Neue Zwischenfälle. – J.J. Rousseau. – Ich gründe ein Handelsgeschäft. – Castel-Bajac. – Man hängt mir einen Kriminalprozeß an. – Herr von Sartines.

Fräulein X. C. V. war seit einem Monat im Kloster, und man sprach schon nicht mehr von der Geschichte; ich glaubte daher, sie sei zu Ende, aber ich irrte mich. Unterdessen lebte ich lustig den Tag hinein, und das Vergnügen, das ich daran fand, mit vollen Händen zu verschwenden, ließ mich nicht an die Zukunft denken.

Abbé de Bernis, dem ich regelmäßig einmal in der Woche meine Aufwartung machte, sagte mir eines Tages, der Generalkontrolleur erkundige sich oft nach mir und es sei unrecht von mir, ihn zu vernachlässigen. Er riet mir, an meine Ansprüche nicht mehr zu denken und ihm das von mir erwähnte Mittel mitzuteilen, wodurch ich die Staatseinkünfte zu vermehren gedächte. Ich legte auf den Rat eines Mannes, dem ich mein ganzes Glück verdankte, zu hohen Wert, als daß ich ihn nicht ohne Widerrede hätte befolgen sollen. Ich ging also zum Kontrolleur und gab ihm voll Vertrauen auf seine Rechtlichkeit meinen Plan. Es handelte sich um den Erlaß eines Gesetzes, wonach von jeder Erbschaft, die nicht vom Vater an den Sohn fiel, der Staat die vollen Einkünfte eines Jahres erhalten sollte. Jede notariell vollzogene Schenkung zwischen Lebenden sollte derselben Gebühr unterworfen sein. Mir schien, an diesem Gesetz könnte niemand Anstoß nehmen; denn ein Erbe brauchte sich nur vorzustellen, daß er ein Jahr später geerbt hätte. Der Minister war derselben Meinung wie ich; er sagte mir, mein Plan biete durchaus keine Schwierigkeiten, legte ihn in seine Geheimmappe und versicherte mir, mein Glück sei gemacht. Acht Tage darauf wurde er durch Herrn de Silhouette ersetzt, und als ich mich dem neuen Minister vorstellte, sagte er mir kalt, er würde mir Bescheid geben, sobald man daran dächte, das Gesetz zu erlassen. Dies geschah wirklich zwei Jahre darauf; aber man lachte mich aus, als ich mich für den Urheber erklärte und die Belohnung verlangte, auf die ich Anspruch hatte.

Als kurze Zeit darauf der Papst starb, wurde zu seinem Nachfolger der Venetianer Rezzonico gewählt; dieser ernannte meinen Beschützer Bernis zum Kardinal. Seine Allergnädigste Majestät Ludwig der Fünfzehnte verbannte ihn zwei Tage, nachdem er das Barett aus seinen königlichen Händen empfangen hatte, nach Soissons: das ist die Freundschaft der Könige!

Infolge der Ungnade, in die mein liebenswürdiger Abbé gefallen war, hatte ich keinen Beschützer mehr; aber ich hatte Geld und ertrug daher dieses Unglück mit ziemlicher Fassung.

Herr de Bernis erstieg den Gipfel des Ruhmes, indem er alles zerstörte, was der Kardinal Richelieu geschaffen hatte, indem er im Einverständnis mit dem Fürsten Kaunitz den alten Haß der Häuser Habsburg und Bourbon in ein glückliches Bündnis umzuwandeln wußte und dadurch Italien von den Greueln des Krieges befreite, deren Schauplatz es jedesmal wurde, wenn die beiden Häuser einander in die Haare gerieten – was nicht selten vorkam. Diese Wohltat gab ihm Anspruch auf die Verleihung des ersten Kardinalhutes von Seiten des Papstes, der bei Abschluß des Vertrages Bischof von Padua gewesen und daher wohl in der Lage war, ihn zu beurteilen. Der edle Abbé, der vor einem Jahre in Rom starb, wo Pius der Sechste ihn besonders hoch schätzte, wurde vom Hofe verbannt, weil er dem König auf dessen Frage nach seiner Meinung geantwortet hatte, er glaube nicht, daß der Prinz Soubise der rechte Mann sei, seine Heere zu befehligen. Sobald die Pompadour es erfuhr – und zwar geschah dies von Seiten des Königs selber – wußte sie ihn in Ungnade zu stürzen. Alle Welt war damit unzufrieden, aber man tröstete sich bald durch boshafte Verse, und binnen kurzem war der neue Kardinal vergessen. So ist der Charakter dieser Nation: lebhaft, geistreich und liebenswürdig, fühlt sie weder ihr eigenes noch fremdes Unglück, sobald man die leichte Kunst besitzt, sie zum Lachen zu bringen.

