Goethe und Schiller: Xenien

Xenien von Goethe und Schiller

1. Der ästhetische Thorschreiber.

Halt Passagiere! Wer seid ihr? Wes Standes und Charakteres?

Niemand passieret hier durch, bis er den Paß mir gezeigt.

2. Xenien.

Distichen sind wir. Wir geben uns nicht für mehr noch für minder,

Sperre du immer, wir ziehn über den Schlagbaum hinweg.

3. Visitator.

Öffnet die Koffers. Ihr habt doch nichts Konterbandes geladen?

Gegen die Kirche? den Staat? Nichts von französischem Gut?

4. Xenien.

Koffers führen wir nicht. Wir führen nicht mehr, als zwei Taschen

Tragen, und die, wie bekannt, sind bei Poeten nicht schwer.

5. Der Mann mit dem Klingelbeutel.

Messieurs! Es ist der Gebrauch, wer diese Straße bereiset,

Legt für die Dummen was, für die Gebrechlichen ein.

6. Helf Gott!

Das verwünschte Gebettel! Es haben die vorderen Kutschen

Reichlich für uns mit bezahlt. Geben nichts. Kutscher, fahr zu.

7. Der Glückstopf.

Hier ist Messe, geschwind, packt aus und schmücket die Bude,

Kommt Autoren, und zieht, jeder versuche sein Glück.

8. Die Kunden.

Wenige Treffer sind gewöhnlich in solchen Butiken,

Doch die Hoffnung treibt frisch und die Neugier herbei.

9. Das Widerwärtige.

Dichter und Liebende schenken sich selbst, doch Speise voll Ekel!

Dringt die gemeine Natur sich zum Genusse dir auf!

10. Das Desideratum.

Hättest du Phantasie und Witz und Empfinden und Urteil,

Wahrlich dir fehlte nicht viel, Wieland und Lessing zu sein!

11. An einen gewissen moralischen Dichter.

Ja der Mensch ist ein ärmlicher Wicht, ich weiß – doch das wollt‘ ich

Eben vergessen, und kam, ach wie gereut mich’s, zu dir.

12. Das Verbindungsmittel.

Wie verfährt die Natur, um Hohes und Niedres im Menschen

Zu verbinden? Sie stellt Eitelkeit zwischen hinein.

13. Für Töchter edler Herkunft.

Töchtern edler Geburt ist dieses Werk zu empfehlen,

Um zu Töchtern der Lust schnell sich befördert zu sehn.

14. Der Kunstgriff.

Wollt ihr zugleich den Kindern der Welt und den Frommen gefallen?

Malet die Wollust – nur malet den Teufel dazu.

15. Der Teleolog.

Welche Verehrung verdient der Weltenschöpfer, der gnädig

Als er den Korkbaum schuf, gleich auch die Stöpsel erfand!

16. Der Antiquar.

Was ein christliches Auge nur sieht, erblick‘ ich im Marmor:

Zeus und sein ganzes Geschlecht grämt sich und fürchtet den Tod.

17. Der Kenner.

Alte Vasen und Urnen! Das Zeug wohl könnt‘ ich entbehren;

Doch ein Majolika-Topf machte mich glücklich und reich.

18. Erreurs et Verité

Irrtum wolltest du bringen und Wahrheit, o Bote, von Wandsbeck;

Wahrheit, sie war dir zu schwer; Irrtum, den brachtest du fort.

19. H. S.

Auf das empfindsame Volk hab‘ ich nie was gehalten, es werden,

Kommt die Gelegenheit, nur schlechte Gesellen daraus.

20. Der Prophet.

Schade, daß die Natur nur Einen Menschen aus dir schuf,

Denn zum würdigen Mann war und zum Schelmen der Stoff.

21. Das Amalgama.

Alles mischt die Natur so einzig und innig, doch hat sie

Edel- und Schalksinn hier, ach! nur zu innig vermischt.

22. Der erhabene Stoff.

Deine Muse besingt, wie Gott sich der Menschen erbarmte,

Aber ist das Poesie, daß er erbärmlich sie fand?

23. Belsatzer, ein Drama.

König Belsatzer schmaust in dem ersten Akte, der König

Schmaust in dem zweiten, es schmaust fort bis zu Ende der Fürst.

24. Gewisse Romanhelden.

Ohne das mindeste nur dem Pedanten zu nehmen, erschuft du,

Künstler, wie keiner mehr ist, einen vollendeten Geck.

25. Pfarrer Cyllenius.

Still doch von deinen Pastoren und ihrem Zofenfranzösisch,

Auch von den Zofen nichts mehr mit dem Pastorenlatein.

26. Jamben.

Jambe nennt man das Tier mit einem kurzen und langen

Fuß, und so nennst du mit Recht Jamben das hinkende Werk.

27. Neueste Schule.

Ehmals hatte man Einen Geschmack. Nun gibt es Geschmäcke,

Aber sagt mir wo sitzt dieser Geschmäcke Geschmack?

28. An deutsche Baulustige

Kamtschadalisch lernt man euch bald die Zimmer verzieren,

Und doch ist Manches bei euch schon Kamtschadalisch genug.

29. Affiche.

Stille kneteten wir Salpeter, Kohlen und Schwefel,

Bohrten Röhren, gefall‘ nun das Feuerwerk auch.

30. Zur Abwechslung.

Einige steigen als leuchtende Kugeln und andere zünden,

Manche auch werfen wir nur spielend, das Aug‘ zu erfreun.

31. Der Zeitpunkt.

Eine große Epoche hat das Jahrhundert geboren,

Aber der große Moment findet ein kleines Geschlecht.

32. Goldnes Zeitalter.

Ob die Menschen im ganzen sich bessern? Ich glaub‘ es, denn einzeln

Suche man, wie man auch will, sieht man doch gar nichts davon.

33. Manso von den Grazien.

Hexen lassen sich wohl durch schlechte Sprüche citieren,

Aber die Grazie kommt nur auf der Grazie Ruf.

34. Tassos Jerusalem von demselben.

Ein asphaltischer Sumpf bezeichnet hier noch die Stätte,

Wo Jerusalem stand, das uns Torquato besang.

35. Die Kunst zu lieben.

Auch zum Lieben bedarfst du der Kunst? Unglücklicher Manso,

Daß die Natur auch nichts, gar nichts für dich noch gethan!

36. Der Schulmeister zu Breslau.

In langweiligen Versen und abgeschmackten Gedanken

Lehrt ein Präzeptor uns hier, wie man gefällt und verführt.

37. Amor als Schulkollege.

Was das entsetzlichste sei von allen entsetzlichen Dingen?

Ein Pedant, den es jückt, locker und lose zu sein.

38. Der zweite Ovid.

Armer Naso, hättest du doch wie Manso geschrieben,

Nimmer, du guter Gesell‘, hättest du Tomi gesehn.

39. Das Unverzeihliche

Alles kann mißlingen, wir können’s ertragen, vergeben;

Nur nicht, was sich bestrebt, reizend und lieblich zu sein.

40. Prosaische Reimer.

Wieland, wie reich ist dein Geist! Das kann man nun erst empfinden,

Sieht man, wie fad‘ und wie leer dein Caput mortuum ist.

41. Jean Paul Richter.

Hieltest du deinen Reichtum nur halb so zu Rate, wie jener

Seine Armut, du wärst unsrer Bewunderung wert.

42. An seinen Lobredner.

Meinst du, er werde größer, wenn du die Schultern ihm leihst?

Er bleibt klein wie zuvor, du hast den Höcker davon.

43. Feindlicher Einfall.

Fort ins Land der Philister, ihr Füchse mit brennenden Schwänzen,

Und verderbet der Herrn reife papierene Saat.

44. Nekrolog.

Unter allen, die von uns berichten, bist du mir der liebste,

Wer sich lieset in dir, liest dich zum Glücke nicht mehr.

45. Bibliothek schöner Wissenschaften.

Jahrelang schöpfen wir schon in das Sieb und brüten den Stein aus,

Aber der Stein wird nicht warm, aber das Sieb wird nicht voll.

46. Dieselbe.

Invaliden Poeten ist dieser Spittel gestiftet,

Gicht und Wassersucht wird hier von der Schwindsucht gepflegt.

47. Die neuesten Geschmacksrichter.

Dichter, ihr armen, was müßt ihr nicht alles hören, damit nur

Sein Exerzitium schnell lese gedruckt der Student!

48. An Schwätzer und Schmierer.

Treibet das Handwerk nur fort, wir können‘ euch freilich nicht legen,

Aber ruhig, das glaubt, treibt ihr es künftig nicht mehr.

49. Guerre ouverte.

Lange neckt ihr uns schon, doch immer heimlich und tückisch,

Krieg verlangtet ihr ja, führt ihn nun offen, den Krieg.

50. An gewisse Kollegen.

Mögt ihr die schlechten Regenten mit strengen Worten verfolgen,

Aber schmeichelt doch auch schlechten Autoren mehr.

