Charles Baudelaire

Die Blumen des Bösen (Auswahl)

(Les Fleurs du Mal)

Spleen und Ideal

Der Albatros.

Oft fängt die Mannschaft auf den Schiffen zum Vergnügen

Sich Albatrosse ein, Seevögel kühnbeschwingt,

Die still und ruhevoll auf ihren weite Zügen

Dem Fahrzeug folgen, wie es durch die Salzflut dringt.

Sobald auf das Verdeck sie die Gefangnen bringen,

So hängen voller Scham, verstört und ungeschickt,

Die Kön’ge des Azurs die mächtgen, weißen Schwingen

Wie Ruder rechts und links, hinschleifend und geknickt.

Der Wandrer, leicht beschwingt, daß er die Luft durchschweife,

Wie häßlich ist er nun, wie plump, verhöhnt und schwach.

Der eine kitzelt ihm den Schnabel mit der Pfeife,

Der andre macht im Spott sein lahmes Wanken nach.

Der Dichter ist der Fürst der stolzen Wolkenthrone,

Der Bogenschützen trotzt und lacht des Seesturms Wehn;

Doch hindern auf dem Land, umringt von lautem Hohne,

Die Riesenflügel den Gewaltigen am Gehn.

Erhebung.

Hoch über den Bergen, hoch über den Meeren,

Den Wäldern, den Talen, den Wolken, der Flur,

Der flammenden Sonne, dem weiten Azur,

Hoch über den Reichen der sternigen Sphären,

Beschwingst du, mein Geist, dich, und tief in der Brust,

Wie ein Schwimmer, den schwellend die Wogen umgleiten,

Fühl froh ich, durchfurchend unendliche Weiten,

Eine unaussprechliche, männliche Lust,

Entfliehe fern in die reineren Düfte,

Befreit von dem Dunst, der betäubend und krank,

Und schlürfe als hellen und göttlichen Trank

Das klare Feuer der ewigen Lüfte.

Weit hinter des Grams und des Trübsinns Gebiet,

Die das irdische Leben in Nebel verschlingen –

Glückselig der, der mit kräftigen Schwingen

Zu strahlenden, heitren Gefilden entflieht,

Dessen Geist, wann die Lichter des Morgens erglühten,

Wie die Lerche aufsteigend den Himmel durchschweift,

Der das Sein überfliegend mühlos begreift

Die Sprache der stummen Welt und der Blüten.

Zusammenhänge.

Lebendgem Tempel gleicht das Wesen der Natur,

Aus seinen Säulenreihn tönt tief geheimes Flüstern,

Durch Wälder geht der Mensch, wo Zeichen ihn umdüstern,

Die stillvertrauten Blicks verfolgen seine Spur.

Geheim verschmelzend wie das Echo fernster Klüfte,

In großer Einheit und voll dunkeltiefer Macht,

Weit wie des Äthers Glanz und die gewaltge Nacht,

Antworten Töne rings und Farben sich und Düfte.

Gerüche sind, wie Duft, der über Kindern ruht,

Grün wie die Wiesen, sanft wie der Hoboen Klingen,

Und andre, die verderbt, reich und voll stolzer Glut,

Still atmend in der Kraft von unbegrenzten Dingen,

Wie Ambra, Benzoe und fremden Weihrauchs Flut,

Stolz tönend den Triumph von unsrem Geist und Blut.

Die Leuchttürme.

Rubens, Gefild der Rast, Strom der Vergessenheiten,

Ein Ruhbett blühnden Fleischs und doch von Liebe leer,

Darin das Leben wogt in ruhelosen Weiten,

Wie im Azur die Luft und wie das Meer im Meer.

Da Vinci, Spiegel, draus sich tiefe Träume heben,

Wo selger Engelschar stillfrohes Lächeln glänzt,

Die in geheimem Duft das Schattenland durchschweben,

Das sich mit Gletschern und mit schlanken Pinien kränzt.

Rembrandt, ein Armenhaus, von Murmeln bang verdüstert,

Wo aller Schmuck der Wand ein Kruzifix allein,

Wo weinendes Gebet aus Schmutz und Lumpen flüstert,

Die kalt und hart durchstrahlt ein winterlicher Schein.

Buonarotti, Nacht, wo in des Dunkels Schweigen

Sich Herakles’ Gestalt mit Christusbildern mengt,

Wo Riesenwesen starr der Dämmerung entsteigen

Und die gestreckte Hand das Leichentuch zersprengt.

Der Faunen freche Glut, des Faustkampfs zornig Toben,

Du, dem aus schmutzgem Troß die Schönheit sich gebar,

Hinfällger, gelber Mann, das Herz von Stolz gehoben,

Puget, gramvoller Fürst im Reich der Sträflingsschar.

Watteau, ein Karneval, wo manche edle Herzen

Wie Schmetterlinge irrn in wechselvollem Glanz,

Gewande, leicht und bunt, erhellt von tausend Kerzen,

Die die Verzückung sprühn dem tollen Wirbeltanz.

Goya, ein schwerer Traum, wo Finsternisse zürnen,

Geburten, die man kocht in zaubertrunkner Wut,

Im Spiegel alte Fraun und junge, nackte Dirnen,

Die Strümpfe glättend, schön für der Dämonen Glut.

Ein Blutsee, Delacroix, mit bösen Engelscharen,

Beschattet durch ein Holz von Fichten, ewig grün,

Wo in vergrämter Luft fremd tönende Fanfaren

Gleich einem Seufzerhauch von Weber fern verglühn.

Dies Lästern, dieser Fluch, dies Weh von Klagesängen,

Dies Heulen, dies Tedeum, dieser wilde Schmerz,

Sie sind ein Widerhall aus tausend irren Gängen,

Ein göttlich Opium für unser sterblich Herz.

Es ist ein Ruf, den man durch tausend Wachen kündet,

Es ist ein Losungswort, das tausendfach erschallt,

Es ist ein Leuchtturm, der auf tausend Festen zündet,

Ein Schrei von Jägern ists, verirrt im großen Wald.

Denn klarer kann sich, Herr, kein Zeugnis offenbaren,

Das unsrem innern Wert je eine Stimme leiht,

Als dieser glühnde Schrei, der rollt von Jahr zu Jahren

Und sterbend untergeht am Rand der Ewigkeit.

Die kranke Muse.

Was, arme Muse, hast du diesen Morgen? sprich!

Noch bebt dein hohler Blick vom Traum, der dich bedrängte,

Abwechselnd breiten bleich auf deinem Antlitz sich

Wahnsinn und Schreck, der stumm und eisig dich beengte.

War es ein grüner Elf, ein rot Gespenst, das dich

Mit Liebe oder Furcht aus seiner Urne tränkte?

War es ein schwerer Traum, der herb und fürchterlich

In einem zaubrischen Minturnä dich versenkte?

Ich wollte, es enthaucht’ den Duft gesunder Kraft

Dein Busen, der stets neu Gedanken formt und schafft,

Es flöss dein christlich Blut in Rhythmen auf und nieder.

Wie mannigfaltiges Getön antiker Lieder,

Da, wo mit Phöbus, dem die Sangkunst untertan,

Vereint, der Ernte Herr regiert, der große Pan.

Der schlechte Mönch.

In alten Klöstern sah auf den gewaltgen Mauern

Die Wahrheit man gemalt in heilgem Strahlenkleid,

Das Herz erwärmte sie den büßenden Beschauern

Und milderte den Frost der strengen Frömmigkeit.

Als damals Christi Saat gesproßt aus Segensschauern,

Nahm mancher Mönch, des Ruhm verlöscht ist durch die Zeit,

Zu seiner Werkstatt sich des Grabfelds ernstes Trauern

Und feierte den Tod mit schlichter Einfachheit.

Mein Herz ist eine Gruft. Ein schlechter Mönch durcheile

Seit Ewigkeiten ich den Raum, wo trüb ich weile,

Kein Bild verschönt mir des verhaßten Klosters Wand.

O tatenloser Mönch! Wann wird es mir gelingen,

Dem schmerzensreichen Spiel des Lebens abzuringen

Der Augen Labsal und die Arbeit meiner Hand!

Der Feind.

All meine Jugend war ein Sturm von Wetterschlägen,

Nur hier und dort durchflammt von hellem Sonnenlicht;

So viel vernichteten der Donner und der Regen,

Daß wenig Früchte man in meinem Garten bricht.

Nun, da der Herbst mir schon berührt der Seele Schauen,

Da Hark und Schaufel ich zu schwerer Arbeit hub,

Muß überschwemmt Gefild ich mühsam neu bebauen,

Wo Löcher grabestief der Sturz des Wassers grub.

Und wer mag sagen, ob den Blumen, die ich träume,

In diesem Boden, der zerspült wie wüste Räume,

Geheimer Saft auch wird, der ihre Kräfte nährt?

O Schmerz! O Schmerz! Die Zeit verschlingt all unser Leben,

Dem dunklen Feinde, der uns stumm am Herzen zehrt,

Muß unser eignes Blut stets neue Stärke geben!

Unstern.

Wer solche Last zu heben sinnt,

Braucht, Sisyphus, deine Stärke

Und hat er Herz auch zum Werke –

Die Kunst ist lang, die Zeit entrinnt.

Fern von prangenden Sarkophagen

Zieht zu einsamem Gräberreich

Mein Herz, verhülltem Trommler gleich,

Den letzten Grabmarsch zu schlagen.

Manch Kleinod schläft im Grund versteckt,

Wo niemals es ein Karst entdeckt,

Wo Nacht und Vergessen sich breiten;

Manch eine Blume füllt die Luft

Umsonst mit süßgeheimem Duft

In der Tiefe der Einsamkeiten.

Vorleben.

Ich wohnte lange Zeit in weiten Säulengängen,

Um die vielfältger Glanz von Meeressonnen weht.

Mit hohen Pfeilern, stolz und voll von Majestät,

Sahn sie am Abend gleich basaltnen Grottenhängen.

Die Woge, drin das Bild der Himmel kommt und geht,

Verwob geheimnisreich in feierlichen Sängen

Den mächtigen Akkord von ihren reinen Klängen

In Abendgluten, die mein spiegelnd Aug erspäht.

Dort habe ich gelebt in stiller Wollust Lächeln,

In Wellen, in Azur, in flüssgen Glanz versenkt,

Mit nackten Sklaven, die von Wohlgeruch getränkt

Die Stirne mir gekühlt mit ihrer Palmen Fächeln,

Und deren einzig Tun sie nur vertiefen hieß

Mein weh Geheimnis, das mein Herz verschmachten ließ.

Der Mensch und das Meer.

Auf immer, freier Mensch, wirst lieben du das Meer,

Dein Spiegel ist das Meer. Du schaust der Seele Bildnis

Im weiten Wellenspiel der ungeheuren Wildnis,

Gleich ihm ist deine Brust von Bitternissen schwer.

Gern schaust dein Bild du, das die Wellen dir enthüllen,

Mit Auge und mit Arm faßt du es, und dein Herz

Vergißt wie trunken oft den eignen lauten Schmerz

Bei dieses Klagesangs unzähmbar wildem Brüllen.

Schweigsam und dunkel seid ihr beide allezeit:

Mensch, noch drang keiner je in deine tiefsten Gründe,

Meer, noch fand keiner je den Reichtum deiner Schlünde,

So bergt ihr euren Hort in finstrer Heimlichkeit.

Jahrtausende hindurch rollt euer nimmermüder

Und mitleidsloser Kampf bar jeder Reue fort.

So sehr liebt beide ihr die Schlachten und den Mord,

O ewges Kämpferpaar, o nie versöhnte Brüder!

Don Juan in der Hölle.

Als Don Juan genaht den unterirdschen Fluten,

Und als er den Obol an Charon gab, ergriff

Stolz wie Anthistenes, im Auge finstre Gluten,

Ein Bettler starken Arms die Ruder in dem Schiff.

In Fetzen das Gewand, die schlaffen Brüste hängend,

Wand sich der Frauen Schar in schwarzer Himmel Pein,

Schlachtopfern gleich, gequält, zuhauf sich angstvoll drängend,

Und wild umheulte ihn ihr langgezognes Schrein.

Voll Spott rief Sganarelle nach dem verheißnen Lohne,

Don Luis wies im Kreis der Toten längs dem Strand

Mit greiser Zitterhand nach dem verruchten Sohne,

Der sein ergrautes Haar zu höhnen sich verwand.

Keusch bebt’ in tiefem Gram die magere Elvire

Und schien vom treulosen Gemahl, den sie geliebt,

Ein Lächeln zu erflehn, süß wie die ersten Schwüre,

Die bang in zarter Glut die junge Liebe gibt.

Ein großer Mann von Stein, sein voll Gewaffen zeigend,

Stand an dem Steuer, das die schwarze Flut durchquert’;

Jedoch der stille Held, auf sein Rapier sich neigend,

Sah in den Strom und hielt nichts seines Blickes wert.

Die Schönheit.

Schön bin ich, Sterbliche, gleich einem Traum von Steine,

Und meine Brust, die nichts als Wunden euch gebracht,

Erfüllt des Dichters Sinn mit einer Liebe Macht,

Die stumm ist wie der Stoff und strahlt in starrer Reine.

Gleich einer Sphinx thron ich in blauer Lüfte Wehn,

Schnee ist mein Herz, mein Leib weiß wie des Schwans Gefieder,

Bewegung bleibe fern dem stillen Ruhn der Glieder:

Nie wirst du weinen mich und niemals lachen sehn.

Wißt, daß die Dichter vor den mächtigen Gebärden,

Die ich den Statuen leihe, stolz und schicksalsschwer,

Mich zu betrachten Herz und Sinn verzehren werden;

Mein sind, stets zu erhöhn der Liebenden Begehr,

Zwei Spiegel, drin verschönt sich alle Dinge malen:

Die Augen, groß und weit, die ewge Klarheit strahlen.

Das Ideal.

Nie wird die Zierlichkeit der Schönen aus Vignetten,

Verdorbne Kinder, die ein krank Jahrhundert trug,

Die Füße, die verschnürt, die Hand mit Kastagnetten

Befriedigen ein Herz wie meins mit ihrem Lug.

Gavarni, der Poet der Blässe, feire seine

Gezierten, flüsternden Geschöpfe vom Spital,

Doch ist in dieser Schar von bleichen Rosen keine,

Die je erreichen mag mein rotes Ideal.

Was meinem Herzen ich, dem abgrundtiefen, wähle,

Bist Lady Macbeth du, im Mord gewaltge Seele,

Ein Traum des Aeschylos, entsprossen frostgem Grund;

Du, Michelangelos erhabne Nacht, die schweigend

Seltsam gewendet liegt, in herber Ruhe zeigend

Die Reize, die geformt für der Titanen Mund.

Die Riesin.

Zur Zeit, als die Natur, von wilder Kraft durchdrungen,

Gewaltge Kinder trug, hätt ich nach meinem Sinn

Bei einer Riesin gern gelebt, bei einer jungen,

Wie eine Katze streicht um eine Königin.

Wie Leib und Seele ihr bei grimmem Spiel erblühten

Und wuchsen, hätt ich gern erschaut von Anbeginn,

Erspäht, wie in der Brust ihr finstre Flammen glühten

Und Nebel traumhaft zog durch ihre Augen hin.

Mit Muße hätte ich erforscht die prächtgen Glieder,

Gestiegen wäre ich die stolzen Kniee nieder,

Und oft im Sommer, wann der Sonnen kranker Strahl

Sie müde hingestreckt quer durch die weiten Wiesen,

Hätt ich geschlummert in der Brüste Schattental,

Gleich wie ein friedlich Dorf am Fuß von Bergesriesen.

Fremdlandischer Duft.

Enthaucht im Herbsttag mir, der müd sein Aug’ geschlossen,

Dein Busen warmen Duft, so fühl ich mich entrafft

Zu seligem Gestad, beglückt und märchenhaft,

Von ewgem Sonnenglanz einförmig übergossen.

Ein träges Eiland, wo, dem üppgen Grund entsprossen,

Manch seltner Baum erblüht und Früchte, reich an Saft,

Und Männer, deren Wuchs schlank und voll sehnger Kraft,

Und Frauen, deren Blick von stolzem Glanz umflossen.

Geführt durch deinen Hauch zu schönrer Himmel Glut,

Schau einen Hafen ich, wo Mast und Segel ruht,

Noch müde vom Gewog der Meereswelle bebend.

Indes der Duft, der von den Tamarinden schwelt

Und in die Nüster dringt, die Lüfte rings belebend,

In meiner Brust sich mit der Schiffer Sang vermählt.

[Ich bete dich an wie des Nachthimmels Schauer].