Zu meiner Zeit wurden die Verfasser von Epigrammen und Liedern gegen die Regierung und die Minister, oder auch nur gegen die Beischläferinnen des Königs, in die Bastille gesteckt. Dies aber hinderte die Schöngeister nicht, auch fernerhin zur Erheiterung der Gesellschaft beizutragen, und es gab manchen, der eine Ehre darin sah, wegen einiger Witze verfolgt zu werden. Ein Herr, der durchaus berühmt werden wollte – seinen Namen habe ich vergessen – eignete sich nachstehendes Gedicht des jüngeren Crébillon an und ließ sich lieber in die Bastille bringen, als daß er es verleugnet hätte. Crébillon war nicht der Mann, seine Erzeugnisse zu verleugnen; er sagte dem Herzog von Choiseuil, er habe genau ebensolche Verse gemacht; aber es sei ja möglich, daß auch der Gefangene sie gemacht habe. Dieser Witz erregte Heiterkeit, und der Verfasser des Sopha wurde nicht weiter belästigt.

Grand Dieu! tout a changé de face!
Jupin opinedu bonnet,
Vénus au conseil a pris place,
Plutus est devenu coquet,
Mercure endosse la cuirasse
Et Mars a le petit collet.2

Der erlauchte Kardinal Bernis verbrachte zehn Jahre in seiner Verbannung, procul negotiis, aber nicht glücklich, wie er fünfzehn Jahre später in Rom mir es selber sagte. Man behauptete, es sei ein größeres Vergnügen, Minister als König zu sein; ich finde ceteris paribus diese Behauptung lächerlich, wenn ich ihre Wahrheit an mir selber prüfe, wie ich es ja doch tun muß. Dies heißt die Frage aufwerfen, ob die Unabhängigkeit besser oder schlechter sei als ihr Gegenteil. Unter einer despotischen Regierung, mit einem schwachen oder faulen König, der die Krone nur trägt, um das in Wirklichkeit herrschende Ministerium zu decken, mag dies zur Not als richtig gelten; aber sonst ist es überall unmöglich.

Kardinal Bernis wurde nicht an den Hof zurückberufen, denn es ist niemals vorgekommen, daß Ludwig der Fünfzehnte einen in Ungnade gefallenen Minister von neuem berief. Aber nach Rezonicos Tode mußte er nach Rom zum Konklave gehen, und dort blieb er dann sein Leben lang als französischer Gesandter.

Etwa um diese Zeit bekam Frau d’Urfé Lust, J.J. Rousseau kennen zu lernen. Wir fuhren nach Montmorency und machten ihm einen Besuch unter dem Vorwande, ihm Noten zum Abschreiben zu geben. Er lieferte ausgezeichnete Arbeit; man bezahlte ihm das Doppelte von dem, was andere Notenschreiber erhielten, dafür aber bürgte er für tadellose Ausführung. Zu jener Zeit lebte der berühmte Schriftsteller nur hiervon.

Wir fanden einen Mann von einfacher und bescheidener Haltung. Was er sagte, war vernünftig, im übrigen aber war weder an seiner Person noch an den Äußerungen seines Geistes etwas Besonderes. Rousseau schien uns nicht das zu sein, was man einen liebenswürdigen Mann nennt; und da er keineswegs die auserlesene Höflichkeit der guten Gesellschaft besaß, so genügte dies für Frau von Urfé, um ihn ungeschliffen zu finden. Wir sahen auch die Frau, mit der er zusammen lebte und von der wir hatten sprechen hören, aber sie blickte uns kaum einmal an. Als wir fort waren, erheiterte das sonderbare Benehmen des Philosophen unsere Unterhaltung.

Ich will hier den Besuch schildern, dem ihm Prinz Conti, der Vater des damaligen Grafen de la Marche machte. Der liebenswürdige Prinz begab sich allein nach Montmorency, ausdrücklich um einen angenehmen Tag mit dem Philosophen zu verbringen, der damals schon berühmt war. Er fand ihn im Park, ging auf ihn zu und sagte ihm, er komme, um das Vergnügen zu haben, mit ihm zu speisen und den Tag in zwangslosem Geplauder zu verbringen.

»Eure Hoheit werden schlecht essen,« sagte Rousseau, »aber ich werde noch ein Gedeck auflegen lassen.«

Der Philosoph geht, erteilt seine Befehle, kehrt zum Prinzen zurück und geht zwei oder drei Stunden mit ihm spazieren. Als es Zeit zum Essen war, führte er den Prinzen in einen Salon. Als dieser jedoch drei Gedecke erblickte, fragte er: »Wen wollen Sie denn mit uns speisen lassen? Ich dachte, wir würden allein essen.«

»Der dritte, gnädiger Herr, ist mein anderes Ich. Es ist ein Wesen, das weder meine Frau, noch meine Geliebte, noch meine Magd, noch meine Mutter, noch meine Tochter und doch dies alles zugleich ist.«

»Ich glaube es, mein Lieber; da ich aber nur hierher gekommen bin, um mit Ihnen allein zu speisen, so werde ich nicht mit Ihrem anderen Ich speisen und will Sie mit Ihrem Allem in Einem allein lassen.«

Mit diesen Worten grüßte der Prinz ihn und ging. Rousseau suchte ihn nicht zurückzuhalten.

