Joseph von Eichendorff

 

Der letzte Held von Marienburg

Trauerspiel

 

 

Personen.

Graf Heinrich von Plauen, Komtur, dann Hochmeister des deutschen Ritterordens

 

Michael Küchmeister von Sternberg, Vogt der Neumark, dann Marschall des Ordens

 

Hermann Gans, Spittler des Ordens

 

Johann Graf von Sayn

Rudolph Graf von Kyburg

Johann von Schönfeld

Georg von Wirsberg

Heinrich Schäven

Ulrich Zenger, , Komture des Ordens

 

Günther Graf von Schwarzburg

Heinrich von Rode

Walther von Merheim

König, , Ordensritter

 

Jost von Hohenkirch, Hochmeisters Kompan

 

Friedrich von Kinthenau

Nikolaus von Renys

Hanns von Polkau, des letztern Bruder, , preußische Landritter

 

Gertrud, Polkaus Tochter

 

Elsbeth, ihre Zofe

 

Rominta

 

Jolante, ihre Dienerin

 

Hanns von Baysen

 

Der Burgemeister von Marienburg

 

Ein polnischer Herold

 

Ein polnischer Hauptmann

 

Czerwany

Langschenkel

Wuttke

Kuntz, , Söldner des Ordens

 

Dietrich, Wirsbergs Diener

 

Burgwart des Nikolaus von Renys

 

Der Burgwart zu Lochstädt

 

Ein Diener des Hanns von Polkau

 

Ordensritter, Hauptleute, Soldaten, Reisige, Söldner und Bauern

 

Die Handlung geht in Preußen im fünfzehnten Jahrhundert vor.

 

 

Erster Aufzug

 

Erste Szene

 

 

 

Feldlager. Nacht. Walther von Merheim und Ulrich Zenger ruhen, in ihre Mäntel gehüllt, auf dem Boden.

 

 

ZENGER.

Eine wahre Hexennacht! Die Nebel jagen

Sich übers Feld wie fliegende Gestalten,

Das Heidekraut mit langen flatternden

Gewändern streifend.

WALTHER.

War mir’s doch,

Wie ich so rücklings den Gedanken nachhing,

Als hingen Länder über mir und Wälder,

Mit Felsen wundervoll und Schlössern drauf,

Daß ich die ferne Heimat meint zu sehn

In unserm lieben Deutschland, das Gott segne.

Horch was für Lärm im Lager dort?

ZENGER.

Die Wachen

Fern rufen an, das hallt so durch die Stille.

WALTHER sich fester in den Mantel hüllend.

Es wird schon kalt. Da sieh nur, graue Streifen,

Wie Trauerschleier, hängen von den Tannen,

Und manchmal in der Stille fährt der Mond

Ganz blutrot durch die Wolken. Das bedeutet

Nichts Guts, da ließ’ sich viel darüber sprechen.

Rück näher, Zenger sag, hast nichts gemerkt

An unserm Vogt, dem tapfern Küchenmeister?

ZENGER.

Unruhig scheint er, trüb und in Gedanken.

WALTHER.

Wozu verdoppelt er den Kreis der Wachen

In dieser öden Heide hier? Was schickt

Er Boten dahin, dorthin aus auf Kundschaft?

Ich will dir’s sagen doch’s bleibt unter uns:

Ein Söldner gestern kam von Meisters Fahnen

Der Polenkönig der sein krummes Schwert

Voll Grimm gewetzt an unsers Ordens Schwelle,

Sein Heer türmt’ lang genug, wie ein Gewitter

Verfinsternd an der Grenze sich, von ferne

Mit Wetterleuchten zuckend, ungewiß,

Wohin der Sturm, der wachsende, es wende.

Jetzt ist er plötzlich in das Land gebrochen

Mit Schrein, Tartaren, Raub und Brand! Gib acht,

Wir hören bald von mörderlichen Schlachten.

ZENGER.

Ich glaub’s noch nicht. Der Meister Ulrich führt

Was nur das Land vermag an Roß und Leuten,

Die ganze Macht. Der König traut sich nicht.

WALTHER.

Nicht? Ganze Macht? Just, Zenger, just da steckt’s!

Versieht’s der Meister nun Gott schütz das Heer!

Verliert er diesmal: sind wir all verloren!

Sieh, ‘s hilft nichts mehr, sie müssen aneinander:

Hier Gilgenburg, da steht der König gut,

Sieh und hier Löbau, wo der Meister

ZENGER.

Still!

Da kommt Küchmeister schon so früh daher.

 

Sie stehen auf.

 

 

KÜCHMEISTER auftretend.

Gelobt sei Christ!

WALTHER.

In alle Ewigkeit.

KÜCHMEISTER.

Nun, kennt ich Euch doch kaum. Wie Fledermäuse

Durchschwirren wir die Nebel hier, ich fürcht

Wir rosten ein, derweil die andern draußen

Harnisch und Ehre wieder blank sich scheuern.

ZENGER.

So oder so! Wir schirmen hier die Neumark.

Mehr, als er soll, kann keiner tun.

KÜCHMEISTER.

Gut, gut

Geh nach den Reutern sehn, sie sollen futtern.

 

Zenger ab.

 

 

KÜCHMEISTER zu Walther.

Was ist es an der Zeit?

WALTHER.

Ich denk bald Morgen.

KÜCHMEISTER.

Ich wollt, das Licht bräch durch! Schliefst du heut nacht?

WALTHER.

Ich revidiert die Wachen.

KÜCHMEISTER.

Welche Stunde?

WALTHER.

Um Mitternacht.

KÜCHMEISTER.

Und sahst du nichts?

WALTHER.

Wo?

KÜCHMEISTER.

Auch nichts!

WALTHER.

Was ist geschehn?

KÜCHMEISTER.

Ein seltsam wunderlich Gesicht!

Ich konnt nicht schlafen und, am Zelte sitzend,

Betrachtet ich der Wolken Flucht, die über

Die Heide, seltsam sich verschlingend, wälzten.

Still war’s ringsum der Lagerfeuer Kranz

Nur flackert’ düster aus dem tiefen Nebel

Und hin und wieder hörte man den Ruf

Der Wachen durch die Einsamkeit. Da war’s,

Als flög ein Blitz mir über beide Augen;

Ich schau empor und durch der Wolken Riß,

Die sich, wie vor dem Glanze scheuend teilen,

Strahlt mir, Geblendetem, ein feurig Schwert

Entgegen, schmucklos wie des Meisters Schwert,

Den Griff nach mir gewandt als sollt ich’s fassen.

Und wie ich so, in Lust und Grauen, noch

Emporstarr, schließt sich das gluthelle Aug

Des Himmels wieder, und das Bild versinkt

Schnell in der Nacht geheimnisvollen Abgrund.

Ich frug die Wachen drauf doch keiner sah es.

WALTHER der unterdes seinen Mantel abgeschüttelt hat, und die Rüstung abtrocknet.

Hm Nun, Natur hat auch wohl ihre Träume

Und malt sich solches Nichts in öde Luft.

Da sieh, ganz blind vom Qualm. Tut’s das dem Stahl,

Wie sollt es nicht der spiegelblanken Seele?

Und doch kurios, höchst wunderbar!

KÜCHMEISTER.

Was sagst du?

WALTHER.

Wahrhaftig, Herr nun sieh, ich glaub nicht dran,

Doch hört ich oft erfahrne Männer sagen:

Wer Meister werden soll, der läs solch Zeichen

Vorher im Buch der Nacht. Da kommt Er!

KÜCHMEISTER zusammenfahrend.

Wer?

WALTHER.

Heinrich von Rode, mein ich, ist’s, der Bruder,

Den du gen Tannenberg gesandt auf Kundschaft.

Schau, wie da hinterm grauen Flor der Nacht

Im Fluge Roß und Reiter dunkel wachsen!

 

Heinrich von Rode stürzt atemlos herein.

 

 

RODE.

Entsetzlich, jammervolles Unheil! Alles

Verloren. Oh!

KÜCHMEISTER.

Der Teufel ist verloren!

Sprich wie ein Mann und spar dein Wehgeheul!

RODE.

Bezähme sich, wer das gesehn!

WALTHER.

Nicht doch!

Fein mit Vernunft vor deinem Vogt!

RODE zu Küchmeister.

Du weißt,

Ich ritt gen Tannenberg da lagen heut

Die Städt und Burgen rings so ernst und still,

Als hinge ein Gewitter in der Luft.

Die Leute gingen stumm an mir vorüber

Und wen ich fragt, der starrt’ mich seltsam an

Und murmelt, schnell sich wendend, in den Bart

Von Brand und naher Schlacht man wüßt nicht recht

Das Blatt könnt leicht sich wenden.

WALTHER.

Hei, da hätt ich

Die Sporen eingedrückt, und blind drauflos!

KÜCHMEISTER.

Nur weiter, weiter.

RODE.

Drauf, wie’s dunkel wurde,

Erblickt ich fern des Kriegsgotts Lagerfeuer,

Brennende Dörfer rings am Horizont,

Derweil ich einsam fortzog durch die Wälder.

Da Roß und Atem hielt ich lauschend an

Vernahm ich rechts und links, bald fern, bald näher

Verworrne Stimmen durch die stille Nacht

Und wunderlichen, fremden Laut, dazwischen

Weitab in dumpfem schweren Takt den Marsch

Zahllosen Volks dann alles wieder still.

Auf einmal scheut mein Pferd und durch den Waldgrund

Zieht schweigend, wie ein Traum, ein Leichenzug

Mit Kerzen, weit im Tann die weißen Stämme

Beleuchtend, die da wie ein Chor von Geistern

Verwundert in dem Schein der Fackeln standen.

Ich ruf die Männer an, da setzen sie

Die Bahre lautlos auf den Grund. »Wen bringt ihr

Zur Ruh da?« frag ich da tritt einer vor,

Und sagt kein Wort, und schlägt ernst von der Bahre

Das Leichentuch zurück o Herr des Himmels!

Das Todesangesicht von Blut entstellt,

Erblick ich unsern Meister!

KÜCHMEISTER erschüttert sich auf einen Baumsturz setzend.

Tot der Meister?!

RODE nach einer Pause.

Hier nun vernahm ich’s: wie bei Tannenberg

Laut donnernd unsers heil’gen Ordens Bau

Zusammenstürzt und über seinen Trümmern

Der wackre Meister sank. Und von dem Toten

Zurück mich wendend, stürzt ich schaudernd fort,

Und hinter mir, mit weitausgreifenden Schritten

Ging das Entsetzen durchs verlorne Land.

WALTHER Küchmeistern am Arm fassend.

Hör, hör! Was sitzt du so versunken?

KÜCHMEISTER.

Ich?

 

Zerstreut zu Rode.

 

 

Wo fiel der Meister? Ist die Schlacht verloren?

WALTHER.

Soeben sagt’ er’s ja.

KÜCHMEISTER.

Ja so ganz recht

 

Sich plötzlich aufrichtend.

 

 

Nun denn, was stehn wir noch und plaudern!

 

Zu Rode.

 

 

Wo

Hat sich der König hingewandt?

RODE.

Es stürzt,

Die Städt und Schlösser vor sich niederwerfend,

Grad nach Marienburg der wilde Strom.

KÜCHMEISTER.

O Gott, so kommen wir ihm nicht mehr vor!

 

Zu Rode.

 

 

Du, flieg nach Krone, wie der Pfeil vom Bogen,

Drei Fähnlein lagern dort, führ sie hieher,

Wir müssen in den Rücken dem Polacken.

 

Rode ab.

 

 

WALTHER.

Nun seltsam doch! Dein Zeichen heut.

KÜCHMEISTER.

Ei was!

Der Sturm zerreißt die falschen Nebelbilder,

Denk nicht an mich und dich in solcher Not!

Laß blasen durch das Land, wie die Posaunen

Am Jüngsten Tag, denn ins Gericht geht’s nun,

Nicht mehr um eitel Ruhm und Gut da ficht’s

So heiter sich wie an des Himmels Toren;

Solang ich atme, geb ich nichts verloren!

 

Beide ab.

 

 

 

Zweite Szene

 

 

 

Freier Platz im Walde, im Hintergrunde ein Hügel.

 

 

ROMINTA in Tracht und Rüstung eines polnischen Ritters rasch auftretend und auf ihre Knie sinkend.

Dank! dank, Perkunos! Christus! wer du seist,

Der du im Feuer mir erschienen heut,

Furchtbarer Gott der Schlachten, Gott der Rache!

Dank dir! Zerschmettert hat dein Arm die Deutschen

Und taumelnd küß ich den befreiten Grund!

JOLANTE draußen.

Wo bist du denn? Rominta! Hör!

ROMINTA sich aufrichtend.

Wer rief mich?

JOLANTE.

O schöne Herrin, wie erschrecklich blickst du

Heut aus der Locken Nacht! Als du vorhin

Dem flücht’gen Volk dich so behende nachschwangst:

Es war, als flög ein buntgefleckter Tiger

Die Heid entlang. Da dein Visier ist blutig.

ROMINTA in Gedanken nach dem Walde schauend.

Hörst du, wie lustig da die Vögel singen,

Und in der schönen alten Landessprache

Tief, weit herauf die Wälder wieder grüßen?

JOLANTE.

Mir graut hier, Herrin. Deine wilde Hast

Hat uns verlockt in diese Einsamkeit.

Rings schweifen Deutsche noch die Unsern sind

Weit hinter uns, und vor uns immer tiefer

Zieht sich hinab der Wälder Labyrinth.

ROMINTA wie oben.

Solch grauer Tag war’s, da die deutschen Ritter

Zum erstenmal mit fremder Waffenpracht

Herauf den Waldgrund stiegen da erschlugen

Sie mir den Vater, und das Schloß verbrannte.

 

Man hört in der Ferne Trompeten.

 

 

Horch! Das war nicht der Klang von unsern Scharen!

Dort ist ein Hügel, steig hinauf, Jolante,

Und spähe, wer im Tale naht. Was siehst du?

JOLANTE auf dem Hügel.

‘s ist alles still, weit über alle Wälder

Wie scheues Wild nur, wenn die Jagd zu Ende,

Schlüpft noch zerstreutes Volk von Busch zu Busch.

Rominta! ach!

ROMINTA.

Was ist’s?

JOLANTE.

Wie ‘n dunkles Wetter

Zieht’s, dichtgeschlossen, nun am Saum des Waldes,

Nur manchmal blitzt ein Helm im Frühlicht auf.

Die deutschen Ritter sind’s! Jetzt übern Wald

Tönt’s wunderbar herüber durch die Lüfte,

Sie singen freudig: Christus ist erstanden!

ROMINTA.

Wo ziehn sie hin?

JOLANTE.

Hierher, wie’s scheint. Ein Ritter

Auf weißem Roß, in güldner Rüstung funkelnd,

Führt hoch voran die Fahne.

ROMINTA.

Was für Farben

Erkennst du? Sprich!

JOLANTE.

Blau schimmern Büsch und Decken.

ROMINTA.

Die Zeichen sah ich nicht bei Tannenberg.

So ist’s der Plauen oder Küchenmeister,

Die standen beide auf des Landes Hut

Fern von der Schlacht. Siehst du die Unsern nicht?

JOLANTE.

Nein Auch das Singen tönt schon fern und ferner.

Jetzt um die Waldesecke biegt, verhallend,

Die ganze Schar nun alles wieder stille.

ROMINTA.

Komm, steig herab so muß ich rasch zum König!

O dieser buntgelaunte Slawenschwarm!

Derweil die Donner an den Höhn noch rollen,

Sind sie wohl übers Schlachtfeld nun gelagert

Und schmausen, zanken da in wüstem Lärm,

Halleluja und Vivat durcheinander,

Und keiner hört des Kriegsgotts leisen Tritt,

Der heimlich rasselnd durch die Wälder schreitet.

Komm nur! Noch steht Marienburg. Auf den Trümmern

Des letzten aller deutschen Ritterschlösser

Ruf ich Viktoria erst, und werf mein Schwert fort!

 

Sie will abgehn.

 

 

GEORG VON WIRSBERG mit gezogenem Schwert ihr entgegentretend.

Da meld der Hölle den verfluchten Sieg!

JOLANTE.

Ein Ordensritter! weh! wer hilft der Herrin!

 

Sie entflieht.

 

 

ROMINTA ihr Schwert ziehend, zu Wirsberg.

Erst fecht mit mir, dann prahle wenn du kannst!

 

Sie fechten.

 

 

WIRSBERG plötzlich zurücktretend.

Du bist ein Weib! Die üppig wallenden Locken

Verdunkeln Stirn und Wangen dir wer bist du?

ROMINTA.

Rominta bin ich, hoher Fürsten Tochter,

Die dieses Land regiert, eh euer Schwert

Erklang in unsrer Wälder Einsamkeit.

Wild-grüne Trümmer waren meine Wiege

Hoch überm Heldengrab, mein Wiegenlied

Des Meeres und der heil’gen Wipfel Rauschen.

Was stehst du zaudernd da, Georg von Wirsberg?

Ich kenn dich wohl! Viel tapfre Seelen sandtst du

Dem Himmel zu Du bist der Kecksten einer,

Komm, mich gelüstet recht nach deinem Herzblut!

 

Sie dringt auf ihn ein.

 

 

WIRSBERG.

Laß ab, graunvolles Lieb! Dein Aug verwirrt

Wie Wetterleuchten mir bei dunkler Nacht

Der Seele tiefsten Grund wie du auch dräust,

Dich töt ich nicht! die Lebende entführ ich!

 

Draußen Trompetenklang.

 

 

ROMINTA.

Das ist mein lust’ges Reitervolk von Litau’n!

Das ist des weißen Adlers Flügelschlag,

Der König naht o freudenreicher Tag!

Laß mich hindurch, Vermeßner, fängst mich nicht!

 

Sie drängt ihn zurück und eilt fort. Wirsberg sieht ihr schweigend nach, während von der andern Seite mehrere Soldaten auftreten.

 

 

ERSTER SOLDAT.

Ich lauf dorthin!

ZWEITER.

Bist du gescheut? dort schweifen

Polacken her!

WIRSBERG plötzlich sich nach ihnen kehrend.

Saht ihr es auch? als streift’s

Im Fliehen rings mit Wunderglanz die Zweige.

ERSTER.

Nein, blutrot streift’s das Gras!

WIRSBERG zerstreut.

An solchen Tagen

Des Greuels, sagt man, steigen von dem Blut

Erschlagner, Truggestalten aus dem Boden,

Den Sinn verwirrend. Fort aus diesem Wald!

 

Zu den Soldaten.

 

 

Auf! greift die Flücht’gen! ruft den andern nach!

Heinrich von Plauen, heißt’s, der Vogt von Pommern,

Rückt an zur Hülf Seht, daß wir zu ihm stoßen!

ZWEITER SOLDAT.

Ja wohl, zerstoßen sind wir heut genug.

Was Hülfe da, wo alles schon verloren!

WIRSBERG.

Du lügst, Gesell! Die Ehr ist unverloren!

Das ist ein blanker Stern, der freud’ger funkelt

Je tiefer rings die Nacht des Unglücks dunkelt,

Laßt uns nur alle Stern zusammenstellen,

Wir wollen sternklar noch die Welt erhellen.

ERSTER SOLDAT.

Ihr wart verwegen stets zu jedem Streich,

Je toller in der Welt, je wohler Euch.

ZWEITER SOLDAT.

Wo andre kaum auf ihren Füßen schreiten,

Sieht man Euch schwindelnd übern Felskamm reiten.

ERSTER SOLDAT.

Wer einst alt werden will, schon seine Jugend!

WIRSBERG sein Schwert ziehend.

Voraus! bei Gott, sonst prügl ich euch zur Tugend!

 

Er treibt sie vor sich her. Alle ab.

 

Rudolf Graf von Kyburg, Hermann Gans, Günther Graf von Schwarzburg, Johann von Schönfeld und mehrere andere Ordensritter treten auf.

 

 

HERMANN GANS.

Horcht da es huscht den Wald herab wie Nachtspuk.

GRAF VON KYBURG.

Feldflüchtig Landvolk Sturmgewölk, das wirbelnd

Bellona vor sich hertreibt durch den Wald.

Wo sind wir jetzt?

SCHÖNFELD.

Wo sich die Straßen scheiden,

Nach Deutschland hier, dort nach Marienburg.

HERMANN GANS.

Hier stehn wir nun, die einzigen Gebiet’ger,

Die Gott salviert aus dieser wilden Schlacht,

Und Würd und Last des Regiments merkt’s wohl!

Ruht bis zur neuen Meisterwahl auf uns.

So laßt uns denn, bevor wir weiterziehn,

Nach den Artikeln hier den Plan des Zuges

Beraten, wie sich’s ziemt.

 

Zu den Rittern.

 

 

Platz da, ihr andern!

Ich bin der Ältste hier Graf Kyburg, kommt!

Ich also sprech zuerst. Ich mein: wenn wir

Mehr Leute hätten noch, und wenn

SCHÖNFELD.

In summa:

Mir ist’s, wie wir hier aus dem Lande wandern,

Als wär’s von Letten ganz, und hielt mich fest

Bei jedem Schritt, je mehr ich zuck, je fester,

Als sollt ich meine blanken Rittersporn

Mitsamt den Stiefeln lassen drin.

GRAF VON KYBURG.

Das Land?

Was ich davon vor Nebeln noch gesehen,

Hält mich nicht fester, als sein Sand mein Roß.

Und ist das Schiff zerschlagen, denk ich, greift

Nach jeder Planke jeder wie er kann,

Da fragt den Sturm dann und die taube Woge,

Wohin es geht!

HERMANN GANS.

Gut.

SCHÖNFELD.

Gut? den Teufel auch!

HERMANN GANS.

Still, Ordnung! Ordnung! Nun, Graf Günther, du!

Es wird um ernst Gehör anjetzt gebeten,

Was stehst du so in dich gekehrt zur Seite?

GRAF SCHWARZBURG.

Was gibt’s?

HERMANN GANS.

Ei, wir beraten hier, wohin

GRAF SCHWARZBURG.

Wohin?

 

Rasch zu ihnen sich wendend.

 

 

Seid ihr bei Ja und Nein bereit

Mit dieser Handvoll Reiter, die uns folgen,

Euch nach Marienburg hineinzuwerfen,

Und mit dem letzten dumpfen Klang der Brücke,

Die, wie der Grabstein, hinter unsern Sporn

Sich rasselnd schließt, Leib, Gut und alles Trachten,

Bis auf die Ehre, fröhlich einzusetzen?

Seid ihr entschlossen, wenn der rasche Feind

Von Trepp zu Trepp die müden Fechter drängt

Bis in des Schlosses tiefsten Kellergrund,

Den einz’gen Pfeiler dort, der alle trägt,

Mit letzter, herrlicher Gewalt zu brechen,

Daß über uns der Bau zusammendonnert

Und Weh und Jubelschrei ein Grab verschlingt?

Seid ihr bereit? Seid ihr?

SCHÖNFELD.

Ein herrlich Grab!

GRAF KYBURG.

Da hätt die Welt nicht mehr davon, als wir.

HERMANN GANS.

Nach den Artikeln sind wir nicht befugt,

Sede vacante alles auf solch Wagnis

GRAF SCHWARZBURG.

Nun denn so plaudert nicht und zieht nach Deutschland!

Was mich betrifft, mein Fähnlein brach dahin

Schon auf aus dieser sternenlosen Nacht.

SCHÖNFELD.

Ja Nacht! ich weiß nicht mehr: Wo, wie, weshalb

Und was ich will!

GRAF SCHWARZBURG.

Was ich in Deutschland will?

An alle unsre Burgen will ich schlagen,

Daß es durchs ganze Land erschütternd Klang gibt;

Wo Sorge schläft bei Tänzen, Schmaus, so weit

Rings heitre Schlösser deutsche Berge kränzen,

Will ich Weh schrein und durch die Stille rufen:

»Wacht auf! der Christen Bollwerk ist gebrochen,

Von Osten braust die blinde Flut, wacht auf!«

Und sind die Herzen dort und Schwerter rostig

Nun so es gibt noch Heiden in Algier

Und ehrlichen Rittertod, die Haft zu lösen

Aus solcher Jammerzeit.

SCHÖNFELD der herumspähend, tiefer in den Wald getreten.

Was für Spektakel!

Da stürzen Kind’ und Weiber durch den Wald

So ‘n knolliger Bauer lärmt für zehn Soldaten!

Du steh da! Sieh, nun hab ich dich beim Schopf.

 

Er bringt einen Bauer geschleppt.

 

 

Komm, fürcht dich nicht, ich bin dein gnäd’ger Herr.

Sag uns, was gibt’s? was lauft ihr wie besessen?

BAUER.

Ach Herr, Gespenster ziehn im Wald!

GRAF KYBURG.

Das Volk

Ist hier noch ziemlich dumm denk ich an Sachsen

SCHÖNFELD.

Denk was du willst! Laßt ihn. Erzähl nur weiter.

BAUER.

Mir steigt das Haar noch, denk ich dran zurück.

Seht nur, der Pole kam, wir mußten fliehn

Und rasteten die Nacht im dunkeln Walde.