51. An die Herren N. O. P.

Euch bedaur‘ ich am meisten, ihr wähltet gerne das Gute,

Aber euch hat die Natur gänzlich das Urteil versagt.

52. Der Kommissarius des Jüngsten Gerichts.

Nach Kalabrien reist er, das Arsenal zu besehen,

Wo man die Artillerie gießt zu dem Jüngsten Gericht.

53. Kant und seine Ausleger.

Wie doch ein einziger Reicher so viele Bettler in Nahrung

Setzt! Wenn die Könige baun, haben die Kärrner zu thun.

54. J—b.

Steil wohl ist er, der Weg zur Wahrheit, und schlüpfrig zu steigen,

Aber wir legen ihn doch nicht gern auf Eseln zurück.

55. Die Stockblinden.

Blinde, weiß ich wohl, fühlen und Taube sehen viel schärfer,

Aber mit welchem Organ philosophiert denn das Volk?

56. Analytiker.

Ist denn die Wahrheit ein Zwiebel, von dem man die Häute nur abschält?

Was ihr hinein nicht gelegt, ziehet ihr nimmer heraus.

57. Der Geist und der Buchstabe.

Lange kann man mit Marken, mit Rechenpfennigen zahlen,

Endlich, es hilft nichts, ihr Herrn, muß man den Beutel doch ziehn.

58. Wissenschaftliches Genie.

Wird der Poet nur geboren? Der Philosoph wird’s nicht minder,

Alle Wahrheit zuletzt wird nur gebildet, geschaut.

59. Die bornierten Köpfe.

Etwas nützet ihr doch, die Vernunft vergißt des Verstandes

Schranken so gern, und die stellet ihr redlich uns dar.

60. Bedientenpflicht.

Rein zuerst sei das Haus, in welchem die Königin einzieht,

Frisch denn, die Stuben gefegt! dafür, ihr Herrn, seid ihr da.

61. Ungebühr.

Aber, erscheint sie selbst, hinaus vor die Thüre, Gesinde!

Auf den Sessel der Frau pflanze die Magd sich nicht hin.

62. Wissenschaft.

Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem andern

Eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt.

63. An Kant.

Vornehm nennst du den Ton der neuen Propheten? Ganz richtig,

Vornehm philosophiert heißt wie Rotüre gedacht.

64. Der kurzweilige Philosoph.

Eine spaßhafte Weisheit doziert hier ein lustiger Doktor

Bloß dem Namen nach Ernst, und in dem lustigsten Saal.

65. Verfehlter Beruf.

Schade, daß ein Talent hier auf dem Katheder verhallet,

Das auf höherm Gerüst hätte zu glänzen verdient.

66. Das philosophische Gespräch.

Einer, das höret man wohl, spricht nach dem andern, doch keiner

Mit dem andern; wer nennt zwei Monologen Gespräch?

67. Das Privilegium.

Dichter und Kinder, man gibt sich mit beiden nur ab, um zu spielen,

Nun so erboset euch nicht, wird euch die Jugend zu laut.

68. Litterarischer Zodiacus.

Jetzo, ihr Distichen, nehmt euch zusammen, es thut sich der Tierkreis

Grauend euch auf; mir nach, Kinder! wird müssen hindurch.

69. Zeichen des Widders.

Auf den Widder stoßt ihr zunächst, den Führer der Schafe,

Aus dem Dykischen Pferch springet er trotzig hervor.

70. Zeichen des Stiers.

Nebenan gleich empfängt euch sein Namensbruder; mit stumpfen

Hörnern, weicht ihr nicht aus, stößt euch der Hallische Ochs.

71. Zeichen des Fuhrmanns.

Alsobald knallet in G** des Reiches würdiger Schwager,

Zwar er nimmt euch nicht mit, aber er fährt doch vorbei.

72. Zeichen der Zwillinge.

Kommt ihr den Zwillingen nah‘, so sprecht nur: Gelobt sei J—

C—! »In Ewigkeit« gibt man zum Gruß euch zurück.

73. Zeichen des Bärs.

Nächst daran strecket der Bär zu K** die bleiernen Tatzen

Gegen euch aus, doch er fängt euch nur die Fliegen vom Kleide.

74. Zeichen des Krebses.

Geht mir dem Krebs in B*** aus dem Weg, manch lyrisches Blümchen,

Schwellend in üppigem Wuchs, kneipte die Schere zu Tod.

75. Zeichen des Löwen.

Jetzo nehmt euch in acht vor dem wackern Eutinischen Leuen,

Daß er mit griechischem Zahn euch nicht verwunde den Fuß.

76. Zeichen der Jungfrau.

Bücket euch, wie sich’s geziemt, vor der zierlichen Jungfrau zu Weimar,

Schmollt sie auch oft – wer verzeiht Launen der Grazie nicht?

77. Zeichen des Raben.

Vor dem Raben nur sehet euch vor, der hinter ihr krächzet,

Das Nekrologische Tier setzt auf Kadaver sich nur.

78. Locken der Berenice.

Sehet auch wir ihr in S*** den groben Fäusten entschlüpfet,

Die Berenicens Haar striegeln mit eisernem Kamm.

79. Zeichen der Wage.

Jetzo wäre der Ort, daß ihr die Wage beträtet,

Aber dies Zeichen ward längst schon am Himmel vermißt.

80. Zeichen des Skorpions.

Aber nun kommt ein böses Insekt, aus G—b—n her,

Schmeichelnd naht es, ihr habt, flieht ihr nicht eilig, den Stich.

81. Ophiuchus.

Drohend hält euch die Schlang‘ jetzt Ophiuchus entgegen,

Fürchtet sie nicht, es ist nur der getrocknete Balg.

82. Zeichen des Schützen.

Seid ihr da glücklich vorbei, so naht euch dem zielenden Hofrat

Schütz nur getrost, er liebt und er versteht auch den Spaß.

83. Gans.

Laßt sodann ruhig die Gans in L***g und G**a gagagen,

Die beißt keinen, es quält nur ihr Geschnatter das Ohr.

84. Zeichen des Steinbocks.

Im Vorbeigehn stutzt mir den alten Berlinischen Steinbock,

Das verdrießt ihn, so gibt’s etwas zu lachen fürs Volk.

85. Zeichen des Pegasus.

Aber seht ihr in B**** den Grad ad Parnassum, so bittet

Höflich ihm ab, daß ihr euch eigne Wege gewählt.

86. Zeichen des Wassermanns.

Übrigens haltet euch ja von dem Dr***r Wassermann ferne,

Daß er nicht über euch her gieße den Elbstrom aus.

87. Eridanus.

An des Eridanus Ufern umgeht mir die furchtbare Waschfrau,

Welche die Sprache des Teut säubert mit Lauge und Sand.

88. Fische.

Seht ihr in Leipzig die Fischlein, die sich in Sulzers Zisterne

Regen, so fangt euch zur Lust einige Grundeln heraus.

89. Der fliegende Fisch.

Neckt euch in Breslau der fliegende Fisch, erwartet’s geduldig,

In sein wäss’risches Reich zieht ihn Neptun bald hinab.

90. Glück auf den Weg.

Manche Gefahren umringen euch noch, ich hab‘ sie verschwiegen,

Aber wir werden uns noch aller erinnern – nur zu!

91. Die Aufgabe.

Wem die Verse gehören? Ihr werdet es schwerlich erraten,

Sondert, wenn ihr nun könnt, o Chorizonten, auch hier!

92. Wohlfeile Achtung.

Selten erhaben und groß und selten würdig der Liebe

Lebt er doch immer, der Mensch, und wird geehrt und geliebt.

93. Revolutionen.

Was das Luthertum war, ist jetzt das Franztum in diesen

Letzten Tagen, es drängt ruhige Bildung zurück.

94. Parteigeist.

Wo Parteien entstehn, hält jeder sich hüben und drüben,

Viele Jahre vergehn, eh‘ sie die Mitte vereint.

95. Das Deutsche Reich.

Deutschland? aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden,

Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.

96. Deutscher Nationalcharakter.

Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebens;

Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus.

97. Rhein.

Treu, wie dem Schweizer gebührt, bewach‘ ich Germaniens Grenze,

Aber der Gallier hüpft über den duldenden Strom.

98. Rhein und Mosel.

Schon so lang‘ umarm‘ ich die lotharingische Jungfrau,

Aber noch hat kein Sohn unsre Umarmung erfreut!

99. Donau in B**.

Bacchus, der lustige, führt mich und Komus, der fette, durch reiche

Triften, aber verschämt bleibt die Charis zurück.

100. Donau in O**.

Mich umwohnet mit glänzendem Aug‘ das Volk der Fajaken,

Immer ist’s Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß.

101. Main.

Meine Burgen zerfallen zwar, doch getröstet erblick‘ ich

Seit Jahrhunderten noch immer das alte Geschlecht.

102. Saale.

Kurz ist mein Lauf und begrüßt der Fürsten, der Völker so viele,

Aber die Fürsten sind gut, aber die Völker sind frei.