Ich bete dich an wie des Nachthimmels Schauer,

O große Stumme, o Urne der Trauer!

Und lieb nur heißer dich, weil, Schöne, du mich fliehst,

Und weil, Stern meiner Nacht, voll Hohn du niedersiehst

Und spöttisch lächelnd scheinst die große Kluft zu weiten,

Die mich getrennt hält von den blauen Ewigkeiten.

Ich stürme zum Angriff, ich klettre hinauf,

Wie zu Leichen sich hindrängt der Würmer Hauf,

Und lieb dich, grausam Tier, ob auch dein Stolz mich höhne,

Im kalten Glanz, durch den nur größer deine Schöne.

[In ihrer Kleider Flut, perlmutterfarb und weich].

In ihrer Kleider Flut, perlmutterfarb und weich,

Scheint es, daß selbst das Gehn zum Tanze sie gestaltet,

Den langen Schlangen der geweihten Gaukler gleich

Sich ringelnd um den Stab, der ihrer Künste waltet.

Dem öden Sand gleich und des Wüstenhimmels Glut,

Für jedes Mitgefühl des Menschenleids erkaltet;

Schau, wie gleich dem Gewog der schaumgekrönten Flut

In träger Ruhe sie gleichgültig sich entfaltet!

Der Augen Schimmer ist von kaltem Mineral.

In diesem seltsamen Geschöpfe will uns scheinen,

Daß reiner Engel und antike Sphinx sich einen.

Von ihr, die nichts als Gold, Licht, Diamant und Stahl,

Glänzt, unnütz wie ein Stern im fernen Ätherblauen,

Die kalte Majestät der unfruchtbaren Frauen.

Das Aas.

Weißt du, mein Herz, noch, was im lichten Morgenscheine

Wir jenen Sommertag entdeckt:

Ein schändlich Aas, nicht weit vom schmalen Wegesraine,

Auf Kieselsteinen hingestreckt.

Die Beine in der Luft, wie liederliche Frauen,

Vom Strome glühnder Gifte voll,

Ließ es voll Lässigkeit und ohne Scham uns schauen

Den Leib, dem grauser Stank entquoll.

Die Sonne strahlte auf die ekle Fäulnis nieder,

Die ihre Glut zu kochen schien,

Als gäbe hundertfach sie der Natur das wieder,

Dem einst sie eine Form verliehn.

Der Himmel schaute nach dem wundersamen Aase,

Wie es sich blütengleich erschloß,

So fürchterlich war der Geruch, daß auf dem Grase

Fast eine Ohnmacht dich umfloß.

Die Fliegen summten um die modernden Atome,

Indes gedrängt und schauerlich

Der Larven ekle Schar, in schwerem, schwarzem Strome

Durch die lebendgen Fetzen schlich.

Das alles senkte sich und knisterte verquellend

Und stieg, wie sich die Woge hebt,

Man meinte beinah, daß von fremdem Hauche schwellend

Der Leib vervielfacht aufgelebt.

Und dieser Welt entrann ein Tönen, seltsam klingend,

Wie Wind und Wasser es erregt,

Gleichwie von Körnern, die der Landmann rhythmisch schwingend

Im Siebe schüttelt und bewegt.

Die Form verwischte sich zu einem Traum, der fahler

Als eine flüchtge Skizze war,

Die auf vergeßnem Blatt ergänzt wird, die dem Maler

Aus der Erinnrung sich gebar.

Und eine Hündin sah aus felsigem Geklippe

Unruhig, mit erzürntem Blick,

Nur die Gelegenheit erspähend, vom Gerippe

Zu reißen sich ein neues Stück.

Und dennoch wirst du gleich der eklen Fäulnis werden,

Ganz so zerstört und grauenhaft,

Du meiner Augen Stern, du Sonne mir auf Erden,

Mein Engel, meine Leidenschaft!

So wirst du aussehn, wann, o Kön’gin holder Güte,

Du nach der letzten Ölung gehst

Dorthin, wo unter üppgem Kraut und reicher Blüte

Bei den Gerippen du verwest.

Dann, meine Schöne, sprich zum Wurm, der dich erlesen

Und dem dein Leib zum Küssen lieb,

Daß prangende Gestalt und unvergänglich Wesen

Mir von entstellter Liebe blieb!

De profundis clamavi.

Du, die ich liebe, hör mich um dein Mitleid flehen,

Vom Grund der finstren Schlucht, in die mein Herz versank.

Voll Gram ist diese Welt, ihr Himmel bleich und krank,

Drin Schreck und Lästerung durch böses Dunkel wehen.

Ein kalter Sonnenball kreist dort sechs Monde lang,

Und die sechs andern deckt uns Nacht mit schwarzem Schilde.

Das Land ist nackter als des Nordpols Eisgefilde,

Nicht Bäche, Herden nicht, nicht Wald noch Wiesenhang.

Kein Grauen gibt es auf der Welt, das an die bleiche,

Erstarrte Grausamkeit der eisgen Sonne reiche,

Und an dies Dunkel, wie das Chaos uferlos.

Mich füllt mit heißem Neid der ärmsten Tiere Los,

Weil sie im stumpfen Schlaf vergessen Schmerz und Plage;

So langsam dreht sich ab die Spindel meiner Tage.

Verspätete Reue.

Wann, dunkle Schöne, einst du in der Gruft wirst rasten,

Auf der getürmt und kalt ein schwarzer Marmor liegt,

Und wann du statt im Pfühl, in den du weich geschmiegt,

In feuchter Höhle ruhst, im Grabe, im verhaßten,

Und wann die Blöcke schwer auf banger Brust dir lasten

Und auf den Hüften dir, die lasse Anmut biegt,

Wann länger nicht dein Herz verlangend pocht und fliegt,

Die Füße länger nicht nach Abenteuern hasten –

Dann wird das Grab, dem ich der Träume Last vertraut,

– Mich deucht, daß nur das Grab des Dichters Sehnsucht ahne –

Die langen Nächte, da kein Schlummer niedertaut,

Dir raunen: Was nun hilfts, gleichgültge Courtisane,

Daß du, was Tote noch beweinen, nicht gewußt?

Und grimm wie Reue nagt der Wurm dir deine Brust.

Die Katze.

Komm, schöne Katze, und schmiege dich

An mein Herz, halt zurück deine Kralle.

Laß den Blick in dein Auge tauchen mich,

In dein Aug’ von Achat und Metalle.

So oft dich mein Finger gemächlich streift,

Deinen Kopf und Rücken zu schmeicheln,

Und träumende Lust meine Hand ergreift,

Die magnetischen Glieder zu streicheln,

Schau ich im Geist meine Frau. Der Strahl

Ihres Blicks, mein Tier, gleicht dem deinen,

Ist tief und kalt wie ein schneidender Stahl.

In schmiegsamem Spiel haucht den feinen,

Gefährlichen Duft, wie Schmeichelgruß,

Ihr brauner Leib von Kopf zu Fuß.

Duellum.

Zwei Krieger stürzen aufeinander; ihre Klingen

Durchstieben rings die Luft mit Funken und mit Blut.

Dies Spiel, dies Klirren ist das lärmerfüllte Ringen

Der Jugend, die verzehrt von wilder Liebesglut.

Gleich unsrer Jugend bricht das Eisen vor den Schlägen,

Geliebte! Doch der Zahn, der Nagel, der sich wehrt,

Rächt den Verrat des Dolchs und den zerbrochnen Degen.

O Wut der reifen Brust, in der die Liebe schwärt.

In einen Abgrund, wo die Panther spukhaft schleichen,

Rolln unsre Kämpfenden, in tückschem Sturz gefällt.

Wie Blüten hängt ihr Fleisch an dürren Dorngesträuchen.

Die Höll ist dieser Schlund, die unsre Freunde hält.

Laß, ehrne Kämpferin, uns reulos niedergleiten,

Daß unser Haß erglüht durch alle Ewigkeiten!

Der Balkon.

Quell der Erinnerung, du Liebste aller Lieben,

O du, all meine Lust, o du, all meine Pflicht!

Ist dir Gedenken an der Küsse Glück geblieben.

An Wärme des Kamins, an gütig Abendlicht?

Quell der Erinnerung, du Liebste aller Lieben!

Die Abende erhellt von sanfter Kohlenglut,

Die Dämmrung vom Balkon in rosger Lüfte Wehen –

Wie war dein Busen süß, wie war dein Herz mir gut!

Wir sagten Dinge uns, die nimmermehr vergehen,

Die Abende erhellt von sanfter Kohlenglut.

Wie sind die Sonnen schön im warmen Abendblauen,

Wie mächtig ist das Herz, wie weit und tief die Luft!

Ich neigte mich zu dir, o Königin der Frauen,

Mir war, als atmete ich deines Blutes Duft.

Wie sind die Sonnen schön im warmen Abendblauen!

Die Nacht war um uns her, wie stiller Zelle Raum,

Durchs Dunkel riet mein Blick noch deiner Augen Süße,

Und deinen Hauch trank ich – o Gift, o selger Traum!

In brüderlicher Hand entschliefen deine Füße.

Die Nacht war um uns her, wie stiller Zelle Raum.

Neu wecken kann ich mir der holden Zeit Gebilde,

Mein einstig Leben, das in deinem Schoß versenkt.

Wo sucht’ ich anders wohl solch müder Schönheit Milde,

Die nicht dein lieber Leib, dein gütig Herz geschenkt?

Neu wecken kann ich mir der holden Zeit Gebilde!

Die Schwüre, dieser Duft, die Küsse ohne Zahl,

Erstehn aus Schlünden sie, die unsrem Suchen wehren.

Wie Sonnen aufwärts fliehn mit siegverjüngtem Strahl,

Wann sich ihr Schimmer wusch im Grund von tiefen Meeren?

O Schwüre, Düfte ihr! O Küsse ohne Zahl!

Der Besessene.

Die Sonne überzog ein Schleier. Wie ihr Strahl,

O meines Lebens Mond, hüll dich in warme Schatten;

Umwölk dich oder schlaf! Sei stumm, und im Ermatten

Vergeh und sinke in der Leere nächtig Tal!

So lieb ich dich! Doch wenn du heut mit einem Mal,

Wie Sterne neu erglühn, die sich verdunkelt hatten,

Der Tollheit deinen Glanz zu schauen willst gestatten,

So ist es gut! Entfahr der Scheide, scharfer Stahl!

Entzünde deinen Blick an tausend Kerzenlichtern,

Entzünde die Begier in fühllosen Gesichtern!

Nur Lust kommt mir von dir, Kraft oder Müdigkeit;

Sei alles, was du willst, schwarz Dunkel, rote Frühe,

Kein Nerv ist mir im Leib, der nicht erbebt und schreit:

Mein Fürst Beelzebub! Du bists, für den ich glühe!

Das Porträt.

In Asche lassen Tod und Krankheit sinken

Die stolze Glut, die einst uns licht umfing.

Von dieser großen Augen süßem Blinken,

Von diesem Mund, daran mein Herz verging,

Von diesen Küssen, hold wie Balsamschauer,

Von dieser Flamme, stark wie Strahl des Lichts,

Was ist geblieben? Sag, mein Herz! – o Trauer!

Ein blasser Schattenriß und weiter nichts.

Wer stirbt wie ich, getrennt von allen Dingen,

Und wen die Zeit, zerstörend und ergreist,

An jedem Tage schlägt mit rauhen Schwingen …

Du, die uns Kunst und Leben niederreißt,

Du wirst sie nie mir töten im Gedächtnis,

Sie, meine Lust und meines Ruhms Vermächtnis!

[Dir weihe ich mein Lied, daß, wenn zum blassen Strand].

Dir weihe ich mein Lied, daß, wenn zum blassen Strand

Der fernsten Zeiten sich mein Name einst gefunden

Und Menschen träumen macht in abendlichen Stunden,

Ein Schiff, vom großen Wehn des Nords dahingesandt,

Dein Angedenken gleich verblichnen Fabelkunden,

Wie einer Trommel Klang, den müden Leser bannt,

Durch ein geheimnisvoll und brüderliches Band

An meinen stolzen Reim auf immerdar gebunden;

Verworfner Geist, zu dem vom höchsten Lichtrevier

Bis in die tiefste Nacht nichts redet außer mir!

O du, der schattengleich, mit Spuren, die verfließen,

Leichtfüßig niedertrittst, im Blicke hellen Schein,

Die stumpfen Menschen, die im Groll dich bitter hießen,

Geschöpf mit ehrner Stirn und Augen von Gestein!

Semper eadem.

Wer hat dir, fragtest du, dies fremde Weh gegeben,

Dem Meere gleich, das sich an schwarzen Klippen bricht?

– Hat unser Herz einmal geerntet, ist das Leben

Nur noch ein Leiden! Fremd ist dies Geheimnis nicht,

Es ist ein schlichter Schmerz, der nicht in Nacht verhüllt ist

Und deiner Freude gleich sich ruhig zeigen will.

Drum frag nicht, Schöne, die von Neugier ganz erfüllt ist!

Sei deiner Stimme Klang auch lieblich, schweige still!

Schweig still, Unwissende, die nichts als Freude findet,

Du kindlich froher Mund! Mehr als das Leben bindet

Mit feinen Fäden uns gar oft des Todes Graun.

Die Lüge laß ins Herz mir Trunkenheit enthauchen,

Laß in dein Aug mich wie in schöne Träume tauchen,

Und schlummern lange Zeit im Schatten deiner Brau’n!

[Welch Lied wird, einsam Herz, heut abend dir enttönen?].

Welch Lied wird, einsam Herz, heut abend dir enttönen?

Was wirst du sagen, mein verdorrt und arm Gemüt,

Zu ihr, der Guten, Teuren, Strahlend-Schönen,

Vor deren heitrem Blick die Seele neu erblüht?

All unser Stolz soll sein, ihr hohes Lob zu singen,

Nichts gleicht an Güte ihr und anmutvoller Macht,

Und ihr durchgeistet Fleisch haucht Duft wie Engelsschwingen,

Ihr Auge webt um uns ein Kleid von Licht und Pracht.

Sei’s in der Einsamkeit, wo nächtig Dunkel lastet,

Sei’s in der Straße, wo die Menge ruhlos hastet,

Ihr Bild tanzt in der Luft, wie glüher Fackel Schein.

Oft spricht es: Ich bin schön, euch soll der Liebe Sonne

Durchglühn, daß ihr um mich die Schönheit liebt allein;

Schutzengel bin ich euch und Muse und Madonne!

Geistiges Morgenrot.

Wann an des Wüstlings Pfühl vereint mit bittrem Wehe

Der rosig-weiße Schein der Frühe neu erwacht,

So ists, als ob, geweckt durch rächerische Macht,

Ein Engel wundersam im satten Tier erstehe.

Geahnter Himmel Zelt in fernentrücktem Blau

Vertieft sich und verlockt wie eines Abgrunds Schatten

Den Menschen, der noch träumt in leidendem Ermatten.

So, göttlich Wesen, du, lichthelle, zarte Frau,

Schwebt auf der dumpfen Lust zerfallnen grauen Trümmern

Vor meinen Blicken, die sich weiten, immerdar

Dein hold Gedenken, rosig, mild und klar.

Der Sonne Feuer schwärzt der Kerzen nächtig Flimmern;

So, lichte Seele, ist, verklärt und strahlenreich,

Dein sieggewohntes Bild der ewgen Sonne gleich.

Harmonie des Abends.

Nun naht die Zeit, da mit der Stengel leisem Schwingen

Der Blume Weihrauch steigt, wie Duft des Opferbrands.

Getön und Düfte drehn in abendlichem Tanz,

Sehnsüchtger Schwindelflug und schwermutvolles Klingen.

Der Blume Weihrauch steigt wie Duft des Opferbrands;

Wie ein betrübtes Herz erbebt der Geigen Singen;

Sehnsüchtger Schwindelflug und schwermutvolles Klingen!

Gleich einer Ruhstatt ist der Himmel müder Glanz.

Wie ein betrübtes Herz erbebt der Geigen Singen,

Ein zärtlich Herz, das Feind des dunklen Totenlands!

Gleich einer Ruhstatt ist der Himmel müder Glanz;

Ein starrend Blutmeer scheint die Sonne zu verschlingen …

Ein zärtlich Herz, das Feind des dunklen Totenlands,

Wahrt jede Lichtspur sich aus Stunden, die vergingen!

Ein starrend Blutmeer scheint die Sonne zu verschlingen …

Dein Angedenken strahlt in mir wie die Monstranz!

Das Gift.