Da, wie wir lagen so, gehn rote Lichter

Bald da, bald dort, und wunderbare Stimmen,

Dann alles wieder still. Auf einmal stürzen

Zwei Nachbarn her, drauf mehr und immer mehre,

Wüst, bleich, verstört, und sagen aus: die Herren,

So in der Schlacht bei Tannenberg erschlagen,

Die säßen all gewappnet wieder auf

Und zögen mit Gesang bei Fackelschein

Langsam den stillen Waldesgrund herauf.

SCHÖNFELD.

Na, sei kein Narr!

BAUER.

Ich hab es selbst gesehn.

Es wuchs und wuchs die stille Reiterschar,

Daß sich der Wald drob schüttelte vor Grausen,

Und hoch voran beim Widerschein der Fackeln

Sankt Georg auf weißem Roß in güldnem Harnisch,

Die Fahne in der Hand. Wir aber gaben

Uns auf die Flucht, und hörten hinter uns

Der Rosse Wiehern noch und den Gesang

Von ferne durch die Morgenluft.

 

Ein Ritter tritt auf.

 

 

GRAF SCHWARZBURG.

Was bringst du?

RITTER.

Herr! Reiter zahllos ziehn den Wald herauf!

GRAF SCHWARZBURG freudig.

Herrgott! hierher?

BAUER.

Da habt Ihr’s selbst!

GRAF SCHWARZBURG zum Ritter.

Wer ist’s?

RITTER.

Wir wissen’s nicht. Wie du befohlen, zog

Dein Fähnlein still des Wegs nach Deutschland fort,

Da blitzten plötzlich Reiter uns entgegen.

Die lassen keinen durch doch was im Walde

Noch irre schweift, ringsher von allen Bergen,

Gleich Bächen stürzt’s dem Zuge schwellend nach,

Der wie ein Strom daherrauscht durch den Morgen.

Ein hoher Ritter führt den Zug. Das Volk

Scheut sich entsetzt vor ihm und alle meinen,

Es sei der heil’ge Ritter Georg

BAUER.

Da ist er!

 

Er entflieht.

 

 

GRAF HEINRICH VON PLAUEN mit der Fahne auftretend.

Zurück da!

 

Rückwärts in die Szene rufend.

 

 

Greift das flüchtige Gesindel,

Das heulend rings das Morgenrot verstört,

Stoßt nieder, was nicht steht!

 

Die Ritter erkennend.

 

 

Wie Ihr seid’s? hier?

Nun, Gott willkommen, Brüder mein!

HERMANN GANS.

Du Plauen?

GRAF KYBURG.

Was soll der Schwank? warum verrennst du uns

Den Weg?

HEINRICH VON PLAUEN.

Ich Euch? Der grade Weg geht ja

Dorthin.

SCHÖNFELD.

Wohin?

HEINRICH VON PLAUEN.

Nun, wo in aller Welt

Als nach Marienburg?

HERMANN GANS.

Du willst aufs Haupthaus?

HEINRICH VON PLAUEN im höchsten Erstaunen.

Ihr nicht?!

GRAF KYBURG.

Bist du denn toll? Ein Häuflein Greise

Wankt auf den Zinnen dort, gleich Wetterhähnen,

Der Winde Spiel.

HEINRICH VON PLAUEN.

So laß sie Kugeln gießen!

Dreitausend frische Männer bring ich mit.

SCHÖNFELD.

Jagello dringt zum Haus.

HEINRICH VON PLAUEN.

Nun just deswegen!

HERMANN GANS.

Der Meister tot

HEINRICH VON PLAUEN.

Der hohe Meister stirbt nicht!

EIN HAUPTMANN auftretend, zu Plauen.

Herr, eilt! von jenen Höhn dort komm ich eben;

Am Firmament fern überm dunklen Kranze

Der Wälder zieht der Pole eine Furt

Von Glut und Rauch grad nach Marienburg.

HEINRICH VON PLAUEN.

O Herr! so gib denn Flügel, heut nur Flügel!

Eil schnell hinunter, es soll niemand ruhn!

Geh, treibe, bitte, schelte, fort nur, fort!

Ich folge gleich Hör noch.

 

Leise.

 

 

Ein Fähnlein sende

Hierher, sie sollen diesen Platz umzingeln

Und keinen lebend lassen aus dem Kreis.

 

Hauptmann ab.

 

Zu den Gebietigern.

 

 

Nun rundheraus, ihr Herrn: wer nicht mit uns,

Ist gegen uns und so verhafte ich

Euch hier in unsers heil’gen Ordens Namen.

GRAF SCHWARZBURG sein Schwert ziehend.

Komm her, wes Herz nach Stahl verlangt! Wer gab

So ungemeßnes Recht dir, Übermüt’gem?

HEINRICH VON PLAUEN.

Frag mich nicht drum ich weiß es nicht, doch, so mir

Gott helfen mag, ich kann nicht anders! Eins

Muß Seel und Leib hier sein, und wo ein Glied

Abtrünnig, faul haut’s ab, bevor sein Gift

Das frische Blut verstört, denn nicht mehr Zeit

Ist’s zu Erbarmen hier und Wortgeklingel!

Gebt ihr das Haupthaus auf: Ihr findet nimmer

Ein Haus auf Erden wieder!

GRAF KYBURG.

Nun, so fange

Dir Knechte ein, nicht deutschen Reiches Grafen!

HERMANN GANS.

Um Gottes willen, still! ich bitt euch, Friede!

SCHÖNFELD.

Was Friede da, hat gleich der Plauen recht!

Oho, ihr Gräflein, ho! Ihr lagt in Windeln

Als nackte Heiden noch, da rauft ich hier

Als Ritter schon der Königin der Ehren!

GRAF SCHWARZBURG rasch vortretend.

Nun gut, ich will ja Frieden. Hab’s bedacht

Ein schöner Strauß, Marienburg zu retten,

Kühn, glänzend ob es glückt, ob nicht: wer’s wagt,

Des Name hebt mit feur’gem Arm der Ruhm

Hoch über den gemeinen Strom der Zeiten.

 

Den Plauen scharf ins Auge fassend.

 

 

Tritt mir die Macht des Feldherrn ab so sei’s!

Gib mir den Zügel dieser mut’gen Seelen,

Und nach Marienburg lenk ich Roß und Mann!

Was sinnst du nach?

HEINRICH VON PLAUEN.

Du bist mir unbekannt

In fremde Hand so Großes alles legen.

GRAF SCHWARZBURG.

Des Höhren Hand ist über dir und mir

Willst du? willst du?

HEINRICH VON PLAUEN nach einer Pause.

So nimm das Regiment!

 

Er reicht ihm die Fahne.

 

 

Nur fort jetzt, fort! Mit Gott ein Herz, ein Schwert!

GRAF SCHWARZBURG zurücktretend, indem er sein Schwert in die Scheide wirft.

Nun, so sei Gott gepriesen! Meinst du’s so.

So kann’s gelingen und mit Freuden beug ich

Mich vor dem bessern Mann. Da nimm, und führ uns!

HERMANN GANS.

Ist’s gleich die Regel nicht

GRAF KYBURG.

Man soll nicht sagen,

Daß je ein Kyburg fehlt, wo’s adlig gilt!

SCHÖNFELD.

Ich zerr schon lang hier, wie ein Ochs am Stricke

Oh, geht es da hinaus und stünd’s noch dicker,

Die Hörner eingesetzt und frisch drauflos!

GRAF SCHWARZBURG zu Plauen.

Was stehst du zaudernd noch?

HEINRICH VON PLAUEN.

Mir ist’s so hell

Wie ‘n klarer Sonntagsmorgen in der Seele.

Seht, wie’s im Tal da blitzt, die Banner wehn,

Die Lerche schwingt sich auf und aus der Ferne

Die Morgenglocken durch die stille Luft

O großer Gott, wie bist du gnadenreich!

 

Er sinkt auf die Knie. Alle andern Ritter knien gleichfalls zu stillem Gebet nieder. Währenddes hört man.

 

 

GESANG draußen.

 

Sei gegrüßt, du Königin

Himmels und der Erden;

Hilf uns, laß die Deinen heut

Nicht zuschanden werden!

 

HEINRICH VON PLAUEN aufstehend.

Sie rufen schon auf, nach Marienburg!

 

Während sich alle erheben, und, Plauen folgend, abgehn.

 

 

GESANG wie oben.

 

Sei gegrüßt, du Morgenstern

In dem Graun der Schlachten,

Führ uns heim ins Morgenrot,

Will uns Tod umnachten!

 

Zweiter Aufzug

 

Erste Szene

 

 

 

Schloßhof in Marienburg, links eine Mauer, über die man ins Land hinaussehen kann, im Hintergrunde buntbewegte Geschäftigkeit von Rittern und Soldaten. Hanns von Baysen, eine Büchse in der Hand, und ein Soldat kommen.

 

 

SOLDAT. Nun Gotts Wunder! laßt Euch noch einmal betrachten wahrhaftig der Herr Junker Hanns von Baysen mit Haut und Haar! wie kamt Ihr her?

BAYSEN. Hab lange genug gehockt zu Haus. Als heut der Plauen die Schar vorüberführte ich stand grade auf der Zinne und hört’s von ferne trampeln und rasseln durch die Nacht und als die Sonne aufging und die Helme blitzten und die Reiter sangen, da ging ich leis die Wendeltrepp hinab, über den stillen Hof weg, mein Rößlein sachte, sachte aus dem Stall und frisch dem Zuge nach! Aber wahrhaftig, ich hätte dich auch bald nicht wiedererkannt, du hast dich sehr verändert.

SOLDAT. Ja, so ein Kriegsjahr kostet ein gut Stück Speck. Sonst, wenn ich mich abends unter der großen Linde vor Eurem Schloße auf die Bank niedersetzte, da zitterte mir der ganze Leib vor Zufriedenheit wie Sülze.

BAYSEN. Du bist noch immer der alte lustige Gesell. Da sieh einmal! ein schmuck Gewehr, so blank; es spiegelt sich der Himmel drin wie lauter helles Glück. Er legt über die Mauer an, läßt aber schnell die Arme wieder sinken. Herr Gott, was gibt’s da unten! Als hätt es Lumpen geschneit: der ganze Platz voll Kasten, Kleider und Gerümpel, und Männer, Kinder und Weiber zwischendurch, das schlingt und schiebt sich durcheinander, alles drängt hier nach dem Schloßtor. Was bedeutet das?

SOLDAT. Gewitter es fliegt der Sturm voraus und wirbelt den Staub auf. Die Marienburger sind es, die vor dem Hagelwetter, das von Stuhm aufsteigt, aus der Stadt zum Schlosse flüchten.

BAYSEN. Wahrhaftig, wie zerrissenes Gewölk vor dem Sturm daher! Ein jeder trägt sein Liebstes da sieh das Weib, wie ein Apfelbaum, aus jeder Falte ihres Mantels guckt ein Kinderköpfchen, und dort der flinke Bursch sein Mädchen hoch im Arm schau nur, sie sieht uns hier und blickt schnell weg, als hätte die Morgensonne sie geblendet; ich wette, sie blinzelt doch wieder herauf. Aber was soll uns das alles hier?

SOLDAT. Der Plauen hat ihnen die Keller aufgetan, da sollen die Ratten hausen, bis wir die heidnischen Tigerkatzen draußen wieder verjagt haben.

BAYSEN. Wie bei der Sündflut in der Arche Noahs.

SOLDAT. Die Arche wird etwas tief gehn von dem Ballast.

BAYSEN. Laß es gut sein, der Plauen ist der rechte Schiffer, der steuert uns alle heraus durch Sturm und Flut! Nach dem Hintergrunde gewendet. Was gibt’s denn da für Lärm?

 

Ein Haufen Söldner, Czervany und Langschenkel an der Spitze, verfolgen den Johann von Schönfeld.

 

 

SCHÖNFELD. Seid ihr toll! Was habt ihr euch grade auf mich versessen? He? bin ich denn der Bettelvogt? So brüllt doch nicht, zum Teufel, und sagt wie vernünftige Bestien, was ihr wollt!

MEHRERE SÖLDNER. Sold!

SCHÖNFELD. Gold?

SÖLDNER. Ihr sollt’t!

SCHÖNFELD auffahrend. Bah! Indem er sein Schwert zieht. Ich hoff ich bin hier noch der Gröbste unter euch!

HEINRICH VON PLAUEN auftretend.

Still!

 

Der Haufe teilt sich schweigend und bildet einen Halbkreis.

 

 

Nun was gibt’s? Laßt sehn: wer spricht zuerst?

CZERVANY leise zu Langschenkel.

Jetzt reiß dein Maul auf.

LANGSCHENKEL ebenso.

Ruhig! ich zerdrück dich,

Wie ‘n Pfeifenstiel sonst zwischen meinen Fingern!

CZERVANY vortretend.

Herr Ihr erlaubt der arme blinde Troß

Ich kenn das Volk, glaubt einem grauen Krieger

So lumpig ‘s ist, so furchtbar wenn sie hungern.

Ich kann ‘s nicht bill’gen doch die Armut drückt

Sie bitten, daß Ihr ihren Sold erhöht.

HEINRICH VON PLAUEN lachend.

Nun, dacht ich Wunder doch!

 

Zu den Söldnern gewendet.

 

 

Seid ihr Soldaten,

So holt’s euch selbst! Bald strotzen rings die Felder

Von poln’schen Zelten, reichgewirkten Tepp’chen

Mit goldnen Franzen dran und Reiherbüschen.

Jagjels Schabracke, ja ein Zipfel dran

Gilt mehr, als meine ganze Rüstung. Holt’s euch,

Ihr habt den ersten Griff.

CZERVANY.

Wie gnäd’ger Herr,

Ihr meinet, daß die Beute Gott gesegnes!

Nicht, wie es sonst Gebrauch, geteilt soll werden?

LANGSCHENKEL.

Daß wir bei Plündrung, nächt’gen Überfällen

So Vorhand haben dürfen?

HEINRICH VON PLAUEN.

Ja, so mein ich’s.

Nun geht ihr’s ein?

 

Zu den Söldnern.

 

 

DIE SÖLDNER.

Heil, Plauen, Heil! Hussa!

 

Sie zerstreuen sich.

 

 

HEINRICH VON PLAUEN auf Czervany deutend.

Den greift und werft ihn in den Turm.

CZERVANY.

Wie mich

Unschuld’gen Mann?

 

Indem er abgeführt wird.

 

 

Das will ich dir gedenken!

LANGSCHENKEL für sich.

Oho, nur zu! Dem tut Ihr nichts, das ist

Ein alter Walnußbaum, je mehr man ihn

Mit Knüppeln schmeißt, je üppiger gedeiht er!

 

Ab.

 

 

HEINRICH VON PLAUEN zu Schönfeld.

Nun hast du dich erholt? Sieh, wie das wimmelt.

Mir ist, als wär ich heimgekehrt von ferne

Auf meiner Väter Schloß und schmückt’ mir’s aus

Zu einem großen Fest.

GRAF GÜNTHER VON SCHWARZBURG tritt auf.

Was bringst du uns?

GRAF SCHWARZBURG.

Schloß Stuhm, das letzte Bollwerk, ist gebrochen

Und unaufhaltsam rauscht die Flut heran.

HEINRICH VON PLAUEN Schwarzburg rasch beiseite ziehend, heimlich.

Ist alles fertig, wie ich dir befohlen?

SCHWARZBURG ebenso.

Ein Wink, und Stadt Marienburg steht in Flammen.

HEINRICH VON PLAUEN sich zu den Rittern wendend.

Nun frisch zum Tanze! Stimmt die Instrumente,

Wir wollen ihnen weite Sprünge lehren!

Gebt acht, wer seine Note fehlt, den lachen

Die Frauen aus; manch Lockenköpfchen duckt

Wie Ringelblumen aus dem Erdgeschoß.

Schafft ihnen Speis und Trank hinab, das Volk

Soll schmausen an der Herren Ehrentag!

SCHÖNFELD.

Nun, wenn’s nur schmeckt nichts, als gekochtes Korn.

HEINRICH VON PLAUEN.

Das macht die Zähne blank, wir können’s brauchen,

Uns durchzubeißen hier.

DER BURGEMEISTER VON MARIENBURG verstört und eilig eintretend.

Wo ist der Feldherr?

HEINRICH VON PLAUEN.

Was willst du, Burgemeister? Schaust so trüb.

BURGEMEISTER.

O Herr! Auf dein Gebot verließ das Volk

Die Stadt ich schied zuletzt, und hinter mir

War’s da so leer und still auf allen Gassen,

Daß man den Brunnen rauschen hört’ vom Markt

Doch durch die Einsamkeit, bald da, bald dort

Sah ich geschäftig fremde Männer schreiten

Ein schreckliches Gerücht geht um o sprich,

Gestrenger Herr, was soll das?

HEINRICH VON PLAUEN.

Was es soll?

Was macht ihr da! dorthin bringt das Geschütz!

 

Er geht, anordnend, in den Hintergrund.

 

 

BAYSEN an der Mauer.

Da da, seht hin! Dort dunkelt’s schon herauf!

Wie Schwalben vorm Gewitter, kreuzen pfeilschnell

Tartaren einzeln übers stille Feld

Hei, wie die nun aus Wald und Hecken brechen,

Hoch überm Kopf die blanken Lanzen schwingend!

Wie bunte Pfeile übern grünen Plan

Schwirrt’s her und hin, daß mir die Augen flimmern

Ein Herold fliegt vorauf

HEINRICH VON PLAUEN plötzlich vortretend.

Jetzt zünd’t die Stadt an!

BURGEMEISTER sich vor ihm auf die Knie werfend.

O meine Ahnung! Hab Erbarmen, Herr!

Zertrümmre nicht im raschen Augenblick,

Was viel Jahrhundert’ liebend aufgerichtet!

HEINRICH VON PLAUEN ihn schnell aufhebend.

Knie du vor Gott, damit er euch erleuchte!

Wollt ihr, daß ich dem polnischen Adler draußen

Ein Nest bereite vor dem eignen Tor?

EIN RITTER eintretend.

Ein Herold von Jagello harrt am Tor.

HEINRICH VON PLAUEN.

Verbrennt die Stadt!

 

Mehrere Soldaten ab.

 

 

Du führ den Herold her.

 

Hermann Gans und Graf Kyburg drängen sich vor.

 

 

HERMANN GANS.

Bedenke, Plau’n! bedenke wohl in diesem

Hochwicht’gen Fall

GRAF KYBURG.

Die überspannte Senne

Verletzt den Schützen

HEINRICH VON PLAUEN.

Ruhig. Was ich soll,

Das les ich in der leisen Schrift erblaßter

Gesichter rings in dieser stillen Runde.

HEROLD tritt auf.

Wer ist der Erste unter euch hier?

HEINRICH VON PLAUEN.

Ich.

HEROLD.

Jagello, Polens König spricht also

Durch meinen Mund zu dir: Der Sturm, den rasend

Der Übermut des Ordens hat beflügelt,

Vermessend sich, die Throne umzustürzen,

Er hat das hehre Meer der Majestät

Empöret, das, aus seinem Bett aufbäumend,

Das Land verschlingt und euch, und eure Burgen,

Und fliehender Völker Schrei verkündet wachsend

Dem bangen Rund der nahnden Wogen Donner.

So kommt der König um auf dieser Burg,

Den letzten Trümmern eures trotz’gen Hochmuts,

Gericht zu halten über alle Frevel.

Du aber sollst das Tor dem Herren öffnen!

HEINRICH VON PLAUEN.

Wortkühner Herold ist das alles?

HEROLD.

Alles.

HEINRICH VON PLAUEN.

So reit zurück und drück die Sporen ein,

Denn eh du noch des Königs Zelt erreicht,

Hab ich mit Flammen auf das Firmament

Die Antwort ihm geschrieben! Und befrägt er

Dich um die Deutung noch, so sag ihm das:

Wie Flut und Feuer woll ich mit ihm ringen,

Und keinen Richter kennt ich über mir,

Als den allmächt’gen Gott, der hier entscheide,

Denn lebend laß ich nimmer diese Burg!

Nun eil, eh über dir die Wolke bricht!

 

Der Herold ab. Im Hintergrunde sieht man die Flamme der brennenden Stadt aufsteigen. Allgemeines Stillschweigen.

 

 

HEINRICH VON PLAUEN ins Feuer schauend, zu Graf Schwarzburg.

Das ist ein schönes, kühnes Element,

Was schwer, vernichtet es und greift zum Himmel.

 

Zu den Umstehenden.

 

 

Nun denn mit Gott ein jeder an sein Werk!

 

Alle ab.

 

 

Zweite Szene

 

 

 

Nacht. Freier Platz vor Romintas Zelt. Zur Seite Bäume. Wirsberg, in einen polnischen Mantel gehüllt, tritt auf.

 

 

WIRSBERG.

Das sind die Bäume Romintas Zelt!

Es wittert mich keiner hier durch die Runde

Der Wachen strich ich leise übers Feld.

Horch aus den Dörfern bellen die Hunde,

Die Wolken fliegen am Himmel geschwind,

Die Fähnlein an den Zelten dreht der Wind,

Und rings schaut die dunkele Nacht herauf,

Als schlüge Rominta ihr Auge auf.

Rauscht nicht das Zelt da? sie tritt hervor

 

Er stellt sich hinter einen Baum.

 

Rominta und Jolante kommen aus dem Zelt.

 

 

ROMINTA.

Da blitzt’s von fern es kühlt sich nur die Nacht,

Die Welt ruht aus, derweil der Himmel wacht.

JOLANTE.

Im Mondschein glänzen rings die Zelte hier,

Da ruht manch Ritter jetzt und träumt von dir.

ROMINTA.

Horch übers Lager rauscht verworrnen Schalles

Der Abend halb im Schlaf das ist so schön

Und stille hier, als wär der Krieg und alles

Vorbei, und ich stünd in der Heimat wieder.

Komm, setz dich zu mir auf den Rasen nieder,

Wir wollen plaudern in der Einsamkeit.

Flecht mir die Zöpfe und erzähl ein Märlein,

Wie sonst zu Hause in der schönen Zeit.

 

Sie setzt sich vor das Zelt.

 

 

JOLANTE.

Ein Märlein? Willst du das vom Wassermann?

Es war wüßt ich’s nur gleich wie fängt’s doch an?

 

Hinter Rominta kniend, während sie mit ihren Locken beschäftigt ist.

 

 

Es war einmal ein Fräulein schön und jung,

Dem war kein Mann zum Freier gut genung.

Und als die Störche zogen übers Haus,

Schaut’ nach dem Bräut’gam sie vom Berg hinaus,

Und als der Frühling wiederkam,

Ihr Ringlein sie vom Finger nahm:

»Sie alle gefallen mir nimmermehr,

Der Schönste bring’s als Bräut’gam wieder her!«

Sie warf das Ringlein in den Morgen bunt,

Das blitzte weit und ging im Strom zu Grund.

ROMINTA nach ihr sich wendend.

Du hättest dich so lange nicht bedacht.

JOLANTE.

Ach, Herrin! wie der Mondschein blaß dich macht!

Die losen Locken um die Wangen her

Recht wie das Zauberfräulein in der Mär!

ROMINTA.

Ja wenn ich zaubern könnt! Nun weiter nur.

JOLANTE.

Als nun die Nacht bedeckte Wald und Flur,

Das Fräulein einsam in dem Garten stund,

Im dunkeln Gange spielt der Mondenschein,

Einsiedlers Glöcklein nur vom Waldesgrund

Noch hört’ man dort, und fern des Wildes Schrein.

Und als der lichte Tag nun war entflohn

Da und das Käuzlein lacht

ROMINTA.

Du schläfst wohl schon?

JOLANTE sich ermunternd.

Das Käuzlein lacht Da rauscht’ der Fluß herauf,

Als tauchten plötzlich Roß und Reiter auf,

Dann wieder alles still dem Fräulein graut,

Sie beugt sich vor und scharf ins Dunkel schaut:

»Was steht für ‘n Stein dort in den Fluß hinein? «

Der Mond brach durchs Gewölk, sie sagt: »Kein Stein!

Da steht ein Ritter an der Felsenwand,

Mein Ringlein funkelt hell von seiner Hand «

ROMINTA plötzlich aufspringend.

Was rührt sich dort?

JOLANTE.

Ein Ritter

ROMINTA nach einer kurzen Pause.

Geh hinein,

Es wird ein Bote aus dem Lager sein.

 

Jolante geht zögernd in das Zelt, während Wirsberg hervortritt.

 

 

ROMINTA zu Wirsberg.

Was bringst du mir in dieser stillen Stund?

WIRSBERG.

Vom Lager komm ich, mach die nächt’ge Rund.

ROMINTA.

Ein polnischer Ritter bist du nicht

Warum verbirgst du dein Gesicht?

WIRSBERG.

Nicht Augen, nur die Arme still

Braucht wer im Finstern schaffen will.

ROMINTA.

Was drängst du dich so wild heran?

WIRSBERG.

Damit ich dich besser fassen kann!

 

Er umschlingt sie rasch, und schwingt sie auf seinen Arm.

 

 

Der Mond geht unter, es schnaubt das Roß,

Fort, Lieb, durchs Dunkel auf mein Schloß!

ROMINTA entwindet sich ihm plötzlich, einen Dolch ziehend, und bleibt erstaunt vor ihm stehen.

Du bist’s dem ich begegnet nach der Schlacht.

WIRSBERG sie betrachtend.