103. Ilm.

Meine Ufer sind arm, doch höret die leisere Welle,

Führt der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

104. Pleiße.

Flach ist mein Ufer und seicht mein Bächlein, es schöpften zu durstig

Meine Poeten mich, meine Prosaiker auch.

105. Elbe.

All‘ ihr andern, ihr sprecht nur ein Kauderwelsch. Unter den Flüssen

Deutschlands rede nur ich, und auch in Meißen nur, deutsch.

106. Spree.

Sprache gab mir einst Ramler und Stoff mein Cäsar, da nahm ich

Meinen Mund etwas voll, aber ich schweige seitdem.

107. Weser.

Leider von mir ist gar nichts zu sagen, auch zu dem kleinsten

Epigramme, bedenkt! geb‘ ich der Muse nicht Stoff.

108. Gesundbrunnen zu ***.

Seltsames Land! Hier haben die Flüsse Geschmack und die Quellen,

Bei den Bewohnern allein hab‘ ich noch keinen verspürt.

109. P** bei N**.

Ganz hypochondrisch bin ich vor Langerweile geworden,

Und ich fließe nur fort, weil es so hergebracht ist.

110. Die **chen Flüsse.

Unsereiner hat’s halter gut in **cher Herren

Ländern, ihr Joch ist sanft und ihre Lasten sind leicht.

111. Salzach.

Aus Juvaviens Bergen ström‘ ich, das Erzstift zu salzen,

Lenke dann Bayern zu, wo es an Salze gebricht.

112. Der anonyme Fluß.

Fastenspeisen dem Tisch des frommen Bischofs zu liefern,

Goß der Schöpfer mich aus durch das verhungerte Land.

113. Les fleuves indiscrets.

Jetzt kein Wort mehr, ihr Flüsse. Man sieht’s, ihr wißt euch so wenig

Zu bescheiden, als einst Diderots Schätzchen gethan.

114. An den Leser.

Lies uns nach Laune, nach Lust, in trüben, in fröhlichen Stunden,

Wie uns der gute Geist, wie uns der böse gezeugt.

115. Gewissen Lesern.

Viele Bücher genießt ihr, die ungesalznen, verzeihet,

Daß dies Büchelchen uns überzusalzen beliebt.

116. Dialogen aus dem Griechischen.

Zur Erbauung andächtiger Seelen hat F*** S***,

Graf und Poet und Christ, diese Gespräche verdeutscht.

117. Der Ersatz.

Als du die griechischen Götter geschmäht, da warf dich Apollo

Von dem Parnasse; dafür gehst du ins Himmelreich ein.

118. Der moderne Halbgott.

Christlicher Herkules, du ersticktest so gerne die Riesen,

Aber die heidnische Brut steht, Herkuliscus! noch fest.

119. Charis.

Ist dies die Frau des Künstlers Vulkan? Sie spricht von dem Handwerk

Wie es des Roturiers adliger Hälfte geziemt.

120. Nachbildung der Natur.

Was nur Einer vermag, das sollte nur Einer uns schildern,

Voß nur den Pfarrer und nur Iffland den Förster allein.

121. Nachäffer.

Aber da meinen die Pfuscher, ein jeder Schwarzrock und Grünrock

Sei auch an und für sich unsrer Beschauung schon wert

122. Klingklang.

In der Dichtkunst hat er mit Worten herzlos geklingelt,

In der Philosophie treibt er es pfäffisch so fort.

123. An gewisse Umschöpfer.

Nichts soll werden das Etwas, daß Nichts sich zu Etwas gestalte,

Laß das Etwas nur sein! nie wird zu Etwas das Nichts.

124. Aufmunterung.

Deutschland fragt nach Gedichten nicht viel; ihr kleinen Gesellen,

Lärmt, bis jeglicher sich wundernd ans Fenster begibt.

125. Das Brüderpaar.

Als Kentauren gingen sie einst durch poetische Wälder,

Aber das wilde Geschlecht hat sich geschwinde bekehrt.

126. K**.

Höre den Tadler! Du kannst, was er noch vermißt, dir erwerben;

Jenes, was nie sich erwirbt, freue dich! gab dir Natur.

127. An die Moralisten.

Richtet den herrschenden Stab auf Leben und Handeln und lasset

Amorn, dem lieblichen Gott, doch mit der Muse das Spiel.

128. Der Leviathan und die Epigramme.

Fürchterlich bist du im Kampf, nur brauchst du etwas viel Wasser;

Aber versuch es einmal, Fisch! in den Lüften mit uns.

129. Luise von Voß.

Wahrlich, es füllt mit Wonne das Herz, dem Gesange zu horchen,

Ahmt ein Sänger, wie der, Töne des Altertums nach.

130. Jupiters Kette.

Hängen auch alle Schmierer und Reimer sich an dich, sie ziehen

Doch nicht hinunter, doch und ziehst sie auch schwerlich hinauf.

131. Aus einer der neuesten Episteln.

Klopstock, der ist mein Mann, der in neue Phrasen gestoßen,

Was er im höllischen Pfuhl Hohes und Großes vernahm.

132. B**s Taschenbuch.

Eine Kollektion von Gedichten? eine Kollekte

Nenn es, der Armut zulieb‘ und bei der Armut gemacht.

133. Ein deutsches Meisterstück.

Alles an diesem Gedicht ist vollkommen, Sprache, Gedanke,

Rhythmus, das einzige nur fehlt noch, es ist kein Gedicht.

134. Unschuldige Schwachheit.

Unsre Gedichte nur trifft dein Spott? O schätzet euch glücklich,

Daß das Schlimmste an euch eure Erdichtungen sind.

135. Das Neueste aus Rom.

Raum und Zeit hat man wirklich gemalt, es steht zu erwarten,

Daß man mit ähnlichem Glück nächstens die Tugend uns tanzt.

136. Deutsches Lustspiel.

Thoren hätten wir wohl, wir hätten Fratzen die Menge,

Leider helfen sie nur selbst zur Komödie nichts.

137. Das Märchen.

Mehr als zwanzig Personen sind in dem Märchen geschäftig,

Nun, und was machen sie denn alle? Das Märchen, mein Freund.

138. Frivole Neugier.

Das verlohnte sich auch, den delphischen Gott zu bemühen,

Daß er dir sage, mein Freund, wer der Armenier war.

139. Beispielsammlung.

Nicht bloß Beispielsammlung, nein, selber ein warnendes Beispiel,

Wie man nimmermehr soll sammeln für guten Geschmack.

140. Mit Erlaubnis.

Nimm’s nicht übel, daß nun auch deiner gedacht wird! Verlangst du

Das Vergnügen umsonst, daß man den Nachbar vexiert?

141. Der Sprachforscher.

Anatomieren magst du die Sprache, doch nur ihr Kadaver,

Geist und Leben entschlüpft flüchtig dem groben Skalpell.

142. Geschichte eines dicken Mannes.

Dieses Werk ist durchaus nicht in Gesellschaft zu lesen,

Da es, wie Rezensent rühmet, die Blähungen treibt.

143. Anekdoten von Friedrich II.

Von dem unsterblichen Friedrich, dem einzigen, handelt in diesen

Blättern der zehenmalzehn tausendste sterbliche Fritz.

144. Litteraturbriefe.

Auch Nicolai schrieb an dem trefflichen Werk? Ich will’s glauben,

Mancher Gemeinplatz auch steht in dem trefflichen Werk.

145. Gewisse Melodien.

Dies ist Musik fürs Denken! Solang‘ man sie hört, bleibt man eiskalt,

Vier, fünf Stunden darauf macht sie erst rechten Effekt.

146. Überschriften dazu.

Frostig und herzlos ist der Gesang, doch Sänger und Spieler

Werden oben am Rand höflich zu fühlen ersucht.

147. Der böse Geselle.

Dichter, bitte die Musen, vor ihm den Lied zu bewahren,

Auch dein leichtestes zieht nieder der schwere Gesang.

148. Karl von Karlsberg.

Was der berühmte Verfasser des menschlichen Elends verdiene?

Sich in der Charité gratis verköstigt zu sehn.

149. Schriften für Damen und Kinder.

»Bibliothek für das andre Geschlecht, nebst Fabeln für Kinder«.

Also für Kinder nicht, nicht für das andre Geschlecht.

150. Dieselbe.

Immer für Weiber und Kinder! Ich dächte, man schriebe für Männer,

Und überließe dem Mann Sorge für Frau und für Kind!

151. Gesellschaft von Sprachfreunden.

O wie schätz‘ ich euch hoch! Ihr bürstet sorglich die Kleider

Unsrer Autoren, und wem fliegt nicht ein Federchen an?

152. Der Purist.

Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern,

Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.

153. Vernünftige Betrachtung.

Warum plagen wir, einer dem andern? Das Leben zerrinnet,

Und es versammelt uns nur einmal wie heute die Zeit.

154. An **.

Gerne plagt‘ ich auch dich, doch es will mir mit dir nicht gelingen,

Du bist zum Ernst mir zu leicht, bist für den Scherz mir zu plump.