Um dieselbe Zeit war ich Augenzeuge des Durchfalls einer französischen Komödie, Die Tochter des Aristides, von Frau von Graffigny, einer verdienstvollen Frau, die fünf Tage später vor Kummer über den Durchfall ihres Stückes starb. Der Abbé de Voisenon war ganz bestürzt darüber, denn er hatte unglücklicherweise seine Freundin ermutigt, das Stück aufführen zu lassen, und man glaubte sogar, daß er selber daran mitgearbeitet hätte, wie auch an der Cénie und den Lettres péruviennes. Ungefähr zur selben Zeit starb Rezzonicos Mutter vor Freude darüber, daß ihr Sohn Papst geworden war. Schmerz und Freude töten viel mehr Frauen als Männer, und dies beweist, daß jene nicht nur gefühlvoller, sondern auch viel schwächer sind.

Als nach der Meinung der Marquise d’Urfé mein angeblicher Sohn in Viars Hause angemessen untergebracht war, bat sie mich, ihn mit ihr zusammen zu besuchen. Ich fand ihn wie einen Prinzen untergebracht, vorzüglich gekleidet, gehätschelt und beinahe ehrfurchtsvoll behandelt. Ich war erstaunt, denn dies ging nicht nur über meine Hoffnungen, sondern auch über meine Wünsche hinaus. Sie hatte ihm alle möglichen Lehrer gegeben, und außerdem ein vollkommen zugerittenes, sehr hübsches Pferdchen, damit er das Reiten lerne. Man nannte ihn den Herrn Grafen von Aranda. Ein sehr sauberes und sehr hübsches Mädchen von sechzehn Jahren, Viars Tochter, war beauftragt, ihn zu pflegen und zu beaufsichtigen; sie war ganz stolz darauf, sich die Erzieherin des Herrn Grafen nennen zu dürfen. Sie versicherte der Marquise d’Urfé, sie sorge ganz besonders für ihn; nach seinem Erwachen bringe sie ihm sein Frühstück ans Bett; hierauf kleide sie ihn an und verlasse ihn dann nicht mehr, bis sie ihn abends zu Bett bringe. Frau von Urfé lobte alles, empfahl verdoppelten Eifer und versprach dafür erkenntlich zu sein. Der kleine Mann aber war ganz glücklich und sagte mir dies unaufhörlich; ich witterte jedoch ein Geheimnis und nahm mir vor, ihn einmal allein zu besuchen, um es aufzuklären.

Nach diesem Besuche sagte ich der Marquise, ich sei tief gerührt von ihren Freundlichkeiten und ich fände alles entzückend, abgesehen von dem Namen Aranda, der uns eines Tages verdrießliche Scherereien zuziehen könnte; aber sie antwortete mir, der Kleine habe genug gesagt, und man dürfe überzeugt sein, daß er ein Recht habe, diesen Namen zu tragen. »Ich hatte in meinem Schreibtisch ein Petschaft mit dem Wappen des Hauses Aranda; zufällig fiel es mir in die Hände, und ich zeigte es dem Kleinen, wie man einen Kinde ein Spielzeug zeigt. Kaum hatte er einen Blick darauf geworfen, so rief er aus: ›Wie kommt es denn, daß Sie mein Wappen haben?‹

›Ihr Wappen? Ich habe dieses Petschaft vom Grafen Aranda; aber wie könnten Sie mir beweisen, daß Sie zu dieser Familie gehören?‹

›Fragen Sie mich nicht danach, gnädige Frau; meine Geburt ist ein Geheimnis, das ich niemals und keinem Menschen enthüllen darf.‹«

Ich war sehr überrascht über einen solchen Schwindel und besonders über die Sicherheit des kleinen Gauners, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Ich war neugierig, der ganzen Sache auf den Grund zu kommen, und ging ungefähr acht Tage darauf allein zu ihm.

Ich fand meinen sogenannten Grafen in Gesellschaft des Herrn Viar, der aus der Unterwürfigkeit, womit das Kind zu mir sprach, schließen mußte, daß es mir angehörte. Er lobte seinen Zögling auf das höchste und sagte zu mir: er spiele vorzüglich die Flöte, tanze und fechte zum Entzücken, reite gut und schreibe ganz vorzüglich. Er zeigte mir Federn mit drei, fünf und sogar elf Spitzen, die der Knabe sehr kunstvoll geschnitten hatte, und bat mich, ihn in der Heraldik zu prüfen; diese für einen jungen Kavalier so notwendige Wissenschaft beherrsche niemand besser als er.

Das Männchen begann nun in heraldischen Kunstausdrücken sein angebliches Wappen zu beschreiben, und ich hätte beinahe laut herausgelacht, weil ich fast gar nichts davon verstand, während er die Sache mit einer Wichtigkeit wie ein Krautjunker mit zweiunddreißig Ahnen behandelte. Aber mit wirklichem Vergnügen sah ich ihn seine verschiedenen Federn handhaben und mit erhobener Hand schreiben. Mit wunderbarer Geschicklichkeit zog er alle möglichen Arten von Linien, und zwar jedesmal so viele, wie die Feder Spitzen hatte. Ich sprach Viar meine Zufriedenheit darüber aus; bald darauf ließ er mich mit dem Kleinen allein, und wir gingen in den Garten.