Seltsam! so träumt’ mir’s stets tief in der Nacht

Umflattert von der Locken dunklen Pracht,

Den Dolch so funkelnd über mir gezückt

Und in dem Grauen atmet ich beglückt.

ROMINTA.

Du wagst dich hoch hörst du der Wachen Ruf?

Ein Wink, und dich zermalmt der Rosse Huf!

WIRSBERG.

Die fürcht ich nicht. Die Stimme, dein’ Gestalt,

Die Augen zauberhaft tun mir Gewalt.

Komm! Fern die Nachtigall aus Träumen schallt,

Im Mondlicht rauscht der alte Zauberwald!

ROMINTA.

Du redest irr hüt dich, es hat die Nacht

Ein leis Gehör, und schlauer Argwohn wacht.

Entflieh von hier, sonst faßt der Kriegsgott dich!

WIRSBERG.

O süßer Klang der Furcht Du fürchtst für mich!

ROMINTA stolz.

Ich? Kehr zurück in deine stille Klause!

Ihr habt ja einen Meister auf dem Hause,

Den hochgewalt’gen Plau’n er sperrt dich ein,

Kommst du so spät. Möcht nicht Geselle sein!

WIRSBERG.

Komtur bin ich, kann selber Meister werden!

ROMINTA.

Es gibt für einen stets nur Raum auf Erden.

WIRSBERG.

Wie meinst du das?

ROMINTA nachdem sie ein Weilchen in Gedanken dagestanden, plötzlich gegen Wirsberg gewandt.

Wohlan! Liebst du mich recht?

WIRSBERG.

O frag nicht noch!

ROMINTA.

Nur einen fürcht ich, haß ich

Man sagt, du seist beherzt, stolz

WIRSBERG.

Was verlangst du?

ROMINTA seine Hand fassend.

Sieh wenn du heimlich mit Gewalt ich wüßt

Ein Plätzchen wohl, mich traulich zu besuchen

Wenn Mondenlicht die stillen Hügel küßt.

Die Stern nur flimmern dort durch dunkle Buchen,

Der Springbrunn rauscht, die Wipfel flüstern sachte,

Glühwürmchen schweifen in den stillen Gängen

Die Lerche nur weiß drum, die früherwachte,

Verträumt in morgenroten Lüften hängend

WIRSBERG sie umschlingend.

So komm leis, schnell durchs Dunkel, schönes Weib!

ROMINTA.

Fort! Nicht berühren sollst du meinen Leib,

Nicht aus dem Panzer lös ich diese Glieder,

Solang er atmet, uns zu Schmach und Not!

Nicht eher, Wirsberg, sehen wir uns wieder,

Bis du mir Kunde bringst daß Plauen tot.

WIRSBERG.

Was sagst du, Schreckliche!

ROMINTA.

Nun, reit zurück!

Ich hör Geräusch hier tötet jeder Blick.

 

Sie geht ins Zelt.

 

 

WIRSBERG.

Wie’n Wandrer, der ein grauenhaft Gesicht

Erblickte in des Blitzes rotem Licht,

Erschrocken in die Nacht zurück sich wendet,

So steh ich von der Hölle hier geblendet.

Horch Tritte rauschen auf den tau’gen Matten!

Sie nahen schon so berget mich, ihr Schatten.

 

Er tritt wischen die Bäume. Langschenkel und Czervany treten von verschiedenen Seiten vorsichtig auf.

 

 

CZERVANY. Pst sachte Pst!

LANGSCHENKEL. Bist du’s, Czervany? Du zischst ja wie eine Fledermaus durch die Nachtluft. Wie bist du denn schon jetzt aus dem Verlies entkommen?

CZERVANY. Verstand der Wuttke gute Freunde. Hör Langschenkel wir sind doch unter uns? Dreihundert nein, wollt sagen: Zweihundert Rosenobel

LANGSCHENKEL. Sollen wir haben?

CZERVANY. Ja, einhundert Rosenobel wenn der Anschlag gelingt! Hab alles abgemacht mit den Polacken.

LANGSCHENKEL. Was! läßt du herunter, wie ein Jude? Du sagtest ja erst dreihundert.

CZERVANY. Ich? dreihundert? nein, guter Langschenkel, sagt ich so?

LANGSCHENKEL. Hör, guter Czervany, du willst uns da wieder betrügen ist’s nicht so?

CZERVANY. Sei doch nur vernünftig! von wem kriegen wir das Geld?

LANGSCHENKEL. Nun, vom König Jagjel.

CZERVANY. Siehst du den Dummkopf, und will da judizieren! Der König gibt’s dem Kronschatzmeister, der Kronschatzmeister dem Oberzahlmeister, der dem Unterzahlmeister, der dem Schreiber, der dem Kastellan, der dem Hauptmann, der mir, sind sieben Personen, jede Person hat zwei Hände, jede Hand fünf Finger, an jedem Finger bleiben zwei Rosenobel hängen, ich frage: wieviel bleibt da?

LANGSCHENKEL ihn beim Kragen fassend. Rechen’s einmal aus, Czervany, aber rasch, sonst erwürg ich dich hier in der Stille ich frage wieviel bleibt?

CZERVANY. Siebenzig Finger, doppelt genommen und von dreihundert subtrahiert zum Teufel! Du schnürst ja, daß mir keine Ziffer aus der Kehle kann bleiben hundertsechzig bleiben

LANGSCHENKEL. Möchtest du nicht die Güte haben und noch ein Dutzend von den verfluchten Fingern auf mein Wams abrechnen, das mir zu kurz ist, und noch ein Dutzend auf das Loch im Ärmel, das mir zu lang wird?

CZERVANY. Warum bist du so ein langer Kerl, man muß sich einschränken, wenn man’s nicht dazu hat und so ein cholerischer, spitziger Kerl, der überall mit dem Ellbogen durchfährt! laß los! dreihundert laß los, sag ich vierhundert Rosenobel aber nun auch keinen Schilling mehr!

LANGSCHENKEL ihn loslassend. So, nun will ich auch durch die noch übrigen Finger sehn. Siehst du guter Czervany, es kommt nur drauf an, daß man’s am rechten Fleck anfaßt.

CZERVANY. Du bist doch immer der alte Spaßvogel! immer Witz und kitzliche Einfalle bei der Hand. Aber jetzt tu mir den Gefallen, mach keine Händel weiter, und sag mir aufrichtig, wie’s im Felde steht, sind die Polacken bereit?

LANGSCHENKEL. Sie ziehen soeben zwischen dem Gebüsch und den Gräben heimlich nach der Marienburg; die auserlesensten Kerls streichen dann einzeln leise, dicht an der Schloßmauer durchs Dunkel hin bis zu dem Pförtchen an der Nogat. Der Wuttke hat die Wache dort, Schlag Mitternacht dreht er die Tür sachte in den Angeln und läßt sie ein.

CZERVANY. Und ihn ihn?

LANGSCHENKEL. Den Plauen? Auf die Schloßzinne pflegt er jede Nacht hinauszutreten, wie der Burggeist, und spricht einsam im Winde mit sich selbst; sie sagen, er läs in den Sternen und im Zug der Wolken

CZERVANY. Gut, laß ihn lesen! Wenn der Janhagel drin ist, gehst du mit dem einen Haufen grade aufs Hochschloß los, ich führ unterdes die andern durch den stillen Gang, wo die Unsern stehen, auf die Zinne

LANGSCHENKEL. Ist der Plauen tot, so ist das Haus unser.

CZERVANY. Horch was war das?

LANGSCHENKEL. Eine Wetterfahne schreit, da hängt sich einer, sagt man. Du fröstelst ja!

CZERVANY. Der Tod läuft über mein Grab. Komm nur, solche Nacht ist mir just die liebste, wenn die Wolken so über- einanderstürzen und die Dachluppen klappen und die Hunde heulen in den Dörfern.

LANGSCHENKEL. Geh voraus, du trittst so leise über den Rasen, wie ein Wolf der von der Kette losgekommen, die Augen funkeln dir ordentlich rot im Kopfe.

 

Beide ab.

 

 

WIRSBERG aus seinem Hinterhalt rasch hervortretend.

Mein Roß! Feld, Bäume drehn sich wie im Wahnsinn,

Ich taumle fast o höllischer Verrat!

Und faßt ich sie, ein Schrei hier in der Nacht

Verdürbe mich und alles wär verloren.

Fort nach Marienburg, dem Mord voraus!

 

Er stürzt fort.

 

 

 

Dritte Szene

 

 

 

Nacht. Auf der Zinne von Marienburg. Kuntz und Wuttke.

 

 

WUTTKE. Siehst du noch immer nichts von den Polacken, Kuntz?

KUNTZ. Bin ich denn eine Katze, daß ich in der Nacht sehen soll?

WUTTKE. Nun, aufs Mausen verstehst du dich doch. Pfui über diese podolische Langsamkeit! Ich wette, die ganze Armee ist wieder in Tran getreten, und kann die Stiefeln nicht herauskriegen. Aber gib acht, Kuntz, geht das schief heut nacht, so erlebst du ein exemplarisches Unglück an mir! Ist das ein Leben hier zwischen den Mauern, wie ein verrosteter Ladstock im Laufe des Kriegs!

KUNTZ. Ich bitt dich, Wuttke, deine Zunge wird dir noch den Hals kosten.

WUTTKE. Kosten? Da ist nicht viel zu kosten, nichts als Flechsen!

KUNTZ. Das unmenschliche Saufen! Du bist schon wieder übergeschnapst. Stehst da wie ein zerzauster Weidenbusch im Sturme.

WUTTKE. O du langer schlanker, blasser Jüngling! recht wie ein Talglicht! Wenn dich der Krieg abgebrannt hat, wird dich noch eine schmierige Ehefrau als Profitchen aufstecken. Saufen! was verstehst du davon! Mir fängt eben erst an martialisch zu werden, es knistert mir schon in den Haaren, ich fühl’s ordentlich, wie mir der Feuermann sachte durchs Sparrwerk zu Dache steigt. Aber hör, Kuntz ich glaube, der Wirsberg ist auch noch nicht wieder zurück? den hat auch der Teufel grade heut auf Patrouille geritten! Geh hinunter ans Pförtchen, und laß ihn hurtig ein sobald er kommt, daß er draußen nicht Lunten riecht.

KUNTZ. Wenn ich nur dem Schönfeld nicht in die Hände laufe, er hat heut das Kommando auf diesem Flügel, da komm ich nicht so bald wieder los. Dem hast du gut eingeschenkt! Er rumort und lärmt und kommandiert treppauf, treppab durchs ganze Haus, wie ein betrunkenes Gespenst. Horch bei Gott, da kommt er eben wieder dahergeschimpft!

 

Eilt durch die entgegengesetzte Türe ab.

 

 

WUTTKE. Er sei mir willkommen.

JOHANN VON SCHÖNFELD das Folgende zum Teil, ehe er noch eintritt. Des Teufels Söldner seid ihr! Was! ist das Dressur? ist das Subordination? Gar keine Ordination, gar keine Tonsur habt ihr! Hundezucht! und wären die Kerls wenigstens fetter, so wären’s wahre Hundsfötter!

WUTTKE. Im Namen der Gottseligkeit, hebe dich von mir, du nachtschwärmender Geist, begib dich zur Ruh, sonst kräh ich dich an, wie ein Hahn!

SCHÖNFELD. Der abergläubische Mensch hält mich für ein Gespenst. Gravitätisch auf ihn zugehend. Abera, Kadabera! aber Ihr irdisches Hornvieh versteht kein Latein. Unglückseliger Wuttke! ich komme dir den Kopf zu waschen von dem Schimmel deiner Sünden, ich komme

WUTTKE. Ja, aber sacht nur! sacht! Du stolperst, seliger Geist wirfst einen recht dicken hoffärtigen Schatten im Mondschein hinter dir.

SCHÖNFELD sich erschrocken umsehend. Schatten? hinter mir? was? dummes Zeug! Du bist so ein verwitterter, langer schlottricher Kerl, Wuttke soll ich mich fürchten vor dir? Glaubst du, daß ich dich wirklich für einen verstorbnen Geist halte? Dummes Zeug! so ein langer, rindslederner Kerl, so ‘n

WUTTKE. Ho! ho!

SCHÖNFELD. Hör Wuttke meiner Treu, das gibt eine schöne Resonanz hier von der Zinne.

WUTTKE. Kommt, kommt nun zu Bett, gestrenger Herr, die Nachtluft greift Euch an.

SCHÖNFELD. Dummes Zeug! Schrei noch einmal mit mir zugleich.

BEIDE. Oho! Hihaho! Gehn schreiend ab.

 

Georg von Wirsberg tritt nach einer kurzen Pause durch die entgegengesetzte Türe rasch ein,

 

zurücksehend.

 

 

WIRSBERG.

Da in dem stillen Gange schlüpft’s jetzt dort

Als wär ich zwiefach hier nur wüster, bleicher,

Verstörter dort verfluchter Doppelgänger!

Wo ich mich umseh, kauert er im Winkel,

Die Wendeltrepp hinan schlich’s leise, leise

Dicht hinter mir, und schwäng ich vor Entsetzen

Mich über die Zinne hier, er stürzt’ mir nach!

Nicht doch still, still wer Arges sinnt, der sieht

Den Schattenriß der eigenen Gedanken

Verlockend über Feld und Wände schweifen.

O welchen Sturm verwegener Gelüste

Regst du geschäftig in der Brust mir, Teufel!

Mord, Lüge, Wahnsinn brütet diese Nacht

Und wird mit ihrem Hauch der künft’gen Tage

Unschuld’ges Morgenrot verlöschen! Draußen,

Als ich allein zurückritt aus dem Lager,

Im Feld, im Wald, durch die Nachteinsamkeit

Flüstert’s mir leise zu, daß mir die Haare

Vor Graun sich sträubten: Heut noch wird sie dein!

Noch weiß hier keiner von dem Plan nur schweigen

Dürft ich im ersten Schreck, in der Verwirrung

Des Überfalls es träf sich leicht der Plauen

Ist keck und stürzt sich blind hinein ich selbst,

Ich könnt ihn ungesehn Wie! sprach da wer?

Wenn ich im innern Hof die Unsern stellte

Der Plauen tot wir werfen in die Nacht

Die Polen rasch zurück ich rett das Haus

Und mein mein: Lust dann, ew’ger Ruhm

 

Plötzlich laut aufschreiend.

 

 

Wer ist da?

PLAUEN tritt auf.

Du hier? Was fährst du so erschrocken auf?

Du siehst ganz bleich im Widerschein der Blitze.

WIRSBERG verwirrt.

Die Fahrt die wilde Nacht

PLAUEN.

Die Nacht ist schön.

Sieh, in Gewittern geht der Herr vorüber

Mit allen Schrecken seiner Majestät,

Als wär da nichts Gemeines mehr auf Erden

Und nur das Große könnt der Mensch bedenken.

WIRSBERG.

O Herr!

PLAUEN.

Was ist’s? Du bist seit kurzer Frist

Verwandelt, Wirsberg, blickst so scheu und traurig.

Sonst, wenn wir um die Lagerfeuer ruhten

Bei Nacht im stillen Felde, und die alten

Geschichten da von Not und Lust und Kampf

Der Ordenshelden in die Runde gingen:

Da funkelt’ es so hell aus deinen Augen,

Ich sah dich stundenlang, fern von dem Lärm

Der andern, sinnend in die Nacht hinausschaun,

Und bei dem Widerschein der Flamme flog

Ein mut’ges Zürnen über Stirn und Wangen:

Daß du in jenen Zeiten nicht gelebt.

Nun, Georg die alte Zeit ist wiederkommen

Und frägt nach ihren Helden wieder Stamm

Und Kron zugleich gilt’s jetzt! Was willst du noch?

WIRSBERG.

Nein Plauen nein! das waren andre Zeiten,

Als die hier freudlos zwischen dumpfen Mauern!

Da lag im Morgenglanz das Heil’ge Land,

Gebirge wunderbar und Wasserfälle

Und Palmen träumend über Zaubergärten,

Wie man’s bei Nacht in Wolken glaubt zu schauen.

Und aus dem Glanze blitzten von den Auen

In fremder Pracht seltsame Kriegsgestalten,

Auf schlanken Rossen schön geschmückte Frauen,

Die plaudernd vor den bunten Zelten halten,

Gesang dazwischen durch den Abend her

Von Christenschiffen übers blaue Meer.

Da war’s ‘ne Lust, die Sporen einzudrücken,

Als funkelt’ rings die Welt von Edelsteinen!

Da mocht dem Kühnen noch das Höchste glücken

Und jeder konnte aus den Zauberhainen

Sich selbst zum Kranz den frischen Lorbeer pflücken!

PLAUEN.

Du dauerst mich mit deinem irren Sehnen.

Was Lorbeer, Glanz! Schwatzt du vom Heil’gen Land,

So denk des Meisters auch, der dort gewandelt!

Ihm lohnt’ die Welt mit einer Dornenkrone.

WIRSBERG.

Du bist so herb und streng in diesen Tagen

Verstör mich nicht um Gott! nur heut nur jetzt nicht!

PLAUEN.

Warum sollt ich den Jägersmann nicht wecken,

Der träumerisch am Abgrund eingeschlummert?

O glaub mir, Georg, in solcher wilden Zeit,

In Kriegsgefahren wie in großer Freude,

Steigt aus sich selbst der Mensch und zeigt sich offen.

Ich hab’s mit Schmerz gesehn: Kühn, tapfer seid ihr,

Doch jeder will’s auf seine Weise sein

Und keiner selbst sich opfern dem Gesetz.

Viel Helden gab’s zur Heidenzeit schon wollt ihr

Zu ihrem Banner euch von Christus wenden?

Christlich Panier, geistlichen Sinn verlangt

Der Augenblick, doch euer Sinn ist weltlich

Und liebt noch andre Dinge, als die Pflicht:

Besitz, des Namens Glanz, Gold, Frauenlob.

Der Frauen höchste hast du dir erkoren,

Die, unsre Fahne in der reinen Hand,

Hoch vor uns herzieht auf der Morgenröte,

In stillen Nächten übern Sternengrund,

Mit Himmelsglanz die arme Erde streifend.

WIRSBERG.

O Plauen könntest du ins Herz mir sehn!

Die Nacht schilt auf mich her mit allen Wipfeln,

All Sterne funkeln zornig auf mich nieder

Ich bin so ganz, ganz ein verlorner Mann!

 

Er stürzt sich auf die Brüstung der Zinne, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend.

 

 

PLAUEN ihn betrachtend, nach einer Pause.

Geh schlafen du bist überwacht und stachle

Dich nicht mit Fechterworten, die das Ohr

Der ernsten Nacht verstörn nicht höher acht ich’s,

Als Sternenschnuppen an dem Firmament,

Das löscht der Sturm hier oben aus.

 

Er will gehn, sich zurückwendend.

 

 

Noch eins!

Wir sind allein ich wollt dir’s lange sagen:

Verworrenes Gerücht von dir, wie Nachtluft

Durch Unkraut, zischelt heimlich hier durchs Haus.

Man sagt, du suchst das Labyrinth der Nacht

Und wirfst die frische Jugend weg an Weiber.

Wirsberg! Zwei Herrn dient keiner unversehrt.

WIRSBERG gespannt aufhorchend.

Zwei Herrn? Wie meinst du das?

PLAUEN.

Hör, Georg hier ist’s

So still wer weiß, wie’s morgen um uns steht.

Sitz noch ich will dir eine Mär erzählen,

Die merke wohl.

 

Er setzt sich zu Wirsberg auf die Zinne.

 

 

Es lag die Welt im argen.

Ein Jüngling, drob erzürnt, floh in den Wald

Und sann, sie einzurichten. Da erschien

Der Herr ihm in der Einsamkeit und winkte

Zu folgen ihm. Und über still Gebirge

Von Fels zu Felsen stieg der wilde Pfad,

Er sah die Länder durch den Riß der Wolken,

Die Heimat unten und des Vaters Schloß,

Und tiefe Wehmut wollt ihn ganz bezwingen.

Und da sie oben standen, sprach der Herr:

»Nun blick noch einmal in die blühnde Tiefe

Willst du der Erde dienen oder mir?«

»Ei dir!« rief der, und wandte sich geblendet

Vom Feuerglanz; der Meister aber sprach:

»So werfe fort dein ird’sches Kleid von Hochmut,

Weltlust und eitlem Ruhm es hat die Erde

Noch andre Götter neben mir, du sollst

Sie niederwerfen nun, denn mich erbarmt’s

Der Reinen. « »Herr«, entgegnet da der Knabe,

»Wie doch vollbrächt ich das, so arm, verlassen

Hier in der Öde! « Der Allmächt’ge aber

Blickt’ leuchtend in sein Herz und sprach: »Da nimm

Mein Schwert ich will dich ganz in Feuer kleiden. «

Der Jüngling, tief erschauernd, drauf: »Hie bin ich! «

Da faßte den Verzückten Gottes Hand,

Und wo er auftrat, schlugen Zornesflammen

Vom Boden auf und hinter sich vernahm er

Den Schrei der Welt, in Lohen niederdonnernd.

Ihm selber aber war das Haar ergraut

Und öfter stand er still und schüttelt schaudernd

Das Blut sich von den Locken. Und als nun

Gesühnt der Frevel: hatt das Himmelsfeuer

Auch ihn verzehrt und als die Donner dann

Fernab vergrollten und die neue Zeit

Verweint emporstieg unterm Friedensbogen:

Da wußten die unschuldigen Geschlechter

Nichts von dem Streiter mehr, und keiner kannte

Den Platz noch, wo er sank ein Häuflein Asche

Vom Wind zerstiebt.

WIRSBERG aufstehend.

Laß los mich Du bist schrecklich!

PLAUEN.

Ich nicht. Fürcht Gott und laß bei Gotteswerk

Fortan all andre Furcht und andres Hoffen!

Und wenn dereinst Horch da, was rührt sich?

WIRSBERG erschrocken.

Wo?

PLAUEN.

Dort an dem Wall, beim hellen Schein des Blitzes,

War’s doch, als ob dort fremde Männer stünden.

WIRSBERG.

Hörst du nicht Waffen rasseln durch die Nacht?

PLAUEN.

Da immer mehr und mehr jetzt hier dort wieder

WIRSBERG stürzt vor Plauen zu Boden.

O Gott! Hülf, Plau’n, die Hölle tut sich auf!

PLAUEN sich hoch aufrichtend.

Was gibt’s?

WIRSBERG.

Sieh mich nicht so entsetzlich an!

PLAUEN.

Was gibt’s? hier über dieser Zinne Rand,

Wo Schwindel, sturmgleich, jedes Haar emporsträubt,

Treib ich hinab dich in den nächt’gen Abgrund,

Sag schnell, was weißt du? sprich!

WIRSBERG.

Verrat! Die Söldner

Am Nogattor sie nahn schon rette dich!

PLAUEN ihn ergreifend und nach der Türe schleudernd.

Voraus, armsel’ger Wicht!

 

Er zieht sein Schwert, fortstürzend.

 

 

He Ratten! Ratten!

 

 

Vierte Szene

 

 

 

Nacht. Freier Platz, im Hintergrunde das Schloß Marienburg, zum Teil von Flammen beleuchtet. Kriegslärm in der Ferne. Friedrich von Kinthenau und Hanns von Polkau treten von verschiedenen Seiten auf.

 

 

KINTHENAU.

Wer kommt da?

POLKAU.

Hanns von Polkau.

KINTHENAU.

Hat dich auch

Der kecke Überfall herausgelockt

Aus deinem stillen Baue, alter Fuchs?

Ich denk, heut nacht wird dieser Pfaffenritter

Hochfahrnder Sinn gebrochen, und ein simpler

Landritter auch einmal im Preise steigen.

POLKAU.

Steck nur dein Denken wieder in die Tasche.

Soeben kam mein Diener von dem Kampf:

Sie hatten Wittrung drin, noch eh die Polen

Recht wußten, wo hinein. Der Plauen merkt’s.

KINTHENAU.

Nun dieser Plau’n ist recht des Teufels Spürhund!

POLKAU.

Horch, immer lauter wächst das Kriegsgetümmel

Und hieher wendet sich der wilde Klang.

KINTHENAU.

So komm! Am schlimmsten zwischen zwei Parteien

So mitten stehen in der falschen Stille.

Man darf uns hier nicht schleichen sehn. Ich sammle

Die Meinen schnell, und jag den mit, der flieht.

POLKAU.

Das, Kinthenau, das ist es just die Schmach,

Wie feiler Hunde Schwarm, so an die Fersen

Gekoppelt dieser übermüt’gen Ritter!

KINTHENAU.

Laß nur! Gewaltig kreißt die wilde Nacht,

Wer sagt voraus da, wie das enden mag!

 

Beide ab.

 

Czervany und Langschenkel kommen eilig von der entgegengesetzten Seite.

 

 

CZERVANY. Der Tausend! ich bin da herausgeflogen, ich weiß selbst nicht wie!

LANGSCHENKEL. Der Plauen hat uns wie Bomben herausgeschossen nun können wir hier draußen vor Ärger zerplatzen.

CZERVANY. O Glück! Glück! was soll aus klugen Köpfen werden, wenn du nicht gleichen Schritt hältst mit dem Verstande!

LANGSCHENKEL. Du schrittst jetzt ein wenig zu lang aus, es kann dich nicht einholen.

