Gaetano Donizetti

Anna Bolena

Tragische Oper in zwei Akten

Personen

Heinrich der Achte, König von England

Anna Boulen, seine Gemahlin

Johanna Seymour, Hoffräulein der Königin

Lord Rochefort, Bruder der Königin

Lord Richard Percy

Smeton, Page und Musikus der Königin

Sir Hervey, Hauptmann der Leibwache

Hofdamen und Pagen der Königin

Hofleute. Lords. Leibwache des Königs

Der erste Akt spielt in Windsor, der zweite zu London, im Jahre 1586.

Erster Akt.

Großer Saal im Schlosse zu Windsor.

Erste Scene.

Hofherren. Später Johanna Seymour.

CHOR.

Er kommt noch nicht? Seyd stille!

Er wird nicht kommen? Und Anna?

Sie duldet still, doch trauert sie,

Ihr Stern wird untergehen,

Des Königs Herz, so wandelbar,

Sucht neuer Liebe Lust.

Des finstern Argwohns ganze Macht

Tobet in seiner Brust.

JOHANNA.

Mehr, als ich es ertragen kann,

Ist sie mir zugewendet,

Ist ihr nicht meine Schuld bewußt,

Ist wohl ihr Aug’ gebleudet.

Wie mir die Ruhe raubet

Der schuldbewußte Sinn.

Zweite Scene.

Vorige. Anna. Damen. Pagen. Smeton.

ANNA.

Warum dies ernste Schweigen im geselligen Saale?

Selbst Deine Launen, immer so heiter,

Kannst Du heute nicht finden,

Und kein Lächeln erblick’ ich.

JOHANNA.

Wer könnte lächeln, in froher Laune,

Wenn der Königin Miene

Nur Trauer kündet.

ANNA.

Verstimmt wohl mag ich scheinen,

Doch ohne Grund! Sorgen, finstre Schwermuth

Und Kummer rauben mir die Freude

Seit so manchem Tage.

SMETON.

Die Arme!

JOHANNA.

Ich zittre bei jedem ihrer Worte.

ANNA.

Smeton, tritt vor!

SMETON.

Königin!

ANNA.

Nimm Deine Harfe und brich dieses Schweigen

Durch Deine Lieder, durch den Klang der Saiten,

Bis sich der König naht.

JOHANNA.

Nun athm’ ich wieder.

ANNA.

Laßt uns aufmerksam hören!

SMETON.

Für sie mein Leben!

Lächelt der Liebe Rosenkelch,

Und Kummer drückt Dich nieder,

Scheucht mich Dein stiller Schmerz,

Giebt Trost Dein Lächeln wieder.

Vor meines Auges Strahlen

Schwinden des Lebens Qualen,

Und Lunens sanftes Himmelslicht

Strahlet Dein Zauberblick.

Sieht Dich mein Aug’ so reizerfüllt

Und still durch’s Leben gehen,

Glaub’ ich der ersten Liebe Schmerz

Im Mädchenblick zu sehen.

Herrsche auf Englands Throne,

Doch leicht entbehrt die Krone

Der mit des Blickes Allgewalt

Dringet in jedes Herz.

ANNA.

Schweige! o schweige!

SMETON.

Gebieterin! o Gott!

CHOR.

Tief ist ihr Herz erschüttert.

ANNA.

Wie dieses Jünglings süßes Lied

Mächtig das Herz beweget,

Der ersten Liebe Schmerz und Lust

Noch in der Brust sich reget;

Ihn werd’ ich nie vergessen,

Der dieses Herz besessen.

Und nicht Ersatz gewähret mir

Der Glanz, der mich umgiebt.

Doch wohl vergebens harren wir,

Bald wird die Nacht entschwinden.

JOHANNA.

Sanft dämmert schon das Morgenroth.

ANNA.

Wohlan denn! auf Wiedersehen,

Laßt uns zur Ruhe gehen;

Nicht kommt der König mehr.

Nun komm’! wir gehen.

JOHANNA.

Ach! wie sie zittert.

ANNA.

O Liebe, deine Himmelsmacht

Sie lindre meine Schmerzen,

Laß Untreu’ mächtig werden nicht

In des Geliebten Herzen.

Ich gab mich ihm zu eigen,

Mir ward zu Theil die Krone,

Und die beschworne Treue

Bewahrt’ ich auf dem Throne.

Doch ist’s des Himmels Wille,

Daß mich Berrath soll treffen,

So will ich lieber sterben,

Als mich verlassen seh’n.

Alle ab.

Dritte Scene.

JOHANNA allein.

Wie mir das Herz erbebet,

Wie die Schuld mich bewegt – hab’ ich verrathen,

Was meine Brust erschüttert?

In meinen Zügen hat Verrath sie gelesen.

Wie drückte an ihr Herz mich die Arme,

An ihren Busen, den Vertrauen erfüllt,

Konnt’ ich zurück mich ziehen von diesem drohenden Abgrund;

Die früh’re Ruhe, sie ist entschwunden;

Ach, dem Schicksal entgehen kann ich wohl nimmer,

Mit diesem Herzen –

Himmel! Ja, er ist’s!

Vierte Scene.

Der König, Johanna.

KÖNIG.

Warum erbeben?

JOHANNA.

Ich zitt’re! –

KÖNIG.

Und wo ist Jene? –

JOHANNA.

Sie ruhet.

KÖNIG.

Ich nimmer. –

JOHANNA.

Hört meine Bitte! – Ach, mein Gebieter! –

Nie seh’ ich Euch so wieder, o schwört es

Mir Armen!

KÖNIG.

So soll es seyn! Bald wirst Du

Am versammelten Hofe mit mir Dich zeigen. –

Du staunest? Johanna! Erhoben sollst Du werden!

JOHANNA.