155. An **.

Nein! Du erbittest mich nicht. Du hörtest dich gerne verspottet,

Hörtest du dich nur genannt, darum verschon‘ ich dich, Freund.

156. Garve.

Hör‘ ich über Geduld dich, edler Leidender, reden,

O, wie wird mir das Volk frömmelnder Schwätzer verhaßt.

157. Auf gewisse Anfragen.

Ob dich der Genius ruft? Ob du dem Rufenden folgest?

Ja, wenn du mich fragst – nein! Folge dem Rufenden nicht.

158. Stoßgebet.

Vor dem Aristokraten in Lumpen bewahrt mich, ihr Götter,

Und vor dem Sansculott auch mit Epauletten und Stern!

159. Distinktionszeichen.

»Unbedeutend sind doch auch manche von euren Gedichten!«

Freilich, zu jeglicher Schrift braucht man auch Komma und Punkt.

160. Die Adressen.

Alles ist nicht für alle, das wissen wir selber, doch nichts is

Ohne Bestimmung, es nimmt jeder sich selbst sein Paket.

161. Schöpfung durch Feuer.

Arme basaltische Säulen! Ihr solltet dem Feuer gehören,

Und doch sah euch kein Mensch je aus dem Feuer entstehn.

162. Mineralogischer Patriotismus.

Jedermann schürfte bei sich auch nach Basalten und Lava,

Denn es klinget nicht schlecht, hier ist vulkanisch Gebirg‘!

163. Kurze Freude.

Endlich zog man sie wieder ins alte Wasser herunter,

Und es löscht sich nun bald dieser entzündete Streit.

164. Triumph der Schule.

Welch erhabner Gedanke! Uns lehrt der unsterbliche Meister,

Künstlich zu teilen den Strahl, den wir nur einfach gekannt.

165. Die Möglichkeit.

Liegt der Irrtum nur erst, wie ein Grundstein, unten im Boden,

Immer baut man darauf, nimmermehr kommt er an Tag.

166. Wiederholung.

Hundertmal werd‘ ich’s euch sagen und tausendmal: Irrtum ist Irrtum!

Ob ihn der größte Mann, ob ihn der kleinste beging.

167. Wer glaubt’s.

Newton hat sich geirrt? ja doppelt und dreifach! und wie denn?

Lange steht es gedruckt, aber es liest es kein Mensch.

168. Der Welt Lauf.

Drucken fördert euch nicht, es unterdrückt euch die Schule;

Aber nicht immer, und dann geben sie schweigend sich drein.

169. Hoffnung.

Allen habt ihr die Ehre genommen, die gegen euch zeugten;

Aber dem Märtyrer kehrt späte sie doppelt zurück.

170. Exempel.

Schon Ein Irrlicht sah ich verschwinden, dich, Phlogiston! Balde,

O Newtonisch Gespenst! folgst du dem Brüderchen nach.

171. Der letzte Märtyrer.

Auch mich bratet ihr noch als Huß vielleicht, aber wahrhaftig!

Lange bleibet der Schwan, der es vollendet, nicht aus.

172. Menschlichkeiten.

Leidlich hat Newton gesehen und falsch geschlossen, am Ende

Blieb er, ein Brite, verstockt; schloß er, bewies er so fort.

173. Und abermals Menschlichkeiten.

Seine Schüler hörten nun auf, zu sehn und zu schließen,

Reservierten getrost, was er auch sah und bewies.

174. Der Widerstand.

Aristokratisch gesinnt ist mancher Gelehrte, denn gleich ist’s,

Ob man auf Helm und Schild oder auf Meinungen ruht.

175. Neueste Farbentheorie von Wünsch.

Gelbrot und grün macht das Gelbe, grün und violblau das Blaue!

So wird aus Gurkensalat wirklich der Essig erzeugt!

176. Das Mittel.

Warum sagst du uns das in Versen? Die Verse sind wirksam,

Spricht man in Prosa zu euch, stopft ihr die Ohren euch zu.

177. Moralische Zwecke der Poesie.

»Bessern, bessern soll uns der Dichter!« So darf denn auf euren

Rücken des Büttels Stock nicht einen Augenblick ruhn?

178. Sektions-Wut.

Lebend noch exenterieren sie euch, und seid ihr gestorben,

Passet im Nekrolog noch ein Prosektor euch auf.

179. Kritische Studien.

Schneidet, schneidet, ihr Herrn, durch Schneiden lernet der Schüler,

Aber wehe dem Frosch, der euch den Schenkel muß leihn!

180. Der astronomische Himmel.

So erhaben, so groß ist, so weit entlegen der Himmel!

Aber der Kleinigkeitsgeist fand auch bis dahin den Weg.

181. Naturforscher und Transcendental-Philosophen.

Feindschaft sei zwischen euch, noch kommt das Bündnis zu frühe,

Wenn ihr im Suchen euch trennt, wird erst die Wahrheit erkannt.

182. An die voreiligen

Verbindungsstifter.

Jeder wandle für sich, und wisse nichts von dem andern,

Wandeln nur beide gerad‘, finden sich beide gewiß.

183. Der treue Spiegel.

Reiner Bach, du entstellst nicht den Kiesel, du bringst ihn dem Auge

Näher, so seh‘ ich die Welt, ***, wenn du sie beschreibt.

184. Nicolai.

Nicolai reiset noch immer, noch lang‘ wird er reisen,

Aber ins Land der Vernunft findet er nimmer den Weg.

185. Der Wichtige.

Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er sagt sie,

Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.

186. Der Plan des Werkes.

Meine Reis‘ ist ein Faden, an dem ich drei Lustra die Deutschen

Nützlich führe, so wie formlos die Form mir’s gebeut.

187. Formalphilosophie.

Allen Formen macht er den Krieg, er weiß wohl, zeitlebens

Hat er mit Müh‘ und Not Stoff nur zusammengeschleppt.

188. Der Todfeind.

Willst du alles vertilgen, was deiner Natur nicht gemäß ist,

Nicolai, zuerst schwöre dem Schönen den Tod!

189. Philosophische Querköpfe.

Querkopf! schreiet ergrimmt in unsre Wälder Herr Nickel,

Leerkopf! schallt es darauf lustig zum Walde heraus.

190. Empirischer Querkopf.

Armer empirischer Teufel! Du kennst nicht einmal das Dumme

In dir selber, es ist ach! a priori so dumm.

191. Der Quellenforscher.

Nicolai entdeckt die Quellen der Donau! Welch Wunder!

Sieht er gewöhnlich doch sich nach der Quelle nicht um.

192. Derselbe.

Nichts kann er leiden, was groß ist und mächtig, drum, herrliche Donau,

Spürt dir der Häscher so lang‘ nach, bis er seicht dich ertappt.

193. N. Reisen, XI. Band, S. 177.

A propos Tübingen! Dort sind Mädchen, die tragen die Zöpfe

Lang geflochten, auch dort gibt man die Horen heraus.

194. Der Glückliche.

Sehen möcht‘ ich dich Nickel, wenn du ein Späßchen erhaschest,

Und von dem Fund entzückt, drauf dich im Spiegel besiehst.

195. Verkehrte Wirkung.

Rührt sonst einen der Schlag, so stockt die Zunge gewöhnlich,

Dieser, so lange gelähmt, schwatzt nur geläufiger fort.

196. Pfahl im Fleisch.

Nenne Lessing nur nicht, der Gute hat vieles gelitten,

Und in des Märtyrers Kranz warst du ein schrecklicher Dorn.

197. Die Horen an Nicolai.

Unsere Reihen störtest du gern, doch werden wir wandeln,

Und du tappe denn auch, plumper Geselle! so fort.

198. Fichte und Er.

Freilich tauchet der Mann kühn in die Tiefe des Meeres,

Wenn du, auf leichtem Kahn, schwankest und Heringe fängst.

199. Briefe über ästhetische Bildung.

Dunkel sind sie zuweilen, vielleicht mit Unrecht, o Nickel!

Aber die Deutlichkeit ist wahrlich nicht Tugend an dir.

200. Modephilosophie.

Lächerlichster, du nennst das Mode, wenn immer von neuem

Sich der menschliche Geist ernstlich nach Bildung bestrebt.

201. Das grobe Organ.

Was du mit Händen nicht greifst, das scheint dir Blinden ein Unding,

Und betastest du was, gleich ist das Ding auch beschmutzt.

202. Der Lastträger.

Weil du vieles geschleppt und schleppst und schleppen wirst, meinst du,

Was sich selber bewegt, könne vor dir nicht bestehn.

203. Die Weidtasche.

Reget sich was, gleich schießt der Jäger, ihm scheinet die Schöpfung,

Wie lebendig sie ist, nur für den Schnappsack gemacht.

204. Der Unentbehrliche.

Könnte Menschenverstand doch ohne Vernunft nur bestehen,

Nickel hätte fürwahr menschlichsten Menschenverstand.

205. Die Xenien.

Was uns ärgert, du gibst mit langen entsetzlichen Noten

Uns auch wieder heraus unter der Reiserubrik.