»Willst du so gut sein, mir zu sagen, wie du auf den verrückten Einfall gekommen bist, dich als Graf Aranda auszugeben?«

Er antwortete mir, ohne im geringsten aus der Fassung zu kommen:

»Ich gestehe, es ist ein toller Einfall; aber bitte, lassen Sie mich gewähren, denn dieser Einfall trägt hier dazu bei, mir Achtung zu verschaffen.«

»Es ist ein Betrug, den ich nicht dulden kann; denn er kann ernste Folgen haben und uns alle beide bloßstellen. Es ist eine Schwindelei, deren ich dich in deinem Alter nicht für fähig gehalten hätte, mein guter Freund. Ich will wohl glauben, daß du es nur aus Unbesonnenheit getan hast, aber es kann dich mit den Gerichten in Konflikt bringen, und nach allem, was du zu Frau d’Urfé gesagt hast, weiß ich nicht recht, wie ich die Sache wieder gut machen soll, ohne daß deine Ehre angetastet wird.«

Ich hörte mit meiner Strafpredigt erst auf, als er bittere Tränen vergoß und mich um Verzeihung bat:

»Ich will lieber«, sagte er, »die Kränkung leiden, zu meiner Mutter zurückgeschickt zu werden, als die Schande der Frau d’Urfé zu gestehen, daß ich sie betrogen habe; und ich kann den Gedanken nicht ertragen, in dieser Pension zu bleiben, wenn ich den Namen ablegen muß, unter dem ich hier bekannt bin.«

Ich sah, daß mit Zwang hier nichts auszurichten war, ich hätte ihn denn unter einem anderen Namen weit von Paris fortschicken müssen. Ich sagte ihm daher, er möchte sich beruhigen; ich würde darüber nachdenken, wie ich ihm und mir jede Unannehmlichkeit ersparen könnte.

»Sage mir jetzt – aber sei aufrichtig – von welcher Art ist die Zärtlichkeit der jungen Viar für dich?«

»Papa, ich glaube hier ist die Verschwiegenheit angebracht, die Sie und Mama mir empfohlen haben.«

»Gut! Die Antwort sagt mir genug; aber ich finde, du weißt für einen Gelbschnabel recht viel. Übrigens, mein Freund, ist Verschwiegenheit nicht angebracht, wenn es sich um eine Beichte handelt, und ich fordere von dir durchaus eine Beichte.«

»Nun denn, Papa, die kleine Viar liebt mich sehr, und sie beweist es mir auf alle möglichen Arten.«

»Und du? Liebst du sie auch?«

»Ja, ich liebe sie.«

»Bleibt sie morgens lange bei dir?«

»Wir sind den ganzen Tag zusammen.«

»Sie ist dabei, wenn du zu Bett gehst?«

»Ja, sie hilft mir beim Ausziehen.«

»Tut sie sonst nichts?«

»Das möchte ich Ihnen nicht sagen.«

Ich war erstaunt über seine wohlgemessenen Antworten; und da ich genug wußte, um nicht mehr daran zweifeln zu können, daß sie vollkommen mit einander einig waren, so ermahnte ich ihn nur noch, seine Gesundheit zu schonen, und ging.

Seit einiger Zeit konnte ich mich nicht von einem Gedanken losmachen, der mich fortwährend beschäftigte; er betraf eine Spekulation, die nach allen meinen Berechnungen gewinnbringend sein mußte. Es handelte sich darum, auf seidenen Stoffen durch Druck alle jene schönen Muster herzustellen, die in Lyon durch das langsame und schwierige Verfahren des Webens hergestellt werden.

Man mußte daher zu viel billigeren Preisen einen großen Umsatz machen können. Ich besaß alle erforderlichen chemischen Kenntnisse und genügende Betriebsmittel, um den Erfolg der Unternehmung zu sichern. Ich hatte mich mit einem tüchtigen Mann besprochen, der das Technische sowohl wie den Handel verstand; er sollte der Leiter der Fabrik werden.

Ich teilte meinen Plan dem Prinzen Conti mit, der mich ermutigte, ihn auszuführen, indem er mir seine Gunst und alle nur wünschenswerten Erleichterungen versprach. Dies brachte mich zum Entschluß.

Ich mietete in der Gegend des Temple ein großes und schönes Haus für tausend Taler jährlich. Es enthielt einen geräumigen Saal, worin alle Arbeiterinnen arbeiten sollten; einen anderen großen Saal, der als Lagerraum diente, zahlreiche Zimmer, um meine Arbeiter und Angestellten unterzubringen, und eine sehr hübsche Wohnung für mich, für den Fall, daß ich Lust bekommen sollte, sie zu beziehen.