Dann laßt mich sterben! Im Grabe

Verdeck’ ich nur mein Vergehen.

KÖNIG.

Zum Throne

Werd’ ich Dich führen, wie Annen es geworden,

Mein ganzes Land soll Dich, Geliebte, preisen.

JOHANNA.

O mein Geliebter! Nicht eitler Glanz

Führt mich zu diesem Ziele.

KÖNIG.

Von Deinem Herzen

Hoffe ich mehr.

JOHANNA.

Und so liebt mich mein König?

KÖNIG.

Ha, Falsche, was kannst Du wünschen?

JOHANNA.

Der Tugend Größe!

KÖNIG.

Größe? Ja, sie soll Dir werden,

Wie die Welt nicht höh’re kennet,

Wenn man meinen Namen nennet

Strahlt ein Glanz auf Dich zurück.

Keine gleichet Dir auf Erden,

Und Du bist mein höchstes Glück!

JOHANNA.

Nur der Tugend frommes Walten

Kann mir einzig Größe geben,

Doch zerstöret ist mein Leben,

Nimmer find’ ich wahres Glück,

Wird die Flamme nicht erkalten,

Kehrt die Ruhe nie zurück.

KÖNIG.

Ich verstehe!

JOHANNA.

Mein König, hört!

Soll Argwohn meine Liebe lohnen?

KÖNIG.

Nun kenne ich Dein Streben!

JOHANNA.

Mein König!

KÖNIG.

Nicht mir gilt Deine Liebe.

JOHANNA.

Mein König!

KÖNIG.

Den Thron willst Du erreichen.

Anna auch versprach mir Liebe,

Und mein Herz ward ihr zum Lohne,

Doch des Stolzes eitle Triebe

Zogen sie zur Königskrone.

Nun hat sie ihr Haupt getragen,

Doch allmählig wankt sie schon,

Und sie fand mit bittern Klagen

Nur in ihr des Schicksals Hohn.

JOHANNA.

Ach, nicht ich versprach Euch Liebe,

Und nicht strebt ich nach der Krone,

Die Erwied’rung Eurer Triebe

In des Herzens Tiefe wohnet.

Wie könnt’ ich es eitel wagen,

Mich zu nah’n dem Königsthron.

Höret doch der Unschuld Klagen,

Nehmt von mir des Schicksals Hohn.

KÖNIG.

Du verläßt mich?

JOHANNA.

Ich muß es!

KÖNIG.

Verweile!

JOHANNA.

Ach, ich kann nicht!

KÖNIG.

Verweile und höre:

Meine Krone sollst Du zieren,

Zum Altar werd’ ich Dich führen.

JOHANNA.

Himmel! – Und Anna?

KÖNIG.

Bestraf’ ich.

JOHANNA.

Was hör’ ich!

KÖNIG.

Es erbleich’ ihr falscher Schimmer!

JOHANNA.

Wär’ sie schuldig?

KÖNIG.

Ich war betrogen;

Liebe hat sie mir gelogen.

Früher schon in fremden Banden,

Und auch jetzt als Königin.

JOHANNA.

Euer Bündniß?

KÖNIG.

Werd’ ich zernichten.

JOHANNA.

Sie verstoßen?

KÖNIG.

Bald wird’s geschehen.

JOHANNA.

Ach, ich will, ich kann’s nicht glauben,

Lasset nicht die Strenge walten,

Euch die Gattin zu erhalten,

Glaubet falschem Argwohn nicht.

Wolltet Ihr den Thron ihr rauben,

Nur ihr Herz und meines bricht.

KÖNIG.

Bald wird Deinen Wahn Dir rauben

Meines Willens strenges Walten,

Und Dein Eifer wird erkalten,

Wenn des Nebels Schleier bricht.

Vor der Wahrheit bitterm Glauben

Bebt Dein Herz, doch meines nicht!

Fünfte Scene.

Park im Schlosse zu Windsor.

Percy und Rochefort.

ROCHEFORT.

Wen seh’ ich! auf Englands Boden –

Du, mein Percy!

PERCY.

Mich rief zurück, o Theurer,

Des Königs Gnade; hier will ich ihn erwarten.

Bald wird zur Jagd er ziehen,

Und hier vorüber; wie sind der Heimath Lüfte

Dem sich sehnenden Herzen des lang’ Verbannten

Die höchste aller Freuden, doch nicht dem meinen.

ROCHEFORT.

Höre, mein Freund! erlegen

Bist Du nicht dem Schmerz; Dich zu erkennen

Ist mir gelungen.

PERCY.

Du kannst noch spotten?

Du, der meinen Kummer genau doch kennet,

Der mich verzehret, – ich wage kaum zu forschen

Nach Deiner Schwester, nach Anna Dich zu fragen.

ROCHEFORT.

Schwer drückt die Krone, deckt sie des Herzens Klagen.

PERCY.

Was mir das Gerücht verkündet,

Ist’s Wahrheit wohl? – Der König wanket?

ROCHEFORT.

Erkaltet für sie und ihren Kummer.

PERCY.

Ach, Anna, geraubet wardst du mir, der dich liebte,

Um dich nur zu verderben.

ROCHEFORT.

O schweig’, Verweg’ner!

PERCY.

Was könnte ich noch fürchten?

Von dem Tag, da sie entschwunden,

Mußt ich brechen süße Bande,

Fern von ihr in fremdem Lande

Schloß sich nicht die Wunde zu;

Nimmer fand ich frohe Stunden,

Fern von Menschen durft’ ich klagen,

Wo die Erde mich getragen,

Hofft’ in ihr ich Grabesruh’!

ROCHEFORT.

Wirst Du nun in ihrer Nähe

Auch des Herzens Gluth bezwingen?

PERCY.