206. Lucri bonus odor

Gröblich haben wir dich behandelt, das brauche zum Vorteil

Und im zwölften Band schilt uns, da gibt es ein Blatt.

207. Vorsatz.

Den Philister verdrieße, den Schwärmer necke, den Heuchler

Quäle der fröhliche Vers, der nur das Gute verehrt.

208. Nur Zeitschriften.

Frankreich faßt er mit einer, das arme Deutschland gewaltig

Mit der andern, doch sind beide papieren und leicht!

209. Das Motto.

Wahrheit sag‘ ich euch, Wahrheit und immer Wahrheit, versteht sich:

Meine Wahrheit; denn sonst ist mir auch keine bekannt.

210. Der Wächter Zions.

Meine Wahrheit besteht im Bellen, besonders wenn irgend

Wohlgekleidet ein Mann sich auf der Straße mir zeigt.

211. Verschiedene Dressuren.

Aristokratische Hunde, sie knurren auf Bettler, ein echter

Demokratischer Spitz klafft nach dem seidenen Strumpf.

212. Böse Gesellschaft.

Aristokraten mögen noch gehn, ihr Stolz ist doch höflich,

Aber du löbliches Volk bist so voll Hochmut und grob.

213. An die Obern.

Immer bellt man auf euch! bleibt sitzen! es wünschen die Beller

Jene Plätze, wo man ruhig das Bellen vernimmt.

214. Baalspfaffen.

Heilige Freiheit! Erhabener Trieb der Menschen zum Bessern!

Wahrlich, du konntest dich nicht schlechter mit Priestern versehn!

215. Verfehlter Beruf.

Schreckensmänner wären sie gerne, doch lacht man in Deutschland

Ihres Grimmes, der nur mäßige Schriften zerfleischt.

216. An mehr als einen.

Erst habt ihr die Großen beschmaust, nun wollt ihr sie stürzen;

Hat man Schmarotzer doch nie dankbar dem Wirte gesehn.

217. Das Requisit.

Lange werden wir euch noch ärgern und werden euch sagen:

Rote Kappen, euch fehlt nur noch das Glöckchen zum Putz.

218. Verdienst.

Hast du auch wenig genug verdient um die Bildung der Deutschen,

Fritz Nicolai, sehr viel hast du dabei doch verdient.

219. Umwälzung.

Nein, das ist doch zu arg! Da läuft auch selbst noch der Kantor

Von der Orgel, und ach! Pfuscht auf den Klaven des Staats.

220. Der Halbvogel.

Fliegen möchte der Strauß, allein er rudert vergeblich,

Ungeschickt rühret der Fuß immer den leidigen Sand.

221. Der letzte Versuch.

Vieles hast du geschrieben, der Deutsche wollt‘ es nicht lesen;

Gehn die Journale nicht ab, dann ist auch alles vorbei.

222. Kunstgriff.

Schreib die Journale nur anonym, so kannst du mit vollen

Backen deine Musik loben, er merkt es kein Mensch.

223. Dem Großsprecher.

Öfters nahmst du das Maul schon so voll und konntest nicht wirken,

Auch jetzt wirkest du nichts, nimm nur das Maul nicht so voll.

224. Mottos.

Setze nur immer Mottos auf deine Journale, sie zeigen

Alle die Tugenden an, die man an dir nicht bemerkt.

225. Sein Handgriff.

Auszuziehen versteh‘ ich, und zu beschmutzen die Schriften,

Dadurch mach‘ ich sie mein, und ihr bezahlet sie mir.

226. Die Mitarbeiter.

Wie sie Glieder verrenken, die Armen! Aber nach dieser

Pfeife zu tanzen, es ist auch beim Apollo! kein Spaß.

227. Unmögliche Vergeltung.

Deine Kollegen verschreist und plünderst du! Dich zu verschreien

Ist nicht nötig, und nichts ist auch zu plündern an dir.

228. Das züchtige Herz.

Gern erlassen wir dir die moralische Delikatesse,

Wenn du die zehen Gebot‘ nur so notdürftig befolgst.

229. Abscheu.

Heuchler ferne von mir! Besonders du widriger Heuchler,

Der du mit Grobheit glaubst Falschheit zu decken und List.

230. Der Hausierer.

Ja, das fehlte nun noch zu der Entwicklung der Sache,

Daß als Krämer sich nun Kr**er nach Frankreich begibt.

231. Deutschlands Revanche an Frankreich.

Manchen Lakai schon verkauftet ihr uns als Mann von Bedeutung,

Gut! wie spedieren euch hier Kr**** als Mann von Verdienst.

232. Der Patriot.

Daß Verfassung sich überall bilde! Wie sehr ist’s zu wünschen,

Aber ihr Schwätzer verhelft uns zu Verfassungen nicht!

233. Die drei Stände.

Sagt, wo steht in Deutschland der Sansculott‘? In der Mitte,

Unten und oben besitzt jeglicher, was ihm behagt.

234. Die

Hauptsache.

Jedem Besitzer das Seine! und jedem Regierer den Rechtsinn,

Das ist zu wünschen, doch ihr, beides verschafft ihr uns nicht.

235. Anacharsis der Zweite.

Anacharsis dem ersten nahmt ihr den Kopf weg, der zweite

Wandert nun ohne Kopf klüglich, Pariser, zu euch.

236. Historische Quellen.

Augen leiht dir der Blinde zu dem, was in Frankreich geschiehet,

Ohren der Taube, du bist, Deutschland, vortrefflich bedient.

237. Der Almanach als Bienenkorb.

Lieblichen Honig geb‘ er dem Freund, doch nahet sich täppisch

Der Philister, ums Ohr saus‘ ihm der stechende Schwarm!

238. Etymologie.

Ominos ist dein Name, er spricht dein ganzes Verdienst aus,

Gern verschafftest du, ging es, dem Pöbel den Sieg.

239. Ausnahme.

Warum tadelst du manchen nicht öffentlich? Weil er ein Freund ist,

Wie mein eigenes Herz tadl‘ ich im stillen den Freund.

240. Die Insekten.

Warum schiltst du die einen so hundertfach? Weil das Geschmeiße,

Rührt sich der Wedel nicht stets, immer dich leckt und dich sticht.

241. Einladung.

Glaubst du denn nicht, man könnte die schwache Seite dir zeigen?

Thu es mit Laune, mit Geist, Freund, und wir lachen zuerst.

242. Warnung.

Unsrer liegen noch tausend im Hinterhalt, daß ihr nicht etwa,

Rückt ihr zu hitzig heran, Schultern und Rücken entblößt.

243. An die Philister.

Freut euch des Schmetterlings nicht, der Bösewicht zeugt euch die Raupe,

Die euch den herrlichen Kohl fast aus der Schüssel verzehrt.

244. Hausrecht.

Keinem Gärtner verdenk‘ ich’s, daß er die Sperlinge scheuchet,

Doch nur Gärtner ist er, jene gebar die Natur.

245. Currus virum miratur inanes.

Wie sie knallen die Peitschen! Hilf Himmel! Journale! Kalender!

Wagen an Wagen! Wie viel Staub und wie wenig Gepäck.

246. Kalender der Musen und Grazien.

Musen und Grazien! oft habt ihr euch schrecklich verirret,

Doch dem Pfarrer noch nie selbst die Perücke gebracht.

247. Taschenbuch.

Viele Läden und Häuser sind offen in südlichen Ländern,

Und man sieht das Gewerb‘, aber die Armut zugleich.

248. Vossens Almanach.

Immer zu, du redlicher Voß! Beim neuen Kalender

Nenne der Deutsche dich doch, der dich im Jahre vergißt.

249. Schillers Almanach von 1796.

Du erhebest uns erst zu Idealen und stürzest

Gleich zur Natur uns zurück, glaubst du, wir danken dir das?

250. Das Paket.

Mit der Eule gesiegelt? Da kann Minerva nicht weit sein!

Ich erbreche, da fällt »von und für Deutschland« heraus.

251. Das Journal Deutschland.

Alles beginnt der Deutsche mit Feierlichkeit, und so zieht auch

Diesem deutschen Journal blasend ein Spielmann voran.

252. Reichsanzeiger.

Edles Organ, durch welches das Deutsche Riech mit sich selbst spricht,

Geistreich, wie es hinein schallet, so schallt es heraus.

253. A. d. Ph.

Woche für Woche zieht der Bettelkarren durch Deutschland,

Den auf schmutzigem Bock Jakob, der Kutscher, regiert.

254. A. D. B.

Zehnmal gelesene Gedanken auf zehnmal bedrucktem Papiere,

Auf zerriebenem Blei stumpfer und bleierner Witz.

255. A. d. Z.

Auf dem Umschlag sieht man die Charitinnen, doch leider

Kehrt uns Aglaia den Teil, den ich nicht nennen darf, zu.

256. Deutsche Monatschrift.

Deutsch in Künsten gewöhnlich heißt mittelmäßig! und bist du

Deutscher Monat, vielleicht auch so ein deutsches Produkt.