Der Wein läßt aus dem Schmutz der ärmsten Hütte blühen

Ein Schloß, das herrlich blinkt,

Und manch Portal erstehn, das feenhaft uns winkt

In seiner Dünste goldnem Glühen,

Wie eine Sonne, die in Nebelhimmeln sinkt.

Das Opium vermehrt, was ohne alle Schranken,

Dehnt die Unendlichkeit,

Höhlt der Genüsse Rausch, vertieft den Strom der Zeit,

Mit finstrer Lust und Nachtgedanken

Füllt und erschöpft es schier der Seele Faßbarkeit.

Das alles kommt nicht gleich dem Gift, dem wunderbaren,

In deiner Augen grünem Schein,

Den Seen, drin spiegelnd mir sich zeigt mein ganzes Sein …

Die Träume nahen sich in Scharen,

Und dieser bittre Quell stillt ihres Durstes Pein.

Das alles kann nicht an der Lippen Feuchte reichen,

Die mich mit Wermut speist,

Die in Vergessen senkt den reuelosen Geist

Und schwindelnd im Erbleichen

Zum Schattenstrand des Tods die Seele niederreißt.

Trüber Himmel.

Durch Schleier scheint dein Auge zu glühn,

Das geheimnisreich – ist es blau oder grün? –

Im Wechsel träumerisch, grausam und weich,

Den Äther spiegelt, so müde und bleich.

Du bist wie ein warmer, weißschleiernder Tag,

Da die Seele in Tränen sich lösen mag,

Wann, erwacht in der Qual, die ihr Tiefstes zerreißt,

Die Nerven verspotten den schlummernden Geist.

Du gleichst einem lieblichen Horizont,

Den der Himmel nebliger Tage besonnt,

Wie milde du leuchtest, gefeuchtete Flur,

Von Strahlen durchglüht aus verhülltem Azur.

O gefährliches Weib! O verführerisch Land!

Hält auch dein Schnee und dein Frost mich gebannt.

Daß vom fühllosen Winter Freuden ich weiß,

Die durchdringender noch als Stahl und als Eis?

Das schöne Schiff.

Ich sage, Mädchen, dir, mein zauberisch Entzücken!

Die Reize mannigfalt, die deine Jugend schmücken,

Und malen will ich deine Pracht,

Wo Zartheit eines Kinds aus reifer Schönheit lacht.

Wann sacht du gehst, die Luft mit weiten Röcken fegend,

Bist du ein schönes Schiff, das langsam sich bewegend

Aussegelt in der See Geroll,

In einem Takt gewiegt, der träg und ruhevoll.

Auf deinem runden Hals, auf deiner Schulter Prangen

Trägst du dein stolzes Haupt, von seltnem Reiz umfangen.

Triumph im Blick und sanfte Ruh,

Kind voller Majestät, gehst deines Weges du.

Ich sage, Mädchen, dir, mein zauberisch Entzücken!

Die Reize mannigfalt, die deine Jugend schmücken,

Und malen will ich deine Pracht,

Wo Zartheit eines Kinds aus reifer Schönheit lacht.

Dein Busen, der sich hebt, geengt von seidnem Flimmer,

Ist einer Lade gleich in seiner Reize Schimmer,

Mit blanker Wölbung, wo das Licht

Wie auf metallnem Schild in hellem Glanz sich bricht.

Verlockend Schilderpaar, mit ros’gen Spitzen prahlend,

Gleich einer Lade, voll von Schätzen, süß und strahlend,

Voll starken Tranks, voll Duft und Wein,

Flößt selge Trunkenheit er Herz und Sinnen ein.

Wann sacht du gehst, die Luft mit weiten Röcken fegend,

Bist du ein schönes Schiff, das langsam sich bewegend

Aussegelt in der See Geroll,

In einem Takt gewiegt, der trag und ruhevoll.

Die edlen Beine, die des Kleides reiche Zierden

Bewegen, stacheln auf die dunkelen Begierden.

Zwei Zauberinnen gleich zu schaun,

Die einen schwarzen Trank in tiefer Urne braun.

Die Arme würden nicht vor jungen Hünen bangen,

Wetteifernd leicht an Kraft mit glatten Riesenschlangen,

Geschaffen, den Geliebten fest

Ans Herz zu drücken, das ihn nie mehr läßt.

Auf deinem runden Hals, auf deiner Schultern Prangen,

Trägst du dein stolzes Haupt, von seltnem Reiz umfangen.

Triumph im Blick und sanfte Ruh,

Kind voller Majestät, gehst deines Weges du.

Verlangen in die Ferne.

Kind und Schwester mein,

Könnten dort wir sein,

Wo das Leben süß uns und reich ist!

Nichts als Liebe sehn,

Lieben und Vergehn

Im Lande, das dir gleich ist!

Trüber Sonnen Licht,

Das durch Schleier bricht,

Gleicht meinem zärtlichen Sehnen,

Wann wunderbar

Dein Augenpaar

Verräterisch leuchtet durch Tränen.

Dort schaust nur Lust und Schönheit du,

Anmut, Pracht und tiefe Ruh.

Leuchtend Hausgerät

Uns im Saale steht,

Verschönt von entschwundenen Jahren.

Seltner Blumen Duft

Will der süßen Luft

Der Ambrawolken sich paaren.

Der Gewölbe Pracht,

Tiefer Spiegel Nacht,

Des Ostens reiches Gepränge,

Alles spräche dort

In flüsterndem Wort

Seiner Heimat liebliche Klänge.

Dort schaust nur Lust und Schönheit du,

Anmut, Pracht und tiefe Ruh.

Sieh, wie auf der Flut

Schiff an Schiff dort ruht,

Die rastlos fernher geschwommen.

Zu erfüllen dir

Jegliche Begier,

Sind vom Ende der Welt sie gekommen.

Des Abendlichts Glut

Ergießt auf die Flut,

Auf die Stadt in dem Flurenkranze,

Hyazinthenen Schein;

Die Welt schläft ein

In warmem goldenem Glanze.

Dort schaust nur Lust und Schönheit du,

Anmut, Pracht und tiefe Ruh.

Unheilbar.

I.

Wer tilgt den alten Fluch der Schuld, der an uns zehrt,

Der sich windet und nimmer will sterben,

Von unsrem Blut sich wie der Wurm von Leichen nährt,

Gleichwie Raupen, die Bäume verderben?

Wer tilgt den alten Fluch der Schuld, der an uns zehrt?

Durch welchen Wein, durch welch Gebräu, durch welche Tränke

Wird der Peiniger eingelullt,

Der Kurtisane gleich voll Gier und finstrer Ränke,

Der Ameise gleich an Geduld?

Durch welchen Wein, durch welch Gebräu, durch welche Tränke?

Sags, schöne Zauberin, o sag es, wenn dirs kund,

Diesem Geist, den die Ängste umkrampfen,

Dem Sterbenden, bedeckt von Leichen, todeswund,

Den der Pferde Hufe zerstampfen,

Sags, schöne Zauberin, o sag es, wenn dirs kund,

Sag es dem Röchelnden, den Wölfe schon umlauern,

Den krächzend der Rabe umschwirrt,

Sags dem Zertrümmerten, daß er in Todesschauern

Verzagt, daß ein Grabmal ihm wird;

Dem armen Röchelnden, den Wölfe schon umlauern!

Wird je ein Himmel blühn, der schwarz wie Schlamm und tot?

Und kannst du zerreißen das Dunkel,

Das zäh wie Pech, und wo kein Früh- noch Abendrot,

Nicht Blitze noch Sternengefunkel?

Wird je ein Himmel blühn, der schwarz wie Schlamm und tot?

Der Hoffnung Licht, das aus der Herberg aufgeglommen,

Verlosch, da kaum wirs gewahrt!

Wie sollen ohne Mond noch Strahl zur Pforte kommen

Die Dulder der bösen Fahrt?

Der Satan losch das Licht, das hell uns aufgeglommen!

Liebst, holde Zauberin, du der Verdammten Qual,

Kennst du des Unheilbaren Schmerzen?

Den Fluch der alten Schuld mit seinem giftgen Stahl,

Den er stößt in unsere Herzen?

Liebst, holde Zauberin, du der Verdammten Qual?

Unwiederbringliches nagt mit verruchtem Bisse

Unsres Geistes zerbrechliches Haus,

Und den Termiten gleich frißt es geheime Risse

In die Fundamente des Baus.

Unwiederbringliches nagt mit verruchtem Bisse!

II.

In einem Schauspielhaus voll abgeschmackter Pracht,

Das der Lärm des Orchesters durchgellte,

Sah ich, wie eine Fee aus tiefer Höllennacht

Ein wundersam Frührot erhellte;

In einem Schauspielhaus voll abgeschmackter Pracht

Sah ich, wie ein Geschöpf, das Licht war, Gold und Gaze,

Den riesigen Satan bezwang;

Jedoch mein Herz, das nie gelöst wird in Ekstase,

Ist ein Theater, das endlos lang

Auf das Geschöpf harrt mit dem Flügelpaar von Gaze.

Gespräch.

Du bist ein Herbstazur, in leisem Rot verblutend!

Jedoch die Traurigkeit steigt in mir wie die See,

Und auf den Lippen läßt allmählich rückwärts flutend

Sie ihres salzgen Schlamms erinnrungsbittres Weh.

Du legst die Hand umsonst auf meines Busens Beben,

Der Tempel, den du suchst, sank, Liebe, längst in Staub.

Der Frauen Krall und Zahn nahm alles mir im Leben,

Nicht suche mehr mein Herz, es ward der Tiere Raub.

Mein Herz ist ein Palast, vom wilden Hauf geschändet,

Der drin sich tötet, packt und tobt, berauscht und roh …

O welchen süßen Duft dein nackter Busen spendet!

O Schönheit! Geißel, die uns schlägt! Du willst es so!

Mit deinem Feuerblick, dem festlich-glanzverklärten,

Verbrenn die Fetzen, die die Tiere nicht verzehrten.

Lied des Herbstes.

I.

Bald tauchen fröstelnd wir ins kalte Dunkel nieder;

Lebt, schnelle Sommer, wohl, die unser Herz erhellt!

Ich höre schon, wie dumpf mit finstrem Schalle wieder

Das Holz erdröhnend auf der Höfe Pflaster fällt.

In meinen Busen kehrt des Winters herb Bedrängnis,

Zorn, Schauer, Schrecken, Haß und Arbeit, scharf und hart,

Gleichwie der Sonnenball in seinem Eisgefängnis

Ist bald mein Herz ein Block, blutfarben und erstarrt.

Erzitternd höre ich das Fallen aller Scheite;

Der Bau des Blutgerüsts tönt nicht so hoffnungslos.

Mir ist, als ob mein Geist ein Turm sei, der im Streite

Zertrümmert hinsinkt vor des Sturmbocks wuchtgem Stoß.

Gewiegt durch diesen Schall, eintönig und verschwommen,

Deucht mir, daß einen Sarg in großer Hast man baut …

Für wen? – Der Sommer ging. Nun ist der Herbst gekommen!

Gleich einem Abschied tönt der rätselhafte Laut.

II.

Wie sehr lieb, Schöne, ich den sanften, grünen Schimmer

Aus deinen Augen, doch scheint alles heut mir schwer,

Und nichts, nicht deine Lieb, der Herd nicht, noch dein Zimmer

Ist wie die Sonne mir, die leuchtet über Meer.

Und dennoch liebe mich mit mütterlicher Süße,

Mag ich auch undankbar und bösen Sinnes sein;

Lieb oder Schwester, sei der Duft der späten Grüße,

Ein Herbst in Strahlenpracht, ein müder Sonnenschein.

Bald ists getan. Schon harrt auf mich des Grabes Kühle!

O laß auf deinen Knien mein Haupt ruhn noch einmal

Und fühlen, trauernd um des weißen Sommers Schwüle,

Der späten Jahreszeit gesänftigt-goldnen Strahl!

An eine Madonna.

Ex-voto in spanischem Geschmack.

Dir, Herrin, will ich baun, Madonna meiner Schmerzen,

Verborgenen Altar in meinem tiefsten Herzen,

Dir in des Busens Nacht errichten einen Thron,

Fern weltlicher Begier und kalter Blicke Hohn,

In einer Nische von Azur und goldnem Flitter,

Wo einem Standbild gleich du lächelst durch das Gitter,

Das meine Verse dir geschmiedet aus Metall,

Das wunderbar geschmückt mit Reimen von Kristall.

Dein sei ein Diadem, das leuchtet wie die Sonne.

In meiner Eifersucht, o sterbliche Madonne,

Will ich umkleiden dich mit starren Mantels Pracht,

Barbarisch, steif und schwer, gepanzert mit Verdacht,

Der einer Rüstung gleich den schönen Leib umschimmert

Und nicht von Perlen, nein, von meinen Tränen flimmert,

Mein Sehnen sei dein Kleid, das bebend sich dir neigt,

Mein Sehnen, wellengleich, das niedersinkt und steigt.

Sich wiegend auf den Höhn, im Tal nach Rast verlangend,

Den weiß und rosgen Leib mit einem Kuß umfangend.

Aus Ehrfurcht wirk ich dir der Seidenschuhe Paar

Und bring den Füßen sie, den göttergleichen, dar,

Daß dich umschließend sie in einer zärtlich-leisen

Umarmung mir getreu der Füße Abbild weisen.

Und kann trotz aller Kunst, der ich von je gewohnt,

Ich nicht als Schemel dir verleihn den Silbermond,

Leg ich die Schlange, die mir grimm das Herz zerbissen,

Zu Füßen dir, daß du gleich einer sieggewissen,

Hilfreichen Königin, stolz lächelnd niedertrittst

Das Ungetüm, das Haß und giftgen Geifer spritzt.

Dir will ich, Königin der Jungfraun, all mein Denken

Vor blumigem Altar gleich Weihekerzen schenken,

Auf daß besternend sie erhellter Wölbung Blaun

Nach dir nur allezeit mit Flammenaugen schaun.

Wie meine Wünsche all um dich bezaubert irren,

Wird alles Oliban und Benzoe und Myrrhen;

Zu dir, verschneit Gebirg, hebt still und feierlich

Mein sturmesdunkler Geist in Weihrauchwolken sich.

Daß du das Ebenbild der Jungfrau mögest scheinen,

Will glühnde Liebe ich mit Grausamkeit vereinen,

Todsünden wähl ich mir in heilger Siebenzahl,

Ein reuger Henker schärf ich Dolche draus von Stahl,

Und einem Gaukler gleich in seelenlosem Spiele

Nehm deiner Liebe tiefst Geheimnis ich zum Ziele,

Und ich stoß sie ins Herz dir, das zuckend vor Schmerz,

In dein schluchzendes Herz, in dein rieselndes Herz!

Sisina.

Denkt euch Diana, wie im Jagdgeleite prangend

Sie durch die Wälder streift und durch das Dickicht fegt,

Im Winde Brust und Haar, lärmtrunken, nie erbangend,

Daß nicht im Laufe sie den schnellsten Renner schlägt!

Und saht ihr Théroigne, wie sie nach Blut verlangend

Ein barfuß Volk zum Sturm aufs Fürstenschloß erregt,

Wie blanken Schwerts sie – Aug und Wange Feuer fangend –

Ihr rascher Fuß empor die Königsstufen trägt?

So die Sisina. Doch der sanften Heldin Milde

Ist nicht geringer, als ihr Mut, der mördrisch-wilde.

Ihr Geist, von Trommelschlag und Pulverdampf berückt,

Streckt seine Waffen vor der Flehnden bangen Qualen,

Und immer hat ihr Herz, von wilder Glut durchzückt,

Für den, der würdig ist, des Mitleids Tränenschalen.

An eine Kreolin.

In duftumhauchtem Land, in fremden Sonnenreichen

Sah unter Bäumen, die ein Purpurglanz umrinnt,

Wo Schlaf von Palmen tropft, Traumregen zu vergleichen,

Ich eine Dame, die ein Zauber fremd umspinnt.

Der Schönen zierem Hals, dem Angesicht, dem bleichen,

Entleuchtet stolzer Reiz, der Herzen ihr gewinnt.

Gleich schlanker Jägerin scheint sie durchs Land zu streichen,

Ihr Aug ist klare Ruh, ihr Lächeln stumm-gelind.

Kämt, Herrin, Ihr dereinst zum wahren Ruhmeslande,

Zur grünen Loire und zum milden Seinestrande,

Wert, daß entschwundner Zeit Paläste euch empfahn,

Zu euch dann, die umhegt von schattger Stille, flehten

Sonette, reich erblüht im Herzen der Poeten,

Die euren Augen mehr als Schwarze untertan.

Das Gespenst.