Wenn ich sie nur lächeln sehe,

Werd’ ich Fassung wohl erringen.

Sollte mich der Schmerz bezwingen?

Nein, die Lust wird überwiegen,

Und der Qual bin ich entnommen,

Keinen Kummer fühl’ ich mehr.

ROCHEFORT.

Stille jetzt, die Jäger kommen,

Denn laut wird es rings umher.

Sechste Scene.

Vorige, Jäger, Pagen, Krieger.

CHOR.

Zur Jagd! Es schallt des Hornes Klang,

Gesattelt stehen schon die Rosse,

Und Hunde bellen, Jagdgeschrei

Ertönt vom Königsschlosse;

Durch Feld und Wald zieh’n wir vereint,

Ja, der König bald erscheint.

PERCY.

Und mit ihm Anna!

ROCHEFORT.

Ach schweig’!

O Richard! ach schweige!

PERCY.

Ach, so in den schönen Tagen

In der ersten Jugendliebe

Fühlte ich dieselben Triebe,

Und sie war mein höchstes Glück.

Bald werd’ ich mein Schicksal lesen

In den sanften Himmelsblicken,

Wird ihr Lächeln mich entzücken,

Kehrt die Blüthenzeit zurück.

Siebente Scene.

Der König und sein Gefolge, dann Anna mit Damen und Dienern, Percy, Hervey und Leibwache.

KÖNIG.

Wie, schon so früh entflohen

Heute der Ruhe?

ANNA.

Viel stärker war das Streben,

Meinen König zu sehen,

Nach manchem Tage, als Bedürfniß der Ruhe.

Mag meine Sehnsucht mein Erscheinen vertreten.

KÖNIG.

Wohl manche schwere Sorge

Hab’ ich getragen, doch waren stets die Gedanken

Zu Dir gewendet, und nicht eine Stunde

Bist Du entgangen dem aufmerksamen Auge. –

Lord Percy hier?

ANNA.

Was muß ich sehen! er ist es!

KÖNIG.

Kommet mir näher!

PERCY.

Gebieter!

KÖNIG.

Schnell kehrt Ihr wieder –

PERCY.

Nicht zögern wollt’ ich, o König!

Einen Augenblick länger, Euch auszusprechen,

Was ich dankbar empfinde, und eilend nah’ ich

Zu Euren Füßen, die Treue Euch zu schwören!

Die Hand, die mich verbannte, und mich wiedergegeben

Dem Vaterlande, laßt mich sie küssen!

KÖNIG.

Ich weiß, daß Ihr schuldlos –

Von Eurer Treue bin ich überzeugt.

Die mit Euch erwachsen, mit Euch erzogen,

Sie kannte des Herzens Treue, gerne glaub’ ich,

Was Anna sagt.

PERCY.

Anna?

ANNA.

Kaum wag’ ich aufzublicken!

PERCY.

Diese Worte, darf ich sie glauben?

Habt Ihr mich nicht ganz vergessen?

ANNA.

Nimmer wollte England glauben,

Daß Ihr Euch so schwer vergessen.

KÖNIG.

Ja, Eure Treue wird sich bewähren,

Ihr Vertrauen wird Percy ehren;

Schwer hat man Euch angeklagt,

Sie allein vertraute Euch!

PERCY.

Diese Güte!

ANNA.

Erhebt Euch! – nicht weiter!

ROCHEFORT.

Er vergißt sich!

KÖNIG.

Hervey!

HERVEY.

Gebieter!

ANNA.

Ach, ich fühle mein Herz erbeben,

Seh’ ich fließen seine Thränen,

Nimmer endet dieses Sehnen,

Nimmer endet diese Pein.

PERCY.

Ach! ich fühl’ ein neues Leben,

Nein, sie hat mich nicht vergessen,

Und ihr Herz, das ich besessen,

Bleibet auch für immer mein.

ROCHEFORT.

Wahnsinn ist es zu ihr zu heben

Deine Hoffnung, ist eitles Streben,

Dich bewacht, ich seh’s mit Beben,

Jeder Blick zu meiner Pein.

KÖNIG.

Mein Vertrauen sey Dir gegeben,

Seine Schritte wirst Du erspähen,

Und kein Blick darf Dir entgehen,

Dann sollst Du mein Rächer seyn.

HERVEY.

Ja, ich schwör’s bei meinem Leben,

Ruhig dürft Ihr auf mich vertrauen.

Wird mein Herr auf mich jetzt bauen,

Soll er bald befriedigt seyn.

KÖNIG.

Da Ihr nun dem Vaterlande

Und dem Hof’ zurückgegeben,

Schließ’ ich fester noch die Bande,

Meine Gunst soll Euch erheben.

PERCY.

Eure Gnade zu erreichen

Laßt mich einem Bessern weichen,

Und kaum könnt’ ich –

KÖNIG.

Nein, nein, ich will es,

Stets um mich soll Percy seyn,

Laßt die Jagd uns nun vergnügen!

Anna! lebt wohl! –

ANNA.

O welche Pein! –

ALLE.

Dieser Tag, so schön begonnen,

Sey mit froher Lust gekrönt,

Haben Beute sie / wir gewonnen,

Fröhlich dann das Horn ertönt.

ANNA. PERCY.

Dieser Tag, so schön begonnen,

Schimmert ernst auf meine Bahn.

KÖNIG.

Meine Beute ist gewonnen,

Keine Macht sie retten kann.

Achte Scene.

Kabinet im Schlosse.

SMETON allein.

Ja, einsam bin ich – in anderen Gemächern

Wohl die Damen verweilen; und sollt’ auch Eine

Mich hier bemerken, weiß sie ja doch,

Daß ich durfte diese inneren Gemächer mit meiner Harfe

Nach der Königin Willen oft wohl betreten. –

Was ich im Stillen raubte, dies Bild der Geliebten,

Leg’ ich zurück, eh’ man entdecket meiner Kühnheit Frevel,

Nur einmal noch will ich küssen diese himmlischen Züge.