257. G. d. Z.

Dich, o Dämon! erwart‘ ich und deine herrschenden Launen,

Aber im härenen Sack schleppt sich ein Kobold dahin.

258. Urania.

Deinen heiligen Namen kann nichts entehren, und wenn ihn

Auf sein Sudelgefäß Ewald, der frömmelnde, schreibt.

259. Merkur.

Wieland zeigt sich nur selten, doch sucht man gern die Gesellschaft,

Wo sich Wieland auch nur selten, der Seltene, zeigt.

260. Horen. Erster Jahrgang.

Einige wandeln zu ernst, die andern schreiten verwegen,

Wenige gehen den Schritt, wie ihn das Publikum hält.

261. Minerva.

Trocken bist du und ernst, doch immer die würdige Göttin,

Und so leihest du auch gerne den Namen dem Heft.

262. Journal des Luxus und der Moden.

Du bestrafest die Mode, bestrafest den Luxus, und beide

Weißt du zu fördern, du bist ewig des Beifalls gewiß.

263. Dieser Musenalmanach.

Nun erwartet denn auch, für seine herzlichen Gaben,

Liebe Kollegen, von euch unser Kalender den Dank.

264. Der Wolfische Homer.

Sieben Städte zankten sich drum, ihn geboren zu haben,

Nun, da der Wolf ihn zerriß, nehme sich jede ihr Stück.

265. M***.

Weil du doch alles beschriebst, so beschreib uns zu gutem Beschlusse

Auch die Maschine noch, Freund, die dich so fertig bedient.

266. Herr Leonhard **.

Deinen Namen les‘ ich auf zwanzig Schriften, und dennoch

Ist es dein Name nur, Freund, den man in allen vermißt.

267. Pantheon der Deutschen, I. Band.

Deutschlands größte Männer und kleinste sind hier versammelt,

Jene gaben den Stoff, diese die Worte des Buchs.

268. Borussias.

Sieben Jahre nur währte der Krieg, von welchem du singest?

Sieben Jahrhunderte, Freund, währt mir dein Heldengedicht.

269. Guter Rat.

Accipe facundi Culicem, studiose, Maronis,

Ne, nugis positis, arma virumque canas.

270. Reineke Fuchs.

Vor Jahrhunderten hätte ein Dichter dieses gesungen?

Wie ist das möglich? Der Stoff ist ja von gestern und heut‘.

271. Menschenhaß und Reue.

Menschenhaß? Nein, davon verspürt‘ ich beim heutigen Stücke

Keine Regung, jedoch Reue, die hab‘ ich gefühlt.

272. Schinks Faust.

Faust hat sich leider schon oft in Deutschland dem Teufel ergeben,

Doch so prosaisch noch nie schloß er den schrecklichen Bund.

273. An Madame B** und ihre

Schwestern.

Jetzt noch bist du Sibylle, bald wirst du Parze, doch fürcht‘ ich,

Hört ihr alle zuletzt gräßlich als Furien auf.

274. Almansaris und Amanda.

Warum verzeiht mir Amanda den Scherz und Almansaris tobet?

Jene ist tugendhaft, Freund, diese beweiset, sie sei’s.

275. B**.

Wäre Natur und Genie von allen Menschen verehret,

Sag, was bliebe, Phantast, denn für ein Publikum dir?

276. Erholungen. Zweites Stück.

Daß ihr seht, wie genau wir den Titel des Buches erfüllen,

Wird zur Erholung hiemit euch die Vernichtung gereicht.

277. Moderezension.

Preise dem Kinde die Puppen, wofür es begierig die Groschen

Hinwirft, so bist du fürwahr Krämern und Kindern ein Gott.

278. Dem Zudringlichen.

Ein vor allemal willst du ein ewiges Leben mir schaffen?

Mach im zeitlichen doch mir nicht die Weile so lang.

279. Höchster Zweck der Kunst.

Schade fürs schöne Talent des herrlichen Künstlers! O hätt‘ er

Aus dem Marmorblock doch ein Kruzifix uns gemacht.

280. Zum Geburtstag.

Möge dein Lebensfaden sich spinnen, wie in der Prosa

Dein Periode, bei dem leider die Lachesis schläft.

281. Unter vier Augen.

Viele rühmen, sie habe Verstand; ich glaub’s, für den einen,

Den sie jedesmal liebt, hat sie auch wirklich Verstand.

282. Charade.

Nichts als dein Erstes fehlt dir, so wäre dein Zweites genießbar,

Aber dein Ganzes, mein Freund, ist ohne Salz und Geschmack.

283. Frage in den Reichsanzeiger. W. Meister betreffend.

Zu was Ende die welchen Namen für deutsche Personen?

Raubt es nicht allen Genuß an dem vortrefflichen Werk?

284. Göschen an die deutschen Dichter.

Ist nur erst Wieland heraus, so kommt’s an euch übrigen alle,

Und nach der Lokation! Habt nur einstweilen Geduld!

285. Verleger von P** Schriften.

Eine Maschine besitz‘ ich, die selber denkt, was sie drucket,

Obengenanntes Werk zeig‘ ich zur Probe hier vor.

286. Josephs II. Diktum an die Buchhändler.

Einem Käsehandel vergleich er eure Geschäfte?

Wahrlich der Kaiser, man sieht’s, war auf dem Leipziger Markt.

287. Preisfrage der Akademie nützlicher Wissenschaften.

Wie auf dem Ü. fortan der teure Schnörkel zu sparen?

Auf die Antwort sind dreißig Dukaten gesetzt.

288. G. G.

Jeder, siehst du ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig,

Sind sie in Corpore, gleich wird dir ein Dummkopf daraus.

289. Hörsäle auf gewissen Universitäten.

Prinzen und Grafen sind hier von den übrigen Hörern gesondert,

Wohl! Denn trennte der Stand nirgends, er trennte doch hier!

290. Der Virtuose.

Eine hohe Noblesse bedien‘ ich heut‘ mit der Flöte,

Die, wie ganz Wien mir bezeugt, völlig wie Geige sich hört.

291. Sachen, so gesucht werden.

Einen Bedienten wünscht man zu haben, der leserlich schreibet

Und orthographisch, jedoch nichts in Bell-Letters gethan.

292. Französische Lustspiele von Dyk.

Wir versichern auf Ehre, daß wir einst witzig gewesen,

Sind wir auch hier, wie gestehen’s, herzlich geschmacklos und fad‘.

293. Buchhändler-Anzeige.

Nichts ist der Menschheit so wichtig, als ihre Bestimmung zu kennen;

Um zwölf Groschen kurant wird sie bei mir jetzt verkauft.

294. Auktion.

Da die Metaphysik vor kurzem unbeerbt abging,

Werden die Dinge an sich morgen sub hasta verkauft.

295. Gottesurteil. (Zwischen einem Göttinger und Berliner.)

Öffnet die Schranken! Bringet zwei Särge! Trompeter geblasen!

Almanachsritter heraus gegen den Ritter vom Sporn!

296. Sachen, so gestohlen worden. (Immanuel Kant spricht.)

Zwanzig Begriffe wurden mir neulich diebisch entwendet,

Leicht sind sie kenntlich, es steht sauber mein I. K. darauf.

297. Antwort auf obigen Avis.

Wenn nicht alles mich trügt, so hab‘ ich besagte Begriffe

In Herrn Jacobs zu Hall Schriften vor kurzem gesehn.

298. Schauspielerin.

Furiose Geliebten sind meine Forcen im Schauspiel,

Und in der Comédie glänz‘ ich als Brannteweinfrau.

299. Professor Historiarum.

Breiter wird immer die Welt, und immer mehr Neues geschiehet,

Ach! die Geschichte wird stets länger und kürzer das Brot!

300. Rezension.

Sehet wie artig der Frosch nicht hüpft! Doch find‘ ich die hinteren

Füße um vieles zu lang, so wie die vordern zu kurz.

301. Litterarische Adreßkalender.

Jeder treibe sein Handwerk, doch immer steh‘ es geschrieben:

Dies ist das Handwerk, und der treibet das Handwerk geschickt.

302. Neueste Kritikproben.

Nicht viel fehlt dir, ein Meister nach meinen Begriffen zu heißen,

Nehm‘ ich das einzige aus, daß du verrückt phantasierst.

303. Eine zweite.

Lieblich und zart sind deine Gefühle, gebildet dein Ausdruck,

Eins nur tadl‘ ich, du bist frostig von Herzen und matt.

304. Eine dritte.

Du nur bist mir der würdige Dichter! es kommt dir auf eine

Platitüde nicht an, nur um natürlich zu sein.

305. Schillers Würde der Frauen.

Vorn herein liest sich das Lied nicht zum besten, ich les‘ es von hinten,

Strophe für Strophe, und so nimmt es ganz artig sich aus.

306. Pegasus, von ebendemselben.

Meine zarte Natur schockiert das grelle Gemälde,

Aber, von Langbein gemalt, mag ich den Teufel recht gern.