CZERVANY. Hör nur das würgt und kollert in der dicken Nacht wie verbissene Hunde und Katzen durcheinander aber es schadet nichts, ich mach mich doch bezahlt! das polnische Lager steht jetzt leer, da gibt’s noch Rosenobles genug ich geh hin, und mache mich bezahlt!

LANGSCHENKEL. Wahrhaftig, alter Schariwari, wenn dir Fortuna ins Gesicht schlägt, gibt’s artige Funken! Geschwind fort ins Lager, eh die andern nachstürzen! Ein rechter Soldat ist überall der Erste!

 

Sie wollen abgehn.

 

 

WUTTKE mit gezogenem Schwert ihnen entgegen. He Hollaho! Mord! Pest! Brand!

CZERVANY. Bist du toll? wir sind ja von uns!

WUTTKE. Das ist mir alles gleich! Ihr just habt mich in das Pech gebracht, daß ich Stiefel und Reputation drin steckenlassen muß die ganze Welt ist ein feuerspeiender Berg, der uns ausspeit! Oh!

LANGSCHENKEL. Beiß dich in die Nase, Wuttke, beiß dir ein Ohr ab, das ist gut für jähe Wut.

CZERVANY. Nimm doch nur Vernunft an, ehrlicher Wuttke!

WUTTKE. Wer kann mich dazu zwingen? das will ich doch sehn!

 

Er fällt sie an.

 

 

LANGSCHENKEL. Frisch Czervany! den Kerl muß man in sein eignes Bestes hineinprügeln.

 

Sie treiben den Wuttke hinaus.

 

Ein polnischer Hauptmann und Soldaten fliehend.

 

 

HAUPTMANN.

Horcht wie die Windsbraut, stürzt’s sich in die Nacht

Hoch über uns hinweg.

ERSTER SOLDAT.

Auf unsichtbaren

Luftrossen reiten schreckliche Gestalten.

ZWEITER.

Wie gräßlich leuchtet dieser Brand hinaus

Weit in das Feld und übers leere Lager,

Verwirrend Angst und Flucht!

ERSTER.

Fort! dort hinaus!

ROMINTA ganz gewaffnet, ihnen entgegenstürzend.

Zurück da, hünd’sche Knechte ihr des Glücks!

Wollt ihr, daß eure schandbefleckte Namen

Kindskinder von Geschlecht einst zu Geschlecht

Mit Stachelreden peitschen? Steht! wie hoch

Denn schlagt ihr euer lump’ges Leben an,

Wenn ihr’s nicht setzen mögt an solche Stunde!

ZWEITER SOLDAT.

Mach Platz da, grauenhafte Kriegeshexe!

 

Sie eilen ab.

 

 

ROMINTA.

Wär ich ein Mann!

HAUPTMANN ihre Hand ergreifend.

Ich kenn dich komm! Noch ließ

Der Tod hier eine stille Gasse offen,

Ich führ ins Feld dich durch die Flammen. Fort!

Der Plauen bricht sogleich dort aus dem Tor.

ROMINTA.

Dort, sagst du, aus dem Flammentore kommt er?

Sag schnell, woran erkenn ich ihn?

HAUPTMANN.

Was sinnst du?

ROMINTA.

Nein, geh du nur.

 

Sie stellt sich an der äußersten Seite der Bühne hinter einen Stein und legt ihre Armbrust auf das Tor an.

 

 

HAUPTMANN.

Ich kann dich hier nicht lassen.

Was zielst du in die öde Nacht?

ROMINTA.

Wer ist

Der Furchtbar-Schöne in den Feuerwogen?

Die Fahne hält er hoch empor, wie ‘n Cherub

Mit goldnen Flügeln in den Flammen schlagend

Entsetzt weicht alles, ihm gehorcht die Schlacht

Jetzt wendet er sich

 

Plauen mit Schwert und Fahne erscheint im Getümmel auf der Mauer.

 

 

HAUPTMANN.

Weh! der Plauen!

ROMINTA läßt plötzlich ihre Armbrust sinken.

Der?

HAUPTMANN.

Um Gottes willen, fort! wir sind allein schon

Eil, eh der Sturmeswirbel dich erfaßt!

ROMINTA die fortwährend nach der Mauer hingestarrt, plötzlich auffahrend.

Ja fort! Führ mich hinweg, weit weit von hier!

 

Beide ab.

 

Polen, im Kampf mit Ordenssoldaten, fliehen über die Bühne. Im Hintergrunde sieht man Plauen, Graf Günther von Schwarzburg und mehrere Ordensritter.

 

 

PLAUEN.

Setzt ihnen nach! Wer sah den Wirsberg heut?

SCHWARZBURG.

Ich, Herr. Das Haar gesträubt, bleich, zähneknirschend,

Wie ‘n grauenhaft Gespenst, teilt’ er die Flammen

Und stürzt’, uns allen vor, sich auf den Feind.

PLAUEN.

Eil, faß ihn mitten aus dem Mordgetümmel.

Und lad zum Morgenrot ihn vor Gericht!

SCHWARZBURG.

Gericht? den Wirsberg?

PLAUEN in die Ferne schauend.

Dort hinaus die Reiter!

Sie stehn noch einmal laßt sie nicht verschnaufen!

Mehr Fußvolk noch zum Wald! das stockt und ringt!

 

Draußen Glockengeläut und Jubelruf.

 

 

Jetzt wenden sie sich unabsehbar wälzt

Im Widerschein der Flammen sich die Flucht,

Sturmglocken hör ich gehn von Dorf zu Dorf,

Das Land ist frei!

 

Er fällt auf die Knie.

 

 

Du hast’s getan! halt fest mich

In diesem Sturm der Freude, starker Gott!

 

Dritter Aufzug

 

Erste Szene

 

 

 

Konventsremter im Schlosse zu Marienburg. Hermann Gans und Jost von Hohenkirch spielen Schach. König sieht dem Spiele zu. Ulrich Zenger, Heinrich Schäven und mehrere Ordens-Ritter teils sitzend, teils miteinander umherwandelnd. Hanns von Baysen sitzt in einer Fensternische und ist beschäftigt, eine Zither instand zu setzen.

 

 

SCHÄVEN.

Du, Zenger, kommst vom Haus zu Brandenburg?

ZENGER.

Ja, zum Kapitel bin ich mit berufen.

Wir haben lang uns nicht gesehen, Schäven,

Was hat seitdem sich alles umgewandelt!

Mit Polen Friede, hier ein neuer Meister

SCHÄVEN.

Ja, mit der Wahl ging’s rasch, wie mit dem Krieg.

Küchmeister lag in Polen, wund, gefangen,

Hier ging die See vom Kriegessturm noch hohl

Und warf das lecke Schiff, da blickten alle

Nur nach dem Steuermann, und Plauen ward

Einmütiglich zum Meister ausgerufen.

ZENGER.

Nun, und was meint man hier zum neuen Herrn?

SCHÄVEN.

Hm Zenger, ‘s ist nicht gut, von allem reden.

ZENGER.

Als ich hereinritt hier, hört ich Chorsingen,

Es war nicht eure Zeit das ist was Neues.

SCHÄVEN.

Der Meister hat zwölf Mönche hergerufen,

Die heben an zu psaltern, wenn wir ruhn,

Daß Tag und Nacht kein Schweigen ist im Chore

Dir, Zenger, darf ich’s schon vertraun er will’s

Erzwingen mit der alten Regel, Beten,

Kastein und Füße waschen schmutz’gen Kranken

Ist das ein Leben, wie es Rittern ziemt,

Die, gleich den Fürsten, Land und Leut regieren?

Dabei das Schanzen, Baun und Truppenmustern,

Als wär’s im Feld noch zwischen Sarazenen,

Und keiner wird des lieben Friedens froh.

ZENGER.

Da lob ich mir mein abgelegnes Schloß

Weit von Marienburg, da bin ich Herr

Und mach’s kommode mir, Sieh da, der Schönfeld!

SCHÖNFELD eintretend.

Salus, ihr Herren!

ZENGER.

Gratias.

SCHÖNFELD.

Ich meint schon,

Ich käm zu spät.

SCHÄVEN.

Um zehn erst ist Kapitel.

SCHÖNFELD.

So besser. Brr, ein rauhes Wetter heut!

 

Er legt den Mantel ab.

 

 

SCHÄVEN.

Da klirrt was drin.

SCHÖNFELD.

Merkst du’s? Ich bin kein Narr,

Mich so der Luft zu exponieren da

 

Er holt Flasche und Becher aus dem Mantel.

 

 

Echt ungrisches Gewächs! Du bist ja auch

Ein Kenner, Zenger. Sieh doch, wie’s ihm gleich

Die Nase rötlich überläuft! Kommt, setzt euch.

Soll’s munden mir, so muß ich diskurrieren.

 

Sie setzen sich um einen Tisch.

 

 

SCHÖNFELD einschenkend.

Auf langen Frieden!

ZENGER anstoßend.

Draußen und im Haus!

SCHÖNFELD.

‘ne christliche Gesundheit!

 

Trinkt.

 

 

Doch nun sagt,

Wozu hat uns der Meister herbeschieden?

SCHÄVEN.

Wozu? Hm davon wäre viel zu sprechen.

SCHÖNFELD.

Gib’s von dir, Freund, gib’s von dir, ‘s bläst dich auf.

SCHÄVEN geheimnisvoll, sich nach allen Seiten umsehend.

Im Friedensinstrumente, zwischen uns

Und Polen, heißt’s: der Schatz soll hunderttausend

Schock Groschen zahlen an die Krone Polen

SCHÖNFELD.

Nun, dacht ich wunder doch! das wissen wir alle.

SCHÄVEN.

So? Nun, wirst du die Groschen zahlen?

SCHÖNFELD.

Ich?

SCHÄVEN.

Ich dachte denn der Ordensschatz hat nichts

ZENGER.

Der Ordensschatz?

SCHÄVEN.

Hat nichts. Nun frag ich, Schönfeld,

Wo kam es hin?

SCHÖNFELD.

Na, was weiß ich! Bibamus!

 

Trinkt.

 

 

HOHENKIRCH am Spiele.

Schach! Ihr bedenkt zuviel. Da unterdessen

Rückt frisch mein Springer auf.

GANS.

Gemach nur, Jost!

Man wird jetzt ganz verwirrt mit Eurem Spiele,

Ihr jungen Ritter steckt voll neuer Finten.

KÖNIG der bisher hinter seinem Stuhle gestanden, eine Figur ergreifend

Den Turm dorthin!

GANS heftig zu König.

Seht doch den Superklug!

Dumm Zeug! das mach ich selbst, brauch deinen Witz nicht!

Verstanden?

KÖNIG sich stolz von den Spielenden wegbegebend.

Wohl, so macht’s auch ohne Witz!

SCHÖNFELD.

Da kommt der vierte heilige Dreikönig!

SCHÄVEN.

Nein, laß den nur, das ist ein offner Kopf.

SCHÖNFELD.

Drum läuft ihm auch die Weisheit allzeit über.

KÖNIG zu ihnen tretend.

Habt ihr von Wirsberg nichts gehört?

ZENGER.

Man sagt,

Er treib im Land sich um.

SCHÖNFELD.

Schad um den Jungen!

Ein wackrer Bursch.

KÖNIG.

Im Marstall und beim Jagen.

SCHÄVEN.

Was es nur gibt mit ihm? der Plauen fodert’

Ihn vor Gericht er aber trotzt und kommt nicht.

KÖNIG.

Es sollt mich wundern, wenn es anders ginge.

Ross’ tummeln, Hunde ziehn und Falken werfen!

Woher soll da die reife Einsicht kommen?

Die Friedenszeit braucht andre würd’ge Männer,

Die sich in Wissenschaften umgesehn

Nimmt man den Helm ab, gilt der Kopf allein.

SCHÖNFELD.

Wär ich wie du, ich richtet’ hier ein Heer

Latein’scher Reiter auf mit Doktorhüten.

KÖNIG.

Lohnt nicht ‘s gibt manchen Graukopf, dem der Hut

Nicht passen möchte auf die langen Ohren.

 

Er geht weiter.

 

 

ZENGER.

Da hast eins weg.

SCHÖNFELD dem König nachsehend.

Seht doch! der Klapperstorch!

Stolziert, als wär er aus dem ältsten Haus!

Ja, alt genug ist’s, ein durchlauchtig Dach,

Da guckt die Sonn hinein, die Ratt heraus,

Das Wappen ein Kossät’ in grünem Felde.

BAYSEN der unterdes hinzugetreten.

Was habt ihr hier? Gibt’s Händel? Laßt doch hören!

SCHÖNFELD.

Bist du auch wieder da, mein Reiterbürschchen!

Wo hast du denn die Laute aufgestöbert?

BAYSEN.

Fand’s droben ganz verstaubt nun klingt’s schon wieder.

 

Er tut einige Griffe.

 

 

SCHÖNFELD.

Kurioser Klang als ging’ die Frühlingssonne

Hell über Haus und Hof, da fallen einem

Die alten Zeiten wieder ein. Laß sehn,

Ich wußt ein Lied sonst lernt’s in Welschland noch

 

Er nimmt die Laute und singt, sich besinnend, halb

 

für sich.

 

 

Ich ging, bei Nacht einst über Land

Wie heißt’s doch weiter? von dem Jägerbürschchen

Singt.

 

 

Ich ging auf meiner Nasen

BAYSEN nimmt ihm die Laute.

Gebt! Ihr verderbt das Lied. So geht die Weise:

 

Spielt und singt.

 

 

Ich ging bei Nacht einst über Land,

Ein Bürschlein traf ich draußen,

Das hatt ‘nen Stutzen in der Hand

Und zielt’ auf mich voll Grausen.

Ich renne, da ich mich erbos,

Auf ihn in vollem Rasen,

Da drückt das kecke Bürschlein los

Und ich stürzt auf die Nasen.

Er aber lacht mir ins Gesicht,

Daß er mich angeschossen,

Cupido war der kleine Wicht

Das hat mich sehr verdrossen.

 

Alle lachen.

 

 

GANS.

Hoho! hoho! ist das ein geistlich Haus!

Du, alter Schönfeld, auch, du bist der Schlimmste!

SCHÖNFELD.

Sieh du zum Schach und frag nicht nach Cupido,

Sonst geht dein Spiel schief.

HOHENKIRCH.

Matt!

SCHÖNFELD.

Siehst du, ich sagt’s ja!

BAYSEN.

Es ist langweilig hier bei euch im Frieden,

Ihr selbst kommt mir jetzt anders vor als damals

Im Feld zu Roß, mit hohen Federbüschen

SCHÄVEN.

Sei du nicht naseweis.

SCHÖNFELD.

Nein, er hat recht,

So ‘n Friede ist wie abgestandnes Bier,

Wirft keinen nieder, aber schmeckt langweilig,

Die Zeit wird sauer, wenn sie lange steht.

 

Johann Graf von Sayn und Rudolf Graf von Kyburg

 

treten ein.

 

 

SCHÄVEN zu Schönfeld.

Da rauscht des römischen Reiches Adel her!

Sie werfen stolz die Handschuh auf den Tisch

Sie grüßen nicht

SCHÖNFELD.

So brauchst du nicht zu danken.

GRAF KYBURG auf König deutend zu Sayn.

Sieh doch, da ist der Bauersohn, der König,

Wie ‘n Hahn mit seinen Ritterspor’n, der sich

Verlaufen von des Vaters Mist.

GRAF SAYN.

Gib acht,

Er streckt sich vornehm schon, er wird gleich krähen.

GRAF KYBURG zu den andern.

Willkommen hier bei uns!

ZENGER.

Ihr selbst willkommen!

Wir sind hier, mein ich, allesamt zu Hause.

GRAF KYBURG.

In alten Häusern nistet vielerlei.

KÖNIG.

Ja, Raubgeflügel hoch vor allen andern,

Das auf den armen Landmann niederstößt.

GRAF KYBURG.

Wenn er sich duckt, geht’s über ihn hinweg.

GRAF SAYN.

Gib dich nicht ab mit ihm. Es flügeln Adler

Zaunkön’ge wohl mit sich empor, die dann

Verwundert schwirrn, daß sie so hoch gestiegen.

KÖNIG heftig.

Wie meint Ihr das?

GRAF SAYN ebenso.

Wie Ihr es deuten wollt.

GRAF KYBURG.

Ei, laß ihn schwirren doch!

GRAF SAYN.

Ich nicht! Er soll

Nicht Hohes messen mit gemeinem Spaten!

KÖNIG.

Ich messe dich wie mich nach dem Gesetz!

GRAF SAYN.

Hüt dich! wer mit dem Schwert ins Buch der Welt

Gesetze schreibt, der frägt nicht, ob ein Blatt

Ihm an der Degenspitze hängenbleibt.

Du selber zeigst, wie’s hohe Zeit, den Trotzmut

Des Bauers, der gern Herr sein will, zu brechen!

KÖNIG an sein Schwert greifend.

Trotz gegen Trotz! laß sehn, wer eher bricht!

Ich trag ein Kreuz

GRAF SAYN.

Das tut der Esel auch!

 

Man hört Glockengeläut.

 

 

SCHÖNFELD dazwischentretend.

Nun, Schwerenot! wird’s ruhig bald? wen’s juckt,

Der kratze draußen sich!

GANS.

Gott schütz! nun wird

Der Schönfeld auch noch toll! Hört Ihr denn nicht!

Sie läuten zum Kapitel schon.

GRAF SAYN.

Was lärmt Ihr?

Meint Ihr, ich würd ihn hier im Remter prügeln?

 

Geht mit Kyburg ab.

 

 

SCHÖNFELD zu Zenger.

Wenn man sich so auf nüchternen Magen ärgert,

Muß man dazutun

 

Er trinkt.

 

 

ZENGER.

Komm, die andern gehn schon.

 

Alle ab, bis auf Hohenkirch und Baysen.

 

 

BAYSEN.

Hier scheint der Krieg noch sachte fortzuplänkeln.

HOHENKIRCH.

Nach Ungewittern sieht man’s lang noch blitzen.

BAYSEN.

Küchmeistern sah ich nicht, wo bleibt der heut?

HOHENKIRCH.

Er lag so lang in Polen. Wir erwarten

Ihn täglich hier aus seiner Haft.

BAYSEN.

Ich meine,

Der Meister sandte dich, ihn auszulösen.

Sprachst du ihn dort?

HOHENKIRCH.

Ja ich erschrak vor ihm,

Bleich, düster sieht er aus, das Haar ergraut

So härmt er sich, daß ihn die Polen fingen

Inmitten seines feur’gen Siegerlaufs.

BAYSEN.

Ja, ‘s ist ein stolzer Mann.

HOHENKIRCH.

Er wußt’s noch nicht,

Daß Plauen Meister ward.

BAYSEN.

Wie nahm er’s auf?

HOHENKIRCH.

Erst schwieg er lang, doch seine Stirne zuckte,

Dann murmelt’ er halblaut: »Ei freilich, Kön’ge

Verjagen und Marienburg befrein

So was macht weidlich Lärm, gibt schöne Echos

In ferner Nachwelt. «

BAYSEN.

Sagtest du ihm nicht,

Daß sie zum Ordensmarschall ihn erwählt?

HOHENKIRCH.

Ja wohl da lacht’ er plötzlich auf und sprach

»So ‘n Marschall Halt! soll ich die Federbüsche

Auflesen, die der Plau’n verstreut im Felde?«

BAYSEN.

Geh, du verdirbst mir ganz das Heldenbild.

Laß uns zum Hochschloß sehn, die Herren sind

Beisammen nun, ich denk, da gibt’s was Neues.

 

Beide ab.

 

 

 

Zweite Szene

 

 

 

Kapitelsaal zu Marienburg, Hermann Gans, die Grafen von Kyburg und Sayn, Schönfeld, Zenger und Schäven um eine Tafel sitzend, an deren oberen Ende Heinrich von Plauen.

 

 

PLAUEN.

Seitdem die Waffen ruhn, seh ich hier finstre

Gewalten gehn durchs Haus, verhüllt und scheu noch,

Doch heimlich zornentbrannte Blicke wechselnd;

Argwohn verdreht der Dinge klaren Sinn,

Und aus dem Mißverständnis wächst die Zwietracht.

So darf es nimmer bleiben, liebe Brüder,

Sag’s jeder freiheraus doch was er sinnt!

Wie helle Blitze die Gewitterschwüle,

Bricht ehrlich Wort und rechte Gegenrede

Verhaltnen Groll. Darum berief ich euch,

Und sag zuerst euch meines Herzens Meinung:

Ihr schloßt mit Polen wider meinen Willen

Den Frieden ab, und unerhörte Zahlung

Habt ihr dem Kön’ge zugesagt. Was hilft’s uns?

Nicht eitel Gold, der Stahl, das Eisen gilt

Auf solchem Markt! Mit unsrer Armut hier

Wächst dort die Gier nur und der Übermut,

Und mit dem eignen Marke füttern wir

Den Krieg auf, den wir abzuwenden meinen.

So lastet schwer der Friede auf uns allen

Und wie ein Friedhof ist das ganze Land.

Die Ungewißheit ist’s, die Furcht, die Sorge,

Die wie ein grauer Regenhimmel tief

Mit trägem Flug die müden Seelen streift,

Das unerträglich Hoffnungslose ist’s,

So Roß und Schwert allmählich zu verpfänden,

Um von dem prahlerischen Feind die Schmach

Solch zweifelhaften Daseins zu erkaufen.

GANS.

Bevor wir weitergehn in der Verhandlung,

Muß ich, der Ordnung wegen, replizieren,

Daß in Paragrapho vier oder fünf

Des Friedensbriefs die Zahlung stipuliert ist

Als Lösegeld für die gefangnen Brüder.

Gott schütz, daß wir die Unsern nun verließen!

PLAUEN.

Du meinst es immer ehrlich, alter Freund.

Drum nenn’s, wie’s recht dir dünkt. Ich nenn’s Tribut.

GRAF KYBURG.

Eh’s dahin käm, eh soll!

PLAUEN rasch und streng.

Wie willst du’s wenden?

GRAF SAYN.

In Deutschland ist noch Geld. Eure Hoheit hat

Die Brüder dort zu reicher Spend entboten.

PLAUEN.

Die Boten sind zurück mit leeren Händen.

In Franken, heißt’s, war Hagel, Mäusefraß,

In Koblenz ist der Wein just nicht geraten,

Und ekler Mißwachs überall im Orden.

Ein Tor, der, wo es gilt, auf viele baut!

Wir stehn für alle auf der Vorhut hier

Der Christenheit, von uns verlangt sie Hülfe!

Täuscht euch nicht länger Polen und der Orden,

Wie Löw und Tiger liegen lechzend wir

Einander gegenüber, jeder scharf

Des andern Blick bewachend wer zuerst

Sich wieder aufrafft, der zerreißt den andern!

GRAF SAYN.

Was meint Euer Hoheit?

ZENGER.

Kaum zu deuten wag ich’s

SCHÄVEN.

Du siehst verwirrt uns alle, bleich, voll Staunen

PLAUEN.

Was starrt ihr mich so an? Es ist die Zeit nicht,

Mit eitler Red sich selber zu belügen.

Ich sag’s euch freiheraus: die Stille hält nicht!

Die Friedensmatten zu vernichten sinnt

Der König Jagjel, und wir sind verloren,

Bricht er ins Land! Da gibt’s nur einen Rat:

In raschem Überfall des Ordens Banner

Zu pflanzen mitten in des Feindes Reich

Und so die Wetter, die sie heimlich türmen,

Zurückzuwerfen auf ihr eignes Haupt!

GANS.

Bedenk die hochbeschworenen Artikel

SCHÄVEN.

Wie? ist das eine geistliche Versammlung?

Den heil’gen Friedenstempel, den der Herr

Mit seinen Engelscharen aufgerichtet

Ob diesem Land, daß es ihn dankbar preise

PLAUEN.

Hüll dich nicht in den Pfaffenmantel, Schäven!

Sprich ohne Falsch, als stündest du vor Gott,

Der Rechenschaft wird fordern von der Stunde!

GRAF SAYN.

Und ständ ich hier vor Gott, ich spräch nicht anders!

Noch raucht der Krieg ringsum von allen Burgen,

Das Volk eratmet’ kaum nie spannt es willig

Zu neuem Kampf das letzte Roß vom Pfluge.

PLAUEN.

Da’s draußen galt, wer frug da nach dem Plunder?

Gib ihnen einen einzigen Gedanken,

Und jeder setzt das Seine freudig dran!

SCHÄVEN.

Um Gott! wir haben kaum das Leben noch,

Zumal wir auf den armen Komtureien,

Und insbesondre ich! wo nähm ich’s her?

PLAUEN.

Ich wende an euch alle mich noch einmal

Ich bitte, ich beschwör euch, denke keiner

Jetzt an sich selbst in der gemeinen Not!

Müd sind wir alle doch die dort vom Schreck,

Vom Siege wir im Ehrenschmuck der Wunden.

Noch einmal ging des Ordens strenger Geist

Geharnischt durch die Flammen dieses Hauses

Und aus den Kriegeswolken über uns,

Die kaum fernab am Horizont vergrollen,

Langt Gottes Hand laßt sie uns rasch erfassen,

Eh sich der Himmel schließt zum letztenmal!

GRAF SAYN.

Ein Wunder müßt geschehn, wenn wir’s vollbrächten!

PLAUEN.