Leb’ wohl nun, du Heißgeliebte, die meines Herzens Schläge

Hier in dem Bildniß mir zurückgegeben. Lebe wohl!

Hör’ ich nicht geh’n? – es naht sich hier

Jemand dem Gemache – fort ohne Weilen.

Neunte Scene.

Anna. Rochefort.

ANNA.

Schweige, ich will nicht hören

Die gefährliche Bitte.

ROCHEFORT.

O laß ihn kommen

Den Tiefbetrübten, nicht darfst Du fürchten,

Daß ihn Gefahr hier bedrohet; doch fürcht’ ich wohl für Percy,

Wenn Deine kalte Strenge, des Herzens Qualen

Die Sinne ihm verwirren.

ANNA.

Weh’ mir, ach warum mußt’ ich ihn wiederseh’n! –

Wohlan! er komme! Du wache über uns,

Daß Niemand sich hier nahe,

Der mir nicht treu ergebenö.

ROCHEFORT.

Beruhige Dich!

Ab.

Zehnte Scene.

Anna. Smeton.

SMETON.

Nicht kann ich fliehen!

ANNA.

Warum gewährt’ ich, ich sollte nimmer ihn seh’n,

Ihn streng’ vermeiden; ach, konnte ich

Ihn durch Strenge kränken,

Der noch lebet in diesem Herzen?

Elfte Scene.

Percy. Anna.

ANNA.

Er ist es! – Ich bebe! ich zitt’re!

PERCY.

Anna!

ANNA.

Ach, Richard!

Nicht lange darfst Du weilen,

Vorsicht und Stille! Vielleicht muß ich bereuen

Meine gebrochene Treue. Ich büße,

Du siehst es, ja ich büße mit Strenge.

Meinem Stolze ward Englands Krone,

Und doch mit Dornen umwunden.

PERCY.

Ja, ich seh’ Deinen Kummer; Dir ist vergeben,

Der eigne Schmerz entschwindet,

Denk’ ich des Deinen, nicht kann ich zürnen, ich vergesse,

In Deiner Nähe die frühern herben Leiden,

Ja, sie weichen Deinem Himmelsblicke,

Wie nach Wellen und Sturm die Hoffnung leuchtet,

Alles will ich vergessen. Aus Deinen Augen

Strahlt mir mein Stern entgegen.

ANNA.

Nimmermehr, nicht solche Worte! Was kannst Du hoffen?

Vergessen hast Du die Bande und meine Schwüre.

PERCY.

O sprich nicht aus, nicht denken

Will ich es mehr, ja nur Anna kenne ich,

Und Richard erkennst Du nimmer, der Dich geliebet,

Der lieben Dich gelehret, dem Du sein Alles,

Der Dich zurück begehret? Der König hasset Dich?

ANNA.

Er haßt mich; es ist wahr!

PERCY.

Wohl, ich geh’, doch wiedersehen,

Muß ich Dich, versprich es! schwöre!

ANNA.

Nein, nie mehr!

PERCY.

Nie mehr? So ende

Sich mein jammervoll Geschick!

ANNA.

Ach! halt’ ein! Du rasest!

Zwölfte Scene.

Vorige. Smeton.

SMETON.

Entsetzen!

ANNA.

Güt’ger Himmel!

PERCY.

Von mir zurück!

ANNA.

Hallet ein! o haltet! wir sind verloren!

Hört! man naht sich! Ach! ich vergehe!

Dreizehnte Scene.

Die Vorigen. Rochefort.

ROCHEFORT.

Theure Schwester!

SMETON.

Deine Sinne schwinden!

ROCHEFORT.

Der König naht!

SMETON.

O Gott!

Vierzehnte Scene.

Die Vorigen, der König und Hervey.

KÖNIG.

Was seh’ ich?

In der Königin Gemache

Muß ich bloße Schwerdter seh’n!

Schnell herbei!

Fünfzehnte Scene.

Vorige, Ritter, Damen, Pagen, Wachen, dann Johanna.

PERCY.

O bitt’res Schicksal!

CHOR.

Hier sind wir!

SMETON. ROCHEFORT.

Was wird geschehen?

KÖNIG.

Jeder schweigt, von Angst beklommen,

Doch vermuth’ ich, was geschehen,

Und der König mußte kommen,

Seine Schande hier zu sehen!

Alle seyd Ihr hier nun Zeugen

Von dem schnöden Hochverrath!

SMETON.

König! o König! ich muß schweigen,

Doch geschah nicht Frevelthat!

KÖNIG.

Wie, Du wagst es? In Deinen Jahren

Schon ein Meister schlauer Lügen?

SMETON.

Tödtet mich, doch, unerfahren,

Kann ich nimmer Euch betrügen!

KÖNIG.

Ha! was seh’ ich?

SMETON.

O Gott!

KÖNIG.

Dies Bildniß?

Kaum kann ich den Augen glauben,

Dieses Bild hat Dich gerichtet,

Und bezeuget Dein Vergeh’n.

PERCY.

Anna! Ihr Bildniß!

SMETON.

Ich bin vernichtet!

ANNA.

Ach, wo bin ich? Was ist geschehen?

Zum Opfer auserkohren

Hat mich des Schicksals Tücke,

Wohin ich immer blicke,

So les’ ich nur Verdacht;

Doch, was ich Dir geschworen,

Hab’ ich auch treu bewacht.

KÖNIG.

Nur falsch hast Du geschworen;

Hier stehst Du Deine Schande!

Zerrissen sind die Bande.

Folge des Schicksals Macht,

Denn bald bist Du verloren,

Bewährt sich mein Verdacht.

