Und Johanne betete den Gesang, aber nicht aus einem Buch, sie hatte keins, sie wußte ihn auswendig. »Das waren schöne Worte«, sagte er; »aber ich konnte nicht ganz folgen. Mir ist der Kopf so schwer!«
Rasmus war ein alter Mann geworden; aber Else war auch nicht mehr jung, wenn wir von ihr reden sollen; Rasmus redete nie von ihr. Sie war Großmutter; ein kleines, geschwätziges Mädchen war ihre Enkelin; die Kleine spielte mit den anderen Kindern im Dorfe. Rasmus kam, auf seinen Stock gestützt; er stand still, sah dem Spiel der Kinder zu, lächelte ihnen zu, alte Zeiten schimmerten in seine Gedanken hinein. Elses Enkelin zeigte auf ihn. »Dummer Rasmus!« rief sie; die anderen kleinen Mädchen folgten ihrem Bespiel. »Dummer Rasmus!« riefen sie und verfolgten den alten Mann mit Geschrei.
Das war ein grauer, schwerer Tag und dem folgten mehrere solcher Tage; aber nach grauen und schweren Tagen kommt auch wieder ein sonniger Tag.
Es war ein schöner Pfingstmorgen; die Kirche war mit grünen Birkenzweigen geschmückt; es war ein Duft wie im Walde drinnen, und die Sonne schien über die Kirchenstühle hin. Die großen Altarkerzen waren angezündet; es war Abendmahl. Johanne war zwischen den Knienden, aber Rasmus war nicht unter ihnen. Gerade an dem Morgen hatte der liebe Gott ihn zu sich gerufen.
Bei Gott ist Gnade und Barmherzigkeit.
Viele Jahre sind seitdem vergangen; das Haus des Schneiders steht noch da, aber niemand wohnt dort; der erste Nachtsturm kann es umwerfen. Der Teich ist mit Schilf und Bitterklee überwuchert. Der Wind saust in dem alten Baum, es ist, als hörte man ein Lied; der Wind singt es, der Baum erzählt es; verstehst du es nicht, dann frage die alte Johanne im Armenhaus.
Sie lebt dort, sie singt ihren Gesang, denselben, den sie Rasmus vorgesungen hat; sie denkt an ihn, sie betet zu dem lieben Gott für ihn, die treue Seele. Sie kann erzählen von der Zeit, die verging, und von den Erinnerungen, die in dem alten Baum sausen.
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