307. Das ungleiche Verhältnis.

Unsre Poeten sind seicht, doch das Unglück ließ sie vertuschen,

Hätten die Kritiker nicht ach! so entsetzlich viel Geist.

308. Neugier.

Etwas wünscht‘ ich zu sehn, ich wünschte einmal von den Freunden,

Die das Schwache so schnell finden, das Gute zu sehn.

309. Jeremiaden aus dem Reichs-Anzeiger.

Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,

Ach und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit.

310. Böse Zeiten.

Philisophen verderben die Sprache, Poeten die Logik,

Und mit dem Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.

311. Skandal.

Aus der Ästhetik, wohin sie gehört, verjagt man die Tugend,

Jagt sie, den läst’gen Gast, in die Politik hinein.

312. Das Publikum im Gedränge.

Wohin wenden wir uns? Sind wir natürlich, so sind wir

Platt, und genieren wir uns, nennt man es abgeschmackt gar.

313. Das goldene Alter.

Schöne Naivität der Stubenmädchen zu Leipzig,

Komm doch wieder, o komm, witzige Einfalt, zurück!

314. Komödie.

Komm Komödie wieder, du ehrbare Wochenvisite,

Siegmund, du süßer Amant, Maskarill, spaßhafter Knecht.

315. Alte deutsche Tragödie.

Trauerspiele voll Salz, voll epigrammatischer Nadeln,

Und du Menuettschritt unsers geborgten Cothurns.

316. Roman.

Philosoph’scher Roman, du Gliedermann, der so geduldig

Still hält, wenn die Natur gegen den Schneider sich wehrt.

317. Deutsche Prosa.

Alte Prosa komm wieder, die alles so ehrlich heraussagt,

Was sie denkt und gedacht, auch was der Leser sich denkt.

318. Chorus.

Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,

Ach! und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit.

319. Gelehrte Zeitungen.

Wie die Nummern des Lotto, so zieht man hier die Autoren,

Wie sie kommen, nur daß niemand dabei was gewinnt.

320. Die zwei Fieber.

Kaum hat das kalte Fieber der Gallomanie uns verlassen,

Bricht in der Gräkomanie gar noch ein hitziges aus.

321. Griechheit.

Griechheit, was war sie? Verstand und Maß und Klarheit! Drum dächt‘ ich,

Etwas Geduld noch, ihr Herrn, eh‘ ihr von Griechheit uns sprecht.

322. Warnung.

Eine würdige Sache verfechtet ihr, nur mit Verstande

Bitt‘ ich! daß sie zum Spott und zum Gelächter nicht wird!

323. Übertreibung und Einseitigkeit.

Daß der Deutsche doch alles zu seinem Äußersten treibet,

Für Natur und Vernunft selbst, für die nüchterne schwärmt!

324. Neueste Behauptung.

Völlig charakterlos ist die Poesie der Modernen,

Denn sie verstehen bloß charakteristisch zu sein.

325. Griechische und moderne Tragödie.

Unsre Tragödie spricht zum Verstand, drum zerreißt sie das Herz so,

Jene setzt in Affekt, darum beruhigt sie so!

326. Entgegengesetzte Wirkung.

Wir Modernen, wir gehn erschüttert, gerührt aus dem Schauspiel,

Mit erleichterter Brust hüpfte der Grieche heraus!

327. Die höchste Harmonie.

Ödipus reißt die Augen sich aus, Jokaste erhenkt sich,

Beide schuldlos; das Stück hat sich harmonisch gelöst.

328. Aufgelöstes Rätsel.

Endlich ist es heraus, warum uns Hamlet so anzieht,

Weil er, merket das wohl, ganz zur Verzweiflung uns bringt.

329. Gefährliche Nachfolge.

Freunde, bedenket euch wohl, die tiefere kühnere Wahrheit

Laut zu sagen, sogleich stellt man sie euch auf den Kopf.

330. Geschwindschreiber.

Was sie gestern gelernt, das wollen sie heute schon lehren,

Ach! was haben die Herrn doch für ein kurzes Gedärm!

331. Die Sonntagskinder.

Jahrelang bildet der Meister und kann sich nimmer genugthun,

Dem genialen Geschlecht wird es im Traume beschert!

332. Xenien.

Muse, wo führst du uns hin? Was, gar zu den Manen hinunter?

Hast du vergessen, daß wir nur Monodistichen sind?

333. Muse.

Desto besser! Geflügelt wie ihr, dünnleibig und lustig,

Seele mehr als Gebein, wischt ihr als Schatten hindurch.

334. Acheronta movebo.

Hölle, jetzt nimm dich in acht, es kommt ein Reisebeschreiber,

Und die Publizität deckt auch den Acheron auf.

335. Sterilemque tibi Proserpina vaccam.

Hekate! Keusche! dir schlacht‘ ich »die Kunst zu lieben« von Manso,

Jungfer noch ist sie, sie hat nie was von Liebe gewußt.

336. Elpänor.

Muß ich dich hier schon treffen, Elpänor? Du bist mir gewaltig

Vorgelaufen? und wie? Gar mit gebrochnem Genick?

337. Unglückliche Eilfertigkeit.

Ach, wie sie Freiheit schrien und Gleichheit, geschwind wollt‘ ich folgen,

Und weil die Trepp‘ mir zu lang deuchte, so sprang ich vom Dach.

338. Achilles.

Vormals im Leben ehrten wir dich, wie einen der Götter,

Nun du tot bist, so herrscht über die Geister dein Geist.

339. Trost.

Laß dich den Tod nicht reuen, Achill. Es lebet dein Name

In der Bibliothek schöner Scientien hoch.

340. Seine Antwort.

Lieber möcht‘ ich fürwahr dem Ärmsten als Ackerknecht dienen,

Als des Gänsegeschlechts Führer sein, wie du erzählst.

341. Frage.

Du verkündige mir von meinen jungen Nepoten,

Ob in der Litteratur beide noch walten und wie?

342. Antwort.

Freilich walten sie noch und bedrängen hart die Trojaner,

Schießen manchmal auch wohl blind in das Blaue hinein.

343. Frage.

Melde mir auch, ob du Kunde vom alten Peleus vernahmest,

Ob er noch weit geehrt in den Kalendern sich liest?

344. Antwort.

Ach! ihm mangelt leider die spannender Kraft und die Schnelle,

Die einst des G*** herrliche Saiten belebt.

345. Ajax.

Ajax! Telamons Sohn! So mußtest du selbst nach dem Tode

Noch forttragen den Groll wegen der Rezension?

346. Tantalus.

Jahrelang steh‘ ich so hier, zur Hippokrene gebücket,

Lechzend vor Durst, doch der Quell, will ich ihn kosten, zerrinnt.

347. Phlegyasque miserrimus omnes admonet.

O ich Thor! Ich rasender Thor! Und rasend ein jeder,

Der, auf des Weibes Rat horchend, den Freiheitsbaum pflanzt.

348. Die dreifarbige Kokarde.

Wer ist der Wütende da, der durch die Hölle so brüllet

Und mit grimmiger Faust sich die Kokarde zerzaust.

349. Agamemnon.

Bürger Odysseus! Wohl dir! Bescheiden ist deine Gemahlin,

Strickt dir die Strümpfe, und stecke keine drei Farben dir an!

350. Porphyrogeneta, den

Kopf unter dem Arme.

Köpfe schaffet euch an, ihr Liebden! Thut es beizeiten!

Wer nicht hat, er verliert, auch was er hat, noch dazu!

351. Sisyphus.

Auch noch hier nicht zur Ruh‘, du Unglücksel’ger! Noch immer

Rollst du bergauf wie einst, da du regiertest, den Stein!

352. Sulzer.

Hüben über den Urnen! Wie anders ist’s, als wir dachten!

Mein aufrichtiges Herz hat mir Vergebung erlangt.

353. Haller.

Ach! Wie schrumpfen allhier die dicken Bände zusammen,

Einige werden belohnt, aber die meisten verziehn.

354. Moses Mendelsohn.

Ja! du siehst mich unsterblich! »Das hast du uns ja in dem Phädon

Längst bewiesen.« – Mein Freund, freue dich, daß du es siehst!

355. Der junge Werther.

»Worauf lauerst du hier?« – Ich erwarte den dummen Gesellen,

Der sich so abgeschmackt über mein Leiden gefreut.

356. L***.

»Edler Schatten, du zürnst?« – Ja, über den lieblosen Bruder,

Der mein modernd Gebein lässet im Frieden nicht ruhn.

357. Dioskuren.

Einen wenigstens hofft‘ ich von euch hier unten zu finden,

Aber beide seid ihr sterblich, drum lebt ihr zugleich.

358. Unvermutete Zusammenkunft.

Sage, Freund, wie find‘ ich denn dich in des Todes Behausung,

Ließ ich doch frisch und gesund dich in Berlin noch zurück?

359. Der Leichnam.

Ach, das ist nur mein Leib, der in Almanachen noch umgeht,

Aber es schiffte schon längst über den Lethe der Geist.