PERCY.

O, wär’ ich nie geboren!

Sie konnte mich betrügen?

Mit diesen Engelszügen!

Wie schwer bin ich erwacht!

Das Höchste ist verloren!

Bald ist mein Lauf vollbracht.

JOHANNA.

Weh’ mir, sie ist verloren!

Ich seh’s in seinen Blicken.

Nicht kann ich unterdrücken

Die Angst, die hier erwacht. –

O wär’ ich nie geboren!

Wird so mir Thron und Macht?

SMETON. ROCHEFORT.

Weh’ mir, sie ist verloren!

Kaum kann ich es ertragen!

Vergebens sind die Klagen!

Zu schwer ist der Verdacht!

O wär’ ich nie geboren!

Mich trifft des Schicksals Macht.

KÖNIG.

Schnell in den Kerker führet sie

Alle, zu dieser Stunde!

ANNA.

Alle? – Mein König! –

KÖNIG.

Fort von hier!

ANNA.

Ach! nur ein Wort!

KÖNIG.

Von hinnen!

Nicht ich, des Landes Richter nur,

Sie sollen Recht Dir sprechen.

ANNA.

Richter, für Anna?

Für Anna den Kerker?

PERCY. SMETON. ROCHEFORT.

Für Anna?

ANNA.

Ach, mein Tod ist schon beschlossen,

Wenn mich der zu richten waget,

Der mich selber angeklaget,

Der Gewalt erliege ich!

Aber wenn mein Blut geflossen,

Rächet einst das Schicksal mich!

KÖNIG.

Ja, Dein Tod ist schon beschlossen,

Denn man müßte mich verhöhnen,

Sollte ich Dich schuldlos wähnen,

Der Verdacht verdammet Dich.

Hat das Recht Dein Blut vergossen,

Dauert dennoch Anna mich.

PERCY. JOHANNA. SMETON. ROCHEFORT.

Ja, ihr Schicksal ist beschlossen,

Rimmer kann sie ihm entgehen,

Keine Rettung mehr erspähen.

Strenge rächt der König sich.

Doch wird Annens Blut vergossen,

Rächt es einst sich fürchterlich.

CHOR.

Ja, das Schicksal hat’s beschlossen,

Und gehorsam seinem Willen

Alle Schrecken sich enthüllen,

Jeder Hoffnungsstrahl entwich.

Wird der Unschuld Blut vergossen,

Rächt es einst sich fürchterlich.

Zweiter Aufzug.

Vorgemach.

Erste Scene.

Wachen. Damen.

CHOR DER DAMEN.

Schnell nun entschwand der Königin

Der Glanz, der sie umgeben,

Und Kummer nur ist ihr Gewinn,

Gefahren sie umschweben.

Ja selbst Johanna bleibet fern,

Die sie so sehr geliebt,

Doch leuchtet auch ihr böser Stern,

Fühlt sie des Schicksals Walten.

Wir wollen mit ergeb’nem Sinn

Fest uns’re Treue halten.

Nicht fliehen wir die Königin,

Wenn sich ihr Stern auch trübt.

Zweite Scene.

Anna und die Vorigen. Hernach Hervey mit Wache.

ANNA.

Ihr, meine Lieben,

Seyd mir getreu geblieben.

An Eurem Herzen sind’ ich Ruhe,

Noch leuchtet mir die Hoffnung,

Doch sterb’ ich gern, denn diese Erde,

Sie bietet mir nur Schmerz und Kummer

Nach eitlen Träumen.

Wer naht sich? Hervey!

HERVEY.

Königin! hart ist der bitt’re Auftrag

Vom hohen Rathe, den Pflicht mir gebietet.

ANNA.

Wohlan, vollende!

HERVEY.

Die Damen Deines Hofes.

Sie sollen zeugen.

DIE DAMEN.

Hoffe!

ANNA.

In seinem Wahn beharr’t der König noch?

Wie kann er glauben, was mit Abscheu mich erfüllt?

HERVEY.

Was kann ich sagen?

ANNA.

Mit offener Stirne

Den Richtern, die Gewalt mir gesetzt,

Kann ich mich zeigen; daß schuldlos Eure Herrin,

Mag Euer Mund bekennen. Ihr kennet Anna!

DIE DAMEN.

O bitt’re Stunde!

ANNA.

Gehorchet!

Hervey und die Damen ab.

Dritte Scene.

Anna. Dann Johanna.

ANNA.

Himmel! dir ergeb’ ich mich gerne,

Ich fleh’ zu dir, beschließe!

Verdien’ ich diese Schande, richte mich mild!

Du kennst dieses Herz, o Himmel!

JOHANNA.

Anna in Thränen? Kaum wag’ ich mich

In ihre Nähe!

ANNA.

Schwer rächet

Die Qualen seiner früheren Gattin

An mir nun ein ernst Geschicke!

Doch kann ich kaum ertragen

Die Schmach, die mir bestimmt

Des Schicksals Walten!

JOHANNA.

Ach, meine Königin!

ANNA.

Seymour! Du kehrest wieder an dieses Herz zurück?

So blaß, in Thränen? Du scheinst verwirrt?

Bebest? – Aus Deinem Munde

Hör’ ich wohl neue Schrecken?

JOHANNA.

Der Kummer, Entsetzen,

Treibt mich zu Deinen Füßen, o hör’ mein Flehen;

Fürchte des Königs Ausspruch, nimmer wird er Dich schonen.

Mit stillem Beben, wird das Gericht,

Gehorchend seinem Willen,

Diese Schmach nun erfüllen;

Und selbst Dein Leben kann sein Haß Dir nun rauben.

O fliehe! entflieh’ aus diesem Lande!

ANNA.

Erkläre, fasse Dich!

JOHANNA.