Ich teilte mein Unternehmen in dreißig Aktien; davon gab ich fünf dem Zeichner, der das Ganze leiten sollte, und behielt die anderen fünfundzwanzig für mich, um über sie zugunsten von Teilhabern zu verfügen, welche entsprechende Kapitalien einlegen würden. Eine gab ich einem Arzt, den ich gegen Bürgschaft als Lagerverwalter anstellte, und der mit seiner ganzen Familie ins Haus zog. Ich nahm vier Bediente, eine Magd und einen Türhüter. Eine andere Aktie mußte ich meinem Buchhalter bewilligen, der mir zwei Schreiber besorgte und ebenfalls im Hause wohnte. Da mehrere Tischler, Schlosser und Maler von morgens bis abends an der Arbeit waren, so war in weniger als drei Wochen alles fertig. Ich überließ es dem Direktor, zwanzig junge Mädchen zum Bemalen der Stoffe anzustellen; diese sollten jeden Samstag ihren Lohn erhalten. Ich nahm dreihundert Stücke Tafft, Gros-de-Tours und Kamlotte von verschiedenen Arten auf Lager, um sie mit den Mustern bemalen zu lassen, deren Wahl ich mir vorbehalten hatte. Ich bezahlte alles bar.

Mit dem Direktor hatte ich ausgerechnet, daß ich, wenn der Verkauf erst nach einem Jahre begänne, ungefähr dreihunderttausend Franken ausgeben müßte. Für alle Fälle hätte ich noch meine Aktien gehabt, welche leicht und sicher zu verkaufen waren; aber ich hoffte, niemals in diese Notwendigkeit zu geraten, denn ich rechnete auf ein Jahreseinkommen von mindestens zweihunderttausend Franken.

Freilich verhehlte ich mir nicht, daß dieses Unternehmen mich zugrunde richten könnte, wenn mir der Absatz fehlte; aber wie hätte ich dies befürchten sollen, wenn ich die Schönheit meiner Stoffe sah und jeden Tag zu mir sagen hörte, ich dürfte sie nicht so billig verkaufen? Alles berechtigte mich daher zu den schönsten Hoffnungen.

In weniger als einem Monat gab ich für die Einrichtung des Hauses ungefähr sechzigtausend Franken aus; außerdem hatte ich mich zu einer wöchentlichen Ausgabe von mehr als zwölfhundert Franken verpflichtet.

Frau d’Urfé lachte herzlich, so oft sie mich sah, denn sie war überzeugt, daß diese ganze Unternehmung nur den Zweck hätte, die Neugierigen auf eine falsche Spur zu bringen und mein Inkognito zu wahren; sie ließ es sich nicht nehmen, daß ich nach Belieben Regen oder Sonnenschein machen könnte.

Der Anblick von zwanzig mehr oder weniger hübschen Mädchen, von denen das älteste keine zwanzig Jahre alt war, erschreckte mich keineswegs – wie ich es hätte wünschen sollen – sondern machte mir vielmehr das größte Vergnügen. Ich glaubte inmitten eines Harems zu sein und sah mit Vergnügen ihr bescheidenes und unterwürfiges Wesen und die Aufmerksamkeit, womit sie dem Unterricht des Lehrers folgten, der sie bei ihrer Arbeit anleitete. Die am besten bezahlten verdienten täglich nur vierundzwanzig Sous, und alle standen im besten Ruf, denn sie waren von der bejahrten und frommen Frau des Direktors ausgewählt worden; sie hatte mich um diese Vergünstigung gebeten, und ich hatte sie ihr bewilligt, weil ich in ihr eine gefälllige Vermittlerin zu finden hoffte, falls ich Lust bekommen sollte, mir ihre Wahl zunutze zu machen. Manon Baletti teilte meine Freude nicht; sie zitterte, als sie mich im Besitze eines Harems sah; denn sie fühlte wohl, daß meine Tugend bald an irgend einer neuen Klippe scheitern würde. Sie war mir allen Ernstes böse, obwohl ich ihr versichert hatte, daß kein einziges Mädchen im Hause schliefe.

Dieses Unternehmen erhöhte mich in meinen eigenen Augen und gab mir eine Wichtigkeit, die aus der begründeten Hoffnung auf ein glänzendes und wohlerworbenes Vermögen und zugleich aus dem Gedanken herrührte, daß ich einer ziemlich großen Anzahl von Menschen ihren Lebensunterhalt verschaffte. Aber dieses Glück war zu rein, als daß mir ein böser Geist nicht irgend etwas hätte in den Weg legen sollen.

Schon seit drei Monaten war Fräulein X. C. V. im Kloster, und es nahte sich der Zeitpunkt ihrer Niederkunft. Wir schrieben uns jede Woche zweimal, und in dieser Hinsicht war ich vollkommen beruhigt. Von Herrn de la Popeliniére konnte nicht mehr die Rede sein, da er sich bereits verheiratet hatte, und da das Fräulein nach dem Verlassen des Klosters zu ihrer Mutter zurückkehren sollte, so war damit die Sache überhaupt erledigt. Aber während so alles dazu beitrug, mich in meiner Sicherheit zu bestärken, brach plötzlich die Flamme hervor, die unter der Asche glomm.