Den bösen Engeln zu vergleichen

Will ich zu deinem Lager schleichen,

Zurück dir kehrend, heimlich-sacht,

Im Schattenspuk der grauen Nacht.

Und Küsse geb ich dir, du Süße,

Kalt wie des Mondes Strahlengrüße,

Wie einer Schlange Schmeichelein,

Sich ringelnd um der Grüfte Stein.

Im Morgenlicht, im dämmerblassen,

Siehst meine Stätte du verlassen,

Die kalt bleibt bis zum Abendgraun.

Wie andre Jugend dir und Leben

Beherrschen, die dir Liebe geben,

Will ich dein Herr sein durch das Graun!

Herbstsonett.

Es sagt mir deines Augs kristallenhelle Zier:

Was tat, seltsamer Freund, ich wohl dir zu Gefallen?

Sei anmutvoll und schweig! Mein Herz, das feind ist allen,

Nur nicht der Frau von einst, die einfach wie ein Tier,

Zeigt nun und nimmermehr sein schlimm Geheimnis dir,

Dir, deren Hand mich lädt in stumme Traumeshallen,

Noch auch die Glutschrift, wie ich tief dem Gram verfallen,

Ich hasse Leidenschaft, und Geist ist Plage mir.

Drum laß uns lieben sacht. Aus ihrem Machtgebiete

Hält ihren Bogen schon die Liebe stumm gespannt.

Ihr drohend Arsenal ist mir gar wohl bekannt.

Wahnsinn und Graun – gleich mir, o Wiesenmarguerite,

Bist eine Sonne du, die herbstlich-bleich entschwand,

O meine weiße, meine kalte Marguerite.

Trauer Lunas.

Heut nacht ruht Luna aus, von müdem Traum umschmeichelt,

Wie eine Schönheit sich in reiche Kissen schmiegt

Und mit zerstreuter Hand hingleitend leise streichelt

Des Busens Linien, eh der Schlummer sie besiegt.

Auf der Lawinen Pfühl, der glänzt in seidnem Lichte,

Läßt sie ersterbend sich in Ohnmacht untergehn

Und lenkt ihr Auge auf die weißen Traumgesichte,

Die Blütenkelchen gleich fern im Azur erstehn.

Wann diesem Erdball sie, in ihrem müßgen Sehnen,

Verstohlen spendet eine ihrer Tränen,

So nimmt ein Dichter, der des Schlummers Bann verscheucht,

Die Träne in die Hand mit ihrem bleichen Strahle

Und birgt sie, flimmernd gleich zersprungenem Opale,

Im Herzen, ferne von des Sonnengotts Geleucht.

Die Eulen.

Geschirmt von schwarzen Eibenbäumen,

Sitzt stumm der Eulen Schwarm gereiht,

Wie fremde Götzen grauer Zeit

Ihr rotes Auge glüht. Sie träumen.

So halten sie sich regungslos,

Bis zu der Stunde still verbleibend,

Da schrägen Sonnenstrahl vertreibend

Die Nacht sich breitet; schwarz und groß.

Dem Weisen lehrt die Ruhgebärde,

Daß er mit Recht auf dieser Erde

Lärm und Bewegung fürchten mag.

Den Menschen, den ein Nichts erregte,

Trifft stets der Strafe harter Schlag,

Daß er vom Platze sich bewegte.

Die Musik.

Die Musik zieht oft mich hin wie ein Meer,

Meinen Stern, meinen bleichen,

Im weiten Ather, wie in Nebeln trüb und schwer

Im Kahn zu erreichen;

Die Brust im Wind und die Lungen geschwellt,

Die Sturmsegeln gleichen,

Ersteig ich die Welle, die hochbäumt und fällt,

In den nächtigen Reichen.

Ich fühl in mir all den zitternden Krampf,

Wie ein Schiff seine Wunde,

Den günstigen Wind, der Orkane Kampf

Auf unendlichem Schlunde.

Dann wieder spiegelt mir die Fläche still und weit

Mein verzweifelt Leid.

Ein phantastischer Stich.

Statt allem Kleiderprunk hat dies gewandberaubte,

Entsetzliche Phantom auf seinem Knochenhaupte

Ein gräßlich Diadem, wie es zum Fasching paßt.

Ohn Sporn und Peitsche treibt in atemloser Hast

Es ein gespenstig Roß, apokalyptisch-düster,

Das Fallsuchtskranken gleich Schaum sprüht aus seiner Nüster.

Den großen Weltenraum durchqueren sie zu zweit

Und stampfen kühnen Tritts die Unermeßlichkeit.

Der Reiter schwingt ein Schwert, das Feuerflammen wettert

Auf die Legionen, die der Huf des Pferds zerschmettert,

Und reitet, wie ein Fürst, der sein Gebiet beschaut,

Durch eisges Grabfeld, das kein Horizont umblaut.

Dort wesen, hingestreckt in fahlem Sonnenlichte,

Die Völker neuer und antiker Weltgeschichte.

Der freudige Tote.

Schwer soll der Grund und reich an Schnecken sein,

Wo meine Gruft zu schaufeln ich begehre,

Daß dort zum Schlaf sich streckt mein alterndes Gebein

Und im Vergessen ruht gleich wie der Hai im Meere.

Ich hasse Testamente, Grab und Stein,

Und von der Welt erbettl ich keine Zähre;

Nein, lieber lüde ich den Schwarm der Raben ein,

Damit er stückweis mein verwesend Aas verzehre.

O Würmer! Schwarz Geleit ohn Auge, ohne Ohr!

Ein Abgeschiedner kommt, der froh den Tod erkor.

Ihr Söhne des Zerfalls, die dem Genusse leben,

Durch meine Trümmer kriecht mit reuelosem Mut

Und sagt mir: kann es wohl noch eine Folter geben

Für den entseelten Leib, der tot bei Toten ruht?

Die zersprungene Glocke.

Wohl ist es herb und süß in langer Winternacht,

Wann durch den trüben Rauch die Flammen flackernd dringen,

Zu lauschen, wie Erinnern fern erwacht

Heim Klang der Glocken, die im Nebelmeere singen.

Glückselge Glocke siegender Gewalt!

Von der trotz ihres Alters über Welten

Stark und getreu der heilge Ruf erschallt,

Dem grauen Krieger gleich, der wacht in den Gezelten.

Jedoch mein Herz zersprang, und wenn sein gramvoll Lied

In tiefer Pein die Luft der kalten Nacht durchzieht,

So gleicht sein schwacher Ruf dem bangen Röcheln dessen,

Den man an einem See von dunklem Blut vergessen,

Von Leichen ganz bedeckt, in fürchterlichem Krampf,

Und der nun reglos stirbt trotz ungeheurem Kampf.

Spleen.

Der Regenmonat strömt, verfeindet allem Leben,

Aus seiner Urne Guß ein Dunkel frostergraut

Des Kirchhofs bleicher Schar im kalten Dämmerweben

Und Sterben auf die Stadt, in der der Nebel braut.

Es regt am Estrich sich in fröstelndem Erbeben

Die magre Katze, die nach einem Lager schaut,

Verstorbnen Dichters Geist fühl im Getropf ich schweben,

Mit eines irrenden Gespenstes Klagelaut.

Der dumpfe Brummbaß klagt, und rauchger Scheite Knistern

Eint seiner Fistel Ton der Wanduhr heisrem Flüstern,

Derweil im Kartenspiel, von schmutzgem Duft getränkt,

Der eklen Erbschaft einer wassersüchtgen Alten,

Sich leis Piquedame und Cœrbube unterhalten

Und einstgen Liebesglücks ihr Herz trübselig denkt.

Spleen.

Mir ist, als hätte ein Jahrtausend ich geschaut.

Nie barg ein Schrank, darin der Akten Flut gestaut,

Wo Liebesbriefe sich, Urkunden, Blätter schichten,

Mit Haaren, die verpackt in Scheine, mit Gedichten,

Mehr Heimlichkeiten, als mein Hirn, mein müdes, kennt.

Es ist ein Königsgrab, ein Riesenmonument;

Nicht eine Massengruft bedeckt so viele Leichen.

Ich bin ein Kirchhof, der geflohn vom Mond, dem bleichen,

Durch den die Würmer ziehn wie scharfer Reue Pein

Und meinen Teuersten zernagen das Gebein.

Ich bin ein alt Gemach, wo welke Rosen sterben,

Wo in der Jahre Rauch Gewande sich verfärben,

Pastelle wehmutvoll und Bouchers, wie getaucht

In fahle Düfte, die ein offen Fläschchen haucht.

Nichts währt so lange wie der lahmen Tage Stocken,

Wann vor der schneegen Zeit rastlosen schweren Flocken

Die Langeweile, die aus trüber Stumpfheit kam,

Die schreckliche Gestalt der Ewigkeiten nahm.

Nun bist, belebter Staub, allein und unbeachtet,

Du ein Granit, um den ein dumpf Entsetzen nachtet,

Entschlummert wie im Dunst der Wüsten Afrikas,

Gleich einer Sphinx, die längst der nichtge Mensch vergaß,

Die keine Karte nennt, und die vom Gram umsponnen

Ihr grimmes Lied nur singt im Strahl der Abendsonnen.

Spleen.

Dem König eines Lands, das regnerisch und kalt,

Gleich’ ich, reich aber schwach, jung und doch schon sehr alt.

Der voll Verachtung für der Höflingsschar Geziere.

Laß seiner Hunde ist wie aller andren Tiere.

Nichts kann erheitern ihn, nicht Falk noch Jägertroß,

Ja nicht einmal sein Volk, das stirbt vor seinem Schloß.

Des Lieblings-Narren wild-phantastische Gedanken

Entwölken längst nicht mehr die Stirn des Grausam-Kranken.

Zum Sarge wandelt sich sein Lager, reichgeschmückt.

Des Hofes Damen, die ein jeder Fürst entzückt,

So schamlos ihre Tracht, wills ihnen nicht gelingen,

Dem jungen Gramskelett ein Lächeln abzuringen.

Der weise Alchimist, der Gold gewann für ihn,

Kann nicht aus seiner Brust die schlimmen Gifte ziehn.

Und in den Bädern Bluts, die einstmals Rom erfunden

Für Mächtge dieser Welt in späten Lebensstunden,

Wird seinem Leichnam nicht erneute Kraft. Statt Blut

Rinnt durch die Adern ihm des Lethe grüne Flut.

Spleen.

Wann wie ein Deckel sich der Himmel tief gesenkt hat

Auf unsern Geist, den bang die Leere seufzen macht,

Wann er den Horizont umschattet und umschränkt hat

Und schwarzen Tag ergießt, der trüber als die Nacht;

Wann wie ein feucht Verließ das Erdall auf uns lastet,

Darin die Hoffnung gleich geschreckter Fledermaus

Mit angstbeschwingtem Flug längs dunkler Mauer hastet

Und sich den Kopf stößt am Gewölb des dumpfen Baus;

Wann grau der Regenflut Gießfäden niederrinnen

Gleich eines Kerkerraums gewaltger Gitterwand,

Und wann ein stummes Volk von unheilvollen Spinnen

Im Grunde unsres Hirns verruchte Netze spannt,

Dann springen Glocken auf in wütendem Erbeben

Und senden ihr Geheul dem Himmel schrecklich zu,

Wie fremde Geister, die geächtet irrend schweben

Und quälend Klaggetön ausstöhnen ohne Ruh.

Und Leichenzüge, stumm, kein trauernd Grablied singend,

Ziehn langsam durch mein Herz; die Hoffnung siegberaubt,

Flieht weinend, und die Angst, entsetzlich, allbezwingend,

Pflanzt ihre Fahne schwarz auf mein gesenktes Haupt.

Bedrückung.

Ihr großen Wälder schreckt mich tief wie Kathedralen;

Ihr braust wie Orgeln, und in unsren Herzen all,

Grabkammern ewgen Leids, voll Röchelns alter Qualen,

Antwortet eures De profundis Widerhall.

Dich haß ich, Ozean! Dein Toben und Erdröhnen

Fühlt in sich selbst mein Geist! Dies Lachen bittrer Wut

Des unterlegnen Manns, voll von Geschluchz und Höhnen,

Ich hör es im Gelach der ungeheuren Flut.

Wie liebte ich dich, Nacht, ohn dieses Sterngefunkel,

Das heimlich zu mir spricht mit alt-bekanntem Schein!

Denn Leere suche ich und Finsternis allein!

Jedoch ein Vorhang ist das schauervolle Dunkel,

Wo wohlvertrauten Blicks, aus meinem Hirn entschwebt,

Die ungezählte Schar entschwundner Wesen lebt.

Die Liebe zum Nichts.

Geist, dem einst höchste Lust ein kriegrisch-froh Beginnen –

Die Hoffnung, deren Sporn dem Mut zu Hilfe kam,

Treibt dich nicht länger an! Streck hin dich ohne Scham,

Roß, dessen greiser Huf kein Ziel mehr mag gewinnen.

In stumpfem Schlaf ertränk verzweifelnd Herz und Sinnen.

Besiegter, müder Geist! Du Bettler, alt und zahm,

Fühlst weder Lust zum Streit noch Lieb im Herzen drinnen;

Lebt, Flötenseufzer, wohl, die zärtlich mich umspinnen!

Versucht, ihr Freuden, nicht ein Herz voll dunklem Gram!

Tot ist des Frühlings Duft, der süß mich überkam!

Und schleichend zehrt mich auf der Stunden qualvoll Rinnen,

Wie Schnee, der einen Leib in eisge Fänge nahm;

Den Erdball schaut mein Geist, erstarrt und flügellahm,

Und sucht nicht einen Schutz, dem Wirbel zu entrinnen!

Lawine, reißt du mich in deinem Sturz von hinnen?

Alchimie des Schmerzes.

Der eine flößt seine Glut dir ein,

Dem andern, Natur, bist du nur Trauer!

Was einem flüstert: Grabesschauer!

Spricht zum andern: Lebendiger Schein!

Du Hermes, der mit seinen Listen

Noch nie von mir Bedrücktem wich,

Zu Midas Abbild machst du mich,

Dem traurigsten der Alchimisten.

Durch dich verwandl ich Gold zu Erz

Und Edens Lust in Höllenschmerz;

In dem Grabtuch der Wolkendüfte

Schaut teuren Leichnams Bild mein Herz,

Und in selgen Ufers Geklüfte

Erbau ich gewaltige Grüfte.

Anziehendes Grausen.

Bei dem Himmel bleich und zerrissen,

Den das Unheil foltert wie dich,

Was fühlst in den Finsternissen

Deiner Brust du? Lüstling, sprich!

Voller Gier nach dem Ungewissen,

Werde niemals mit Tränen ich

Die Paradiese vermissen,

Wie Ovid, als von Rom er wich.

Ihr verwüsteten Himmelsräume,

Zu euch schaut mein Stolz empor!

Eurer Wolken trauernder Flor

Gleicht dem Leichenzug meiner Träume,

Und der Hölle entstammt euer Schein,

Wo mein Herz sich wohl fühlt allein!

Das Gebet eines Heiden.

Laß nicht diese Gluten verschwelen!

Erstarrende Kälte, entflieh!

Wollust, du Folter der Seelen!

Diva! supplicem exaudi!

Du Flamme, im Tiefsten geboren,

Göttin, die die Lüfte durchdringt,

Erhöre ein Herz, das erfroren

Einen ehernen Sang dir singt.

Du, Königin, bleibe mein Sehnen!

Verbirg dich im Leib der Sirenen,

Der leuchtet in samtenem Schein,

Oder schenke im mystischen Wein

Mir des tiefen Schlummers Genesen,

O Wollust, veränderlich Wesen!

Der Deckel.

Wo er auch weilen mag, zu Land wie auf dem Meere,

In heißer Tropenglut, auf weißbesonntem Firn,

Mag er als Jesu Knecht, als Höfling der Cythere,

Als finstrer Bettelmann, als schlauer Krösus irrn,

Und ob er seßhaft ist, ob schweift ins Ungefähre,

Am Land wie in der Stadt, ob rasch, ob träg sein Hirn,

Stets fühlt der Sterbliche des Rätsels dunkle Schwere

Und schaut nach oben nur mit angstgefurchter Stirn.

Der Himmel droben! Ein Gewölb von Kellerwänden,

Voll trüber Lampen, die ihr Licht der Posse spenden,

Wo jedes Mimen Tritt auf blutgen Boden pocht;

Des Klausners Hoffnungsstrahl, des Wüstlings Schreck und Fessel;

Der Himmel! Deckel auf dem ungeheuren Kessel,

In dem schier unsichtbar die große Menschheit kocht.

Der Unerwartete.

