar häufig schon hat der Satan seine Knechte verraten, und so hat er vielleicht auch Jurands Tochter verwandelt!‹«
»Die Räuber, als der Schrift unkundige Leute, konnten doch unmöglich Kalebs Schrift nachahmen und Jurands Siegel fälschen. Wer hat dies also gethan?«
»Der böse Geist!«
Und abermals schwiegen alle.
Rotgier blickte dem Fürsten forschend in die Augen und sagte: »Fürwahr, gleich einem Schwerte durchbohren diese Fragen meine Brust, denn Argwohn und Zweifel sind darin enthalten. Doch im Vertrauen auf die Gerechtigkeit Gottes und auf die Macht der Wahrheit frage ich Euch, allergnädigster Fürst: hat Jurand selbst uns einer solchen That beschuldigt, und wenn er uns beschuldigte, weshalb hat er dann, bevor wir ihn nach Szczytno beriefen, die ganze Grenze nach den Räubern abgesucht, um die Tochter von ihnen loszukaufen?«
»Nun … das ist wahr!« antwortete der Fürst. »Und wenn Ihr irgend etwas vor den Menschen verborgen hättet, vor Gott könnt Ihr es nicht verbergen. Er hatte wohl im ersten Augenblick Verdacht auf Euch, aber dann … dann ist er wohl anderen Sinnes geworden.«
»Seht wie der Glanz der Wahrheit obsiegt über das Dunkel,« sagte Rotgier.
Und er schaute mit Siegerblicken im Saale umher, denn ihn dünkte, die Kreuzritter seien klügere, verschlagenere Köpfe als die Polen, und dies Volk werde dem Orden immer zur Beute und Nahrung dienen, wie die Fliege der Spinne zur Beute und Nahrung dient.
Seine frühere Geschmeidigkeit bei Seite lassend, näherte er sich nun dem Fürsten und begann in erhobenem, eindringlichem Tone: »Entschädige uns, Herr, für unsere Verluste, für das uns zugefügte Unrecht, für unsere Thränen und unser Blut! Dir war dieser Höllensohn unterthan, im Namen der Gerechtigkeit entschädige uns daher für das uns zugefügte Unrecht und für das vergossene Blut!«
Und der Fürst schaute ihn voll Verwunderung an.
»Beim allmächtigen Gott!« sagte er, »was verlangst Du? Wenn Jurand sich im Wahnsinn in Euerem Blute wälzte, habe ich dann die Verantwortung für seinen Wahnsinn?«
»Dir war er unterthan, Herr,« versetzte der Kreuzritter, »und in Deinem Fürstentum liegen seine Besitzungen, seine Dörfer und seine Burg, worin er Diener des Ordens gefangen hielt; möge daher wenigstens seine Habe, möge sein Gut und jene verruchte Burg von nun an Eigentum der Geschädigten werden. Zwar wird dies kein würdiger Ersatz für das edle Blut sein, das von ihm vergossen ward, zwar werden die Toten dadurch nicht ins Leben zurückgerufen, aber vielleicht wird es einigermaßen Gottes Zorn besänftigen und die Schmach vertilgen, welche sonst das ganze Fürstentum treffen würde. O Herr! Allüberall besitzt der Orden Länder und Burgen, welche ihm durch die Gunst und Frömmigkeit christlicher Fürsten überwiesen worden sind, nur hier, in Deinem Staate hat er keine Spanne Landes. Mögen wir für das uns zugefügte Unrecht, welches zu Gott nach Rache schreit, wenigstens dadurch entschädigt werden, damit wir sagen können, daß auch hier Leute leben, welche gottesfürchtigen Herzens sind.«
Durch all diese Worte wurde der Fürst in noch größeres Staunen versetzt, und erst nach langem Schweigen antwortete er: »Bei den Wundmalen des Erlösers! … Wenn Euer Orden sich hier niederlassen durfte, wessen Gunst verdankte er dies, wenn nicht der Gunst meiner Vorfahren? Habt Ihr noch nicht genug an den Ländern, Gütern, Städten, welche einst uns und unserm Volke gehörten und nun Euer sind? Zudem lebt Jurands Tochter noch, denn niemand hat Euch ihren Tod angezeigt. Und Ihr wollt Euch an einer Waise Brautschatz vergreifen, ihr das Brot nehmen, um Euch dadurch für das Euch zugefügte Unrecht zu entschädigen?«
»Herr, Du gestehst zu, daß uns Unrecht geschehen ist,« sprach Rotgier, »gewähre uns daher auch die Genugthuung, welche Dein fürstlicher, gerechter Sinn Dir eingiebt!«
Wieder war er im Innersten hocherfreut, weil er sich sagte: »Nun werden sie nicht klagen, sondern darüber beraten, wie sie sich selbst reinwaschen und aus dieser Sache herausziehen können. Niemand wird uns etwas vorwerfen und unser Name wird so fleckenlos sein wie die weißen Ordensmäntel.«
Da ließ sich unerwarteter Weise der alte Mikolaj aus Dlugolas also vernehmen: »Man beschuldigt Euch der Habsucht und Gott weiß, ob mit Unrecht, denn auch in dieser Angelegenheit liegt Euch mehr am Gewinn als an der Ehre des Ordens.«
»Das ist wahr!« riefen die masovischen Ritter im Chore.