Ich machte eines Tages einen Spaziergang in den Tuilerien, nachdem ich bei Frau von Urfé zu Mittag gespeist hatte. Nachdem ich ein paarmal die große Allee auf und ab gegangen war, bemerkte ich, daß eine alte Frau, die von einem schwarzgekleideten Manne, mit einem Degen an der Seite, begleitet war, mich prüfend betrachtete und ihre Beobachtungen ihrem Begleiter mitzuteilen schien. Da dies an einem viel besuchten öffentlichen Ort nicht auffallend war, so setzte ich meinen Spaziergang fort, ohne weiter darüber nachzudenken; als ich jedoch zurückkam, waren dieselben Menschen stehen geblieben, um mein Gesicht zu sehen. Ich sah sie jetzt ebenfalls genau an und erinnerte mich, den Mann in einer Spielhölle gesehen zu haben, wo er unter dem gascognischen Namen Castel-Bajac verkehrte. Ich kehrte um und erinnerte mich, nachdem ich mir das Gesicht der alten Hexe näher angesehen hatte, mit einiger Mühe, daß sie die Hebamme war, bei der ich mit Fräulein X. C. V. gewesen war, um sie wegen der Schwangerschaft um Rat zu fragen. Ich war überzeugt, daß sie mich erkannt hatte, glaubte jedoch, daß ich nichts zu befürchten hätte, und verließ einfach den Park, um an einem andern Ort spazieren zu gehen. Als ich zwei Tage darauf um elf Uhr in meinen Wagen steigen wollte, sah ich einen verdächtig aussehenden Menschen, der mir ein Papier hinhielt und mich aufforderte, es zu lesen. Ich öffnete es; da ich jedoch ein unleserliches Gekritzel sah, so gab ich es ihm zurück und sagte ihm, er möchte es mir vorlesen. Er tat es, und ich hörte eine Aufforderung, vor dem Polizeikommissär zu erscheinen, um mich wegen einer Klage zu verantworten, die die Hebamme Soundso, deren Namen ich vergessen habe, gegen mich eingereicht hätte.

Obgleich ich leicht erraten konnte, worüber ich vernommen werden sollte, und überzeugt war, daß sie ihre Aussage nicht beweisen könnte, ging ich doch zu einem mir bekannten Anwalt und beauftragte ihn in aller Form mit meiner Vertretung. Ich sagte ihm, daß ich in Paris überhaupt keine Hebamme kenne oder je gekannt hätte. Er ging zum Kommissär und brachte mir am nächsten Tag eine Abschrift der Klage.

Sie behauptete folgendes: ich sei in einer Nacht mit einer jungen Dame, die etwa im fünften Monat schwanger gewesen wäre, zu ihr gekommen. In der einen Hand hätte ich eine Pistole, in der anderen eine Rolle von fünfzig Louis gehalten und ihr nur die Wahl gelassen, entweder zu sterben oder die zwölfhundert Franken zu verdienen, indem sie der Dame das Kind abtriebe. Diese wäre, wie ich, im Domino gewesen, woraus hervorginge, daß wir vom Opernball gekommen wären. Aus Furcht hätte sie sich nicht rundweg weigern können, aber sie hätte noch genug Selbstbeherrschung gehabt, um mir zu sagen, daß sie die notwendigen Mittel nicht zur Hand hätte, jedoch für die nächste Nacht alles bereit halten würde. Wir hätten uns mit dem Versprechen entfernt, daß wir wiederkommen würden. Im Glauben, daß dies bestimmt geschehen würde, wäre sie sofort am anderen Morgen zum Herrn Castel-Bajac gegangen und hatte ihn gebeten, sich im Nebenzimmer verborgen zu halten, um sie vor Gewalttätigkeiten zu schützen und zugleich zu hören, was ich ihr sagen würde; aber sie hätte mich nicht mehr wiedergesehen. Sie würde nicht verfehlt haben, schon am nächsten Tage Anzeige zu erstatten, wenn sie gewußt hätte, wer ich wäre. Nachdem sie mich nun erst am Tage vorher in den Tuilerien wieder erkannt und Herr Castel-Bajac ihr meinen Namen gesagt hätte, hielte sie es für Gewissenspflicht, mich anzuzeigen, damit nach der Strenge des Gesetzes gegen mich verfahren würde und damit sie Genugtuung für den Schimpf erhielte, den ich ihr angetan hätte.

Herr Castel-Bajac hatte als Zeuge unterschrieben.

»Die Verleumdung ist offenbar,« sagte mein Anwalt zu mir, »zum mindesten spricht keine Tatsache für die Wahrheit der Beschuldigung, die das Weib gegen Sie erhebt. Ich rate Ihnen daher, die Sache vor den Kriminalpräsidenten zu bringen und durch ihn die Genugtuung zu erhalten, die Ihre Ehre verlangt.«

Ich ermächtigte ihn, alles zu tun, was er für angemessen hielte; drei oder vier Tage darauf sagte er mir, der Beamte wolle mit mir unter vier Augen sprechen und erwarte mich um drei Uhr nachmittags.

Wie man sich denken kann, fand ich mich pünktlich ein. Ich fand einen höflichen und überaus liebenswürdigen Herrn. Es war der berühmte Herr de Sartines, den der König zwei Jahre später zum Polizeistatthalter ernannte. Das Amt des Kriminalpräsidenten war eine käufliche Stelle, die Herr de Sartines wieder verkaufte, als der König ihn an die Spitze der Polizei berief.