Das größte Wunder ist der starke Glaube,

Der Roß und Reiter schlägt aus dürrem Sand.

GRAF SAYN.

Es soll der Mensch den Himmel nicht versuchen

Und, was die andern auch beschließen mögen,

Ich stimme nimmer drein, tollkühn das Ganze

An einen ungewissen Wurf zu setzen.

Ein halb Jahrhundert blut’gen Kriegsruhms hab ich

Zu wagen, und will meines Stammes nicht

Der erste sein, der Ehre schmachvoll endigt.

PLAUEN.

Nun was für Ehr wär das, die von Fortuna,

Der Metze, noch des Ritterschlags bedürfte!

Halt höher dich, wenn du hier mit willst stimmen,

Denn nicht von deinem Ruhm wird jetzt gehandelt.

SCHÄVEN.

Nein doch von unser aller Hab und Gut.

PLAUEN.

So werft den Ballast fort, wenn er euch hindert!

ZENGER.

Wozu dann Krieg?

SCHÄVEN.

Was blieb’ dann noch zu schützen?

PLAUEN.

Spottwenig ja, du hast erschrecklich recht.

 

Zu den andern gewendet.

 

 

Zur Sache denn: wollt Krieg ihr oder nicht?

ZENGER.

Wenn erst die Häuser wiederhergestellt

GANS.

Ich rat zu kluger Unterhandlung erst

SCHÖNFELD.

Ja nennt, anstatt Hans Schönfeld, mich Hanswurst,

Wenn ich hier weiß, wer recht hat in dem Handel.

PLAUEN.

Ich frag: wollt ihr den Krieg?

GRAF SAYN.

Und ich sag nochmals

FÜR ALLE.

Nein!

PLAUEN.

Nun denn so helf mir Gott!

 

Er steht rasch auf und tritt in den Vordergrund, die andern erheben sich gleichfalls. Allgemeine Stille. Währenddes hört man draußen Trompetenklang.

 

 

PLAUEN freudig auffahrend.

O frischer Klang! Wer naht?

GRAF KYBURG am Fenster.

Küchmeister ist’s,

Der neue Marschall. Viele bunte Banner,

Die er dem Feind bei Tuchel abgerungen,

Umflattern ihn, und wie ein Frühlingssturm

Stürzt Jubel nach und zahllos Volk, das er

Auf dunklem Rosse mächtig überragt.

GRAF SAYN.

Seht doch, grad hinter ihm hat ein Gewitter

Zornfinster sich gelagert überm Land.

Jetzt bricht er durch den Haufen und sprengt donnernd

Voraus in heller Rüstung auf der Brücke,

Wie Wetterleuchten auf dem dunklen Grund.

PLAUEN der unterdes ans Fenster getreten.

Flieg zu, du feur’ger Blitz!

GRAF KYBURG.

Jetzt schwingt er sich

Vom Roß und eilt hierher.

PLAUEN.

Laßt uns allein.

 

Alle ab.

 

Küchmeister in voller Rüstung tritt herein.

 

 

PLAUEN der ihm entgegengegangen, ihn freudig bei der Hand fassend.

Willkommen, wackerer Genoß! Nun ich

Dich wiederseh, ist’s mir, als schaut ich weit

Ins Morgenrot und alles stünde freudig.

KÜCHMEISTER.

Heinrich Euer’ Hoheit wie es sich gebührt,

Komm ich zu grüßen

PLAUEN.

Gut, doch laß die Flausen,

Wir sind allein.

KÜCHMEISTER.

Der Bruder mit dem Meister.

PLAUEN.

Du bringst mich nicht zum Lachen meine Seele

Ist tief betrübt.

KÜCHMEISTER.

So werden wir auf neue

Zerstreuung sinnen müssen hier.

PLAUEN ihn scharf ansehend nach einer Pause.

Küchmeister!

Es wär entsetzlich, wenn auch du

KÜCHMEISTER.

Wenn ich?

Nun was denn? Was wär denn entsetzlich?

PLAUEN.

Laß das!

Von andern wicht’gern Dingen laß uns reden.

Den Günther sandt ich zu dir, meine Meinung

Sollt er eröffnen dir.

KÜCHMEISTER.

Unglaubliches

Hört ich von neuer Rüstung, Friedensbruch,

Und eilte, gegen diesen neuen Krieg

Hier feierlich mein Wort, soweit’s noch gilt

Im Orden, zu erheben.

PLAUEN.

Du? Warum?

KÜCHMEISTER.

Frag das zertrümmerte Marienburg,

Das blut’ge Volk frag, das zertretne Land!

PLAUEN.

Das war sonst deine Art nicht, viel zu fragen.

Du weißt’s so gut wie ich, es fällt das Heil

Vom Himmel nicht, es will erobert sein,

Und wer da nach dem Höchsten zielt, darf nimmer

Gemeine Übel scheun.

KÜCHMEISTER.

O wackrer Schütz,

Der jedesmal das Schwarze trifft und immer

Von neuem wieder höher zielt!

PLAUEN.

Was meinst du?

KÜCHMEISTER.

Daß es ein stolz und königlich Gelüsten,

Die Welt mit Unerhörtem zu erschüttern

Und wie ein Sturm, der kein Gesetz erkennt,

Als seinen eignen unermeßnen Trieb,

Den Wald zu packen und das Meer zu peitschen.

Doch Felsen gibt’s im Meer, die Flut zu brechen,

Und Stämm im Walde noch, die sich nicht beugen.

PLAUEN.

Nun das vergeb dir Gott! den dunklen Abgrund

In deiner Seele aber hab ich nun erkannt

Und sag dir’s unverhohlen was dich treibt

Zu solchem frechen Wort: der Fürstenmantel

Auf meiner Schulter ist’s, der dich verstört,

Der Neid, der hünd’sche ist’s, der die Gestirne

Anbellt, weil er sie nicht erreichen kann!

Schäm dich, schäm dich dich schlug ich höher an!

KÜCHMEISTER.

Sprich du mit Knaben so! Nicht du, die Welt

Wägt den, der Burgen bricht und Schlachten lenkt

Und siegreich heimkehrt, schuld’gen Dank zu fordern.

PLAUEN.

Du tatst’s um dich, du mordetest für dich

Nichts tatst du, Wilder, und nichts kannst du tun

Mit dem gemeinen Sinn!

KÜCHMEISTER.

Dräng mich nicht mehr!

Bei Gott es könnt sich Gräßliches begeben!

PLAUEN.

Es hat sich schon begeben! was noch kommt

Verlach ich nur. Auf Tod und Leben ring ich

Von heut mit dir, wie mit ‘nem gift’gen Wurm,

Eh du die Drachenzähne ausgesät

In diesen schlamm’gen, giftgeschwollnen Boden.

Wie der Geringste bist du mir fortan,

Nur grimmiger Geh, ich verachte dich!

KÜCHMEISTER.

Heinrich ist das dein letztes Wort?

PLAUEN.

Das letzte.

KÜCHMEISTER faßt rasch an sein Schwert, stößt es aber nach einer kurzen Pause wieder in die Scheide.

Still, stille, wildes Herz und wenn du börstest,

Ich zwing dich doch! Eur’ Hoheit lebe wohl.

 

Ab.

 

 

PLAUEN der ihm schweigend nachgesehen, nach der andern Türe rufend.

He Günther! Günther!

 

Graf Günther von Schwarzburg tritt ein.

 

 

SCHWARZBURG.

Was verlangt Eur’ Hoheit?

PLAUEN.

Du bist ein ernster Mann, rasch, wachsam, klug

Geh zum Archiv, dort findest du ein Buch,

Worin all Gold und Silber und Kleinodien

Verzeichnet, die des Ordens Schlösser schmücken.

Wähl einen treuen Ritter aus, der’s ehrlich

Noch mit uns allen meint, dem gib das Buch.

Von Burg zu Burg dann eil er, mit dem Haupthaus

Die Rund beginnend, und was er da trifft

Des Mammons, soll er fassen auf mein Wort

Und sicher gen Marienburg senden!

SCHWARZBURG erstaunt.

Herr!

PLAUEN.

Du selbst mußt gleich nach Böhmen fort und Deutschland,

Die Briefe liegen drin für dich bereit,

Dort sollst du Söldner werben mir, so viel

In Hast du greifen kannst von dem Gesindel,

Das rings der Sturm der Zeit zerstiebt. Rasch, heimlich

Bei Nacht, durch Wälder, daß der Pole drüben

Den leisen Tritt nicht hört, führ sie ins Land

In kleinen Haufen, bis die Bäche alle

Hier plötzlich als ein Strom zusammenstürzen.

SCHWARZBURG.

O freud’ge Kunde! so hat das Kapitel

Den Krieg beschlossen?

PLAUEN finster.

Frag nicht!

SCHWARZBURG.

Wie? Das Recht

Der Herrn, zu stimmen in so wicht’gem Werk?

PLAUEN.

Frag nicht. Mein Recht ist höher hier als ihres

Und überwältigt kleiner Formen Maß,

Wo Not hereinbricht über alle Maßen!

SCHWARZBURG nach einer Pause.

Du bist des Ordens Meister ich gehorche.

 

Er will gehn.

 

 

PLAUEN in tiefer Bewegung seine Hand fassend.

O Günther! wär die Seel von ird’schen Stoffen,

Wie Felsen oder grimmer Löwen Leib,

Sie bräch beim Anblick dieser Jammerwelt!

SCHWARZBURG.

Mein hoher Herr!

PLAUEN.

Laß nur Eil nun, die Zeit

Geht ohne Rast, und wirft den Säum’gen nieder.

 

Ab.

 

 

SCHWARZBURG.

Ich stehe wie bei Nacht in fremder Gegend,

Wo ferne Blitze kaum den Richtweg deuten.

 

Er folgt Plauen.

 

 

 

Dritte Szene

 

 

 

Wald bei Polkaus Schloß. Gertrud und Elsbeth.

 

 

GERTRUD sitzend und einen Kranz von Feldrosen bindend, singt.

Mein Schatz hat mich betrogen,

Hat sich von mir gewandt,

Ist fort von hier gezogen,

Fort in ein fremdes Land.

Elsbeth, nun bin ich fertig mit dem Kranze!

 

Setzt sich ihn auf.

 

 

ELSBETH.

Ihr schaut so fröhlich wie ‘ne Braut beim Tanze,

Die Rosen stehn Euch schön zum dunklen Haar.

Nun, nun, wer weiß, was heute übers Jahr

GERTRUD den Kranz im Haar befestigend, singt.

Herr Ritter, laßt mich gehen

Auf diesen Felsen groß,

Ich will noch einmal sehen

Nach meines Liebsten Schloß.

 

Aufstehend.

 

 

Was hast du denn dort unten in dem Grunde?

ELSBETH.

Nun ist die Bauernhochzeit auch verschwunden,

Die bunten Bänder in der grünen Schluft,

Die Braut auf ihrem schöngeputzten Rosse

Die Geigen nur noch klingen durch die Luft.

Kommt, Fräulein Gertrud, auch nun heim zum Schlosse!

So graulich sieht der Wald am Abend aus,

Die Käfer schwirren und die Wölfe gehn,

Das mag ich gern vom Söller droben sehn

Herr Ritter Polkau ist wohl längst zu Haus.

GERTRUD.

Der Vater jagt, da kommt er nicht so bald.

Laß uns ein wenig noch im Grün spazieren,

Das Abendrot spielt noch so schön im Wald

Und alle Vögel lustig musizieren;

Horch, bis ins fernste Tal blüht das und singt,

Weil heut der Storch den Frühling wiederbringt.

ELSBETH.

Da auch der Kuckuck ist schon wieder hier.

GERTRUD.

Laß hören.

 

Nach dem Walde gewandt.

 

 

Lieber Kuckuck, sage mir:

Wenn ich geheurat’ hab den Liebsten mein,

Wie lang wohl werden wir beisammen sein?

ELSBETH.

Horch alles still Ach Gott erbarm sich dein!

GERTRUD.

Du bist zwei Jahre älter fast als ich,

Elsbeth, und immer noch so dümmerlich.

Wir leben alle fort, solang wir müssen,

Was soll doch so ein Vogel davon wissen!

ELSBETH.

Ja, und dann, Euer Liebster auch das lohnt!

Ihr wißt nicht mal, wer’s ist und wo er wohnt.

GERTRUD.

Ein Jäger ist’s, sein Haus der grüne Wald,

Was tut’s, daß er sich noch nicht nennen will?

Ist er doch schön und adlig von Gestalt.

ELSBETH.

Was wirbt er nicht beim Vater? Heimlich-still

Kommt er und geht, weiß niemand wo er blieb,

Recht wie ein Dieb bei Nacht.

GERTRUD.

Ja wohl ein Dieb!

 

Plötzlich in die Ferne blickend.

 

 

Ach Elsbeth! sieh doch nur was war das?

ELSBETH.

Wo?

GERTRUD ängstlich.

Nein, nein das Abendrot nur blitzte so.

 

Für sich.

 

 

Er ist’s, er ist’s! ich kannte gleich ihn wieder.

 

Laut.

 

 

Ja hast doch recht die Sonn ist lange nieder,

Der Vater könnte früher wiederkommen,

Ich habe alle Schlüssel mitgenommen,

Da geh voraus, ich komm gleich hinterdrein.

ELSBETH.

Nein, jetzt im Wald laß ich Euch nicht allein.

GERTRUD für sich.

Es ist noch jemand bei ihm wer mag’s sein?

 

Laut.

 

 

Ich bitt dich, liebste Elsbeth, geh hinein,

Geh, nur geschwind! ich will dir’s auch vergelten.

ELSBETH.

Ja doch Herr Polkau wird darum mich schelten.

 

Ab.

 

 

GERTRUD.

Sie kommen grade nach dem Waldplatz hier,

Er war schon lange, lange nicht bei mir!

Was nur der dumme Fremde bei ihm will!

Er geht wohl fort ich halt indes mich still.

 

Sie geht tiefer in den Wald.

 

Wirsberg und Dietrich, sein Diener, kommen.

 

 

DIETRICH.

Wüßt ich nur, was uns in den Bergen umtreibt,

Als schritten wilde Geister hinter uns!

Es steigt die Nacht herauf schon, und wir finden

Nicht mehr zurück.

WIRSBERG.

Zurück? Ich will zurück nicht!

Hier wird mir wohl erst in der Einsamkeit,

Hier kann nicht Furcht noch Hoffnung uns erreichen.

Gleichviel, wohin wir wenden uns, aus Öde

In Öd dem Vogelfreien auf den Bergen

Steht offen ja die ganze weite Welt.

DIETRICH.

Wär ich ein freier Rittersmann wie Ihr,

Ich ging’ zum Meister nach Marienburg

Und sprach: »Hie bin ich, Herr, was wollt Ihr von mir?

Was drängt Ihr mich? Wußt ich um den Verrat:

Was kümmert’s Euch denn jetzt, woher ich’s wußte?

‘s war Euer Glück doch, denn ich warnte Euch,

Und ohne mich wart Ihr und Haus verloren.«

WIRSBERG.

Es steht der Meister hoch an Gottes Statt,

Die Meinung richtend, wie die Tat auch falle.

Viel Dinge, Dietrich, gibt’s, so heimlich wie

Die Nacht, die man verstört wenn man sie nennt,

So schwarze Dinge, die so tiefer dunkeln,

Je mehr man wäscht daran, Blick, Hand und Quelle

Verfinsternd. Nimmer will ich draußen stehn

Als ein entlaubter Baum zum Hohn der Winde,

Zu reich noch bin ich und verwöhnt von Ehre,

Um sie jetzt Haus zu Haus mir zu erbetteln.

An jenem Tage, da wir Kön’ge jagten

Und da der Herrgott selbst saß zu Gericht,

Da hab ich’s ausgefochten und durchstrichen

Mit rotem Heidenblut die ganze Rechnung;

Ich stell mich nicht noch einmal vor Gericht!

DIETRICH.

Doch Herr, der Meister will’s man sagt

WIRSBERG.

Was sagt man?

DIETRICH.

Vergebt daß Ihr noch mehrern Frauen dient,

Als Unsrer Lieben Fraun und daß

WIRSBERG.

Nun, nun!

DIETRICH.

Und daß der Meister, so Ihr Euch nicht reinigt,

Beschlossen, aus dem Orden Euch zu stoßen.

WIRSBERG.

Oho! bläst’s dorther? Nun so sind wir quitt!

DIETRICH.

Wie meint Ihr das? Ich bitt, kommt aus dem Wald nur,

Wir werden sicher toll noch in den Bergen.

Kein Haus, kein Fußsteig und Gott weiß, es ist

Geheuer nicht in dieser wilden Heide.

Als ich vorhin Euch aufsucht, hört ich tief

Im Tal den Tritt von vielem Fußvolk stampfen

WIRSBERG rasch.

Wo? wo?

DIETRICH.

O Herr, was blickt Ihr heut so wild!

Nun ich hielt lauschend an, da kam ein Troß

Ganz nah vorbei

WIRSBERG.

Wer war’s? was sagten sie?

DIETRICH.

Fremd Volk! Glaubt mir, da geht was vor. Ich hörte

Nur einzle Worte hier und da: sie sprachen

Vom Kinthenau dem ziehn sie heimlich zu.

WIRSBERG der in Gedanken gestanden, nach einer Pause.

So? Dietrich, auf! steig auf den Hügel dort,

Schau um dich, wo wir sind, und siehst du Fremde

Fern zwischen Bäumen, gib mir schnell ein Zeichen.

Fort, fort!

DIETRICH.

Nun Gott beschütz uns diese Nacht!

 

Ab.

 

 

WIRSBERG allein.

Horch wie die Waldgewässer durch die Stille

Da zornig nach dem dunklen Abgrund gehn

Und rings die Wälder rauschen in die Runde

Was ist denn das! wo bin ich? Polkaus Schloß!

Im Abendgold die Türme überm Walde.

Mein Gott! Hier war’s hier kam ich von den Bergen

Jagdmüd hier sah ich sie zum erstenmal.

Wie fern liegt nun die schöne, stille Zeit!

‘s war auch in solchen linden Frühlingstagen

Dort rauscht, wie damals, noch die Mühle weit,

Die Rehe grasen wieder tief im Grunde

Es ist mir alles, alles wie ein Traum.

GERTRUD kommt hinter ihm aus dem Walde und hält ihm mit den Händen die Augen zu.

Wen siehst du nun im Traum?

WIRSBERG.

Mein liebes Kind!

GERTRUD an seinem Halse.

Das war der alte, schöne Klang! das hört ich

Viel Monat nicht wo bliebst du denn so lange?

Komm, setz dich zu mir her. Oft glaubt ich schon,

Du hättst vergessen mich, dann lacht ich wieder,

Ich wußt es wohl: es konnt nicht sein! Heut nacht

Noch träumte mir von dir, mir war’s wie sonst,

Tief in dem Garten schlug die Nachtigall

Und alle Stern am Himmel flammten, zitternd

Vor Lust, durchs dunkle Laub ins offne Fenster.

Da war’s, als schlummertest du neben mir,

Ich aber lauschte über dich geneigt,

Daß meine Locken fallend dich umgaben,

Wie eine Trauerbirke überm Quell.

Doch warum bist du denn so stille heut?

WIRSBERG.

Ich? Sieh, ich kann mich nur nicht wiederfinden,

Wie einer der von weiten Reisen kommt

So alles anders hier, die Bäume höher

Du selber, Trudchen kommst mir kleiner vor,

Ist’s doch, als schwöll dein Haar nicht mehr wie sonst

So voll um Hals und Schultern Auch die Augen

Ach, Kind, Kind! was weiß ich!

GERTRUD.

Sieh wie du falsch bist!

Wie oft mußt ich vor dir die dunklen Locken

Mir schütteln ins Gesicht, daß nur die Augen

Noch funkelnd blitzten durch den schwarzen Vorhang,

Da sagtest du, es sei’n zwei Stern in Nacht!

WIRSBERG.

Schon Sterne? Ja bei Gott, schon wieder Nacht!

GERTRUD.

Geh, du bist so zerstreut heut! Sag mir lieber

Recht ehrlich einmal, wer du eigentlich bist?

Wenn ich ins Land dann einsam schau vom Söller:

Ich riefe in Gedanken dich so gern,

Und habe keinen Klang für meine Liebe!

WIRSBERG.

Nachtwandler bin ich, Liebchen, schreite schwindelnd

Hoch übern Schlaf hinweg zu deiner Kammer

Riefst du beim Namen mich, ich stürzt und riß’ dich

Mit mir hinab in die phantast’sche Nacht.

GERTRUD.

Oh, Gott behüt!

WIRSBERG.

Horch! waren das nicht Tritte?

GERTRUD ihn festhaltend.

Nicht doch! Was blickst du so verworren um dich?

Nur noch ein Weilchen, schöner, lieber Mann!

 

Zögernd.

 

 

Ich hab’s so lang schon auf dem Herzen

WIRSBERG.

Nun?

GERTRUD.

Nein, so nicht sieh hinweg!

 

Sie verbirgt ihr Gesicht an seiner Brust.

 

 

Die Sommernächte

Sie sind so kurz und meine Lieb zu dir

So lang, so lang, so ohne alles Ende!

Sieh, alles ist schon fertig, Brautkleid, Betten

Ich nähte heimlich dran manch langen Tag

Und dacht dabei an dich. Wann führst du heim mich?

WIRSBERG.

O tön noch, Glöckchen!

GERTRUD.

Wie?

WIRSBERG.

Du plauderst so süß

Wie eine Nachtigall in Frühlingsnächten.

GERTRUD.

Ja manche Nacht wohl, wenn sie draußen sangen,

Verwacht ich still, da fiel mir’s oft aufs Herz:

Wenn du so wärest wie Herr Georg von Wirsberg!

WIRSBERG.

Was! wie der Wirsberg?

GERTRUD.

Nein, sei drum nicht böse!

Ich glaub’s ja nicht Du trägst ja auch kein Kreuz.

Das ist ein falscher Mann! Ich sah ihn nie,

Denn wenn er hier vorüberritt, trieb mich

Der Vater in das Haus. Ein Ordensherr,

Ein hoher, schöner Ritter, wie sie sagen,

Der mit der Stimme Klang und Zauberblicken

Viel Jungfraun schon des Landes hat verlockt.

WIRSBERG.

Wie kommst du heut darauf?

GERTRUD.

Ach, ich weiß selbst nicht,

Das kommt und geht so in der Einsamkeit.

Auch gibt’s jetzt manches hier, das mich wohl ängstigt,

Unheimlich wird’s bei uns. Wenn ich des Nachts

Am Fenster deiner harrte und die Wolken

Wild flogen übers Haus, da schlichen Männer

Verhüllt und heimlich durch den stillen Garten.

Ich konnt nicht alles hören, doch sie sprachen

Vom Wirsberg oft, vom Orden und vom Meister,

Bald leis, bald zornig laut, dazwischen wieder

Auf einmal alles stille, daß mich schauert’.

WIRSBERG gespannt.

Wer sind die Männer?

GERTRUD.

Meinen Vater kannt ich,

Den Otto Konjad auch, und Kinthenau

Ach wärst du mein nur jetzt, so ganz erst mein!

Du sprächst mit ihnen, warntest, lenktest sie.

Glaub mir, sie halten furchtbarn Rat. Den Meister,

Sie wollen ihn verderben. Doch was ist dir?

WIRSBERG.

Mehr! mehr! Es steigt die Nacht schon auf, sprich weiter!

GERTRUD aufspringend.

Nein, jetzt nicht! Deine Augen blitzen wild,

Ich fürchte mich vor dir!

WIRSBERG.

Nun denn, Waldvöglein,

So führ ich durch die Luft dich mit mir fort,

Bis du dein Liedlein ganz mir hast gesungen!

 

Er will sie forttragen.

 

 

GERTRUD.

Weh, faß mich nicht so an! O Gott, mein Vater!

 

Sie reißt sich von ihm los und bleibt, wie vernichtet vor Schreck, regungslos stehen. Hanns von Polkau, in der Linken ein Windlicht, in der Rechten ein bloßes Schwert, tritt auf.

 

 

POLKAU.

Hier regt’ es sich.

 

Wirsberg erblickend.

 

 

Verfluchter Jungfernräuber!

Stell dich, wer du auch seist!

GERTRUD ihm rasch in den Arm fallend.

Barmherzigkeit!

Er ist mein Bräutigam Ihr mordet mich!

POLKAU.

Was wär zu morden noch an dir, Verlorne!

Zurück!

 

Er schleudert sie von sich, dann, den Wirsberg beleuchtend und die Fackel schnell wegwerfend.

 

 

Du bist es, Wirsberg!

GERTRUD.

Heil’ ger Gott!

 

Sie stürzt ohnmächtig nieder.

 

 

WIRSBERG.

Hilf deiner Tochter, alter Mann mich graut,

Dich zu ermorden.

POLKAU.

Abgerissen, Wüster,

Hast du die süße Blüte meines Lebens,

Nun mag der schmuckberaubte Stamm verdorren,

Der keine Lust mehr kennt und keine Hoffnung,

Als dich im Fallen zu zerschmettern! Wehr dich

Du schlanker Tiger, der mein Kind erwürgt!

 

Er greift ihn an.

 

 

WIRSBERG indem er zieht, aber nur lässig und abwehrend ficht.

Hüt dich, du bist zu alt für solches Wild!