Es sagen? ich zitt’re!

Doch mußt Du’s hören. Wirst schuldig Du erklärt,

Bist Du verloren; man raubt Dir Thron und Leben!

ANNA.

Was sagest Du?

JOHANNA.

Das Schicksal,

Das Dich verfolget, hemmet Dir jeden Ausweg,

Wenn Du nicht fliehest.

ANNA.

Du kannst mir solches rathen?

Du kennst mich nicht!

JOHANNA.

Ach! glaube mir!

ANNA.

Du willst,

Daß ich mit Schmach mich bedecke, und Du, Seymour,

Du kannst mir dieses rathen?

JOHANNA.

Nur Schmach und Schande

Dich hier erwartet. O Königin, erfülle meine Bitte!

Es ist des Königs Wunsch, es ist die Bitte

Der Unglücksel’gen, die des Königs Liebe

Will auf den Thron erheben.

ANNA.

Sprich, wer ist sie?

Ja, Du weißt es! o rede! sie könnt’ es wagen,

Zu rathen ihrer Königin – Entehrung,

Die ich mir selbst soll geben? – rede – wer ist sie?

JOHANNA.

Unglücklich ist sie!

ANNA.

Was ich durch sie geworden!

Mag des Vorwurfs Schlangenbissen

Sie im Thronesglanz erliegen!

JOHANNA.

Ach! Du weißt nicht –

ANNA.

Von Schmerz zerrissen

Soll sie nimmer den Gram besiegen.

JOHANNA.

Ach, verzeihe!

ANNA.

Auf dem Throne

Werde ihr die Dornenkrone!

Wenn vor Liebe wonnetrunken

Er in ihren Arm gesunken,

Werde Marter ihrem Glücke,

Mein Gespenst mit starrem Blicke!

Und das Beil, das mich erschlagen,

Schwing’ ich in der kalten Hand.

JOHANNA.

Ach! welche Bilder! ich sterbe! – Entsetzen! –

Mein Geschick – hast Du – genannt!

ANNA.

Du?! was hör’ ich?!

JOHANNA.

Sieh’ mich hier zu Deinen Füßen!

ANNA.

Wie? Verworf’ne!

JOHANNA.

Bitt’res Wehe

Füllt den Busen – und mein Gewissen!

ANNA.

Fliehe! –

JOHANNA.

Ach, hab’ Erbarmen! –

Gieb ein tröstend Wort mir Armen!

Seinen Worten, seinem Flehen

Konnt’ ich nimmer widerstehen!

Daß ich liebe, ist meine Schande,

Und Verbrechen sind die Bande,

Dennoch fühl’ ich, die schuld’ge Liebe

Will nicht weichen aus der Brust!

ANNA.

Schweige! – Nur seine Triebe

Sie entflammten Deine Brust.

Deiner Reue will ich vergeben;

Nimmer wirst Du ihm entgehen,

Auf den Thron wird er Dich heben,

Und Du wirst beglückt Dich sehen;

Doch bald endet sein Entzücken,

Und Dir bleibet Schmerz und Pein,

Nur die Todtenblume pflücken

Wirst Du dann – und Anna seyn!

JOHANNA.

Hat Dein Herz mir auch vergeben,

Kann ich nicht dem Gram entgehen,

Nicht der Thron kann mich erheben,

Muß ich Dich verstoßen sehen.

Nie entschwinden meinen Blicken

Deine Qualen, Deine Pein.

Nie wird Liebe mich beglücken,

Immer werd’ ich elend seyn.

Ab.

Vierte Scene.

Hofleute, später Hervey.

HOFLEUTE 1.

O sagt, wer vor den Richtern jetzt

Von den Beklagten stehet?

HOFLEUTE 2.

Smeton!

HOFLEUTE 1.

Vielleicht der Jüngling wohl

Die Wahrheit eingestehet.

HOFLEUTE 2.

Geschlossen sind die Pforten noch,

Ernst ist der Augenblick.

ALLE.

Wache, o Himmel, über ihn!

Jung noch, und unerfahren,

Wie leicht giebt er sich den Schlingen hin,

Schweben um ihn Gefahren.

Mag er vergessen nimmer doch

Der Königin Geschick!

ALLE.

Stille! merkt auf!

HERVEY.

Die Königin

Und Percy vor Gericht!

CHOR.

Und Smeton?

HERVEY.

Hat angeklagt!

CHOR.

Der Schändliche!

Hat gegen sie gesprochen?

HERVEY.

Was er den Richtern eingestand,

Hat sie mit Schmach bedeckt.

CHOR.

Des Königs Haß bestrafet nun,

Was der Verrath entdeckt.

Fünfte Scene.

Der König, die Vorigen.

HERVEY.

Entfernt Euch! – Seht den König! –

Was hat, o König,

Dein Zorn beschlossen?

KÖNIG.

Was meine List geleitet,

Ist schon erfüllet, der erste Streich gelungen:

Wer ihn geführt – frohlocket!

HERVEY.

Schnell fiel der Page

In unsre Schlinge!

KÖNIG.

Im Kerker mag er erwarten

Der blinde Knabe die Frucht des falschen Wahnes,

Bis wird die Stunde schlagen,

Die meine Rache krönet, und sie zu retten

Mag er noch glauben. – Doch, sie erscheinet.

HERVEY.

Mit Anna, von der Wache gefolgt.

Auch Percy naht. –

KÖNIG.

Von hinnen!

Sechste Scene.

Anna und Percy von Wachen umgeben. Vorige.

ANNA.

Verweile, o König! –

Verweile, und höre!

KÖNIG.

Das ziemt den Richtern!

ANNA.

Sieh’ mich zu Deinen Füßen! tödte mich durch

Deine Hand!