An seines Vaters Bett, der ächzt in Todesqual,

Spricht sinnend Harpagon vor diesen spitzen Zügen:

Im Speicher haben in genügend großer Zahl

Wir alte Bretter doch liegen?

Und Celimene gurrt: Mein Herz ist gut und weich,

Und Schönheit gab mir Gott, die mir gar lieb und teuer.

Ihr Herz! Ein hartes Herz, verrauchtem Schinken gleich,

Verdorrt in dem ewigen Feuer.

Ein stumpfer Schreiber, der für einen Geist sich hält,

Sagt zu dem Armen, den er stieß in Wind und Wetter:

Sag an, wo siehst du ihn, den Schöpfer deiner Welt,

Deinen gütigen Herrn und Erretter?

Wohl mehr als alle Welt kenn einen Wüstling ich,

Der, gähnend Tag und Nacht, mit kläglichen Gebärden

Gelobt, der schwache Narr: Ach glaubt mir, sicherlich

Will ich morgen tugendhaft werden.

»Nun ist der Frevler reif« tickt unheilvoll die Uhr,

Umsonst, daß warnend ichs dem kranken Fleische sagte,

Der Mensch ist taub und blind, so schwach sind Mauern nur,

Die ein Wurm bewohnt’ und zernagte.

Und jäh ist Einer da, der stets geleugnet ward,

Und spricht mit stolzem Hohn: »Glaubt nicht, daß ich vergesse,

Wie um die Hostie ihr euch freudig oft geschart,

Zur Feier der schwarzen Messe!

Ein jeglicher von euch gab mir sein Herz zum Thron,

Verruchte, ihr seid mein, durch Küsse tiefabscheulich.

Lernt Satan kennen nun an seinem Siegerhohn,

Wie die Welt gigantisch und greulich!

Bestürztes Heuchlerpack! Wer ist, der glauben kann,

Daß man den Herren höhnt und fängt in einem Netze,

Und daß der Mensch zugleich zwei Preise je gewann,

Den Himmel und irdische Schätze?

Es ziemt sich, daß das Wild bezahlt den Jäger macht,

Der auf dem Anstand lang gelauert auf die Beute,

Nun trage ich euch fort durch sonnenleere Nacht,

Meiner traurigen Lust Geleite,

Durch Erde und Gefels, durch mitternächtges Graun,

Durch einen Aschenhauf zerfallener Gebeine

In mein gewaltig Schloß, aus einem Block gehaun,

Und nicht aus sänftlichem Steine.

Denn ewge Sünde schuf den Bau, und er enthält

Mein Leiden und den Gram, der meinem Stolz verbündet!«

Indes drommetet hoch ob der erstarrten Welt

Ein Engel, der Sieg verkündet,

Von allen, deren Brust des Herren Geißel preist

Und ausruft: Meinen Schmerz schickt, Vater, deine Gnade!

Kein eitel Spielzeug ist in deiner Hand mein Geist,

Unerforschlich sind deine Pfade.

Wie die Trompete süß und feierlich erklingt,

Zur Himmelsernte der geweihten Dämmerungen,

Daß mit Verzückung sie ein jedes Herz durchdringt,

Dessen Loblied sie gesungen.

Mitternächtige Selbsterforschung.

Die Wanduhr kündet Mitternacht,

Als ob sie höhnend uns frage,

Welch einen Gebrauch vom Tage,

Der nun entschwunden, wir gemacht:

Diesen Freitag, den schicksalsschweren,

Den dreizehnten, haben mit Lust

Wir trotz allem, was wir gewußt,

Gelebt, als ob Ketzer wir wären.

Wir lästerten Jesum Christ,

Den göttlichsten aller Götter!

Wie ein Schmarotzer und Spötter,

Der bei verruchtem Krösus ißt,

Wir haben, dem Tier zu behagen,

Der Dämonen Sklavenschar,

Umschmeichelt, was feind uns war,

Und was uns lieb war, geschlagen.

Gleich Henkern haben am Schwachen wir,

Den man unrecht höhnt, uns verschuldigt,

Der Macht der Dummheit gehuldigt,

Die ehrner Stirn ist, wie ein Stier;

Wir küßten des Staubes Dumpfheit

Und gingen ihm ehrfurchtsvoll nach,

Wir priesen der Fäulnis Schmach

In all ihrer bleiernen Stumpfheit.

Dann saßen, um des Schwindels Qual

Zu ertränken in wilder Feier,

Wir stolzen Priester der Leier,

Denen ihr ruhmvoll Amt befahl

Des Dunkels Rausch zu entdecken,

Ohne Hunger genießend beim Schmaus! …

Rasch, löschen die Lampe wir aus,

In der Finsternis uns zu verstecken!

Der Mahner.

Wer irgend wert, ein Mensch zu sein,

Hat eine Natter in der Seele,

Sie gibt ihm wie ein Fürst Befehle,

Und sagt er: »Ja«, so spricht sie: »Nein!«

Willst du in starre Augen schauen

Den Nymphen und den Wasserfrauen,

Der Zahn sagt: »Deiner Pflicht hab acht!«

Pflanz Bäume oder zeuge Söhne,

Gib Vers und Marmor Form und Schöne,

Der Zahn sagt: »Lebst du diese Nacht?«

Was er auch plane und verlange,

In jedem Augenblicke trifft

Den Menschen warnend all das Gift

Der unerträglich-argen Schlange.

Hymne.

Dich, schöne Liebe, schöne Süße,

Dich Engel, der zum Licht mich weiht,

Unsterbliches Idol, dich grüße

Ich glühend in Unsterblichkeit.

Du flutest durch mein ganzes Leben

Gleich einem Seewind, herb und rein,

Und meiner Seele bangem Streben

Flößt du Begehr nach Ewgem ein.

Stets frischer Wohlgeruch, der blühend

Ein lieb Gemach in Düfte taucht,

Vergeßner Weihrauch, der erglühend

Geheim in tiefer Nacht verhaucht!

Wie soll ich nennen dich in Wahrheit,

Demantenreine Liebesglut,

Die in der Seele ewger Klarheit,

Ein Ambrakorn, verborgen ruht?

Dich, schöne Gute, schöne Süße,

Die Kraft und Freude mir verleiht,

Unsterbliches Idol, dich grüße

Ich glühend in Unsterblichkeit.

Der Rebell.

Ein Engel stürzt sich wie ein Aar vom Himmel nieder

Und rauft mit grimmer Faust des Glaubenslosen Haar.

Lern deine Pflicht! ruft er, und schlägt ihm Haupt und Glieder,

Ich will es. Und ich bin dein Engel in Gefahr.

Denn lieben sollst du und sollst nicht dein Herz versperren

All dem, was häßlich, siech, verirrt auf bösem Pfad,

Daß einen Teppich du bei seinem Nahn dem Herren

Siegjubelnd breiten kannst mit mildbarmherzger Tat.

So ist die Liebe. Eh dein Herz dir ganz erkaltet,

Sieh, daß sich deine Glut an Gottes Ruhm entfaltet,

Das ist die wahre Lust, und dauernd wird sie sein.

Und stark, wie sein Begehr, zum Lichte ihn zu führen,

Läßt ihn der Engel grimm die Riesenfäuste spüren,

Doch der Verdammte gibt ihm stets zur Antwort: Nein!

Bertas Augen.

Die schönsten Augen schmähn darf euer hold Gefunkel,

Ihr Augen meines Kinds, drin lieblich ruht und wacht

Ein Etwas, das so gut und selig wie die Nacht!

Ihr Augen, über mich gießt euer süßes Dunkel!

Ihr Kinderaugen weit, geliebt und rätselhaft,

Ihr gleicht dem Zaubertraum verborgner Grottenhallen,

Wo durch die Dämmerung der Schatten, die dort wallen,

Ein magisch Flimmern rinnt von seltner Schätze Kraft.

Mein Kind hat Augen, die tiefdunkel und verklärend,

Wie du, gewaltge Nacht, erhellt, wie du zu schaun!

In ihrem Feuer eint sich Liebe und Vertraun,

Die scheinen tief im Grund, bald schüchtern bald begehrend.

Der Springbrunnen.

Dein Auge, armes Lieb, ermattet,

Die Wimpern senkend ruhe lang

Von müder Anmut überschattet,

Nun dich die Freude ganz bezwang.

Der Springbrunn, der im Hofe flüstert,

Uns Tag und Nacht sein Murmeln schenkt,

Bleibt dem Entzücken hold verschwistert,

In das die Liebe mich versenkt.

Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.

So schwingt, entzündet von dem Funken

Der Lust, die deinen Busen schwellt,

Sich deine Seele kühn und trunken

Zu ferner Himmel Lichtgezelt.

Dann sinkt sie im Vergehen wieder

In einer Flut von bangem Schmerz,

Die unsichtbaren Pfads hernieder

Hinabtropft in mein tiefstes Herz.

Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.

O du, so schön in nächtgen Schatten,

Wie süß hört, über dich geneigt,

Die Klage sich, die ohn Ermatten

Vom Marmorbecken weinend steigt!

Mond, heilges Dunkel, Wasserschauer,

Gezweig, aus dem ein Rauschen quillt –

Die reine Schwermut eurer Trauer

Ist meiner Liebe Spiegelbild.

Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.

Fern von hier.

Dies ist das geweihte Zimmer,

Wo die Schöne, die hier immer

Wartend liegt in Schmuck und Flimmer,

Fächelnd kühlt des Busens Glut

Und gestützt in Kissen ruht,

Lauschend auf den Sang der Flut:

Es sind Dorotheens Räume.

Fern weint das Wasser und der Wind,

Daß ihr schluchzend Lied verschäume

In der verwöhnten Holden Träume.

Vom Kopf zum Fuß umschmiegt gelind

Salböl und Duft der Nardenbäume

Die Glieder diesem zarten Kind,

Das welker Blumen Hauch umrinnt.

Romantischer Sonnenuntergang.

Wie ist die Sonne schön, wann in azurne Räume,

Ein flammendes Geschoß, sie grüßend aufwärts steigt!

Glückselig, wessen Herz sich ihr in Liebe neigt

Bei ihrem Untergang, der prangender als Träume!

Ich denke dran! … Ich sah Quell, Blume, Furche, Feld,

Gleichwie ein zitternd Herz vergehn vor ihren Pfeilen …

Auf nach dem Horizont, es dunkelt, laßt uns eilen,

Damit auf unser Haupt ein später Strahl noch fällt!

Doch folge ich umsonst dem Gotte, der entschwindet;

Die allgewaltge Nacht hat schon ihr Reich begründet,

Die schwarz und unheilvoll das Herz in Schauern löst;

Ein Grabesdunst enthaucht des Dunkels feuchtem Flore,

Indes mein banger Fuß am Rand der finstren Moore

Auf kalte Schnecken und gescheuchte Kröten stößt.

Der Abgrund.

Pascal sah eine Kluft, wo er auch ging und stand.

Ein Abgrund ist das All: Traum, Handlung, Wort, Verlangen!

Wie oft ist über mich der Wind des Schrecks gegangen,

Daß sich mein Haar erhob, von eisger Furcht gebannt.

Die Tiefen und die Höhn, das Graun, das uns umfangen,

Das Drehn des Weltenraums, der stummen Wüsten Land …

Auf meiner Nächte Grund malt Gott mit kundger Hand

Die Schauer eines Traums voll endlos schwerem Bangen.

Ich fürchte mich vorm Schlaf, gleichwie ein Tor man scheut

Zu unbekanntem Land, wo finstrer Schrecken dräut,

Unendlichkeit seh fahl ich durch die Fenster strahlen,

Und meine Seele, die es schwindelt, füllt mit Neid

Das wesenlose Nichts in seiner Einsamkeit.

O! niemals mehr sein als Geschöpfe und als Zahlen!

Klagen eines Ikarus.

Wer die Liebe der Dirnen genossen,

Ist befriedigt und ohne Gram;

Mein Arm ist gebrochen und lahm,

Weil er Wolkengebilde umschlossen.

Das Sternheer, das vom Himmel glüht,

Ist schuld mit seinem seltnen Scheine,

Daß mein geblendet Aug alleine

Erinnerung von Sonnen sieht.

Umsonst wollt ich den Raum durchdringen,

Um End und Mitte zu erspähn;

Ich fühle, rettungslos zergehn

Vor fremdem Glutblick meine Schwingen.

Mich, den verbrannt der Sehnsucht Glut,

Lebendge Schönheit zu erkennen,

Krönt nicht der Ruhm, nach mir zu nennen

Den Abgrund, drin mein Leichnam ruht.

Sammlung.

Sei linde, o mein Schmerz, und sänftige dein Klagen.

Den Abend riefest du, schau seine Wiederkehr:

Aus seinem trüben Dunst siehst du die Stadt entragen,

Den einen ist er süß, den andern sorgenschwer.

Indes die Sterblichen nach niedren Freuden jagen,

Gepeitscht von der Begier, dem Henker mitleidleer,

Und bittre Reue heim vom Sklavenfeste tragen –

Fern ihnen, reich die Hand, mein Schmerz, mir und komm her!

Sieh auf Altanen du des Himmels die entwichnen,

Verstorbnen Jahre in Gewanden, in verblichnen,

Und wie aus Wassern sich die Wehmut lächelnd hebt,

Sich unter einem Tor die Sonne sterbend breitet,

Und wie ein Leichentuch, das weit gen Osten schwebt,

Horch, o Geliebte, horch, der Nacht, die leise schreitet.

Pariser Bilder

Landschaft.

Mich zart und rein zu weihn der Dichtung der Eklogen,

Will ich dem Himmel nah ruhn wie die Astrologen,

Den Glocken nah, daß mir im Traum, der mich umspinnt,

Ihr Feiersang ertönt, dahingeweht vom Wind.

Wann aufgestützten Haupts ich aus der Kammer spähe,

Schau ich der Werkstatt Fleiß und Lärm in meiner Nähe,

Rauchfänge, Türme rings, wie Masten, und dann weit

Den Himmel, der uns gießt den Traum der Ewigkeit.

Wie süß ist es zu schaun, vom Nebelflor umfeuchtet,

Wann im Azur der Stern, das Licht am Fenster leuchtet,

Wie auf zum Firmament der Strom des Rauches fließt

Und wie das Mondlicht bleich Verzückung niedergießt.

Ich werde Frühlingszeit und Herbst und Sommer sehen,

Und wann der Winter kommt mit Schnee und eisgem Wehen,

So schließe Laden ich und Tür, um in der Nacht

Zu bauen herrlich der Paläste Feeenpracht.

Dann werde träumen ich von blauer Fluren Sehnen,

Von Gärten, Marmorglanz, von weinenden Fontänen,

Von Küssen, Vögeln, die uns singen früh und spät,

Von all der Kindlichkeit, die durch Idylle weht.

Der Aufruhr läßt umsonst im Sturm die Scheiben beben,

Ich werde nimmermehr vom Pult mein Haupt erheben,

Weil dann die Freude ganz mein Herz umfangen hält,

Zu schaffen eigner Kraft des Frühlings junge Welt,

Die Sonne aus der Brust zu ziehn und herzulächeln

Aus der Gefühle Glühn der milden Lüfte Fächeln.

Lola de Valence.

Aufschrift für das Gemälde Edouard Manets.

Bei all dem Schönen, das die Augen rings entzückt,

Schwankt, Freunde, wohl der Wunsch, was er zumeist sich wähle;

Doch Lola de Valence erstrahlt gleich dem Juwele,

Das schwarz und rosig blinkt, von seltnem Reiz geschmückt.

An eine rothaarige Bettlerin.

Blaß Mädchen mit dem roten Haar,

Die Armut werden wir gewahr

Durch all die Löcher deines Kleids

Und deinen Reiz.

Dein schmaler Körper zeigt für mich,

Den schwachen, müden Dichter, sich,

Mit Sommersprossen überstreut,

Voll Süßigkeit.

Wie ihre Prunksandalen in

Romanen eine Königin,

So zierlich und gewandt trägst du

Die schweren Schuh.

Statt deiner Lumpen möge dir

Ein Hofgewand in reicher Zier,

Dess’ Falten rauschend niedergehn;

Den Fuß umwehn.

Statt der zerrißnen Strümpfe soll

Dem Blick des Wüstlings anmutvoll

Ein goldner Dolch an deinem Bein

Sprühn lichten Schein;

Daß Schleif und Band, gelöst, zerknüllt,

Für unsre Sünden froh enthüllt

Der schönen Brüste heiter Paar,

Wie Augen klar;

Daß deine schlanken Arme, Kind,

Dich zu entkleiden willig sind

Und leichter Schlag die Hand verjagt,

Die zuviel wagt.