Ich will dein Blut nicht.

POLKAU.

Aber ich will deins!

Stoß zu! denn wenn du fehlst, bist du verloren!

 

In der Ferne Geräusche und Fackelschein.

 

 

WIRSBERG.

Verworrne Stimmen horch und roter Schein

Von Fackeln fern die stille Nacht entlang

Da immer näher. Aberwitz’ger Tor!

Denkst Tiger du, gleich Füchsen, einzufangen?

Mach Platz da, morscher Greis, der frischen Jugend!

 

Er ersticht ihn.

 

 

POLKAU im Sinken Wirsbergs Mantel fassend.

Jauchz nicht! ich pack, ich halt dich. Oh es weichen

Die wandelbaren Ufer rings der Welt

Hörst du mich noch? Hör: ich verfluch dich! Hör

Ich ruf dich nach ich zieh dich mit hinunter

 

Er stirbt.

 

 

WIRSBERG sich dem Toten entwindend.

Starr mich nicht so entsetzlich an, laß los!

 

Er entflieht.

 

 

 

Vierter Aufzug

 

Erste Szene

 

 

 

Gemach in der Burg des Nikolaus von Renys. Später Abend. Der Burgwart mit Licht, und hinter ihm Renys, treten ein.

 

 

RENYS ein Fenster öffnend.

Es ist so schwül hier.

 

Herausblickend.

 

 

Eine wilde Nacht!

BURGWART.

Seid Ihr doch wieder da, nun laßt es toben!

Es schäumt und zittert Euer Roß, als hätt’s

Unheimliches gesehen in der Nacht.

Seht, wie’s da überm Walde blitzt!

RENYS.

Ich fürchte

Das kommt herauf. Wie steht’s? das Geld, das neulich

Der Orden ausgeschrieben, ist’s bezahlt?

BURGWART.

Ich sagt’s Euch ja unmöglich schaffen wir’s.

RENYS.

So schlage meine Falken los ich hab

Nicht Lust mehr an der Jagd.

BURGWART.

Ach gnäd’ger Herr,

Wo reicht’ das!

RENYS heftig.

So verkauf die Roß dazu!

Dem Landesherren muß sein Recht geschehn!

Und nun geh schlafen, geh, laß mich allein!

 

Burgwart ab.

 

Schwert und Jagdgerät ablegend.

 

 

Elend, gebrechlich Ding, der Leib! wie ‘n Gaul

Bricht er zusammen unterm Sporn der Seele,

Der kühnen Reiterin, die überwach

Nichts weiß von Nacht und Schlaf.

 

Er tritt an das Fenster.

 

 

Das war ein Blitzen!

Sieh doch und aus dem weiten, finstern Grund

Blickt die Marienburg in rotem Feuer

Vom Walde auf nun alles wieder finster.

Du zorn’ges, kühnes Element, kannst du

Gedanken lesen? Wie ein wilder Mahner

Ruft diese Nacht mit feur’gen Zungen: Schlaft nicht!

 

Er wirft das Fenster zu.

 

 

Still, still! Durch solcher Nächte Einsamkeit

Geht der Versucher

 

Es wird gepocht an der Tür, Renys fährt zusammen.

 

 

Horch, wer naht da draußen?

FRIEDRICH VON KINTHENAU vorsichtig eintretend und sich nach allen Seiten umsehend.

Bist du allein?

RENYS.

Du Kinthenau so spät!

KINTHENAU.

Ja fast zu spät, wenn Ritter sich die Zeit

Der Diebe stehlen müssen zum Gespräch.

RENYS.

Warum? auf offnem Markt steh ich dir Rede.

KINTHENAU.

Nun, jagtest eben doch wie toll im Walde,

Was fingst du draußen in der Nacht, als Grillen?

Nein, gib nur zu, du selber warst das Wild

Und hinter dir ‘ne Meute von Gedanken,

Wie aufgescheuchter Eulen Schwarm, die gern

In solche Nacht mit leisem Flug sich stürzen.

RENYS.

Was ich gedacht, ist mein, solang ich schweige.

Doch weiß ich wohl, worauf du künstlich zielst,

Und leugn es nimmermehr so mich wie dich

Verdrießt des Plauen ungemeßnes Fordern.

Zum Himmel schreit die Not und mich erbarmt’s

Des armen Volks.

KINTHENAU.

Zwei Schilling von der Mark,

Und eine Mark von jeder Hube Herren,

Knecht’, Bauern, Mägde, niemand ausgenommen,

‘s ist hart. Doch komm, laß uns ein wenig setzen,

Mir geht wohl andres noch im Kopf herum.

 

Sie setzen sich.

 

 

Du weißt, es gab einst schwere Zeiten hier,

Doch gnäd’ge Meister auch. In solcher Zeit

Empfing mein Ahn ein Darlehn von dem Orden

Ich mein, der deine auch?

RENYS.

Nun ja was soll’s?

KINTHENAU.

Der Plauen fordert’s jetzt zurück mit Zinsen.

RENYS nach einer kurzen Pause, finster.

Die Forderung ist klar, gerecht wenn auch

Die Zeit nicht eben schicklich jetzt.

KINTHENAU.

Drum kam ich,

Hier zu beraten mich, wie wir’s erschwingen?

RENYS.

Wir? Mich hat keiner noch gemahnt.

KINTHENAU.

Noch nicht?

Tut nichts so kommt er morgen, übermorgen.

Traun, rätlich scheint’s, die Schuld, die wuchernd wächst

Von Jahr zu Jahr, auf einmal abzutragen,

Bevor sie uns erdrückt.

RENYS.

Wie meinst du das?

KINTHENAU.

Gleichviel! Ich sehe, das Gespräch erhitzt dich.

So laß uns denn von andern Dingen reden.

Ich denk, es war vergangne Nacht, da träumt’ mir

Gar wunderliches Ding, das mußt du hören:

Es war, als sei’n wir beide tief im Wald

Auf einer Jagd mit vielen Ordensrittern,

Und ruhten einsam aus in einem Tal.

Derweil war’s Nacht geworden, und das Rauschen

Des Walds, das Rufen und der Rosse Schnauben

Verwirrt’ sich rings, in immer engern Kreisen

Geht’s um uns her erst laut, dann heimlich flüsternd

Bald da, bald dort bis wir mit Graun gewahrten,

Daß selber wir das Wild, das alle meinten.

Und als wir fliehn nun wollten durch die Nacht,

Die über uns in roten Blitzen spielte,

Da war von Felsen rings das Tal umgeben,

Seltsam’ Gesichte schauten von den Wänden

Und immer näher rückt’ die Traumesjagd.

Am Ausgang aber aus den Felsenzacken

Saß da ein ries’ger Wächter, wie von Stein,

Das Haupt aufs Schwert gestützt, als ob er schliefe.

»Treff ich sein Haupt, so bricht der ganze Zauber«,

Sprachst du da leis und hobst die Hand gen Himmel

Mit ausgereckten Fingern wie zum Schwur.

Da zuckten Blitze fünffach, und in Flammen

Stand plötzlich deine Hand so drangst du gräßlich

Im Zorne vor, und wie du nach dem Schwert

Drauf faßtest, mit der feuersprühnden Hand

Den Riesen, der sich aufgericht’, beleuchtend

Da war’s der Plauen!

RENYS aufspringend.

Entsetzlicher, was willst du?

KINTHENAU sich gleichfalls erhebend.

Ich? Nun du weißt, ich halte viel auf Träume,

Ich wollt nur hören, wie du diesen deutest?

RENYS nach einer Pause.

Du gehst nicht frei und redlich mit mir um

Was habt ihr vor?

KINTHENAU.

Nun wahrlich, was sollt’s geben?

Ich und dein Bruder Polkau, weißt du wohl,

Wir reden manchmal von des Landes Not.

 

Lauernd.

 

 

Du kennst den Polkau ja, toll wie er ist,

Der pflegt’ gesprächsweis manchmal denn zu sagen:

Das Land sei längst bekehrt, das Volk sei wehrhaft,

Was braucht’s der Meister noch? Das ist so sagt

Der Polkau nämlich auch das ist der Gang,

Der unabänderliche, der Natur,

Daß junger Wald gradaus zum Himmel wächst

Und aus den Wurzeln hebt die morschen Stämme,

Die ihm die freie Lebensluft verdüstern.

RENYS.

Geschwätz! unnütz Geschwätz!

KINTHENAU.

Das meint ich auch,

Und stellt ihm vor: der alte Wald sei noch

Nicht morsch genug, der junge noch zu grün.

Da sei ein übermächt’ger Stamm im Wege

Ja, wenn wir einen andern Meister hätten

RENYS.

Wüßt ich doch keinen bessern jetzt.

KINTHENAU.

Kennst du

Den Wirsberg wohl?

RENYS.

Den buntgelaunten Fant?

KINTHENAU.

Just deshalb, Freund! Er liebt die Jagd, die Weiber,

Und schlüge Orden, Volk und Regiment

Nicht höher an, als wie ein fürstlich Spiel.

Solch einen Meister braucht das müde Land.

Wir wüchsen so im stillen fort erwehrten

Des Ordens wohl sowie der Polen uns,

Des einen durch den andern, und behielten

Die Arme frei.

RENYS.

In welches Labyrinth

Gefährlicher Gedanken führst du mich?

KINTHENAU rasch.

Ich führ dich auch hinaus, so du vertraust!

Was soll die Vorsicht noch! Vernimm denn, Renys:

Derweil ihr Wehe rieft in zorn’ger Ohnmacht,

Hab ich mit leisem Tritt den Leu umgarnt.

Meinst du, der Pole schlafe, weil er ruht?

Mit poln’schem Gelde warb ich heimlich Söldner,

Viertausend lauern, meinem Wink bereit

Es murrt das Volk, an ihren Ketten rütteln

Die Ordensritter die der Plau’n gekoppelt.

Und wunderbar fügt’ sich’s den Wirsberg treibt

Der Plauen selbst uns in die offnen Arme!

Du weißt der Meister drängt ihn hart um Argwohn,

Und den Landflücht’gen traf ich heut im Wald

Wüst und verstört inmitten unsrer Söldner.

Da half kein Leugnen, er durchschaute alles,

Ich sagt ihm unsern Plan und er schlug ein,

Und auf sein einsam Schloß zu Rehden will er

Die Söldner heimlich führen durch den Wald

Und Roß und Mann dort bergen, bis es Zeit.

RENYS.

Um Gott! was tatst du? er verrät uns!

KINTHENAU.

Tor!

Auch nicht ein Härchen an ihm, das nicht unser!

Das Söldnerheer, das er zu führen meint,

Soll ihn uns hüten auf dem eignen Schloß.

So laß es branden nur! den Leichtsten hebt

Die Woge über alle hoch, der spiele

Den Meister dann der Flut, die mit ihm spielt.

RENYS.

O Unglücksnacht hätt ich das nie gehört!

Mein ganzes Leben gäb ich um die Unschuld

Der vor’gen Stunde hin! Wie du’s auch stellst,

Verwegner, ‘s ist doch Hochverrat! Wer kommt da!

EIN DIENER in der Tür den ihn aufhaltenden Burgwart zurückdrängend.

Fort, Alter! laß mich los! Und schliefe er

Den Todesschlaf, ich muß ich rüttl ihn auf!

 

Renys erblickend.

 

 

O gnäd’ger Herr!

RENYS.

Macht dich die Nacht auch rasend?!

DIENER.

O hätt ich das im Wahnsinn nur gesehen!

RENYS.

Du zitterst ja

KINTHENAU.

Zum Teufel! sprich, was bringst du?

DIENER zu Renys.

Herr Euer Bruder, Hanns von Polkau

RENYS.

Nun?

DIENER.

Er ward erschlagen heut!

RENYS in einen Stuhl sinkend.

Barmherziger Gott!

KINTHENAU.

Unmöglich! Unlängst ließ ich ihn im Walde

Sprich! wie begab sich die graunvolle Tat?

DIENER.

Er kehrt’ vom Jagen heim es war schon dunkel

Und gleich am Tor frug er nach Fräulein Gertrud.

Darauf, in seiner heft’gen Art, entriß er

Dem Burgwart schnell das Windlicht, und zum Walde

Sahn wir ihn zornig schreiten. Wir nun auch

Rasch von den Rossen und mit Schwert und Fackeln

Dem Herren nach bis zu dem Tal am Waldbach

Oh, daß ich das erlebt! Erstochen lag er

Im Grase dort, das Fräulein neben ihm.

KINTHENAU.

Sie auch?

DIENER.

Tot? Nein.

KINTHENAU.

Sie lebt? was sagt sie aus?

DIENER.

Ohnmächtig fand man sie, und, wie aus Träumen,

Als wir umher so standen, hob sie langsam

Empor sich, nach dem toten Vater starrend,

Gleichwie ein Marmorbild im Kreis der Fackeln;

Drauf schaut’ sie rings umher und schauert’ heimlich.

Jetzt aber in der Halle, wo der Herr

Auf schwarzem Bett ruht beim Gesang der Priester,

Sitzt sie und weinet still, und will nicht sprechen!

KINTHENAU.

Und ließ der Mörder keine Spur zurück?

DIENER.

Ein Ordensknecht

RENYS der bisher in sich versunken dagesessen, aufhorchend.

Vom Orden, sagtest du?

DIENER.

Nicht weit vom Platze wo der Mord geschehen,

Sahn kurz vorher wir einen ihrer Leute

Gebückt und heimlich durch die Büsche schleichen.

Was barg er sich? was hatt er da zu lauern?

Vergebens dann durchforschten wir den Wald,

Es hatt die falsche Nacht ihn längst verschlungen.

KINTHENAU.

So haben sie schon Witterung und Polkaun hat

Des Ordens unsichtbarer Arm getroffen!

RENYS sich plötzlich aufrichtend.

Nun rede keiner mehr von Vorsicht, Aufschub!

Unvorgesehen bricht das Schrecken ein,

Ich zagt, da sie den Bruder mir erschlugen!

Du stehst und sinnst auf Blut so rüttl den Schlaf auf!

Schrei: Mord! und laß des Aufruhrs Hunde los!

KINTHENAU.

Hast recht kein Augenblick ist zu verlieren!

Es jagt der Plauen heut im Wald bei Schaken

Und will zur Nacht heim nach dem Haupthaus.

So muß es heut geschehn er zieht allein,

Wir lagern uns im Wald dort muß er fallen!

Dann mit den Söldnerscharen, die bei Rehden

Der Wirsberg sammelt, auf Marienburg!

RENYS.

Mein Kopf ist wüst, ich tauge nicht zum Rat

Drum schwatze nicht, und führ mich rasch zur Tat!

 

Beide ab.

 

 

 

Zweite Szene

 

 

 

Garten bei Romintas Schloß. Rominta ruht auf einer Rasenbank, Jolante sitzt zu ihren Füßen im Grase. Draußen zweistimmiger Wechselgesang.

 

 

ERSTE STIMME.

Von allen Bergen nieder

So fröhlich Grüßen schallt.

ZWEITE STIMME.

Das ist der Frühling wieder,

Der ruft zum grünen Wald!

ERSTE STIMME.

Ein Liedchen ist erklungen

Herauf zum stillen Schloß.

ZWEITE STIMME.

Dein Liebster hat’s gesungen

Der hebt dich auf sein Roß!

ROMINTA winkend.

Schweigt, schweigt! ich will das Lied nicht weiter hören!

Falsch ist Musik, verträumte Fernen lügt sie,

Wo silbern Ströme gehn von blauen Bergen

Und wenn wir folgen, bricht der Zaubergrund

Und mit den Klängen zieht uns die Sirene

Hinab ins bodenlose Meer von Wehmut.

JOLANTE.

Was nur ersinnen wir, dich herzustellen?

ROMINTA.

Herstellen mich? Warum? bin ich denn krank?

JOLANTE.

Was wär es sonst? Tanz, heitrer Gäste Schwarm,

Die Jagd, der Gärten Pracht nichts freut dich mehr.

Die Rehe grasen um das stille Schloß,

Das in dem See sich melancholisch spiegelt,

Und durch die weite Einsamkeit hier hört man

Nur fern die Bäche gehn und dumpfen Schall

Der Äxte tief vom Waldesgrund herauf.

ROMINTA.

Horch wie die Wipfel da herüberrauschen!

Das hört ich lange nicht. Reich mir die Armbrust!

JOLANTE aufspringend.

Das ist ein Wort! ja, und dann frisch zu Pferde!

Dort hängt die Armbrust ganz verstaubt am Baum.

 

Sie reicht Rominta die Armbrust.

 

 

ROMINTA.

Die? Nein, nur diese nicht!

 

Sie wirft sie fort.

 

 

JOLANTE.

Sie war doch sonst

Die liebste dir Du hattest sie zuletzt

Noch bei Marienburg.

ROMINTA.

Sahst du ihn damals?

JOLANTE.

Wen, schöne Herrin?

ROMINTA.

Das war eine Nacht!

JOLANTE.

Mich schauert noch, wenn ich dran denk wie unten

Das Lager brannte und die Glocken stürmten

Die wilde Flucht verworren durch den Wald,

Das Schrein, der Klang der Schilde und fernher

Die Flammen zwischendurch

ROMINTA.

Und, wie der Kriegsgott,

Der Plauen mitten in der furchtbarn Runde

Der roten Gluten, wunderbar beleuchtet

JOLANTE die unterdes in die Ferne gesehen.

Gott steh uns bei!

ROMINTA.

Was ist’s?

JOLANTE.

Da kommt er!

ROMINTA rasch aufstehend.

Wer?

JOLANTE.

Der fürchterliche Ordensritter siehst du

Wie Sturm vom Wald her wirbelt er den Staub auf

ROMINTA.

Das ist sein Helmbusch! das sind seine Waffen!

Wie kannst du so gelassen stehn, Jolante?

Geh, hol die Sänger wieder, ruf die Jäger,

Mit Hörnerklang von allen Bergen sollen

Sie grüßen ihn, daß Hall und Widerhall

Melodisch sich verwirrt ich bin so fröhlich,

Wer weiß, wo das noch alles enden mag!

Jetzt lenkt er her o eile doch nur, eile!

JOLANTE.

Was will er hier? ich fürcht mich vor dem Gast.

 

Ab.

 

 

ROMINTA noch hinaussehend.

Nun schwingt er sich vom Roß wie ist mir denn?

Das ist sein Gang nicht! Schlanker auch, viel höher

Erschien er mir. Man sagt, die Mittagsstille

Brüt wunderbaren Spuk so grauenvoll

Verwandelt er sich, wie er naht was blickt er

So scheu? o Gott! das ist der Plauen nicht!

WIRSBERG auftretend.

Rominta! hohe, wilde, schöne Frau!

ROMINTA zusammenfahrend.

Du bist’s!

WIRSBERG.

Ein lechzend Wild, und hinter mir

Die Zeit auf feuersprühndem Rosse jagend.

Bis hierher reicht sie nicht, hier laßt mich ruhn!

 

Er stürzt vor Rominta nieder.

 

 

ROMINTA nach einer kurzen Pause.

Dich wollt ich wiedersehen, wenn’s vorüber

Die Lippe bebt zu fragen ist er tot?

WIRSBERG.

Was zitterst du?

ROMINTA.

Um Gottes willen, rede!

WIRSBERG.

Noch lebt er funkle nicht so mit den Augen!

Noch heut ja wird’s vollbracht.

ROMINTA.

Noch heute?

WIRSBERG aufstehend.

Laß das!

Sind wir so heimlich doch beisammen hier

 

Er zieht sie zu sich auf die Rasenbank nieder.

 

 

ROMINTA.

Den Plauen mordet ihr? gibt’s keinen Rückweg?

Besinn dich wohl!

WIRSBERG.

Zu spät.

ROMINTA.

O deine Blicke,

Verwildert ganz! So sag denn, wo geschieht es?

WIRSBERG.

Im Wald bei Schaken.

 

Sich rings umsehend.

 

 

Horch, kein Vogel singt

Hier in der blühnden Wildnis. Seltsam doch!

Wie sehnt ich mich hierher aus tiefster Seele!

Und nun erschreckt mich diese Einsamkeit:

Das Spiel der Blätter und der Brunnen Rauschen,

Die steinern Bilder in der schwülen Stille.

Was kümmert’s uns! Laß deine Locken flattern

Um mich und dich! Die Zeit geht rasch ein Tor,

Der noch auf morgen hofft in solchen Zeiten!

Heut ist mein Reich und heut will ich noch herrschen!

Voraus den Siegerpreis mir holen will ich

Und, eh der Boden bricht, mit einem Zug

Den Taumelkelch des ganzen Lebens leeren!

Oh, so sei fröhlich doch, Rominta, fröhlich!

ROMINTA die unterdes nachsinnend dagesessen, sich rasch erhebend.

Zurück! Wenn es vollbracht ist ja, dann ruhst du,

Will’s Gott, wohl eine lange, lange Nacht.

 

Gesang von fern, nach der vorigen Melodie.

 

 

ERSTE STIMME.

Wir reiten so geschwinde,

Von allen Menschen weit.

WIRSBERG aufspringend.

Was ist das? Winktest du nicht heimlich jetzt?

ZWEITE STIMME.

Da rauscht die Luft so linde

In Waldeseinsamkeit.

WIRSBERG scheu um sich blickend.

Ich hör Geräusch vom Schlosse her dort regt sich’s

Hier soll mich keiner sehn! Sieh, und dort unten

Da sprengen Reiter blitzend übers Feld!

ROMINTA.

Die Jäger sind’s, die heim vom Walde kehren.

WIRSBERG.

Jetzt wieder dort noch einer Nein, der Plauen

Schickt sie nach mir Sie sollen mich nicht fangen!

 

Er zieht sein Schwert und stürzt fort.

 

 

ROMINTA.

Jolante, he, Jolante!

JOLANTE auftretend.

Was geschah dir?

ROMINTA.

Wo wendet’ er sich hin?

JOLANTE.

Wer?

ROMINTA.

Oh, wir hätten

Ihn so nicht lassen sollen! Rasch mein Pferd!

JOLANTE.

Jetzt noch? Schon neigt die Sonne sich ins Land.

ROMINTA.

Sie geht auf ewig unter und wird scheidend

In Blut die Höhen rings und Wälder tauchen!

GESANG draußen.

Wohin? im Mondenschein

So bleich der Wald schon steht.

ROMINTA.

O diese Töne in der tiefsten Angst!

Schafft mir mein Roß! mein Ritterwams! Fort, fort!

 

Beide ab.

 

 

GESANG wie oben.

Leis rauscht die Nacht frag nimmer,

Wo Lieb zu Ende geht!

 

 

Dritte Szene

 

 

 

Gemach auf Küchmeisters Burg. Küchmeister, Graf Sayn, Schäven und Johann von Schönfeld sitzen um einen Tisch mit Weinkrügen und Bechern.

 

 

SCHÄVEN.

Ich mal nicht trüber, als es draußen steht,

Frag, Marschall, wen du willst

KÜCHMEISTER.

Nennt mich nicht so.

SCHÖNFELD.

So, oder so doch er hat recht: der Plauen

Weiß es herauszuschrecken

KÜCHMEISTER.

Schrecken? wen?

GRAF SAYN.

Vertraute Ritter, Schreibervolk und Knechte

Schickt’ er auf unsre Häuser aus, die stoßen

Wie Raben dreist auf alles, was drin glänzt.

Der alte Tetting, dessen graues Haupt

Mehr Wunden zählt, als dieser Plauen Jahre,

Er hatt zehn Mark erspart, um auszuruhn

Die letzten Tage von ruhmvollen Taten;

Der Plauen drückt’s ihm ab. Was scheut’ er Menschen?

Streckt er nach Gottes Gut doch frech die Hand

Und bricht den heil’gen Schmuck von den Altären,

Um aus Monstranzen Sündengeld zu münzen!

Zu bettelhaften Trott hält ihm die Zeit,

Er tritt ihr ungeduldig auf die Fersen.

KÜCHMEISTER.

So schlägt sie hinten aus.

SCHÄVEN.

Und trifft uns alle!

KÜCHMEISTER.

Bin ich der Meister denn? Was kümmert’s mich!

GRAF SAYN.

Fürwahr, wir hatten eines andern uns

Zu dir versehn. Ich sprech hier nicht für mich,

Im Namen sämtlicher Gebiet’ger red ich.

Noch heut erst waren alle wir versammelt

Und sprachen viel

KÜCHMEISTER.

Ich weiß und trankt nicht wenig.

GRAF SAYN.

Da fiel der ein’ auf das, auf jenes jener

KÜCHMEISTER.

Der auf die Bank, der andre untern Tisch

Nicht wahr? und ich soll eiligst auf die Beine

Nun wieder dem gemeinen Besten helfen?

SCHÄVEN.

Ja, großer Michel Küchenmeister! Held!

Ich sagt es nicht allein, sie alle sprachen:

»Da ist der Marschall noch daß Gott ihn segne!

Das ist ein Mann! Wo solche Tugend noch «

SCHÖNFELD.

Bah, Larifari!

SCHÄVEN.

Was! sagst du das mir?

SCHÖNFELD.

Ich sage: Larifari!

GRAF SAYN zu Küchmeister.

Nun zur Sache!

Rat uns, was ist zu tun nun?

KÜCHMEISTER.

Auszuschlafen.

GRAF SAYN.

Vermeng hier nicht die Sprecher mit der Sache!

