Es war in deutschen Landen ein Minnesänger, der sang viel süße Weisen zum Lobe der Frauen; deshalb gewann er auch den Namen Frauenlob, denn sein rechter Name war Meister Heinrich von Meißen. Viele Reisen machte der Sänger von einem deutschen Hofe zum andern. Er sang irdische und sang Gottesminne. Zu Rostock regierte Markgraf Waldemar von Brandenburg, der hatte einen Rosengarten und ließ ein Wettsingen veranstalten; da war Meister Heinrich der erste Sieger. Einstmals lauerten Feinde ihm auf und umringten ihn mit Dräuen, sie wollten ihn töten. Da bat er, sie sollten ihm noch einen Sang vergönnen. Und als sie das taten, sang er so rührend zum Preise der himmlischen Frauen, daß jede gehobene Waffe sich senkte und die Feinde ihn ungehemmt und ungeschädigt von dannen ziehen ließen.
Auf seinen Sangesfahrten kam Meister Heinrich auch nach Mainz und verstarb allda und wurde begraben im Umgang des Domes, neben der Schule, mit großen Ehren. Von seiner Herberge bis zur Grabstätte trugen ihn Frauen und erhoben um ihn großes Weinen und Wehklagen, um des großen Lobes willen, welches der Sänger dem ganzen weiblichen Geschlecht zeit seines Lebens erteilt hatte. Und mit den Tränen zugleich gossen sie eine Fülle edlen Weins auf Meister Heinrichs Grab, daß der Wein durch den ganzen Umgang der Kirche floß. Und wäre manchem Dichter lieber, sie gäben ihm solchen Wein beim Leben. Mehr als ein Denkmal ist Heinrich Frauenlob errichtet worden, und seine Sänge sind noch unvergessen.