Wohl magst Du mich entheben der Schande des Gerichts,

Des Königs Name in mir geachtet werde!

KÖNIG.

Hast Du geachtet auch wohl die Königin?

Von meiner Seite stiegst Du zu diesem nieder.

PERCY.

So sehr verachtet hast Du Percy wohl nicht,

Als Du erschienst, kühn ihm zu rauben,

Die mir auf ewig theuer!

KÖNIG.

Verweg’ner! Du wagst es?

PERCY.

Der Wahrheit Sprache mußt Du hören!

Bald werd’ ich nun erscheinen vor jenem Richter,

Dem die Deinen weichen, der mich richtet

Nach meinem Herzen. Bei Jenem schwör’ ich,

Ich schwöre es! Anna, rein ist sie geblieben!

Ja, tief empört, hat sie mir streng verwiesen

Des Herzens Wünsche, ich schwör’ es!

KÖNIG.

Werth fand sie ihrer Liebe einen niedern Pagen.

Er hat’s gestanden, und viele der Damen

Ihres Hofes.

ANNA.

Ende! die frevelhafte Klage

Erhebet meine Würde, denn selber hast Du

Den Pagen wohl verführt, mich anzuklagen.

Ja, von Dir nur kommt der Frevel.

KÖNIG.

Du kannst es wagen, Verweg’ne!

ANNA.

Du schändest

Dich allein und Deine Macht. Tödten

Kannst Du die Gattin, doch nicht verhöhnen,

Und meine Schande ist nur, daß ich entsagte

Dem Herzen Percy’s, das mich zärtlich geliebt.

Und daß ich glaubte, das Glück bei Dir zu finden,

Der mir nur Schmach jetzt beut.

PERCY.

O welche Wonne!

Nein! nie hat solcher Frevel

In diesem Herzen wohl Raum gefunden.

Ich kenne Anna! und freudig

Mit diesem Glauben geh’ ich dem Tod’ entgegen!

Doch Du wirst leben, ja, Du wirst leben!

KÖNIG.

Was hör’ ich?

Bald sollt Ihr Beide sterben!

Was könnte Euch noch retten?

PERCY.

Das Recht allein!

ANNA.

Gerechtigkeit

Trägt hier Tyrannenketten.

KÖNIG.

Wohl müßte sie hier schweigen,

Schüchtern vor Dir sich neigen,

Als Aragoniens Tochter

Du von dem Thron verdrängt?

Doch laut soll sie nun sprechen!

PERCY.

Magst Du sie hören, wenn sie ihr Loos verhängt!

Soll der Verrath bestrafet seyn,

Magst Du den Tod mir geben;

Doch sey das Opfer ich allein,

Schone nur Annens Leben! –

Wir sind vermählt!

KÖNIG.

Was hör’ ich?

ANNA.

Was sagst Du?!

KÖNIG.

Du wagst es?

PERCY.

Das Band hast Du gebrochen,

Ich ford’re sie zurück!

KÖNIG.

Ist’s wahr, was er gesprochen?

ANNA.

Percy!

PERCY.

Kannst Du’s leugnen?

ANNA.

Mißgeschick!

PERCY.

Denke der ersten Jugendzeit,

Die stets mein Trost geblieben,

Selbst als Du mir die Treue brachst –

Mußt’ ich Dich dennoch lieben.

Der, dem Du Dich ergeben,

Raubt Dir nun Ehr’ und Leben,

An diesem treuen Herzen

Suche Dein früheres Glück!

ANNA.

Ach! wie beschämt Dein Edelmuth!

Treu bist Du mir geblieben! –

Verworfen hab’ ich, Verbrecherin,

Den stets ich mußte lieben.

Getrennt von Dir, mein Leben,

Hat mir der Thron gegeben

Neue und bitt’re Schmerzen –

Für meiner Liebe Glück!

KÖNIG.

Schwer sey die Strafe, und strenger noch

Will ich die Rache nun üben –

Vergebens wagt Ihr zu täuschen mich,

Frevel habt Ihr getrieben.

Bald sollet Ihr erbeben,

Und Eure falschen Herzen

Vereint ein ernst Geschick.

Wohlan! man führe sogleich

Vor Gericht die Königin!

Bald werd’ auf den Thron ich heben,

Die nur würdig allein ihn zu zieren.

Kron’ und Leben mag die Falsche verlieren,

Die nur Schande und Hohn mir gebracht.

ANNA. PERCY.

Wohl kannst Du den Tod uns geben,

Magst Du Dich mit Schmach bedecken,

Kron’ und Leben mit Schande beflecken –

Doch auf Dich fällt der schnöde Verdacht.

Siebente Scene.

Die Vorigen, Hervey.

HERVEY.

Für Euch mit froher Kunde

Hier ich erscheine; schenken will Euch das Leben

Des Königs Huld!

PERCY.

Leben? für uns Beide? und Anna?

HERVEY.

Die Strafe des Verbrechens

Wird sie erleiden.

PERCY.

Und mir will er vergeben,

Und sie bestrafen, die schuldlos? der Frauen Zierde

Will er morden! – Schnell magst Du künden dem König,

Daß ich verwerfe die mir geschenkte Gnade!

HERVEY.

Was hör’ ich! – Und Rochefort?

ROCHEFORT.

Folgt seinen Lieben zum Tode!

PERCY.

Höre doch des Freundes Bitte!

Willst Du ihre Leiden mehren?

Lebend scheide aus uns’rer Mitte,

Und erfülle, was wir begehren!

Denke trauernd an Deine Lieben,

Die im Tode sich vereint,

Daß doch Jemand hier geblieben,

Der an unserm Grabe weint!

ROCHEFORT.

Theurer Freund! laß mich Dir folgen!

Dich entbehren kann ich nimmer.

HERVEY.

Eure Antwort?