Was mich betrifft, ich trank nur grad so viel,

Um schärfer in der Dinge Lauf zu schauen,

Und sage dir: wahr deine silbernen Becher,

Den Schwertgriff da

KÜCHMEISTER heftig.

Wer wagt’s, darnach zu fassen?

GRAF SAYN.

Der alles wagt!

KÜCHMEISTER.

‘s ist gegen die Statuten!

GRAF SAYN.

So schreibt er neue auf mit seinem Schwert!

Gar seltsam doch ich nennte jeden Lügner,

Der mir’s erzählt’, daß du wie’n kranker Löwe

Hier über deines Kriegsruhms Trümmern liegst

Und mitten in dem Sturme, der dich zaust,

Nichts tust, als deine graue Mähne schütteln.

KÜCHMEISTER.

Sprich so nicht noch einmal!

GRAF SAYN.

Nicht so? Noch mehr!

Dich überwältigt dieses Plauens Glück,

Und dein Gestirn, das vormals hat geleuchtet

Hell in des Unglücks Nacht, es sinkt verbleichend

Zurück in die gemeine Dämmerung,

Je höher diese junge Sonne steigt,

Die alle Stern auslöscht am Firmament

Und das unsel’ge Land versenkt in Feuer!

SCHÖNFELD am Fenster.

Bei Gott! des Meisters Kompan kommt!

SCHÄVEN.

Hierher?

 

Alle, außer Küchmeister, fahren erschrocken auf.

 

 

KÜCHMEISTER.

Nun glaub ich’s selbst! Das muß ein Sturm sein, der

Bis von Marienburg so den Staub aufwirbelt!

JOST VON HOHENKIRCH eintretend.

Gegrüßt Ihr Herren! zur gelegnen Stunde

Find ich euch hier versammelt all.

KÜCHMEISTER.

Was bringst du?

HOHENKIRCH.

An dieses Lands Gebiet’ger insgemein

Ergeht des hohen Meisters Gruß und Meldung,

Daß in dem Haupthaus auf St. Burkhardstag

Ein allgemein Kapitel angesagt,

Wo Seine Hoheit in hochwicht’gen Dingen

Des treuen Rats der Brüder sich versieht.

Und in dem Namen des hochwürd’gen Meisters

Entbiet ich alle, die hier gegenwärtig,

Auf selb’gen Festtag gen Marienburg.

KÜCHMEISTER.

Was soll es da? Ich hab dort nichts zu schaffen.

Der in den Sturm gesteuert ohne mich,

Lenk auch hinaus!

EIN DIENER schnell eintretend, zu Küchmeister.

O Herr! ein Wort

KÜCHMEISTER.

Was ist’s?

 

Sie reden während des Folgenden lebhaft und heimlich miteinander.

 

 

SCHÖNFELD zu Hohenkirch.

Hast wacker zugehalten. Komm!

 

Ihm zutrinkend.

 

 

Dem Orden!

HOHENKIRCH einen Becher fassend.

Auf Eintracht drin und frische Händel draußen!

KÜCHMEISTER zu dem Diener.

Vom Plauen, sagst du, sind sie abgesendet?

DIENER.

Ja Herr, ein Ritter, Knechte und ein Schreiber.

KÜCHMEISTER.

Unmöglich! Nanntest du nicht meinen Namen?

DIENER.

Ich tat es.

KÜCHMEISTER.

Und die Narren bleiben doch?

DIENER.

In Meisters Namen fordern sie die Schlüssel

Zu Kellern und Gemach; was dort an Schätzen,

Auf ihre Saumroß denken sie’s zu laden.

KÜCHMEISTER.

Gut, gut! Der Schatz, der Land und Orden groß macht,

Er ist in dieser Brust. Wohlan! sie sollen

Ihn haben nun! Doch seht euch vor er brennt!

Nun eil, ruf mein Gesinde, faß die Schergen!

Werft sie zum Schloß hinaus und schließt das Tor!

DIENER.

Doch Herr

KÜCHMEISTER.

Kein Wort! Gehorch, bei deinem Leben!

 

Diener ab.

 

 

KÜCHMEISTER sich plötzlich hoch aufrichtend, zu Hohenkirch.

Jetzt reit zurück zum Plau’n, sag ihm: ich komme!

 

Er geht ab.

 

 

GRAF SAYN.

Was hat er vor?

SCHÄVEN.

Laßt uns ihm eilig folgen!

 

Alle ab.

 

 

 

Vierte Szene

 

 

 

Wald. Man hört in der Ferne Hörnerklang, der nach und nach verhallt. Plauen und Graf von Schwarzburg treten auf.

 

 

PLAUEN in die Szene hinaussprechend.

Laßt nur die Roß verschnaufen noch, wir kommen

Vor Nacht doch immer nach Marienburg.

 

Zu Schwarzburg.

 

 

Wo sind wir hier?

SCHWARZBURG.

Das ist der Wald von Schaken.

Dorthin liegt Rehden, hier geht’s nach dem Haupthaus.

PLAUEN.

Da klingt die Jagd recht fröhlich noch herüber.

SCHWARZBURG.

Und alle Vögel singen zum Valet.

PLAUEN.

Laß uns ein wenig rasten hier im Grünen.

 

Sie lagern sich auf den Rasen.

 

 

Sieh, wie die Sonne herrlich untergeht

Und Feld und Strom und Wald in Feuer löst,

Als wollt sie all mit sich hinübernehmen.

Ein königlich Gestirn! Ich wollt, ich hätte

Mein Haus bestellt, wie sie, und schiede so.

SCHWARZBURG.

Sprich nicht vom Scheiden, Herr, schau nun einmal

Auch hinter dich und freu des reichen Blicks dich

Auf das, was du vollbracht.

PLAUEN.

Täusch dich nicht, Günther!

Ich glaubt es auch, es wäre was, den Orden

Herauszuschlagen aus der höchsten Not.

Was nützt’s dem Greis, ihn aus der Haft zu lösen?

Er taumelt in der ungewohnten Luft.

Das Unglück fand sie zag, das Glück hoffärtig

So rennt die Zeit uns um, die Gott gegeben

In unsre Hand, sie zu ihm aufzurichten.

SCHWARZBURG.

Wie und du wendest dich, und gibst uns auf?

PLAUEN.

So gebe Gott mich auf, wenn ich das tue!

Nein, an den frischen Morgen glaub ich fest,

Solang die Sonn noch einzle Höhn vergoldet

Und einer noch das Rechte will, wie du.

Dich, Schwarzburg, traf ich überall, wo’s galt,

Und komm ich nicht lebendig aus dem Handel:

Ich wüßte keinen sonst dich setzt ich gern

Zum Erben ein der freudigen Gedanken.

SCHWARZBURG.

Mein Herzblut, Herr, für dich! doch einsam nicht,

An deiner Seite denk ich einst zu fechten.

PLAUEN.

Gleichviel, wenn es nur ausgefochten wird.

Sieh, Günther, junge Ritter nahn aus Deutschland,

Die jetzt, zur Zeit der Not, in kühner Lust

Der ersten morgenfrischen Jugendliebe

Das Kreuz genommen um des Kreuzes willen.

Sie will ich stellen über alle andre,

Wie Sterne über der verworrnen Nacht.

Mit neuer strenger Satzung, wie’s mir leuchtend

Bei Tag und Nacht die Seele füllt, will ich

Den Orden rüsten und ein stark Geschlecht

Von Brüdern auferziehn, an die kein Herr

Der Erde fürder mehr Gewalt soll haben,

Weil sie dem höchsten Herren wahrhaft dienen.

Doch dazu brauch ich Krieg, daß er die Seelen

Aufrüttle aus dem Schlaf und erst den Grund

Uns feststampft zu dem Bau.

SCHWARZBURG.

Doch das Kapitel

Beschloß den Frieden jüngst und nimmer fügen

Sie solcher neuen Ordnung sich.

PLAUEN.

Sie müssen!

Du selbst warbst mir das Söldnerheer und führtest

Sie in das Land

SCHWARZBURG.

Herr ich versteh dich nicht.

PLAUEN.

Meinst du, ich dürfte hier noch andre fragen,

Als Gott und mich? Gab mir der Herr das Schwert,

So muß ich’s brauchen nun! Da kommt ein Fremder.

 

Rominta in Ritterkleidung tritt auf.

 

 

ROMINTA.

Wer ruht so sorglos dort im Dämmerschein,

Durch den die Mörder schleichen?

 

Sie erkennt Plauen und sinkt zu seinen Füßen.

 

 

Hoher Herr!

PLAUEN.

Was bringst du, wunderlicher Bote, mir?

ROMINTA.

O Herr, brich eilig auf von hier! Trau nicht

Der falschen Stille! Sommerfäden spinnen

Im Zwielicht draußen Netze überm Plan,

Die Wipfel flüstern heimlich zueinander

Und auf den Zehen, wie wir sprechen hier,

Naht leis der Mord!

SCHWARZBURG aufspringend.

Was faselst du von Mord?

PLAUEN zu Rominta.

Dein Auge scheint verstört und sieht Gespenster

In stiller Luft.

ROMINTA.

O glaubt mir doch nur! glaub mir!

Ermorden wollen sie dich hier im Wald.

Der Wirsberg sann es aus und harrt auf Rehden,

Dort sammeln sich die Mörder nach der Tat.

SCHWARZBURG.

Verworrne Mär! Und doch der schwanke Wirsberg

PLAUEN.

Wer bist du selbst? ich sah dich nie vorher.

ROMINTA.

O hätt auch ich dich nimmermehr gesehn!

PLAUEN.

Und suchst und warnst mich doch?

ROMINTA.

O frag mich nicht!

Ich lieb den Stern, kann er auch mein nicht werden,

Ich lieb den Blitz in Nacht, wenn er auch tötet,

So unermeßlich groß ist ja die Liebe!

 

Sie verbirgt ihr Gesicht an seinen Knien.

 

 

PLAUEN aufstehend.

Was ist dir denn? Du zitterst ja Du weinst

ROMINTA.

O fragt nicht weiter, unbarmherz’ge Männer!

Schwingt auf die Roß euch! draußen, wenn die Nacht

Mich dicht verhüllt, will ich dir alles sagen.

Mit meiner Brust will ich dein Herz beschirmen,

Und bin ich tot, gedenkst du meiner doch!

PLAUEN der sie aufmerksam betrachtet hat.

Seltsamer Knab. So junges Herz vergiftet

Mit Falschheit nicht der Augen reinen Quell.

So sage denn: ist Rehden schon bemannt?

ROMINTA.

Seitwärts vom Schlosse lagern fremde Scharen,

Geheimnisvoll in Schluchten rings zerstreut,

Doch auf der Burg, als ich vorüberritt,

War’s leer und still vom Grund noch bis zur Zinne.

PLAUEN.

Wohlan! so will ich hin! Zeig uns den Weg!

Dein Leben haftet mir für deine Zunge.

SCHWARZBURG.

Bedenke! so allein in Wald und Nacht

PLAUEN.

Ich kenn die Schlüfte dort, rechts an den Wällen

Gelangen ungesehen wir ans Tor.

SCHWARZBURG.

Und wenn der Knabe wirklich wahr gesprochen?

PLAUEN.

So faß ich die Verräter, eh sie’s denken,

Und lehr den Wirsberg, ehrlich sein

Mit seinem treuen Herrn! Frisch auf nach Rehden!

 

Alle ab.

 

Nikolaus von Renys und Friedrich von Kinthenau treten auf.

 

 

KINTHENAU.

Er weilt im Walde noch das ist der Kreuzweg,

Hier muß er durch. Der Pfad ist schmal, sie pflegen

Zu Fuße hier den kurzen Weg zu gehn,

Derweil die Knecht am Saum des Waldes reiten.

Drei wackre Burschen lauern dort am Busch,

Sie sollen uns des Plauen Jagdtroß greifen.

RENYS.

Der Mond ist schon herauf. Wo bleibt der Wirsberg?

KINTHENAU.

Laß ihn! so schwerer wiegt am Zahlungstage

Des Dankes Schuld, wenn wir’s allein vollbringen.

RENYS.

Ich wollt, es wär vorüber. Dieses Rauschen

Der Wälder durch die weite Einsamkeit,

Es macht mich noch verrückt.

KINTHENAU.

Horch, Pferdetritt!

STIMME draußen.

Führt dort die Roß herum und wartet drunten.

RENYS.

Ein Ordensmantel schimmert bleich

KINTHENAU.

Er ist’s!

KÜCHMEISTER auftretend.

Eine schöne, klare Nacht

RENYS mit gezogenem Schwert auf ihn eindringend.

Mach Platz da, Dränger!

KINTHENAU ihm in den Arm fallend.

Zurück! Küchmeister ist’s! Verfluchtes Blendwerk!

KÜCHMEISTER sie verwundert ansehend.

Was soll’s, ihr Herrn? im Harnisch hier?

KINTHENAU.

Verzeiht

Wo zieht Ihr hin so spät noch?

KÜCHMEISTER.

Zum Kapitel

Nach der Marienburg. Ich aber meine,

Ihr hieltet hier für einen Höhern mich.

KINTHENAU nach einer Pause.

Und wär’s nun so den Ihr im Sinne führt,

Ihr seid sein Feind und habt des guten Grund,

Er kränkt’ Euch hart.

KÜCHMEISTER.

Das tat er, und ich will’s

Ausfechten mit ihm doch was kümmert’s Euch?

KINTHENAU.

Es könnte leicht die Nacht verhaltnem Groll

Das Schwert zur Rache reichen.

 

Man hört Lärm und Waffengeklirr.

 

 

KÜCHMEISTER.

Horch, da zuckt

Das Schwert schon! Merkt ich’s doch: Dem Meister gilt’s!

Denkt, Buben ihr, daß ich im Finstern morde?

Den Plau’n regierte Gottes Hand, gen Rehden

Sah ich ihn sturmschnell eben ziehn.

KINTHENAU.

Gen Rehden?

So ist verloren alles!

KÜCHMEISTER.

Und kein Haar

Krümmt ihr dem Plau’n! nur über meine Leiche

Erreichst du ihn, Rebell! Zieh, grauer Sünder!

 

Er zieht.

 

 

RENYS der immer mürrisch schweigend dagestanden, plötzlich mit bloßem Schwert vortretend.

Nun denn! hervor! ich haß dich, Henkershelfer,

Gleichwie den Plau’n, und eure ganze Horde!

 

Sie fechten.

 

 

KINTHENAU zurücktretend.

Da drängt Küchmeisters Schar heran mit Fackeln,

Wie Furien rings aus allen Hecken wachsend!

Wir sind verraten! Fort! ich flieh nach Polen!

Mach Platz dem Wahnsinn, wem sein Hirn noch festhält!

 

Ab.

 

Küchmeisters Diener mit Fackeln treten auf.

 

 

ERSTER DIENER.

Wer eilte dort hinunter? Setzt ihm nach!

ZWEITER.

Laßt, laßt! dort ist der Bluthund!

DRITTER.

Helft dem Herrn!

 

Sie mischen sich in den Kampf. Renys wird verwundet.

 

 

RENYS.

Verflucht der falsche Boden, der das Blut

Der eignen Kinder trinkt! Molch, Schierling schieße

Aus jedem Tropfen und verpest die Luft!

Verflucht der Orden! und in Fluch verkehre

Berauschend sich sein Glück, Macht, Gold daß trunken

Dereinst von wilder Gier, wie Hunde einer

Den andern würgt bis alles öde wüst.

 

Er stirbt.

 

 

KÜCHMEISTER.

Der Wütende ist still auf ewig. Tragt ihn

Hinunter auf ein Saumroß und dann fort

Aus diesem Wald, wo Mord die Nacht befleckt.

Weh Plauen dir, der solchen Sturm geweckt!

 

Renys wird fortgetragen.

 

Alle ab.

 

 

 

Fünfte Szene

 

 

 

Nacht. Auf der Burgzinne von Rehden. Weinkrug und Becher stehn auf der Mauer. Georg von Wirsberg geht unruhig auf und nieder.

 

 

WIRSBERG über die Mauer blickend.

Vom Tage blieb ein blut’ger Streif in Westen,

Der nicht verlöschen will. Horch da! war das

Ein Ruf nicht fern im Walde? Nein, die Nacht nur

Gibt schläfrig Antwort mit verworrnem Rauschen.

Jetzt steigt der Mond verzaubernd durch die Wipfel

Es rascheln Tritte heimlich in dem Laub,

Rasch blitzt der Dolch, ein Schrei und alles still,

Und niemand nannt dabei den Namen Wirsberg

Wer rief mich da?!

 

Lachend.

 

 

Narr! Narr, dem vor dem Schatten

Der eigenen Gedanken sich das Haar sträubt!

 

Er ergreift heftig einen Becher und trinkt.

 

 

Horch schlägt da nicht die Turmuhr fern? Wie hell

Das herklingt durch die stille Luft. Neun zehn

 

Tief aufatmend.

 

 

So ist’s vorüber schon! Das war die Stunde,

Wo sie auf Rehden sich versammeln wollten.

 

Er trinkt wieder.

 

 

Es trieft die Stirn vom Schweiß was friert mich denn?

Ich lache dein, du lächerliches Grauen,

Das vor dem Hahnenruf in nichts zerrinnt!

Ringst mich nicht nieder in der Einsamkeit.

 

Den Becher ergreifend.

 

 

Laß sehn! Ich trink dir zu, wer du auch bist!

Stern ja auf Stern in unermeßner Pracht

Blitzt auf mich nieder und entgürtet ist

Die Zauberschönheit der phantast’schen Nacht!

Da unten tief, wie in prophet’schen Träumen,

Rausch zu, geheimnisvoll mit allen Bäumen!

Ich komm! Des zagen Nippens ist genug!

 

Den Becher über die Zinne schleudernd.

 

 

Gib einen vollen, frischen tiefen Zug!

 

Sturmgeläute.

 

 

Was ist das! Läuten sie dem Toten schon?

DIETRICH hereinstürzend.

Um Gottes willen, Herr!

WIRSBERG.

Was krächzt du, Rabe?

DIETRICH.

O eilt! Der Unsern einer, der am Walle

Die Wache hatt, sprengt’ atemlos herein

Und hinter ihm vom Wald her fremde Reiter.

Wie er im Fliehn zurück sich wandt, erkannt er

Entsetzt zwei Ritter aus Marienburg.

WIRSBERG.

Das lügt der Hund! das lügst du!

DIETRICH.

Horcht, da rasselt’s

Im Burghof schon.

WIRSBERG.

Nun so verschling die Hölle

Hof, Burg, und mich und alles was drin atmet!

 

Er eilt, sein Schwert ziehend, mit Dietrich fort.

 

Draußen Waffenlärm, währendes kommen Zwei Reisige von der andern Seite.

 

 

ERSTER.

Dorthin! Ich sag’s dir, ‘s ist der Meister selbst!

Ich kenne seine Stimme durchs Visier.

ZWEITER.

Da wie das Schrein und Läuten ineinander

Durch alle Gänge zieht.

ERSTER.

Fort, fort! sonst wirbelt

Der Sturm uns mit hinab hier in den Abgrund!

 

Beide ab.

 

 

WIRSBERG bleich, fliehend, mit bloßem Schwerte zurückkommend.

Wer ist der Schreckliche, der hinter mir

Entsetzlich dort von Hall zu Halle dringt?

Zeig dein Gesicht und funkle nicht so gräßlich

Aus deinen dunklen Eisenstäben her!

Ich will dein Antlitz sehn und wenn mich’s tötet!

 

Er stürzt sich zurück nach der Pforte.

 

 

ROMINTA in ihrer Ritterkleidung mit niedergelaßnem Visier ihm entgegentretend.

Zurück da, Wahnsinn! sollst ihn nicht versehren!

WIRSBERG.

Dich meint ich nicht! Laß mich! es ist gefährlich,

Mir heut zu nahn!

ROMINTA.

So helf mir Gott!

 

Sie fechten.

 

 

WIRSBERG.

Platz da!

 

Er ersticht sie.

 

 

ROMINTA im Sinken den Helm verlierend.

Wo bist du Heinrich? Weh wie einsam da!

Die Erde sinkt und sinkt nun bin ich dein!

 

Sie stirbt.

 

 

WIRSBERG sie erstaunt ansehend.

Wie ist mir denn? Da ringelt sich die Nacht

Der Locken wieder wildes Traumgesicht!

O wer mir sagt’, das sei ein Traum, meine Seele

Gäb ich ihm drum! Fort! Schlangen sind dein Haar

Und jede hat ein Stück von mir vergiftet:

Treu, Ehr den Rest werf ich dir nach, mich graut

Vor mir und dir. Laß los! da naht er wieder!

 

Nach der Pforte gewendet.

 

 

Es ist nicht wahr! Das lügenhafte Zwielicht

Verwirrt nur Sinn und Auge mir und spiegelt

Verfluchte Doppelgänger in die Nacht

Wer bist du? sprich!

PLAUEN tritt ein und schlägt sein Visier auf.

WIRSBERG plötzlich sein Schwert fallen lassend.

Furchtbarer Gott im Himmel!

 

Er stürzt sich über die Zinne in den Abgrund.

 

 

GÜNTHER VON SCHWARZBURG auftretend.

Herr! das Gerücht, daß du im Schloß erschienen,

Geht wie ein Sturmwind durch den Wald, und hauptlos

Zerstreun sich die erschrocknen Meuterscharen.

Doch, wo ist Wirsberg? Was geschah?

PLAUEN.

Er hat

Sich selbst gerichtet, und mein Rächeramt

Leg ich in höhre Hand. Gott sei ihm gnädig!

 

Fünfter Aufzug

 

Erste Szene

 

 

 

Vor Tagesanbruch. Freies Feld, im Hintergrunde sieht man verlöschende Lagerfeuer. Graf Günther von Schwarzburg führt rasch den Jost von Hohenkirch an der Hand herbei.

 

 

SCHWARZBURG.

Dort lagert rings das neue Söldnerheer

Sie schlafen alle noch, komm, komm tritt sachte

Mit deiner Botschaft auf, daß du den Tag

Nicht weckst, der leise auf den Höhen schlummert.

Ich weiß hier sollt ich von dem Meister hören.

Warum von Rehden sandt er mich hierher?

Woher die Eil, das Söldnerheer zu ordnen?

Zerstört ist ja der Anschlag der Rebellen.

HOHENKIRCH.

Ihr laßt mich nicht zu Worte kommen, Herr

SCHWARZBURG.

Ich habe Furcht vor dir und deinem Worte

Und möchte gern die Angst mir noch verschwatzen.

Nun denn in Gottes Namen rede nur!

HOHENKIRCH.

Der Meister läßt Euch seinen Gruß entbieten:

Versammelt sei’n die Herrn nun zum Kapitel

Ihr wüßtet schon das sei die rechte Zeit.

Drum sollt Ihr rasch nun gen Marienburg

Die Söldner führen, und das Tor besetzen,

Und keinem ein- und auszugehn verstatten,

Bis er es selbst Euch heißt.

SCHWARZBURG.

O meine Ahnung!

HOHENKIRCH.

Was sinnt Ihr so?

SCHWARZBURG.

Nun, das ist eine Botschaft!

Ich bitt dich, Jost, geh, ruh dir an den Zelten,

Nur einen Augenblick laß mich allein!

 

Hohenkirch ab.

 

 

SCHWARZBURG allein.

Herrgott, Herrgott! das also, Plauen, war

Das ferne Wetterleuchten deiner Seele,

Das oft in stillen Stunden mich erschreckt!

Und nun das Wetter unversehns hereinbricht,

Steh ich allein hier auf des Landes Hut

Und schaudere die Sturmglock anzuziehn!

Fort! nach Marienburg reit ich allein,

Sein Knie umklammre ich und fleh und weich nicht,

Er darf, er soll nicht weitergehn! Was hülf es?

Unbeugsam ist sein Sinn, und solchem Willen

Dient die geschäft’ge Welt, die er verschüchtert.

Heraus stellt er sich einsam vor die Welt,

Wie ‘n schlechtes Bild sie anders umzuzeichnen.

Wer darf je sagen von sich selbst, er habe

Recht gegen seine Zeit? Was ist die Meinung

Des einzelnen im Sturm der Weltgeschichte,

Die über uns ein höhrer Meister dichtet,

Uns unverständlich und nach andern Regeln.

Nicht rühren soll er mit der Menschenhand

An diesem Ritterbund, den Gott gefügt,

Dem ich verschworen mich mit tausend Eiden!

O Heinrich! Heinrich, Herzensbruder! wärst du

Im dicksten Schlachtgewühl, ich hieb’ dich raus!

Nun, lieber Meister, kann ich’s nicht Leb wohl!

Tu du, was du für recht erkannt ich auch!

Wir sind doch eines Fels verschiedne Quellen,

Ein Meer ja ist es, das wir redlich suchen

Gott richte da, wer von uns beiden irrte!

 

In die Szene rufend.

 

 

He, Hohenkirch!

HOHENKIRCH auftretend.

Ich harre Eurer Antwort.

SCHWARZBURG.

Weißt du des Meisters Plan und rechte Absicht?

HOHENKIRCH.

Nicht mehr, als ich Euch eben sagte, Herr.

SCHWARZBURG.