Rotgier trat einige Schritte weiter vor, erhob stolz das Haupt und schaute mit hochmütigen Blicken umher, indem er sagte: »Nicht als Gesandter bin ich hierher gekommen, sondern nur um Zeugnis über die Vorgänge in Szczytno abzulegen, und als Ordensritter, der bereit ist, die Ehre des Ordens mit seinem eigenen Blute bis zum letzten Atemzuge zu verteidigen! … Wer also wagt, trotz dessen, was der Gebieter von Spychow selbst ausgesagt hat, den Orden der Teilnahme an der Entführung von Jurands Tochter zu beschuldigen, der möge diese ritterliche Forderung annehmen und sich dem Gottesgericht unterwerfen.«
So sprechend warf er seinen Handschuh vor sich hin, der zu Boden fiel. Sie aber standen in tiefem Schweigen da, denn obgleich mehr als einer gern sein Schwert am Genick des Kreuzritters schartig gemacht hätte, fürchteten sie doch alle das Gottesgericht. Jurands ausdrückliche Erklärung, daß es nicht die Ordensritter gewesen, die seine Tochter entführt hatten, war keinem unter ihnen verborgen geblieben, daher sagte sich ein jeder im Innern, daß Rotgier im Rechte sei und daß deshalb auch der Sieg auf seiner Seite sein werde.
Dieser ward immer kecker und verwegener, und die Hände in die Seiten stemmend fragte er: »Befindet sich einer unter Euch, der gewillt ist, diesen Handschuh aufzuheben?«
Da trat ein Ritter, dessen Eintritt von niemand bemerkt worden war und der an der Thüre dem Gespräche schon seit einiger Zeit zugehört hatte, in die Mitte des Saales und sagte: »Ich bin gewillt, es zu thun!«
Bei diesen Worten warf er Rotgier seinen eigenen Handschuh ins Gesicht und sprach dann mit einer Stimme, die inmitten der tiefen Stille wie Donner klang: »Vor dem Angesichte Gottes, in Gegenwart des erhabenen Fürsten und all der berühmten Ritter dieses Landes sage ich Dir, Kreuzritter, daß Du gleich einem Hunde gegen Recht und Gerechtigkeit belferst. Ich fordere Dich daher in die Schranken zu Fuß oder zu Roß, zum Kampfe mit der Lanze oder mit der Streitaxt, mit dem kurzen oder mit dem langen Schwerte, und nicht um die Freiheit wollen wir streiten, nein, um Leben und Tod.«
In der Halle hätte man die Fliege an der Wand hören können. Aller Augen richteten sich auf Rotgier und auf den Ritter, der jenen vor die Schranken gefordert hatte. Niemand vermochte ihn zu erkennen, denn wenn er auch kein Visier an seinem Helm hatte, war dieser doch mit einer so breiten Kante versehen, daß dadurch nicht nur die Ohren und der obere Teil des Gesichtes fast vollständig bedeckt waren, sondern auch der untere Teil des Antlitzes beschattet ward. Der Kreuzritter war nicht weniger überrascht als die andern. Wie ein Blitzstrahl am nächtlichen Himmel, so spiegelte sich auf seinen bleichen Zügen bald gänzliche Fassungslosigkeit, bald wilder Zorn. Rasch ergriff er den Handschuh, der von seinem Gesichte herabgleitend, sich an einem Gliede der Armschiene festgehakt hatte, und fragte: »Wer bist Du, der Du Gott zum Richter anrufst?«
Da löste der unbekannte Ritter die Schnalle unter seinem Kinn, nahm den Helm ab, so daß sein jugendfrisches Antlitz sichtbar ward, und antwortete: »Zbyszko aus Bogdaniec, der Ehegemahl von Jurands Tochter.«
Staunend vernahmen alle Anwesenden diesen Ausspruch, hatte doch außer dem Fürstenpaare, dem Pater Wyszoniek und dem Lothringer niemand Kenntnis von der Vermählung Danusias gehabt. Die Kreuzritter waren daher der Ansicht gewesen, die Tochter Jurands habe keinen andern natürlichen Beschützer als ihren Vater. Mit einem Male trat auch jetzt Herr de Lorche in die Mitte des Saales und rief: »Auf meine ritterliche Ehre bezeuge ich die Wahrheit seiner Worte, und einem jeden, der daran zu zweifeln wagt, dem werfe ich den Handschuh hin.«
Rotgier, der keine Furcht kannte und dessen Brust in diesem Augenblick von grimmem Zorn erfüllt war, würde vielleicht auch diesen Handschuh aufgehoben haben, wenn er sich nicht rechtzeitig eines Besseren besonnen und seinen Groll bezwungen hätte. Denn ganz abgesehen davon, daß er sich ins Gedächtnis zurückrief, welch ansehnlicher Ritter der Lothringer war und welche Macht er als Blutsverwandter des Grafen Geldryi besaß, mußte er schon deshalb an sich halten, weil sich nun der Fürst erhob und finsteren Blickes erklärte: »Es ist nicht gestattet, den Handschuh aufzuheben, denn auch ich bezeuge, daß jener Ritter die Wahrheit gesprochen hat.«
Daraufhin neigte Rotgier das Haupt, wendete sich zu Zbyszko und sagte: »Wenn es auch Dein Wille ist, fechten wir den Kampf innerhalb geschlossener Schranken zu Fuß und mit der Streitaxt aus.«
»Schon das erste Mal habe ich Dich auf diese Weise gefordert!« antwortete Zbyszko.
»Gott verleihe der gerechten Sache den Sieg!« riefen die masovischen Ritter.