Sobald ich ihm meine Verbeugung gemacht hatte, lud Herr de Sartines mich ein, mich neben ihn Zu setzen, und sagte folgendes zu mir: »Mein Herr, ich habe Sie in unserem beiderseitigen Interesse gebeten, bei mir vorzusprechen, denn in dem Falle, worin Sie sich befinden, sind unsere Interessen untrennbar. In dem Prozeß, den man gegen Sie anstrengt, beschweren Sie sich mit Recht bei mir, wenn Sie unschuldig sind; vor allem aber müssen Sie mir die Wahrheit in vollstem Umfang sagen. Ich bin bereit, ohne Rücksicht auf mein Richteramt Ihnen zu helfen; aber Sie begreifen, daß man ihre Gegenpartei der Verleumdung überführen muß, um deren Schuld festzustellen. Ich wünsche von Ihnen eine außeramtliche und ganz vertrauliche Aufklärung, denn Ihr Fall ist bereits höchst bedenklich und von der Art, daß Sie trotz Ihrer Unschuld sich für verpflichtet halten können, um Ihrer Ehre willen Zurückhaltung zu beobachten. Ihre Gegner werden auf Ihr Zartgefühl keine Rücksicht nehmen. Sie werden Ihnen dermaßen zusetzen, daß Sie entweder eine entehrende Verurteilung über sich ergehen lassen müssen oder, um Ihre Unschuld zu beweisen, gegen Ihre eigene Überzeugung die Gebote der Ehre übertreten müssen. Ich mache Ihnen hiermit eine ganz vertrauliche Mitteilung. In gewissen Fällen steht mir die Ehre so hoch, daß ich ihr zu Liebe sogar die strengsten Vorschriften der Kriminaljustiz zurücktreten lasse. Vergelten Sie mir dieses mit Gleichem; schenken Sie mir volles Vertrauen, sagen Sie mir alles ohne Rückhalt und gewinnen Sie dadurch meine Freundschaft und mein Wohlwollen. Ich wage nichts, wenn Sie unschuldig sind, denn die Freundschaft wird mich niemals abhalten können, unparteiisch zu sein; wenn Sie aber schuldig sind, so beklage ich Sie; denn ich sage Ihnen, ich werde gerecht sein.«

Nachdem ich ihm alles gesagt hatte, was das Gefühl mir angab, um ihm meine Dankbarkeit darzutun, versicherte ich ihm, ich sei durch keine Rücksicht auf Ehre verpflichtet, etwas zurückzuhalten, und brauche ihm daher außeramtlich nichts zu sagen. »Die Hebamme ist mir vollständig unbekannt; es kann nur eine Verbrecherin sein, die mit Hilfe eines ihrer würdigen Genossen Geld von mir erschwindeln will.«

»Ich will es gerne glauben; aber wenn dies wahr ist, so begünstigt der Zufall das Frauenzimmer in merkwürdiger Weise, um für Sie den Beweis Ihrer Unschuld langwierig und schwierig zu machen: seit drei Monaten ist Fräulein X.C.V. verschwunden; man kennt Ihren vertrauten Umgang mit ihr; Sie besuchten sie zu jeder Stunde; Sie haben am Tage vor ihrem Verschwinden mehrere Stunden mit ihr verbracht, und man weiß nicht, wo sie ist. Jeder Verdacht kehrt sich gegen Sie, und Sie sind unaufhörlich von bezahlten Aufpassern umlauert. Die Hebamme hat mir gestern ihr Gesuch durch den Advokaten Vauversin einreichen lassen. Sie behauptet, die schwangere Dame, die Sie zu ihr geführt haben, sei dieselbe, wie die von Frau X.C.V. gesuchte. Die Anklägerin erklärt außerdem, Sie seien beide in schwarzen Dominos gewesen, und die Polizei hat bereits festgestellt, daß Sie wirklich beide in schwarzen Dominos auf dem Opernball gewesen sind, und zwar in derselben Nacht, in der Sie nach der Behauptung jenes Frauenzimmers sie aufgesucht haben; außerdem stimmen alle Berichte darin überein, daß Sie zusammen vom Ball verschwunden sind. Dies sind allerdings nur halbe Beweise; aber sie sind furchtbar.«

»Warum sollte ich mich fürchten?«

»Warum? Weil ein falscher Zeuge, der für Geld leicht zu finden ist, ohne Gefahr schwören kann, daß er Sie beide hat den Ball verlassen und in einen Fiaker steigen sehen. Ein Fiakerkutscher kann für ein bißchen Geld erkauft werden und bezeugen, daß er Sie zu der Hebamme gefahren hat. In diesem Fall würde ich mich gezwungen sehen, Sie verhaften zu lassen, um Sie zu zwingen, die Person zu nennen, die Sie zu Ihrer Anklägerin geführt haben. Bedenken Sie, man beschuldigt Sie der Abtreibung und es sind drei Monate verflossen, ohne daß die Familie den Zufluchtsort des Fräuleins hat entdecken können. Man hat gesagt, sie sei tot. Fühlen Sie nicht die ganze Bedeutung einer Anschuldigung wegen Mordes?«