Ein Perlschmuck rein und fehlerlos,

Ein zärtliches Sonett Belleaus

Bringt der Verehrer Sklavenschar

Dir huldgend dar.

Die Helden all der Reimerein,

Die ihre Erstlinge dir weihn,

Bewundern, wie dein leichter Schritt

Die Stufen tritt.

Manch Page, der auf Wagnis sann,

Manch ein Poet und Edelmann,

Sie schicken all ihr Sehnen nach

In dein Gemach.

Es würden auf dem Lager dein

Mehr Küss’ als Königslilien sein,

Manch Valois machte gerne sich

Zum Knecht für dich!

Indessen aber bettelnd ziehst

Durch arme Gassen du und siehst

Nach dem Gerümpel alten Schutts

Im Straßenschmutz;

Und schielst nach Schmuck hin, vielbegehrt,

Der keine zwanzig Pfennig wert,

Den ich dir, rechn es mir nicht an,

Nicht schenken kann.

So geh denn ohne Prunkgewand,

Riechwasser, Perlen, Diamant,

In magrer Nacktheit immerzu,

O Schönste du!

Der Schwan.

An Victor Hugo.

I.

Du bists, Andromache! Dies Flüßchen, das ein grauer

Und armer Spiegel ist, wo einstmals hoheitsvoll

Geglänzt die Majestät all deiner Witwentrauer,

Der falsche Simois, der durch dein Weinen schwoll,

Scheint mir, als ob belebt er mein Gedächtnis hätte,

Als ich hinüberschritt das neue Karussell.

– Das einstige Paris ist hin, die Form der Städte

Verwischt sich, nicht einmal die Liebe stirbt so schnell.

Im Geiste schau ich nur das Feld von Hütten wimmelnd,

Der Kapitale und der Schäfte wirren Wust,

Das Gras, die Blöcke rings, in feuchtem Moose schimmelnd,

Und durch der Fenster Schein den Trödelkram und Grust.

Schaubuden standen dort. Da sah ich in der Frühe,

Zur Zeit, da fröstelnd sich in klarem Morgenduft

Die Arbeit neu erhebt und es uns deucht, als sprühe

Vom Besen wie ein Sturm Staub in die stille Luft,

Wie sich ein Schwan, der, dem Verließ entkommen, schweifte,

Mit breitem Flossenfuß am staubgen Pflaster rieb,

Die weißen Schwingen auf dem rauhen Boden schleifte,

Den Schnabel öffnend vor der Gosse stehen blieb.

Erzitternd badete im Staub er sein Gefieder

Und sprach, das Herz erfüllt vom blauen Heimatssee:

Wann, Wolke, regnest du? Wann fällst, o Blitz, du nieder?

Ich sah des Armen fremd und sagenhaftes Weh.

Zum Himmel reckte er, wie es Ovid gedichtet,

Zum Himmel, blau und hart wie grausam bittrer Spott,

Auf seinem schwanken Hals sein durstig Haupt, als richtet’

In seiner herben Qual Vorwürfe er an Gott!

II.

Paris wird anders, doch in meiner tiefen Trauer

Bleibt alles! Der Paläst’ und der Gerüste Meer,

Die Vorstadt hüllen sich in deutungsvolle Schauer,

Und die Erinnerung liegt auf mir felsenschwer.

So überkommt ein Bild vorm Louvre mich bedrückend,

Dein denk ich, großer Schwan, gequält, fast lächerlich,

Doch wie Verbannte mit Erhabenheit sich schmückend,

Verzehrt von einem Wunsch ohn Ende, und an dich,

Andromache, die, jäh des Gatten Arm entsunken,

Ein Tier, vorm mächtgen Griff des Pyrrhus niederbrach.

An einer leeren Gruft sich beugend, gramestrunken,

Das Weib des Helenus und Hektors Witwe, ach!

Der Negrin denke ich, die krank zum Niedersinken,

Im Schmutze watend und das Auge unverwandt,

Die Palmen sucht, die schlank in Afrika ihr winken,

Durch die gewaltige, endlose Nebelwand;

An jeden, der verlor, was nie, nie seine Augen

Mehr schauen; an die Schar, gestillt vom Tränentrank,

Die an dem Schmerze, wie an gütger Wölfin saugen,

Die magren Waisen, die gleich Blumen welk und krank!

Es tönt das Horn im Wald, in den mein Geist vertrieben,

Ein alt Erinnern mir mit vollgeschwelltem Hauch!

Der Schiffer denke ich, auf fernem Riff geblieben,

Gefangner, Fliehender! … und mancher andern auch!

Die sieben Greise.

An Victor Hugo.

Du volkdurchströmte Stadt, Stadt, wo die Träume schweben,

Wo das Gespenst uns krallt im hellsten Tagesschein!

Die Rätsel fluten rings, gleichwie die Säfte streben

Durch alle Adern, die dem Riesen Kraft verleihn.

An einem Morgen, als in traueröder Gasse

Die Häuser, überhöht vom Nebel, trüb und bleich,

Erschienen wie ein Deich längs mächtger Wassermasse,

Und als Kulisse, die des Mimen Seele gleich,

Ein gelber Nebel rings die Weiten überschwemmte,

Ging ich, gestählter Kraft und hohen Mutes voll,

Mit meiner Seel im Streit, die schon Erschlaffung hemmte,

Die Straße, schütternd von der Karren dumpf Geroll.

Da sah ich einen Greis, der sich mit Lumpen deckte,

– Sie ahmten tiefstes Grau des Regenhimmels nach –

Und dessen Anblick leicht der Wohltat Fülle weckte,

War nicht die Bosheit, die ihm aus den Augen brach.

Sein Augenstern erschien, als ob ihn Galle tränkte,

Aus seinem Blick rann Frost, indessen langgehaart

Sein steifer Bart sich wie ein Degen niedersenkte,

Erstarrt und fürchterlich gleichwie des Judas Bart.

Gebrochen war er, nicht gebeugt. Es war sein Rücken

In rechtem Winkel zu dem Bein, so daß sein Stab,

Vollendend dies Gebild der Furcht, in allen Stücken

Ihm das Erscheinen und das irre Straucheln gab,

Das einem Juden mit drei Füßen zu vergleichen,

Wie ein gelähmtes Tier durch Schnee und Schmutz er ging,

Als träte ewig er mit seinen Schuhn auf Leichen,

Nicht stumpf, nein, haßerfüllt der Welt, die ihn umfing.

Ihm folgt sein Ebenbild: Bart, Blick, Stock, Rücken, Fetzen,

Kein Unterschied! Entstammt demselben Höllenbrand!

Dies greise Zwillingspaar zog – wunderlich Entsetzen –

Mit gleichem Tritte in ein nie erschautes Land.

Welch böser Anschlag stieß mein Herz in solche Qualen,

Welch schnöder Zufall kam, zu Boden mich zu ziehn,

Denn nacheinander sah mein Blick zu sieben Malen

Den greisen Fremdling, wie er furchtbar mir erschien.

Ein jeder, der den Schreck verhöhnt, der mich umnachtet,

Und der nicht spüren mag ein brüderliches Graun,

Bedenken soll er das: Des Alters ungeachtet

War in der Sieben Blick die Ewigkeit zu schaun!

Wie konnt ich lebend sehn den achten meiner Dränger?

Voll schicksalsschweren Hohns, selbst Sohn und Vater sich?

Den grausen Phönix, den gespenstgen Doppelgänger …

Jedoch den Rücken wandt dem Höllenzuge ich.

Verzweifelnd, Säufern gleich, die alles doppelt sehen,

Stürzt ich nach Haus und schloß die Tür, von Schreck gehetzt,

Krank und zu Eis erstarrt, den Geist in Fieberwehen,

Durch dieses Rätsel und sein sinnlos Spiel entsetzt.

Umsonst rang die Vernunft, daß sie das Steuer fasse,

Im Spiel brach ihre Kraft der Sturm mit mächtgem Stoß,

Und meine Seele schwamm, wild tanzende Barkasse,

Auf einem Ozean voll Graun und uferlos!

Die Blinden.

Betrachte sie, mein Herz, wie sind sie fürchterlich!

Den Gliederpuppen gleich, fast lächerlich zu schauen;

Und wie Nachtwandelnde erwecken sie uns Grauen.

Durchs Leere tastet ihr erstorben Auge sich.

Die Augen, draus entflohn das Licht, das gottgeschenkte,

Erheben sie, als ob sie in die Ferne sähn,

Zum Himmel. Niemals noch sahst je du einen gehn,

Der träumerisch sein Haupt zu Boden niedersenkte.

Das Dunkel unbegrenzt, das sie umfangen hat,

Durchziehn sie, das verwandt der ewgen Ruh. O Stadt,

Indes du singst und brüllst, stets neuen Rausch zu finden

In grauenhafter Lust, der du schon übersatt,

Ich schlepp mich auch, und mehr als sie zerstört und matt,

Frag ich: was suchen sie im Himmel, all die Blinden?

Das Spiel.

In fahlen Sesseln schaut ich alte Buhlerinnen,

Bleich, mit gemalten Braun, geschminkt noch im Verfall,

Verstellten Blicks. Ich sah von magren Ohren rinnen

Ein klirrendes Gehäng von Steinen und Metall.

Gesichter lippenlos, auf grüne Tische stierend,

Die Lippen ohne Blut, Kinnladen ohne Zahn,

Und Finger, wild verkrampft, nach Golde angstvoll gierend,

Durchwühlend Brust und Kleid in grausem Fieberwahn.

An schmutzigem Gewölb unzählge Kerzenlichter

Und riesge Leuchter, die ihr Flimmern bleich und weiß

Entsandten auf die Stirn der finstren, großen Dichter,

Die stumm vergeudeten der Marter blutgen Schweiß.

Das ist das schwarze Bild, das ich in bösem Traume

Mit allzu klarem Blick erspäht in nächtger Zeit.

Ich selber schaute in dem grauenhaften Raume

Mich aufgestützt, erstarrt, stumm und voll tiefem Neid.

Voll Neid auf dieser Schar untilgbar-zäh Verlangen,

Auf dies Vergnügen, das die Dirnen aufrecht hielt,

Wie unter meinem Blick sie frech und unbefangen

Um einstge Schönheit und um Ehrbarkeit gespielt.

Und es erschrak mein Herz, manch Armen zu beneiden,

Der glühnden Eifers stürzt zum Abgrund des Gerichts,

Und der, von seinem Blut berauscht, die grimmsten Leiden

Dem Tode vorzieht und die Hölle selbst dem Nichts.

Totentanz.

An Ernest Christophe.

Von ihrer Schönheit stolz wie Lebende durchdrungen,

Prunkt sie mit Taschentuch, mit Handschuh und mit Strauss;

In kühner Lässigkeit zeigt sie sich ungezwungen –

Wie eine magere Kokette sieht sie aus.

Hat je auf einem Ball man schlankren Wuchs gesehen?

Du schaust ihr grelles Kleid, an weiten Falten reich,

Auf einen Knochenfuß in Wellen niedergehen,

Von buntem Schuh geschmückt, der zieren Blumen gleich.

Ihr magres Schlüsselbein umschmiegen leichte Spitzen,

Gleich einem üppgen Bach, der sich am Felsen reibt,

Und sittsam bergen sie vor possenhaften Witzen

Den unheilvollen Reiz, der tief verborgen bleibt.

Die hohlen Augen sind erloschen und verwittert,

Es nickt der Blumenschmuck vom Schädel grauenvoll,

Der schwank sich wiegend auf den dünnen Wirbeln zittert –

O Zauber eines Nichts, das aufgeputzt und toll!

Gar manche möchten dich ein nächtig Zerrbild nennen,

Die von der Trunkenheit des Fleisches nur gewußt,

Die nicht der menschlichen Gebeine Feinheit kennen:

Du mächtiges Skelett stillst meine höchste Lust!

Kommst du zu stören mit erschreckender Grimasse

Das Fest des Lebens, als ob lüsterne Begehr,

Leichtgläubge, dein Gebein im Grab nicht ruhen lasse,

Zum wilden Taumeltanz des Freudensabbats her?

Beim Sang der Geigen, bei der Kerzen lichtem Prangen

Hoffst zu verscheuchen du der finstren Träume Not?

Willst du vom wilden Strom der Orgien erlangen,

Daß er die Hölle kühlt, die dir im Herzen loht?

Unausgeschöpfter Quell von Wahn und Seltsamkeiten,

Nach dem der Menschheit Schmerz seit alter Zeit geforscht,

Ich sehe durchs Gewand, geschürzt an deinen Seiten,

Die gierge Schlange, die dir das Gebein zermorscht.

Zwar fürchte wahrlich ich, daß deine Reize scheitern,

Und daß kein Preis dich krönt, der würdig deiner Mühn;

Wen dieser Sterblichen wird solcher Spott erheitern?

Das Graun kann Starke nur mit seiner Lust durchglühn.

Der Augen Höhlung, drin des Grabes Schauer nachtet,

Enthaucht den Schwindel, und es wird kein Tänzer sein,

Der ohne Ekel und Beklemmung je betrachtet

Das Lächeln, das uns grinst aus deiner Zähne Reihn.

Doch welches Menschen Arm umfing nicht schon Skelette?

Wer hat sich nicht genährt vom Graun der Grabeswelt?

Was kümmert uns Geruch, Gewandung und Toilette!

Der, der sich ekelt, zeigt, daß er für schön sich hält.

Du Tänzrin, nasenlos! Sieghafte Dirne! Winke

Und sprich zur Tänzerschar, die sich erschrocken ziert!

Ihr Hübschen! Trotz der Kunst des Puders und der Schminke

Riecht ihr nach Grabesdunst! Skelette parfümiert!

Ihr Gecken welker Schmach! Ihr Dandys falschen Glanzes

Grauhaarger Stutzerschwarm! Gefirnißtes Gebein!

Die Welterschütterung des grimmen Totentanzes

Reißt euch in dunkles Land, das niemand sah, hinein.

Am kalten Seinestrand, am Glutgestad des Ganges

Spreizt tanzend sich die Schar der Menschen und sieht nicht,

Daß klaffend durchs Gewölb gleichwie ein dunkles, banges

Sturmwetter, dräuend des Gerichts Posaune bricht.

In deiner Welt bestaunt der Tod dich allenthalben,

Wie, sterbliches Geschlecht, er deinen Krampf verlacht,

Und oft, indem gleich dir er prunkt mit duftgen Salben,

Eint seinen grimmen Hohn er deines Wahnsinns Nacht!

Die Liebe zur Lüge.

Wann du vorbei mir gehst, gleichgültig-stolze Schöne,

Beim Sange der Musik, der am Gewölb zerfließt,

Wie du dich sacht bewegst, harmonisch wie die Töne,

Und Langeweil im Blick tiefmüde um dich siehst;

Erblicke ich belebt vom wehnden Gasgeflimmer

Die krankhaft-bleiche Stirn, wo wundersam der Brand

Der Abendfackeln spielt, wie neuer Morgenschimmer,

Dein Auge, das mich wie der Blick von Bildern bannt –

Denk ich: wie ist sie schön, von frischem Reiz umflutet!

Erinnrung, wie ein Turm, der schwer und königlich,

Bekrönt sie, und ihr Herz, das wie ein Pfirsich blutet,

Beut reif, gleich ihrem Leib, der kundgen Liebe sich.

Bist du des Herbstes Frucht, von auserlesner Milde?

Bist eine Urne du, die sich nach Tränen bangt,

Ein Duft, der träumen macht von seligem Gefilde,

Ein schmeichlerischer Pfühl, ein Korb, der Blüten prangt?

Ich weiß es: Augen sind, voll trauervoller Reine,

Wo sich kein Rätsel birgt, das köstlich zu erschaun,

Wie leere Medaillons, kleinodienarme Schreine,

Und tiefer, öder noch als selbst der Himmel Blaun.

Doch die Erscheinung ists, die zagendem Gefühle,

Das vor der Wahrheit flieht, das Sein versüßen kann.

Was kümmern Torheit mich und seelenlose Kühle?

Ob Maske oder Zier – dich, Schönheit, bet ich an!

Nebel und Regen.

Herbstende, Winter ihr, Frühlinge reich an Regen,

Euch Schlummerzeiten sehnt die Seele sich entgegen,

Die wie ein weites Grab ihr Herz und Hirn umgebt

Im Nebel, der mich wie ein Leichentuch umwebt.

In weiter Ebne, die die kalten Winde fegen,

Wo Wetterfahnen in der Nacht sich kreischend regen,

Spannt meine Seele, die kein warmer Lenz belebt,

Den Rabenfittich, der sie düstren Flugs erhebt.