PERCY. ROCHEFORT.

Entweiche! – Wir sterben!

HERVEY.

Ihr müßt scheiden!

ROCHEFORT.

Leb’ wohl dann – auf immer!

PERCY.

Les’ ich Muth in Deinen Blicken,

Kann gefaßt ich von Dir scheiden,

Denn ich litt nur Deine Leiden,

Bebte nur für Dich allein!

Ja, der Tod wird uns beglücken,

Denn er endet alle Qualen;

In des Morgenrothes Strahlen

Grüßet uns ein bess’res Seyn!

Alle ab.

Achte Scene.

Anna’s Damen.

CHOR.

Wer sie erblicket in ihren Leiden,

So fest und ruhig, so still, bescheiden;

Der steht verbluten ihr edles Herz.

Ein steinern Bildniß nur glaubt man zu sehen,

Dem Marmorthränen im Auge stehen.

Verwirrt lächelt sie mit blassem Munde,

Bebend erwartet sie die Schreckensstunde;

Wenn der Gedanke sich zum Bild’ gestaltet,

Spricht die Verzweiflung aus ihrem Schmerz.

Neunte Scene.

Anna, Vorige.

ANNA.

Ich seh’ Euch weinen? woher die Thränen am Hochzeitstage,

Bei Hochzeitfreuden? Der König harret, geschmücket

Steht er schon am Altar. Schnell, meine Lieben,

Bringt die bräutlichen Kleider! Die Stirne schmücket

Mit der Krone von Rosen –

Daß Percy nichts erfahre! so will’s der König.

CHOR.

Welch’ bitt’re Erinnerung!

ANNA.

Wer sprach von Percy?

Percy kommt nicht zurück; sollt’ er erscheinen,

Müßt’ ich fliehen seine Blicke, vergebens hier ist er!

Wie er zürnend auf mich blickt! – Ach, verzeihe!

Sieh mich elend geworden! rette mich aus schweren,

Aus eisernen Banden! – Ja, Du lächelst? O Wonne!

Nicht einsam wird Deine Anna nun sterben!

Laß mich an Deiner Hand

Dort wieder leben,

Wo mich im Heimathland

Träume umschweben

Von meiner Jugend

Seligem Glück.

Dort wird die Gegenwart

Leise entschwinden,

Dort Ruh’ und Lebensglück

Sich wieder finden,

Ach hör’ mein Flehen,

Führ’ mich zurück.

Zehnte Scene.

Vorige. Wachen. Hofleute. Herren.

ANNA.

Welch dumpfer Ton! – Was seh’ ich?

Hervey und Wachen!

HERVEY.

Oeffnet! und führet die Gefang’nen

Nun fort zu ihrer Strafe!

ANNA.

Ach! in welcher Stunde

Schwindet der Wahnsinn! ganz soll ich ihn fühlen

Den Augenblick des Schreckens!

Letzte Scene.

Vorige. Rochefort, Percy, zuletzt Smeton

PERCY. ROCHEFORT.

Anna! –

ANNA.

Mein Bruder!

Und Percy Du! – Für mich müßt Ihr nun sterben!

SMETON.

Allein nur durch meine Thorheit! – Mich nur verdammet!

ANNA.

Smeton!

PERCY.

Verworf’ner!

SMETON.

Ach! wohl verworfen! ich sterbe

Mit Verbrechen beladen! im Wahne fiel ich,

Verführt vom König, in diese Schlinge, und glaubte

Euch zu erretten, da Lüge ich gesprochen;

Doch zu spät nun erkenn’ ich dies Truggewebe!

Da ich nur glaubte, die Hoffnung meines Herzens

Trifft der Fluch mich am Grabe.

ANNA.

Smeton – Du bist es? –

Knieend – verweilst Du? Wo hast Du Deine Harfe?

Wer riß Dir Deine Saite?

ROCHEFORT.

Anna! –

PERCY.

Was sagst Du!

CHOR.

Ihr Wahnsinn kehrt zurück.

ANNA.

O hört dies Tönen in meinem Herzen,

Dies ängstlich leise Stöhnen in Todesschmerzen!

Der letzten Stunde Beben erhebt zum bess’ren Leben

Mich bald empor! O hört dies Tönen –

ROCHEFORT. PERCY. SMETON.

O bitt’rer Schmerz!

CHOR.

Die Arme!

ANNA.

Bald schwingt die bange Seele sich

Hinauf in’s bess’re Leben,

Die Hoffnung steht am Grabesrand,

Strahlend im Himmelsglanz.

CHOR.

O mag, vom Wahn befangen,

Sie sanft hinüber schweben!

Ein Himmelsbote winde ihr

Den letzten Blumenkranz!

ANNA.

Wer erweckt mich? – wo bin ich, Percy? – sagt, was hör’ ich? –

Festesklänge hör’ ich schallen, was deuten diese Töne?

CHOR.

Von dem Jubel des Volkes umgeben

Wird gekrönt –

ANNA.

Ach schweiget! verstummt!

Nur mein Blut muß vergossen noch werden, –

Und erreicht hat der Frevel sein Ziel!

CHOR.

Wenn die Hoffnung verschwindet auf Erden,

Lohnt dem Dulder das himmlische Ziel!

Auf ihn vertraue!

ANNA.

Wahn entschwinde, der Himmel versöhnet. –

Ihn nur seh’ ich, in dieser Schreckensstunde!

Ward mein Schmerz auch auf Erden verhöhnet,

Deckt das Grab doch die blutende Wunde,

Und der Lohn wird dort oben mir werden,

Bald erreich’ ich das strahlende Ziel!

CHOR.

Unglücksel’ge! sie sinkt, sie stirbt!

ROCHEFORT. SMETON. PERCY.

Schon erreicht hat ein Opfer das Ziel!