360. Peregrinus Proteus.

Siehest du Wieland, so sag ihm: ich lasse mich schönstens bedanken,

Aber er that mir zu viel Ehr‘ an, ich war doch ein Lump.

361. Lucian von Samosata.

»Nun Freund, bist du versöhnt mit den Philosophen? Du hast sie

Oben im Leben, das weiß Jupiter! tüchtig geneckt.«

362. Geständnis.

Rede leiser, mein Freund. Zwar hab‘ ich die Narren gezüchtigt,

Aber mit vielem Geschwätz oft auch die Klugen geplagt.

363. Alcibiades.

Kommst du aus Deutschland? Sieh mich doch an, ob ich wirklich ein solcher

Hasenfuß bin, als bei euch man in Gemälden mich zeigt?

364. Martial.

Xenien nennet ihr euch? Ihr gebt euch für Küchenpräsente?

Ißt man denn, mit Vergunst, spanischen Pfeffer bei euch?

365. Xenien.

Nicht doch! Aber es schwächten die vielen wäss’richten Speisen

So den Magen, daß jetzt Pfeffer und Wermut nur hilft.

366. Rhapsoden.

Wer von euch ist der Sänger der Ilias? Weil‘ ihm so gut schmeckt,

Ist hier von Heyne ein Pack Göttinger Würste für ihn.

367. Viele Stimmen.

Mir her, ich sang der Könige Zwist! Ich die Schlacht bei den Schiffen!

Mir die Würste! ich sang, was auf dem Ida geschah.

368. Rechnungsfehler.

Friede! Zerreißt mich nur nicht! Die Würste werden nicht reichen,

Der sie schickte, er hat sich nur auf Einen versehn.

369. Einer aus dem Chor. (Fängt an zu recitieren.)

»Wahrlich, nichts Lustigers weiß ich, als wenn die Tische recht voll sind,

Von Gebacknem und Fleisch, und wenn der Schenke nicht säumt –

370. Vorschlag zur Güte.

Teilt euch wie Brüder! Es sind der Würste gerade zwei Dutzend,

Und wer Astyanax sang, nehme noch diese von mir.

371. Philosophen.

Gut, daß ich euch, ihr Herren, in pleno beisammen hier finde,

Denn das eine, was not, treibt mich herunter zu euch.

372. Aristoteles.

Gleich zur Sache, mein Freund. Wir halten die Jenaer Zeitung

Hier in der Hölle und sind längst schon von allem belehrt.

373. Dringend.

Desto besser! So gebt mir, ich geh‘ euch nicht eher vom Leibe,

Einen allgültigen Satz, und der auch allgemein gilt.

374. Einer aus dem Haufen.

Cogito ergo sum. Ich denke und mithin, so bin ich,

Ist das eine nur wahr, ist es das andre gewiß.

375. Ich.

Denk‘ ich, so bin ich! Wohl! Doch wer wird immer auch denken?

Oft schon war ich, und hab‘ wirklich an gar nichts gedacht!

376. Ein Zweiter.

Weil es Dinge doch gibt, so gibt es ein Ding aller Dinge,

In dem Ding aller Ding‘ schwimmen wir, wie wir so sind.

377. Ein Dritter.

Just das Gegenteil sprech ich. Es gibt kein Ding als mich selber!

Alles andre, in mir steigt es als Blase nur auf.

378. Ein Vierter.

Zweierlei Dinge lass‘ ich passieren, die Welt und die Seele,

Keins weiß vom andern, und doch deuten sie beide auf eins.

379. Ein Fünfter.

Von dem Ding weiß ich nichts, und weiß auch nichts von der Seele,

Beide erscheinen mir nur, aber sie sind doch kein Schein.

380. Ein Sechster.

Ich bin ich, und setze mich selbst, und setz‘ ich mich selber

Als nicht gesetzt, nur gut! setz‘ ich ein Nicht-Ich dazu.

381. Ein Siebenter.

Vorstellung wenigstens ist; ein Vorgestelltes ist also,

Ein Vorstellendes auch, macht, mit der Vorstellung, drei!

382. Ich.

Damit lock‘ ich, ihr Herrn, doch keinen Hund aus dem Ofen,

Einen erklecklichen Satz will ich, und der auch was setzt.

383. Ein Achter.

Auf theoretischem Feld ist weiter nichts mehr zu finden,

Aber der praktische Satz gilt doch: Du kannst, denn du sollst!

384. Ich.

Dacht‘ ich’s doch! Wissen sie nichts Vernünftiges mehr zu erwidern,

Schieben sie’s einem geschwind in das Gewissen hinein.

385. David Hume.

Rede nicht mit dem Volk, der Kant hat sie alle verwirret,

Mich frag, ich bin mir selbst auch in der Hölle noch gleich.

386. Rechtsfrage.

Jahrelang schon bedien‘ ich mich meiner Nase zum Riechen,

Hab‘ ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?

387. Puffendorf.

Ein bedenklicher Fall! doch die erste Possession scheint

Für dich zu sprechen, und so brauche sie immerhin fort.

388. Gewissensskrupel.

Gerne dien‘ ich den Freunden, doch thu‘ ich es leider mit Neigung,

Und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin.

389. Decisum.

Da ist kein andrer Rat, du mußt suchen, sie zu verachten,

Und mit Abscheu alsdann thun, wie die Pflicht dir gebeut.

390. Herkules.

Endlich erblick‘ ich auch den gewaltigen Herkules! Seine

Übersetzung! Er selbst leider war nicht mehr zu sehn.

391. Herakliden.

Ringsum schrie, wie Vögelgeschrei, das Geschrei der Tragöden

Und das Hundegebell der Dramaturgen um ihn.

392. »Pure Manier.«

Schauerlich stand das Ungetüm da. Gespannt war der Bogen,

Und der Pfeil auf der Sehn‘ traf noch beständig das Herz.

393. Er.

Welche noch kühnere That, Unglücklicher, wagest du jetzo,

Zu den Verstorbenen selbst niederzusteigen, ins Grab!

394. Ich.

Wegen Tiresias mußt‘ ich herab, den Seher zu fragen,

Wo ich den guten Geschmack fände, der nicht mehr zu sehn.

395. Er.

Glauben sie nicht der Natur und den alten Griechen, so holst du

Eine Dramaturgie ihnen vergeblich herauf.

396. Ich.

O die Natur, die zeigt auf unsern Bühnen sich wieder,

Splitternackend, daß man jegliche Rippe ihr zählt.

397. Er.

Wie? So ist wirklich bei euch der alte Kothurnus zu sehen,

Den zu holen ich selbst stieg in des Tartarus Nacht?

398. Ich.

Nichts mehr von diesem tragischen Spuk. Kaum einmal im Jahre

Geht dein geharnischter Geist über die Bretter hinweg.

399. Er.

Auch gut! Philosophie hat eure Gefühle geläutert,

Und vor dem heitern Humor fliehet der schwarze Affekt.

400. Ich.

Ja, ein derber und trockener Spaß, nichts geht uns darüber,

Aber der Jammer auch, wenn er nur naß ist, gefällt.

401. Er.

Also sieht man bei euch den leichten Tanz der Thalia

Neben dem ernsten Gang, welchen Melpomene geht?

402. Ich.

Keines von beiden! Uns kann nur das christlichmoralische rühren,

Und was recht populär, häuslich und bürgerlich ist.

403. Er.

Was? Es dürfte kein Cäsar auf euren Bühnen sich zeigen,

Kein Anton, kein Orest, keine Andromache mehr?

404. Ich.

Nichts! Man siehet bei uns nur Pfarrer, Kommerzienräte,

Fähndriche, Sekretärs oder Husarenmajors.

405. Er.

Aber ich bitte dich, Freund, was kann denn dieser Misère

Großes begegnen, was kann Großes denn durch sie geschehn?

406. Ich.

Was? Sie machen Kabale, sie leihen auf Pfänder, sie stecken

Silberne Löffel ein, wagen den Pranger und mehr.

407. Er.

Woher nehmt ihr denn aber das große gigantische Schicksal,

Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt?

408. Ich.

Das sind Grillen! Uns selbst und unsre guten Bekannten,

Unsern Jammer und Not suchen und finden wir hier.

409. Er.

Aber das habt ihr ja alles bequemer und besser zu Hause,

Warum entfliehet ihr euch, wenn ihr euch selber nur sucht?

410. Ich.

Nimm’s nicht übel, mein Heros. Das ist ein verschiedener Kasus,

Das Geschick, das ist blind, und der Poet ist gerecht.

411. Er.

Also eure Natur, die erbärmliche, trifft man auf euren

Bühnen, die große nur nicht, nicht die unendliche an?

412. Er.

Der Poet ist der Wirt und der letzte Aktus die Zeche,

Wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch.

413. Muse zu den Xenien.

Aber jetzt rat‘ ich euch, geht, sonst kommt noch gar der Gorgona

Fratze oder ein Band Oden von Haschka hervor.

414. An die Freier.

Alles war nur ein Spiel! Ihr Freier lebt ja noch alle,

Hier ist der Bogen und hier ist zu den Ringen der Platz.