Nichts kann so süß sein für ein Herz, das gramzerrissen,

Auf das seit langem schon der Frost herniederfällt,

O bleiche Himmel, ihr Gebieter unsrer Welt,

Als stets zu sehn das Graun von fahlen Finsternissen,

Wenn nicht den bittren Schmerz auf unsrem Bett wir sacht

Einschläfern Brust an Brust in mondesleerer Nacht.

Pariser Traum.

An Constantin Guys.

I.

Von diesem schrecklichen Gefilde,

Das nie ein sterblich Aug erblickt,

Hat ein verweht und zart Gebilde

Noch diesen Morgen mich entzückt.

Der Schlaf ist reich an Wunderträumen!

Durch einer Laune fremdes Spiel

Bannt ich aus den erschauten Räumen

Der Pflanzen regellos Gewühl.

Im Bild, das stolz mein Geist sich malte,

Erfreute sich mein kühnes Herz

An ewger Öde, die erstrahlte

Von Wasser, Marmelstein und Erz.

Es war ein Babel von Arkaden,

Ein niemals endender Palast,

Reich an Bassins und an Kaskaden,

Von Schalen matten Golds gefaßt;

Und Wasserfälle, niederschießend

Gleich einem Vorhang von Kristall,

Sie hingen schwer, ihr Licht ergießend,

An steilen Mauern von Metall.

Nicht Bäume sondern Kolonnaden

Umgaben schlummerstille Seen,

Wo die gigantischen Najaden

Wie Frauen sich im Spiegel sehn.

Es breiteten sich blaue Teiche

Entlang den grün und rosgen Strand,

Durch tausend nie ermeßne Reiche,

Bis an der Erde fernsten Rand.

Es waren nie erschaute Steine

Und eine magisch-fremde Flut,

Gewaltge Spiegel, hell vom Scheine

Der Wunder, die darin geruht.

Weltströme wie der Ganges flossen

Verstummt im Ruhn des Ätherblaus,

Und ihrer Urnen Schätze gossen

Sie in demantne Schlünde aus.

Ich ließ, des Feeenreichs Erbauer,

Durch eines Tunnels nächtgen Gang,

Mit edelsteingeschmückter Mauer,

Das Weltmeer gehn, das ich bezwang.

Geschliffen, schillernd und geglättet

War selbst der schwärzen Farben Nacht,

Stolz prangend in die Flut gebettet,

Erleuchtet in kristallner Pracht.

Sonst keine Sterne, keine Flammen

Der Sonne, selbst am Himmelsrand,

Die Dinge all, die wundersamen,

Durchleuchtete ihr eigner Brand.

Und über dieser Welt verloren,

Lag – neuer Schrecken: endlos weit

Dem Auge alles, nichts den Ohren –

Ein Schweigen wie die Ewigkeit!

II.

Den trunknen Blick dem Tag erschlossen,

Sah meiner Kammer Elend ich,

Und vom Bewußtsein neu durchflossen,

Fühlt ich der Sorgen grimmen Stich.

Die Uhr mit ihren dumpfen Schlägen

Schlug Mittag, und vom Himmelszelt

Sank finsteres Gewölk und Regen

Auf diese frosterstarrte Welt.

Morgendämmerung.

Der Weckruf ertönte im Hof der Kasernen

Und der Morgenwind blies auf die Laternen.

Es war die Stunde, da der Träume bösem Bann

Auf seinem Bett der Knab sich nicht entwinden kann,

Da wie ein blutig Aug, das bebt in wehen Qualen,

Die Lampen ihren Fleck rot in den Morgen malen,

Da durch des Körpers Last die Seele niederbricht

Und gleiche Kämpfe ringt wie Tag und Lampenlicht.

Wie ein betränt Gesicht, das trocknet in den Winden,

Erschauern in der Luft die Dinge, die entschwinden.

Des Schreibens ist der Mann, die Frau des Liebens satt.

Schon stiegen hier und dort Rauchsäulen aus der Stadt.

Die Freudenmädchen, tiefgesenkt die bleichen Lider,

Sie lagen offnen Munds in stierem Schlaf danieder;

Und Arme, welk die Brust, die Lippen ohne Blut,

Bliesen die Finger sich und bliesen in die Glut.

Es war die Stunde, da in Kälte und Entbehren

Die Wehn und Nöte der Gebärenden sich mehren,

Gleich einem Schluchzen, das ein Blutsturz jäh verschlang,

Der frühe Ruf des Hahns durch Morgennebel drang;

Um die Gebäude schwamm das Nebelmeer, das fahle,

Schwer keuchten Sterbende im Schoß der Hospitale

Und stießen todesmatt ein letztes Röcheln aus.

Gebrochen schleppten sich die Wüstlinge nach Haus.

Das Morgenrot in grün und rosigem Gewande

Kam fröstelnd langsam her am öden Seinestrande;

Das finstere Paris brach seines Schlummers Bann

Und griff zum Handwerkszeug, ein greiser Arbeitsmann.

Der Wein

Der Wein der Lumpensammler.

Oft schauen wir, wie in der Flammen rotem Flirren,

Im wehnden Flackerschein, bei der Laternen Klirren,

Im Schoß der alten Stadt, von Schmutz und Elend voll,

Dort, wo die Menschheit stöhnt in wetterschwangrem Groll,

Ein Lumpensammler kommt, der, wie ein Dichter schwankend,

Wild schüttelt mit dem Kopf, an alte Mauern wankend;

Und voll Verachtung für der Späher feilen Hauf

Läßt seinem Hoffen er im Rausche freien Lauf.

Er schwört Gelübde, gibt erhabene Gesetze,

Er hebt Gestürzte auf, zerreißt der Bösen Netze,

Der Himmel überwölbt ihn wie ein Baldachin,

Wie trunken macht der Glanz der eignen Tugend ihn.

Ja, diese Leute, die in Sorgen niederbrechen,

Die Arbeit schier zermalmt, die lange Jahre schwächen,

Gelähmt, sich bückend vor der Last gehäuften Schutts,

Die ausgespien Paris, ein wirr Gewühl von Schmutz,

Sie kommen vom Geruch der Fässer wie umflossen,

Mit kampfergrauter Schar, mit jubelnden Genossen,

Ihr Schnurrbart hängt herab wie Fahnen greisen Ruhms,

– Siegbogen, Blumen, all der Glanz des Heldentums

Erhebt vor ihnen sich wie eine Zaubersonne,

Sie bringen, ganz betäubt vom Festlärm und der Wonne

Der Trommeln, des Geschreis, des Horns, der Strahlenpracht,

Die Glorie ihrem Volk, das Liebe trunken macht,

So rollt, auf daß er all die nichtge Menschheit letze,

Der Wein sein reiches Gold, ein Paktolos der Schätze;

Im Mund des Menschen singt sein Tun er, siegeshehr,

Gleich wahren Köngen herrscht durch seine Gaben er.

Den Gram zu tilgen und die Gleichmut sanft zu wiegen

All der Verstoßnen, die ergreist und stumm erliegen,

Gab reuig Gott den Schlaf, der tröstlich und gelind.

Der Mensch erschuf den Wein, der Sonne heilges Kind!

Der Wein des Einsamen.

Der Kurtisanen Blick, der seltsam zu uns gleitet,

Dem flüchtgen Zitterstrahl des blassen Mondes gleich,

Wann er herniedertaucht zum leicht gerillten Teich,

In dem um Silberglanz die Flut sich lässig breitet;

Der letzte Beutel Gold in eines Spielers Hand;

Ein tändelnd-dreister Kuß der magren Adeline;

Ein ferner Schmeichelklang von müder Violine

Wie weher Klagelaut, der sich der Brust entwand …

Das alles, Flasche, gleicht dem Glück nicht, das du sendest,

Wenn du den Balsamtrank aus reichem Innern spendest,

Der das erloschne Herz des Dichters neu entfacht,

Du träufelst Hoffnung ihm und Jugend und das Leben

Und Stolz, den einzgen Schatz, den Armut uns gegeben,

Der triumphierend uns und Göttern ähnlich macht.

Der Wein der Liebenden.

Heut strahlen herrlich die Weiten!

Ohne Zügel und Sporn laß uns reiten

Dahin, beflügelt vom Wein,

In den Himmel der Feen hinein!

Zwei Engeln gleich, die dem Glühen

Der lastenden Schwüle entfliehen,

Laß im Morgen, kristallblau und rein,

Uns folgen dem spiegelnden Schein.

Gewiegt von den weichen Schwingen

Des Wirbelwinds, der uns freund,

In gleichentzücktem Umschlingen,

Meine Schwester, laß eng vereint

Uns rastlos fliehn durch die Räume

Zu dem Paradies meiner Träume.

Blumen des Bösen

Die Zerstörung.

Ohn Unterlaß spür ich, wie mich der Dämon drängt;

Wie regungslose Luft hält er mich rings umfangen;

Ich fühl und schlucke ihn, wie er die Lungen sengt,

Er füllt mein schuldig Herz mit ewigem Verlangen.

Oft nimmt er, meiner Glut zur Kunst gar wohl bewußt,

Die buhlerische Form der schönsten Frau auf Erden,

Und heuchlerischen Trugs läßt meiner Lippen Lust

Er den verruchten Trank verworfner Schande werden.

So führt er mich, vom Blick der Gottheit fern gebannt,

Schwerkeuchend und erschöpft durchs weite Wüstenland

Der toten Leere hin, in endlos-grauen Stunden.

Vor meinen Augen, die Verwirrung dunkelt, sät

Zerfetzte Kleider er und aufgerißne Wunden

Und des Zerstörungswerks bluttriefend Schlachtgerät!

Verdammte Frauen.

Gleich stummen Herden sich im Sande lagernd, wenden

Sie ihre Augen nach dem Horizont der See.

In ihren Füßen, die sich suchen, ihren Händen,

Bebt sehnsuchtsbanger Wunsch und fröstelnd-herbes Weh.

Die einen, trunken von gehauchten Traulichkeiten,

Gehn an den Bächen hin, die lallen durch den Hain,

Und stammeln bang die Glut der scheuen Kinderzeiten

Und ritzen Namen in die jungen Bäume ein.

Und andre, Schwestern gleich, durchwandern ernst und schweigend

Die Felsenküste, die Gesichte läßt erstehn.

Wo Sankt Antonius, wie Lavafluten steigend,

Die nackten Brüste der Versuchung einst gesehn.

Und andre, die im Schein verglommner Fackeln weilen,

In heidnischen Gewölbs verschwiegner Dunkelheit,

Flehn deine Hilfe an, ihr Fieberweh zu heilen,

O Bacchus, der der Qual Vergessenheit verleiht.

Noch andre, deren Brust bedeckt vom Skapuliere,

Die eine Geißel in dem faltgen Kleid versteckt,

Vereinen in der Nacht der öden Waldreviere

Den Rausch der wilden Lust der Pein, die Tränen weckt.

Dämonen, Jungfraun ihr, Untiere, Dulderinnen,

Erhabne Geister, die die Wirklichkeit verschmähn,

Die – lüstern oder fromm – auf Unbegrenztes sinnen,

Die bald verzweifelt schrein, in Tränen bald zergehn,

Ihr, denen ich ins Graun der Hölle nachgegangen,

Ich liebe, Schwestern, euch und klage euer Los,

Um euer finster Leid und ungestillt Verlangen,

Um das Gedächtnis an die Glut, so tief und groß.

Die Fontäne von Blut.

Oft deucht es mich, daß mein Blut mir entflieht,

Wie ein Springbrunn mit seltsam schluchzendem Lied,

Wohl hör ich, wie es strömt, dumpf murmelnd Stund an Stunde,

Doch taste ich umsonst und finde keine Wunde.

Durch die Stadt rinnts wie durch umfriedet Gebiet,

Und das Pflaster gleicht Inseln, die es umzieht.

Jedwede Kreatur trinkt es mit durstgem Munde,

Es taucht in tiefes Rot die ungeheure Runde.

Verzweifelt fleht’ ich an der Weine Zaubermacht,

Daß nur ein Tag mir frei von diesem Graun erscheine.

Jedoch das Ohr wird fein, das Auge klar vom Weine.

Im Lieben suchte ich vergessensdunkle Nacht;

Doch scheint mir, sich im Rausch der Liebe zu versenken,

Ein Bett von Nadeln, wo wir jene Dirnen tränken.

Amor und der Schädel.

Alter Buchzierat.

Auf der Menschheit Haupt hat im Hohne

Sich Amor gesetzt,

Und der Freche, der auf seinem Throne

Sich lachend ergetzt,

Läßt schillernde Kugeln steigen

Hinauf in die Luft,

Zu erreichen der Welten Reigen

Im blauenden Duft,

Der Lichtball schwebt, sich beschwingend,

In endlosen Raum,

Birst und haucht seine Seele verklingend,

Wie goldenen Traum,

Nun hör bei den schwebenden Blasen

Den Schädel ich flehn:

Dieses Spieles grausames Rasen,

Wie lang soll es gehn?

Das, was dein Mund, dein verruchter,

Im Spiele vertut,

Mein Hirn ist’s, Mörder, verfluchter!

Mein Fleisch und mein Blut!

Aufruhr

Die Verleugnung des Heiligen Petrus.

Was macht Gott Vater mit der Flut von Lästerungen,

Die Tag für Tag sich auf zu seinen Engeln schwingt?

Ruht er wie ein Tyrann, den Fleisch und Wein bezwingt,

Von unsrer Flüche Klang in sanften Schlaf gesungen?

Der Dulder Schluchzen und der Schrei der Opfer schwillt

Wohl zu berauschender Musik erwünschter Qualen,

Denn trotz dem Blut, mit dem sie diese Lust bezahlen,

Ist noch der Himmel nicht gesättigt und gestillt.

O Jesus! Denke an des Ölbergs bittre Klagen,

Da, als du kindlich Ihn auf Knien angefleht,

Der bei der Nägel Klang sich lachend weggedreht,

Die niedre Henker in dein zuckend Fleisch geschlagen.

Als deine Göttlichkeit bespien ward und entweiht

Vom niedren Kriegsvolk und vom Auswurf roher Buben,

Als du gefühlt, wie tief die Dornen sich dir gruben

Ins Haupt, in dem gewohnt der ganzen Menschheit Leid,

Als dein gebrochner Leib mit schwerer Last die Arme

Dir grauenhaft gedehnt, und als entsetzlich dann

Dir Blut und Schweiß herab von bleicher Stirne rann,

Als eine Zielscheib du hingst vor der Lästrer Schwarme,

Gedachtest träumend du an jenen lichten Tag,

Da zur Erfüllung des Versprechens froh du schrittest,

Da auf der Eselin, der sänftlichen, du rittest

Den Weg, der voll Gezweig und reichen Blüten lag.

Da ganz das Herz erfüllt von Mut und Hoffnungsglanze

Die Händler du gestäupt in göttlichem Gericht,

Da endlich Herr du warst! … Drang denn die Reue nicht

Dir in die Seite ein noch vor dem Stich der Lanze?

Ich, wahrlich, fliehe gern dies irdische Geschlecht,

Wo Traum und Handlung nicht gleichwägt in Schwesterhänden,

Dürft ich den Degen ziehn und durch den Degen enden!

Petrus verleugnete den Herren – er tat recht!

Abel und Kain.

I.

Stamm Abels, schlafe, iß und trinke,

Gott lächelt dir gnädig zu.

Stamm Kains, in Schmutz und Schlamm versinke,

Erbärmlich leb und ende du.

Stamm Abels, deines Weihrauchs Grüßen

Umschwebt den Seraph mild und rein.

Stamm Kains, wird deinem schweren Büßen

Denn niemals eine Ruhe sein?

Stamm Abels, reich ist deine Weide,

Und üppge Saat entsproßt dem Grund.

Stamm Kains, dich schmerzt im Eingeweide

Des Hungers Qual wie einen Hund.

Stamm Abels, deine Glieder wärme

An väterlichem Herdesbrand.

Stamm Kains, wie scheue Schakalschwärme

Irr frierend, ins Geklüft verbannt.

Stamm Abels, lieb und feilsche teuer!

Dein Silber selbst bringt Junge dir.

Stamm Kains, du Herz voll wildem Feuer,

Verfemt ist deiner Wünsche Gier.

Stamm Abels, groß und zahlreich wirst du,

Den Wanzen in den Wäldern gleich!

Stamm Kains, auf öden Straßen irrst du

Im tiefsten Elend, nackt und bleich.

II.

Dein Aas, Stamm Abels, wird verwesen,

Daß es den Boden fetter macht!