Nun denn, wenn du ihn liebst, so flieg zurück

Jetzt nach Marienburg und sag dem Meister:

Ich wüßt im ganzen Land hier keinen Feind,

Der stünd in Polen vor der Tür. Dorthin

Führt ich das Söldnerheer und woll es legen

Auf Straßburg, Soldau, Ortelsburg, wo ich

Des Ordens weiteren Befehl erwarte.

Nun reite schnell und Gott beschütz den Meister!

 

Hohenkirch geht ab.

 

 

Will denn das Morgenrot heut nicht herauf?

 

In den Hintergrund rufend.

 

 

Auf! rührt die Trommeln, laßt zum Aufbruch blasen!

 

Ab.

 

 

 

Zweite Szene

 

 

 

Meisters Gemach in Marienburg. Plauen sitzt in Gedanken versunken.

 

 

HANNS VON BAYSEN draußen.

Laßt mich hindurch! ich muß zu ihm!

PLAUEN aufspringend.

Kommt er?

 

Baysen tritt ein.

 

 

Du bist es, wackrer Bursch was bringst du mir?

BAYSEN.

O Herr! versammelt längst ist das Kapitel

PLAUEN.

Ich weiß.

BAYSEN.

Der finstre Küchenmeister grollt,

Mit kühnem Wort den schwanken Rat regierend.

Man sagt, einstimmig hätten sie verworfen

Den Krieg mit Polen. Oh, ich bitt dich, Herr,

Gib ihnen heut nur nach! Sie sinnen Böses.

PLAUEN.

Nun just deshalb.

 

Durch das Fenster sehend.

 

 

Noch immer nichts zu sehen!

BAYSEN.

Glaub mir, es ist was vor und gegen dich!

Ich weiß nicht, was sie sinnen, doch zu dreien

Und mehr beisammen stehn sie in den Winkeln

Und flüstern leis, und schweigen wenn ich nahe.

Ein heimlich Wesen, unsichtbar, wie Zugwind

Streicht durch das Schloß, und alles ist verfinstert,

Als ging’ ein dunkles Wetter übers Haus.

PLAUEN.

Hast recht, es wird bald wetterleuchten. Komm,

Hilf unterdes mir meine Rüstung antun.

BAYSEN.

Jetzt, Herr wozu denn?

PLAUEN.

Dort die helle reich mir,

Die trug ich einst an meinem Ehrentag,

Als wir Marienburg vom Feind befreiten.

 

Die Rüstung anlegend, wobei ihm Baysen behülflich ist.

 

 

‘s war auch im Herbste. Sieh, wie damals glüht

Das farb’ge Land, die Wandervögel ziehen,

Und alles mahnt mich an die schöne Zeit,

Wo wir zu Lust und Not im Felde lagen,

Ich noch ein Bruder unter treuen Brüdern.

Die heitre Nacht erscholl von frommen Liedern,

Im stillen Tale riefen fern die Wachen,

Derweil die Sterne ihre Runde machten,

Die Zukunft lag noch wunderbar verborgen,

Da wittern schnaubend schon die Roß den Morgen,

Es schauert das Heer und die Trompeten werben

Da ist’s ‘ne Lust, zu leben und zu sterben!

BAYSEN.

Wär ich der Meister nur, ich säß heut auf,

Und ließ sie ruhig raten!

PLAUEN.

Sieh doch wirbelt

Nicht Staub dort in der Ferne auf? Nein nichts.

Du bist ein braver Junge werde nicht

Auch wie die andern einst, glaub’s ihnen nicht,

Die niemals jung gewesen, ‘s ist nicht wahr,

Daß rechte Jugend alt wird mit den Jahren.

Und wenn sie’s alle meinten nun ich setze

Zum letzten Male meinen frischen Glauben

Heut an des letzten Bruders kühnes Herz!

Was ist das? Dort mein Kompan kommt zurück,

Allein! Siehst du nicht Waffen fernher blitzen?

Gott, Gott! es ist die höchste Not wo weilt er?

Schwarzburg, ich rufe dich im Namen Gottes

Und aller künftigen Geschlechter! Schwarzburg!

 

Jost von Hohenkirch tritt ein.

 

 

PLAUEN.

Was bringst du, Unglücksel’ger?

HOHENKIRCH.

Hoher Herr

PLAUEN.

Der Schwarzburg, sprich! wo ist der Graf von Schwarzburg?

HOHENKIRCH.

Herr, er entbietet dir nur wen’ge Worte:

Nicht hier daheim, an Jagjels Königshofe

Steh lauernd dein und unser aller Todfeind,

Und darum führt’ er ungesäumt gen Polen

Dein Söldnerheer.

PLAUEN in den Sessel sinkend.

Verloren ist der Orden!

HOHENKIRCH zu Baysen.

Was ist dem Herrn?

BAYSEN.

Wie wenn ein Wetterstrahl

Die Eiche traf. Horch, draußen naht es rasselnd,

Laßt niemand jetzt herein!

HOHENKIRCH.

Seht die Gebiet’ger!

 

Küchmeister, Hermann Gans, Graf Sayn, und mehrere Ordensritter treten ein.

 

 

KÜCHMEISTER.

Wo ist der Plau’n?

BAYSEN.

Der Meister wollt Ihr sagen.

KÜCHMEISTER.

Heinrich von Plau’n in der Gebiet’ger Namen

Steh ich vor dir, vernimm des Ordens Schluß:

Erwägend deines Regiments Gewalt,

Die alle Satzung schrankenlos durchbrochen,

Der Ritter Jammer und des Lands Empörung,

Hat das Kapitel, seiner Pflicht gedenk

Und auf das Flehen aller Ordensbrüder,

Entsetzt dich deines Amts als hoher Meister.

BAYSEN.

Wer wagt das!

HERMANN GANS.

Und den Ältsten uns befohlen,

Der Zeichen deiner Macht dich zu entkleiden.

GRAF SAYN.

Reich uns den Mantel, Siegel und das Schwert.

BAYSEN zu Plauen.

Erhebe dich! O brich dein furchtbar Schweigen!

Noch denken viele hier, wie ich, und setzen

Ihr Leben an dein Recht!

KÜCHMEISTER.

Greift den Wahnsinnigen!

PLAUEN sich aufrichtend.

Zurück! Noch bin ich hier der Meister.

 

Zu Baysen.

 

 

Ruhig!

Meint Ihr, ich tat das alles für mein Recht?

 

Sein Schwert an Küchmeister reichend.

 

 

Da nimm wofür sollt ich’s fortan noch ziehn!

 

Indem er den Mantel dem Hermann Gans überreicht.

 

 

Dies dir. Und reichte er von einem Ende

Der Welt zum andern, er verhüllte nimmer

Die Schande seit auch Günther mich verließ!

Oh, das ist eine Welt!

KÜCHMEISTER.

Was wünschst du noch?

PLAUEN.

Nichts mehr.

 

Im Kreise umherblickend, nach einer kurzen Pause.

 

 

Frohlocket nicht ihr armen Brüder,

Wenn lang entwöhnte Tränen übermächtig

Vielleicht aus diesen müden Augen brechen.

Glaubt nimmermehr, daß es der Hoheit gilt,

Von der ich scheide nun. Daß es nicht lohnt

Zu leben mehr, das ist’s, was mir das Herz bricht!

Noch einmal tat es einen langen Blitz

In wüster Nacht weit über diese Zinnen

Und schauernd in dem wunderbaren Licht

Erkannte ich des Ordens Heldengeist

Und reicht die Hand ihm da verschlang auf einmal

Das Dunkel wieder Schloß und Land. Es war

Ein schöner kurzer Traum. Der Alte aber,

Nun merk ich’s wohl, meint’s gut mit mir, er läßt

Die Hand nicht los und zieht mich mit hinab.

 

Er geht ab, die andern weichen ihm scheu und ehrerbietig aus.

 

Allgemeines Stillschweigen.

 

 

GRAF SAYN zu Küchmeister.

Heil, dir, Hochmeister nun!

KÜCHMEISTER der in tiefen Gedanken gestanden, finster.

Schweig! Eilt ihm nach,

Gebt fürstliches Geleit ihm! Fort da, sag ich!

 

Er bedeckt sein Gesicht mit beiden Händen und geht schnell ab. Die übrigen folgen schweigend.

 

 

 

Dritte Szene

 

 

 

Gebirg und Wald. Gertrud und Elsbeth treten auf.

 

 

ELSBETH.

Tretet nur hierher auf das weiche Moos,

Wir können nicht mehr weit zum Kloster haben.

GERTRUD.

Sind wir so nahe schon?

ELSBETH.

Was zittert Ihr?

GERTRUD.

Ich? nein Ich kenne ja die Priorin.

Wir ritten einst an einem Sommerabend

Noch mit dem Vater dort vorbei und hielten

Am Pförtchen plaudernd unter hohen Linden.

Das ist schon lange her der Abend glänzte

So seltsam in den Hof, und vor den Fenstern

Bewegten rauschend sich die alten Bäume.

Da ritt der Wirsberg fern am Saum des Waldes,

Vom Jagdgeschmeide blitzend, uns vorüber

Und winkt’ mir zu. Der Vater sah ihn nicht,

Ich aber blickte weg und wurde rot.

Wenn er so einmal wiederkäme.

ELSBETH.

Wer?

GERTRUD.

Ach Elsbeth sieh, mein Kopf ist mir jetzt so schwach

Komm, laß uns gehn.

 

Sie steigen den Berg hinan.

 

 

ELSBETH.

Wenn du im Kloster bist,

Will ich durchs Land mit Grüßen hin und her gehen

Zu allen Freunden und geliebten Plätzen,

Wo wir sonst froh gewesen, und erzähle

Dir von der Welt dann, wenn es ringsum stille,

Und wir beim Abendschein im Klostergarten

Was weinst du denn?

GERTRUD von der Höhe herabblickend.

Ach!

ELSBETH.

Schaut, da liegt das Kloster

Im tiefen kühlen Grund, von Fichtenwäldern

Umgeben rings und stillen Höhn die Glocken

Erklingen aus der Einsamkeit herauf.

GERTRUD ihr um den Hals fallend und in heftiges Weinen ausbrechend.

Ach Els’, das ist ja wie ein Grab ich kann,

Ich kann nicht Nonne werden!

ELSBETH.

Weint nur nicht

So schmerzlich! Seht, ich will ja mit Euch gehen

Ans End der Welt!

GERTRUD lebhaft.

Wir wollen Männerkleider

Im Dorf uns kaufen, und dann fort, weit, weit,

Wohin du willst nur dort hinunter nicht!

Wir suchen ihn in Weilern, Städten, Schlössern,

Als Zitherbuben vor den Fenstern singend.

Er kennt mich gleich an meiner Stimme wieder,

Und unter Tausenden blick ich ihn raus!

Komm nur, er kann mich nicht verlassen haben,

Er war mir ja so herzlich gut!

ELSBETH.

Besinnt Euch!

Ihr seid erhitzt vom weiten Wandern setzt Euch.

GERTRUD nach einer kurzen Pause.

Ach Gott, ich bin so müde.

 

Sie setzt sich.

 

 

Ruhn wir aus.

Was würd die Priorin auch dazu sagen,

Wenn sie mich so verweint jetzt wiedersah.

Wie da die Vöglein singen durch den Wald!

Sing noch einmal das traurige Lied Du kennst’s ja

Nur noch ein einz’ges Mal!

ELSBETH.

Denkt nicht daran!

GERTRUD leise vor sich hinsingend.

Mein Schatz hat mich betrogen,

Hat sich von mir gewandt,

Ist fort von hier gezogen,

Fort in ein fremdes Land.

 

O Ritter, laßt mich gehen

Auf diesen Felsen groß,

Ich will noch einmal sehen

Nach meines Liebsten Schloß.

 

Ich will noch einmal sehen

 

Man hört in der Ferne Trompetenklang.

 

 

GERTRUD aufspringend.

Dort sieh! es blitzen Reiter durch das Grün,

Die Rosse schnauben und die Helme funkeln

Belogen habt ihr mich, er ist nicht tot!

Sieh wie sein Helmbusch hoch im Winde flattert,

Sie lenken hier herauf was hältst du mich?

Es ruft und jauchzt den grünen Wald hinunter,

Der auf dem dunkeln Rosse dort ist mein!

Mein Herz wird mir so munter,

Der muß mein Liebster sein!

 

Sie reißt sich von Elsbeth los, und stürzt in den Abgrund.

 

 

ELSBETH.

O Gott! Hülft niemand mir in diesem Jammer?

 

Sie eilt hinab.

 

Graf von Kyburg, Hermann Gans, Johann von Schönfeld, König und Zenger treten auf.

 

 

GRAF KYBURG.

Verdammtes Bauervolk, das sich wie Unkraut

Um Sporn und Bein schlingt und am Mantel zerrt,

Man kann nicht schreiten ohn es zu zertreten!

SCHÖNFELD.

Ei, ei.

HERMANN GANS.

Hier haben wir dem flücht’gen Landvolk

Den Vorsprung abgewonnen nun berichte

Umständlich, Zenger, wie’s im Lande steht.

ZENGER.

Es steht fast gar nichts mehr, mein alter Herr.

Denn kaum erscholl nach Polen hin die Kunde,

Daß Plau’n das Schwert gelegt aus seiner Hand,

So brach der König Jagjel, wie ein Tiger,

Aus seinem Hinterhalt, wo’s keiner dachte,

Und würgt’ durchs Land hin bis gen Marienwerder.

Vor mir, so weit das Auge reicht’, bedeckte

Verworrne Flucht das Feld, und hinter mir

Sah ich vom Wald Rauchsäulen zahllos steigen.

HERMANN GANS.

Die ganze alte Konfusion schon wieder!

Was nun, ihr Brüder? Sprecht, was nun?

SCHÖNFELD.

Ei, ei

KÖNIG.

Ich eil nach Hause, für den schlimmsten Fall

Zu retten dort, was noch zu retten ist.

GRAF KYBURG.

Was wär denn hier zu retten, außerm Haupthaus!

KÖNIG.

Leicht vornehm tun! was hast du zu verlieren?

GRAF KYBURG.

Was du vielleicht nicht hast: die Ritterehre,

Die auf der Spitze ruht von diesem Schwert!

Schon einmal blitzt’ es die Polacken nieder,

Und fegt sie wohl auch diesmal wieder heim!

SCHÖNFELD.

Ei, ei!

GRAF KYBURG.

Was hast du heut mit deinem Ei und Ei?

Ich schlag’s entzwei, laß sehn, was da herauskriecht!

SCHÖNFELD.

Zerschlagen? He? ‘s kriecht mehr aus diesem Ei,

Als schlüg ich dir den blonden Dotter da

Von Kopf entzwei!

 

Er zieht.

 

 

Komm her! Hab Lust dazu!

Den großen Meister umhaun, und zehntausend

Kleinmeisterlein gleich schießen aus der Wurzel

Und Krieg und Pestilenz! Ei, seht mir doch!

 

Er geht mit Graf Kyburg fechtend ab.

 

 

He, Friede, Ruh! Da kommen die Bauern schon wieder!

Das schnappt und kreischt und stößt nach uns wie Krähen

Was! sind wir Eulen denn? Seid doch gescheut!

 

Alle ab.

 

Mehrere Bauern kommen von der andern Seite.

 

 

ERSTER BAUER.

Da seht der Polack hat uns all beim Schopf,

Und die indes da raufen eins das andre!

ZWEITER.

Das lauft und stürzt! ‘ne rechte Herrenkunst,

Wenn man vier Beine unterm Leibe hat!

Nach! Reißt herab sie!

ERSTER.

Still! dort kommt der neue

Hochmeister. Halt ihn an, der muß uns helfen!

 

Küchmeister mit mehreren Rittern tritt auf.

 

 

KÜCHMEISTER.

Es schlagen immer neue Flammen auf

Aus allen Wäldern rings, und donnernd bricht

Der morsche Boden hinter uns zusammen!

MEHRERE BAUERN.

Herr! rette, hilf uns!

KÜCHMEISTER zu einem von den Rittern.

Dort am Fuß des Hügels

Versammle, was im Walde flüchtig irrt,

Ich selbst reit mit dem Banner vor.

 

Zu den Bauern.

 

 

Zurück da!

ERSTER BAUER.

Du sollst nicht fort!

MEHRERE.

Du bist der Meister, schütz uns!

ERSTER.

Die Dörfer brennen und das Feld ist leer,

Das Leben gilt’s nun, seht euch vor! der Hunger

Packt selbst den Wolf an und zerreißt ihn rasend!

KÜCHMEISTER.

Es geht die Not wild über alle weg

Und tritt den Knecht so wie den Herren nieder.

Wie soll ich helfen da! daß Volk und Orden

Zu einem Mann sich eisern fügt, das hilft!

 

Zu den Rittern.

 

 

Treibt die Unsinn’gen zu den Fahnen fort!

Sie sollen fechten, wenn sie leben wollen!

 

Die Bauern werden fortgedrängt. Währenddes tritt Walther von Merheim auf.

 

 

MERHEIM.

Herr, unheilvolle grauenhafte Botschaft!

KÜCHMEISTER.

Noch mehr? Was ist’s?

MERHEIM.

Marienwerder brennt

Und aus den Lohen schwang der weiße Adler

Sich gen Marienburg auf.

KÜCHMEISTER.

Sie wagen’s doch?

MERHEIM.

Schwarzburg mit seinen zweifelhaften Scharen,

Den sie umgangen an des Landes Mark

Er bleibt noch immer aus und keiner weiß,

Wohin er sich gewandt und was er sinne.

KÜCHMEISTER.

Sitz auf! reit Tag und Nacht bis du ihn triffst!

Ich, jetzt sein Herr und Meister, ließ’ ihm sagen:

Es gölt Marienburg! Was er auch sinne,

Er soll den Todfeind rasch im Rücken fassen,

Ich dräng vom Haupthaus auf den König los!

 

Merheim ab.

 

 

KÜCHMEISTER zu den Rittern.

Fort, fort ins Tal nun laßt die Banner wehen!

 

Die Ritter von verschiedenen Seiten ab.

 

 

KÜCHMEISTER.

Brichst du schon jetzt herein, furchtbar Gericht,

Im finstern Wetterzug die Welt verdunkelnd?

O ständ ich ohne Schuld in diesem Graun!

 

Ab.

 

 

 

Vierte Szene

 

 

 

Das Innere des Burghofes zu Lochstädt. Rechts eine Linde mit einer Rasenbank, auf welcher Plauen schlummernd ruht. Von der andern Seite treten Graf Günther von Schwarzburg und der Schloss-Wart auf, ohne Plauen zu bemerken. In der Ferne hört man Trompeten.

 

 

SCHWARZBURG.

Das ist recht still und einsam hier. Der Herbstwind

Rauscht durch die alten Wipfel schon und streut

Die bunten Blätter auf den öden Hof.

SCHLOSSWART.

Horcht ist’s mir doch, als ginge Kriegsmusik

In weiter Ferne durch die stillen Lüfte.

SCHWARZBURG.

Mein Fähnlein ist’s, das gen Marienburg zieht.

Da draußen, Alter, hält der Tod jetzt Heerschau,

Die Besten sucht’ er längst sich aus, und alt

Geworden ist die Welt, seit du hier einsam

Das stille Schloß gehütet. Mich verlangt

Auch recht nach ehrlichem Soldatentod!

Doch ging’ ich ungern in den letzten Kampf,

Bevor der alte Meister nicht noch einmal

Die Hand mir herzlich hat gereicht zum Abschied.

Krank, sagst du, ist der Held?

SCHLOSSWART.

Still und todmüde

Der Undank brach das Herz ihm. Seht! da ruht er.

SCHWARZBURG nachdem er ihn lange schweigend betrachtet.

Du wunder Leu! Verlassen von der Welt,

Die du so lang bewacht in Nacht und Schrecken!

Ich drückt den Pfeil ab, doch so meint ich’s nicht!

 

Man hört draußen kriegerische Musik.

 

 

Horch da! sie mahnen schon, die Stunde drängt!

SCHLOSSWART.

Der alte Klang hat ihn erweckt, er rührt sich

PLAUEN sich halb erhebend und die beiden anschauend, nach einer Pause.

Mir träumte, es sei tiefer, tiefer Abend

Die Gipfel nur noch ragten aus dem Grau,

Und in der Abendglut, wie über Trümmern,

Stand wunderbar der Engel mit dem Schwert,

Zu richten die vergangenen Geschlechter.

Und als, die weite Einsamkeit entlang,

Sein Schwert ertönte, an das Schild geschlagen:

Da Günther faßt ich rasch dich bei der Hand,

Es war, als hätt ich Gräßliches zu sagen

Und da ich mit dir vor dem Engel stand,

Senkt ich mein Haupt und konnt dich nicht verklagen.

SCHWARZBURG.

O hoher Herr wie Schwerter kreuzweis drückst du

Mir deine Worte schneidend in die Brust!

PLAUEN.

Denn wie der Engel ernst das Auge wandte,

Traf solche Hoheit mich und solche Milde,

Daß ich erschrocken in die Kniee sank:

Ach gegen dich, wie ist mein Herz so wilde!

Vermessen richtet ich mich auf ob allen

Und in die Wolken griff ich über mir,

Des Herren Blitze wollt ich strafend schwingen

Ich Staub vom Staub im Zorn die Welt bezwingen.

SCHWARZBURG seine Hand fassend.

O laß mich weinen auf die teure Hand.

Nicht du der starke Gott hat dich gehoben,

Ein feur’ges Zeichen, über diese Zeit,

Daß alle Herzen sich zum Himmel wenden!

Nun sucht der Blick verwirrt die Tiefe wieder,

Graun kommt und Sturm wühlt, Haß, Grimm, wildes Trachten,

Und sternlos geht der heil’ge Orden unter.

PLAUEN.

Ein Tropfen kaum, war’s in dem großen Strome

Gelobt sei Gott! des Herren Wege gehn

Hoch über die Gedanken weg der Menschen.

So laß den Orden nur zusammenstürzen:

Das Kreuz bleibt stehn, das er gepflanzt im Norden,

Und übers Graun geht frommer Helden Kunde

Erschütternd fort durch künftige Geschlechter!

Sieh, Schwarzburg hinter der tiefen langen Nacht,

Wo alle Sterne ausgelöscht am Himmel,

Die trostlos aus dem Schutt der Zeiten stiert

Und uns nicht kennt mehr, die da unten ruhn

Seh ich den Himmel, wie von Schmerz zerrissen,

Und bei der Blitze Schein, dem ungewissen,

Die Helden all aus ihren Gräbern gehn;

Die richten schweigend auf den stillen Höhn

Ein wunderbares Kreuz empor von Eisen

In der gewitterschwarzen Einsamkeit.

Da geht ein Schauer durch das Volk der Preußen

Und noch einmal gedenkt’s der großen Zeit.

SCHWARZBURG.

Dein Auge leuchtet seltsam Herr wie ist dir?

PLAUEN sich nach und nach hoch aufrichtend.

Hoch überm Walde, der sich rauschend neigt,

Wie unermeßlich da Aurora steigt!

Die Waffen blitzen, mutig schallen Lieder

Reich mir den Helm, gebt mir das Banner wieder!

Das flatternde Panier hoch in der Hand,

Zieh ich der Schar voran durchs deutsche Land,

Am Rheine pflanzen wir’s zu Gottes Ruhm

Was zagt ihr? Ewig ist das Rittertum!

 

Er stürzt tot nieder.

 

 

SCHWARZBURG.

O scheide nicht was soll ich ohne dir

In dieser öden Welt! Gleichwie ein Cherub

Schwang er sich auf, es ist als hört ich leise

Den Flügelschlag noch in den stillen Lüften,

Und mahnend lockt mich’s nach.

HANNS VON BAYSEN mit einer Fahne hereinstürzend.

Hoch! Freud’ge Botschaft!

Das bring ich dir! Marienburg ist frei!

Was ist das?

SCHWARZBURG.

Still der müde Held ruht aus.

BAYSEN.

Tot?

 

Die Fahne wegschleudernd.

 

 

Nun so fechte wer da will! das lohnte

Für so ‘ne lump’ge Welt noch! O mein Meister!

 

Er wirft sich vor Plauen nieder.

 

 

SCHWARZBURG.

Steh auf! Und liebtest du ihn recht, so wende

Des Schmerzes Schneide auf des Feindes Haupt!

Not drängt und Großes gibt’s zu tun. Was sprachst du

Da von Marienburg?

BAYSEN sich aufrichtend.

Höchst wunderbar

Bis an das Tor schon mit entbundnen Wogen

Stürzt’ das Verderben da auf einmal lautlos

Stutzt Jagjels Heer, die Rosse steigen schnaubend,

Und Flüstern murmelt durch die bleiche Schar:

Des totgeglaubten Plauens Schreckensbild

Erblicken sie gewappnet auf der Zinne.

Da faßt Entsetzen Herrn und Knecht’, und mitten

Im Jubel wandte schauernd sich der König.

SCHWARZBURG.

So schreckt im Sterben noch des Löwen Blick

Die dumpfe Welt. Den wunderbaren Sieger,

Wenn alle sein vergessen, laß uns ehren

Wie ‘s Kriegern ziemt dann fort ins Kampfgewühl!

 

Plauen mit der Fahne bedeckend, während draußen die Kriegsmusik wieder ertönt.

 

 

Solch Held regiert Jahrhundert’ lang die Geister,

Und lebend oder tot, Er bleibt der Meister!