»Gewiß, mein Herr; aber wenn ich trotz meiner Unschuld zugrunde gehen sollte, so würde dies durch Ihr Urteil geschehen; dann wären Sie mehr zu beklagen als ich.«

»Da haben Sie freilich recht; aber an Ihrem Schicksal würde dies doch nichts ändern, übrigens können Sie gewiß sein, daß ich Sie nicht unschuldig verurteilen würde; aber Sie würden vielleicht lange in einem Kerker schmachten müssen, bis Sie Ihre Unschuld beweisen könnten. Kurz, die Sache ist, wie Sie sehen, binnen vierundzwanzig Stunden sehr schlimm geworden, und in acht Tagen kann sie entsetzlich sein. Was meine Teilnahme zu Ihren Gunsten erregt hat, ist die Abgeschmacktheit der Anklage, über die ich habe lachen müssen; aber der Fall wird ernst durch die begleitenden Nebenumstände. Ich sehe die Wahrscheinlichkeit der Entführung; ich sehe, daß Liebe, und vor allem Ehre Sie zur Zurückhaltung zwingen. Ich habe beschlossen, mit Ihnen zu sprechen, und ich hoffe, Sie werden mir Ihr Herz rückhaltlos öffnen. Ich halte Sie für ganz unschuldig, und will Ihnen daher die Unannehmlichkeiten ersparen, die Ihnen drohen. Sagen Sie mir alles und seien Sie versichert, daß die Ehre des Fräuleins in keiner Weise leiden wird. Sollten Sie sich aber unglücklicherweise der Verbrechen schuldig fühlen, die man Ihnen zur Last legt, so rate ich Ihnen, Vorsichtsmaßregeln zu treffen, die Ihnen näher zu bezeichnen mir nicht zukommt. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie in drei oder vier Tagen amtlich werde vorladen lassen; dann werden Sie mich nur als Richter sehen – gerecht, aber unparteiisch und streng, wie das Gesetz.«

Ich war wie versteinert, denn diese Rede zeigte mir die Gefahr, worin ich schwebte, in ihrer ganzen Nacktheit. Ich fühlte, wie hohen Wert ich auf die wohlwollenden Anerbietungen dieses Ehrenmannes legen mußte, und ich sagte ihm mit zitternder Stimme: »Trotz meiner Unschuld sehe ich mich gezwungen, Ihre Güte zugunsten der Ehre des Fräuleins X.C.V. in Anspruch zu nehmen. Sie ist von jedem Verbrechen frei; aber sie läuft Gefahr, durch das Aufsehen, das diese unglückselige Geschichte machen wird, ihren guten Ruf zu verlieren. Ich weiß, wo sie ist, und ich kann Ihnen versichern, daß sie ihre Mutter nicht würde verlassen haben, wenn man sie nicht hätte zwingen wollen, einen Mann zu heiraten, den sie verabscheute.«

»Aber dieser Mann ist jetzt verheiratet; sie braucht nur zu ihrer Mutter zurückzukehren, und Sie sind gerettet – falls nicht etwa die Hebamme auf ihrer Behauptung besteht, daß Sie dem Fräulein bei der Abtreibung behilflich gewesen sind.«

»Ach, mein Herr, von Abtreibung ist gar nicht die Rede; aber andere Gründe verhindern sie, in den Schoß ihrer Familie zurückzukehren. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, bevor ich nicht eine Einwilligung erhalten habe, um die ich mich bemühen werde. Dann werde ich Ihnen die volle Aufklärung geben können, auf die Ihre edle Seele Anspruch hat. Bewilligen Sie mir die Ehre, mich übermorgen hier noch ein zweites Mal anzuhören.«

»Ich verstehe; ich werde Sie sehr gerne anhören; ich danke Ihnen und wünsche Ihnen Glück. Leben Sie wohl.«

Ich schwebte am Rande des Abgrundes, aber ich war fest entschlossen, lieber Frankreich zu verlassen, als das Geheimnis meiner lieben unglücklichen Freundin zu verraten. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich gerne die Geschichte mit Geld tot gemacht; aber dazu war keine Zeit mehr. Ich war überzeugt, daß Farsetti der Hauptschuldige an diesem Wirrwarr war, daß er mich beständig verfolgt und auch die Aufpasser bezahlt hatte, von denen Herr de Sartines mir gesprochen hatte. Er hatte mir auch den Advokaten Vauversin auf den Hals geschickt, und ich durfte nicht daran zweifeln, daß ihm kein Opfer zu teuer war, um mich zu verderben. Ich fühlte, daß ich nichts Besseres tun konnte, als mich Herrn von Sartines rückhaltlos anzuvertrauen; aber dazu bedurfte ich der Zustimmung der Frau du Rumain.

  1. Jupin = Jupiter (der König); Venus (die Pompadour); Plutus (Herr von Boulogne); Merkur (der Herzog von Richelieu); Mars (der Graf von Clermont, Abbé von St.-Germain-des-Prés).