Stamm Kains, die Tat, die dir erlesen,

Hast nicht genügend du vollbracht.

Stamm Abels, hör des Urteils Stimme:

Dem Fangspieß ward das Schwert zum Spott!

Stamm Kains, empor zum Himmel klimme,

Und auf die Erde schleudre Gott!

Die Litanei Satans.

Du Cherub, herrlicher als die Gefährten alle!

Gott ohne Ruhm! Gestürzt in allgewaltgem Falle,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

O König des Exils, der unrecht ward verbannt,

Und der, wenngleich besiegt, stets stärker neu erstand,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

O du, allweiser Fürst in unterirdschen Reichen,

Du Heiland jeder Angst, die Menschen läßt erbleichen,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Der Aussatzkranken selbst und Parias verleiht

Durch Liebe den Genuß von Edens Seligkeit,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Der zur Geliebten die Verwesung sich erkoren,

Die jene Törin dir, die Hoffnung, hat geboren,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Der Todgeweihten gibt den Blick voll stolzem Trotz,

Ein Volk verdammend von der Höhe des Schafotts,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, welcher weiß und kennt, in was für nie entdeckte

Geklüfte Gott voll Neid den Edelstein versteckte,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, dessen klarer Blick die Kammern überfliegt,

Wo der Metalle Volk versargt im Schlummer liegt,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, dessen mächtge Hand am Abgrund sicher leitet

Den Menschen, der im Schlaf längs hoher Zinnen schreitet,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, der des Säufers alt Gebein durch Zauberkraft

Selbst unter Rosseshuf heil und geschmeidig schafft,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, der zum Trost des Manns, den Elend ganz verzehrt hat,

Uns des Salpeters und des Schwefels Kraft gelehrt hat,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Der auf des Krösus Stirn der Mitschuld Zeichen brennt,

Des Seele käuflich ist und kein Erbarmen kennt,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du, der in Aug und Herz den Mädchen das Ergetzen

An offnen Wunden gab und an zerlumpten Fetzen,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Der stets der Forscher Licht, der Stab der Flüchtgen war,

Beichtger Erhängter und verfolgter Sträflingsschar,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Du Vater aller, die geschreckt von Wetterstrahlen

Vor Gottes grimmem Zorn aus Eden bang sich stahlen,

Erbarm dich, Satan, mein und meiner tiefen Qualen!

Gebet.

Preis, Satan, dir und Ruhm in hoher Himmel Pracht,

Wo einstmals du geherrscht und in der Hölle Nacht,

In der besiegt du träumst in schweigendem Palaste!

Gib mir, daß unter der Erkenntnis Baum einst raste

Mein Geist, dir nahgesellt, zur Stunde, da dein Haupt

Gleich neuen Tempels Dach sein reich Gezweig umlaubt!

Der Tod

Der Tod der Liebenden.

Wir werden Lager tief wie Grüfte finden,

Die leichte Wohlgerüche übersprühn,

Und seltne Blumen werden sich uns winden,

Die unter schönrem Himmel uns erblühn.

Die letzten Gluten hauchend, die entschwinden,

Sind unsre Herzen Fackeln, licht und kühn,

Und lassen Feuer, die sie hold verbinden,

Aus unsrer Geister Zwillingsspiegeln glühn.

Wann Blau und Rosig abends mystisch scheinen,

Laß tiefen Blick uns tauschen, wie ein Weinen,

Ein Schluchzen, das nur Abschied atmen soll.

Dann schiebt ein Engel sacht zurück die Riegel,

Und neu belebt er, treu und liebevoll,

Die toten Flammen und die trüben Spiegel.

Der Tod der Armen.

Der Tod, ach, ist uns Trost und hoffnungsvolles Lieben,

Er ist des Lebens Ziel, die Kraft, die uns durchdringt,

Er ist der Zaubertrank, von dessen Rausch getrieben

Wir mutvoll weitergehn, bis daß der Abend sinkt.

Durch Sturmwind, Reif und Schnee, die eisig niederstieben,

Ist er die Klarheit, die durchs Dunkel zitternd blinkt;

Die große Herberg, wie sie in dem Buch geschrieben,

Wo man sich setzen kann, wo Schlaf und Speise winkt.

Er ist ein Engel, der des tiefen Schlafs Beglückung

In Zauberhänden hält und selgen Traums Verzückung,

Und der ein weiches Bett den nackten Armen macht;

Er ist der Götter Ruhm, des Erntesegens Milde,

Des Armen Gold, sein alt und heimatlich Gefilde,

Das weiterschloßne Tor zu neuer Himmel Pracht!

Der Tod der Künstler.

Wie oft ertönt mir noch der Narrenschellen Klang,

Wie oft noch, Zerrbild, küss ich deine Stirn voll Grauen?

Wieviel Geschosse noch verfliegen mir im Blauen,

Mein Köcher, eh ein Pfeil das seltne Ziel durchdrang?

Wir schmieden Plan auf Plan, das ganze Leben lang;

Manch schwer Gewaffen wird im Kampfe noch zerhauen,

Eh wir die Kreatur, die riesenhafte, schauen,

Gesucht in ewger Gier, die Tränen uns entrang.

Und Menschen gibt es, die stets fern von dem Idole,

Und diesen Bildnern, die verdammt und lichtberaubt,

Gezeichnet von der Schmach, dir meißeln Brust und Haupt,

Winkt eine Hoffnung nur gleich finstrem Kapitole!

Daß ihnen einst der Tod, ein neues Lichtgestirn,

Die Blume sprießen läßt und blühn aus ihrem Hirn!

Ende des Tages.

In bleiernen Lichtes Weben

Tanzt und windet ohne Grund

Sich schamlos lärmend das Leben,

Drum sobald der Erde Rund

Von seligem Dunkel erfrischt ist,

Wann alles, der Hunger selbst, ruht,

Wann alles, die Schmach selbst, verwischt ist,

Seufzt der Dichter: Nun ist’s gut!

Meine Glieder wie meine Gefühle

Erflehen die Ruhe sich,

In finsterem Traumgewühle

Will ausgestreckt liegen ich,

Und dein Vorhang umhülle mich,

Erquickende, nächtige Kühle.

Traum eines Wißbegierigen.

Kennst du so tief wie ich des Leidens Süßigkeiten,

Und sagt man auch von dir: »Seht, welch ein Sonderling!«?

– Ich lag im Sterben. In der Brust, der todgeweihten,

Rang Schrecken und der Wunsch zum Tod, ein seltsam Ding.

Angst fühlt’ und Hoffnung ich, jedoch kein Widerstreiten.

Je mehr der schlimme Sand der Uhr zu Ende ging,

Je schärfer fühlte ich der Folter Herrlichkeiten;

Mein Herz entriß sich ganz der Welt, die es umfing.

Mein Fühlen glich dem Wunsch von schaubegiergen Kindern,

Den Vorhangsfalten feind, die unsre Blicke hindern …

Bis daß die Wahrheit sich enthüllte, kalt und blaß:

Tot war ich ohne Schreck. Und mich umgab der Schimmer

Des grausen Morgenrots. – Was! ist es nichts als das!

Der Vorhang war entschwebt … ich wartete noch immer.

Die Reise.

An Maxime du Camp.

I.

Dem Kinde, das entzückt von jedem Stich und Bilde,

Erscheint die Erde weit wie seine Träumerein.

Wie ist die Welt so groß bei lichter Lampen Milde!

Für der Erinnrung Blick, wie ist die Welt so klein!

Entflammten Geistes sind wir plötzlich auf dem Wege,

Das Herz von dumpfem Groll und herber Sehnsucht schwer,

Daß unsre Seele bang im Takt der Ruderschläge

Ihr Unbegrenztes wiegt auf dem begrenzten Meer:

Die einen fliehn ihr Land, um Ehr und Glück betrogen,

Die andern jagt der Fluch der Heimat, andre gehn,

In Augen einer Frau versunkne Astrologen,

Der Circe, die verlockt mit süßer Düfte Wehn.

Um nicht in Tiere sich zu wandeln, trinken Wonne

Sie aus der Himmel Glanz, aus Weite, Licht und Strahl;

Die Eisluft, die sie stählt, der Feuerbrand der Sonne

Verwischen allgemach der Küsse haftend Mal.

Doch wahre Wandrer sind, die den Ballons gleich reisen,

Nur um zu reisen, die leichtherzig nie den Bann,

Den ihnen das Geschick auflegte, von sich weisen,

Sie wissen nicht den Grund und sagen doch: Voran!

Die, deren Wünsche gleich den Wolken sich entfalten,

Wie ein Rekrut, der träumt von der Kanonen Ruf,

Erhoffen Freuden sie, die stets sich neu gestalten,

Für die des Menschen Geist noch niemals Namen schuf!

II.

Wir ahmen Kreisel nach und Ball in ihrem Schwirren

Und ihrem blinden Tanz; denn selbst im Schlummer nagt

Die Neugier uns das Herz und läßt uns weiter irren,

Grausamem Engel gleich, der Sonnen peitscht und jagt.

O sonderbares Glück, das stets verschiebt die Ziele,

Das, weil es nirgends ist, uns überall erscheint!

So daß der Mensch, der nie satt wird am tollen Spiele,

In ruhelosem Lauf Ruhm zu erjagen meint!

Ein Fahrzeug ist der Geist, das dreigemastet steuert

Zum Lande seines Glücks. – Schau auf! tönt’s längs dem Schiff;

Vom Mastkorb hallt ein Ruf, von Wahnsinn angefeuert:

Glück … Liebe … Ruhm! O Fluch! Er ist ein Felsenriff.

Ein jedes Eiland, das der Mann auf Wache kündet,

Erscheint ein Eden uns, das das Geschick verhieß,

Und unsre Phantasie schaut dort ihr Reich begründet,

Bis eine Klippe nur im Morgengraun sich wies.

Ihn, dessen Wünsche nur erträumten Landen gelten,

Sprecht, soll man fesseln ihn, ihn werfen in die See?

Den trunknen Seemann, den Entdecker neuer Welten,

Die spiegelnd in der Flut verschärfen unser Weh?

Gleichwie ein Vagabund durch Schmutz und Dunkel hinkend,

Die Nase in der Luft, sich Paradiese malt;

Sein Blick schaut überall ein Capua, wo blinkend

Ein ärmlich Talglicht aus zerfallner Hütte strahlt.

III.

Ihr edlen Reisenden! Welch seltne Wunder können

In euren Augen wir, die tief wie Meere, schaun!

Wollt des Gedenkens Schrein, den reichen, ihr uns gönnen,

Kleinodien, die ihr schuft aus Licht und Ätherblaun!

Dann reisen ohne Dampf und Segel wir von dannen!

Damit ein Lichtstrahl uns des Kerkers Nacht besonnt,

Laßt über unsren Geist, den leinwandgleich wir spannen,

Erinnrungsbilder ziehn, umrahmt vom Horizont.

Was saht ihr? Sprecht!

IV.

Wir sahn der Sterne licht Gefunkel,

Wir sahen Wüstensand und Wellen ungezählt;

Trotz manchem Unglücksschlag, trotz Sturm und Wetterdunkel

Hat Langeweile uns ganz so wie hier gequält.

Der Sonne Glorie auf den veilchenfarbnen Meeren,

Der Städte Glorie, wann die Sonne leuchtend sinkt,

Entzündeten in uns ein ruhelos Begehren

Nach eines Himmels Glanz, der fremd verlockend blinkt.

Die reichsten Städte und die prangendsten Gefilde

Enthielten nimmermehr den mystisch-seltnen Reiz,

Wie ihn aus Wolken formt des Zufalls fremd Gebilde.

Stets hauchte Sehnsucht uns die Schauer bangen Leids.

– In dem Genusse weiß die Sehnsucht Kraft zu finden.

O Sehnsucht, alter Baum, der von der Lust sich nährt,

Indessen du ergreist und härtest deine Rinden,

Sieh, wie dein schlank Gezweig zur Sonn’ emporbegehrt.

Strebst ewig, großer Baum, du mächtiger nach oben

Als die Zypresse? – Doch wir haben sorglich, wißt,

Für eures Sammelns Gier euch Skizzen aufgehoben,

Ihr Brüder, die ihr preist, was aus der Ferne ist.

Wir grüßten Götzen, die mit Riesenrüsseln dräuten,

Und Throne, die gebaut aus lichtem Edelstein;

Der Prunkpaläste Glanz, an dem wir uns erfreuten,

Möcht euren Handelsherrn Traum und Verderben sein.

Gewande, die das Aug entzücken und berauschen,

Fraun, die sich färben Zähn und Nägel, schauten wir

Und weise Zauberer, auf welche Schlangen lauschen.

V.

Was noch, was weiter noch?

VI.

O Kinderseelen ihr!

Um nicht das Wichtigste von allem zu vergessen,

Wir sahen überall, obgleich wir’s nie begehrt,

So oft die Stufen auch der Leiter wir durchmessen,

Den lästgen Anblick, den die Sünde uns gewährt:

Das Weib, die Sklavin, die ohn’ Abscheu, ohne Lachen

Sich liebt und tut, was Stolz und Dummheit ihr gebot,

Der Mann, ein Zwingherr, den Begier und Zorn entfachen,

Der Sklavin Sklave und ein Bach in Schmutz und Kot;

Der Henker, der sich freut, des Opfers Qual zu schärfen;

Die Orgie, der das Blut die rechte Würze gibt;

Das Gift der Herrschgewalt, Despoten zu entnerven,

Das stumpfe Volk, das in der Peitsche Schlag verliebt;

Und Religionen, die der unsren alle gleichen,

Zum Himmel klimmend, stolz auf ihre Heiligkeit,

Die, wie ein Zärtling, der sich wälzt im Bett, im weichen,

Sich ihre Wollust sucht in Pein und härnem Kleid.

Die Menschheit redet toll, am eignen Geist sich freuend,

Und wie sie immer war, von Wahnsinn heimgesucht,

In ihrem Todeskampf zu Gott dem Herren schreiend:

O du mein Ebenbild, mein Meister! Sei verflucht!

Die wenigst Dummen noch, die kühn den Wahnsinn lieben,

Den Haufen fliehend, der verschont bleibt vom Gericht,

Ins grenzenlose Reich des Opiums getrieben! –

So heißt des Erdenballs allewiger Bericht.

VII.

Ein bitter Wissen, das auf Reisen wir erspähen!

Die Welt läßt, eng und klein, für ewig festgebannt,

Uns gestern, morgen, heut das eigne Bildnis sehen,

Oase tiefen Grauns in öder Wüsten Sand!

Muß bleiben man, muß fliehn? Kannst bleiben du, so bleibe;

Geh, wenn dir’s not! Der flieht, der duckt verborgen sich,

Daß er die Wachsamkeit des Feindes hintertreibe,

Der Zeit! – O Läufer sind, die unabänderlich

Wie die Apostel und der ewge Jude eilen,

Die Schar, der Kiel und Rad nie schnell genug erschien,

Zu fliehn des Gegners Netz; und andere verweilen

Am Ort, der sie gebar, und töten dennoch ihn.

Wann endlich seinen Fuß im Rücken wir gewahren,

Dann können hoffen wir und rufen laut; Voran!

So wie vor Zeiten einst gen China wir gefahren,

Den Blick auf weiter See, die Haare im Orkan.

Wir werden froh das Meer der Finsternisse grüßen,

Dem jungen Wandrer gleich, des Herz sich freudig hebt,

Hört diese Stimmen ihr, die dunklen, tödlich-süßen,

Die singen: Kommt hierher, die ihr zu speisen strebt

Vom Lotus selgen Dufts. Hier erntet ihr alleine

Die Wunderfrucht, nach der ihr hungernd lang geirrt;

Kommt ihr berauschen euch am seltsam-milden Scheine

Des Sommernachmittags, der niemals enden wird?

Die traute Stimme weist uns Schatten, längst begraben;

Die Schar der Pylade erschließt die Arme weit.

»Schwimm zu Elektren hin, dein müdes Herz zu laben!«

Ruft sie, der wir die Knie geküßt vor langer Zeit.

VIII.

Tod! Greiser Kapitän! Zeit ist zum Ankerlichten!

Dies Land sind müde wir. O Tod, in See hinein!

Dräun, schwarz wie Tinte, Meer und Luft uns zu vernichten, –

Im Herzen, das du kennst, strahlt doch ein lichter Schein!

Laß zu erneuter Kraft dein eisig Gift uns trinken!

Wir wollen – uns verbrennt das Hirn in Glut und Graun –

Tief in des Abgrunds Nacht, ob Höll, ob Eden, sinken,

Ins unbekannte Sein, um Neues zu erschaun!