Project Description

676. Nacht

Der Unbekannte warf sich hierauf zu seinen Füßen und bat
ihn um Verzeihung für die Kühnheit, dass er gegen ihn im Kampf aufgetreten
wäre, indem er sich mit seinem Verlangen entschuldigte, der Lehrmeister des
jungen Prinzen zu werden.

Habib kam auf ein Zeichen seines Vaters herbei, warf sich
dem fremden Ritter in die Arme und fragte ihn um seinen Namen.

„Ich nenne mich Al-Abus,“ antwortete der
Unbekannte.

„Fürwahr, Euer Name ist übel gewählt,“
versetzte Habib, „denn weit entfernt, grimmig zu erscheinen, habt Ihr
vielmehr das Ansehen von Wohlwollen und Güte, welches alle diejenigen anzieht,
die sich Euch nähern.“

Al-Abus erwiderte diese zuvorkommenden Worte des jungen
Prinzen mit einer herzlichen Umarmung. Er versprach dem Vater, sich fortan ganz
der Erziehung seines Sohnes zu widmen und ihm den Geist der Tapferkeit und
Kühnheit einzuflößen, welcher seinem Rang geziemte.

Unter diesem zweiten Meister trieb nun Habib mit Eifer das
Waffenhandwerk und zeigte nicht minder glückliche Fähigkeiten in diesen neuen
übungen, als er in den vorigen bewiesen hatte.

Er fand bald Gelegenheit, den empfangenen Unterricht zu
benutzen, und indem er ebensoviel Geschicklichkeit als Mut in den Fehden
entwickelte, welche der Stamm seines Vaters gegen seine Nachbarn führte, so
erwarb er sich durch seine Tätigkeit, Gewandtheit und Kühnheit bald den Ruhm
des größten Helden Arabiens.

Sobald der Meister gewahrte, dass sein Zögling seiner
Lehren nicht mehr bedurfte, schickte er sich an, ihn zu verlassen, und als er
eines Tages mit ihm auf dem Feld lustwandelte, redete er ihn also an, um ihm
seine letzten Lehren zu erteilen:

„O mein teurer Habib, ich muss Dich darauf gefasst
machen, dass Dein Leben mit vielen Mühseligkeiten und Gefahren verknüpft ist;
aber die Vorbestimmung verheißt Dir den Lohn der Leiden, welche Du bestehen
wirst. Dieser Lohn ist die schöne Dorrat-al-Gawas, die Beherrscherin der
Geister und Menschen in einem von Arabien weit entlegenen Land. Ungeachtet der
Verschiedenheit der Untertanen ihres Reiches erfreut sich dasselbe jedoch eines
tiefen Friedens, und keine Zwietracht herrscht unter ihnen. Jeder ihrer beiden
Minister gehört zu einem der beiden Geschlechter, die ihren Geboten Folge
leisten. Höre ihre Geschichte, die ich Dir erzählen will, und gedenke dabei,
dass die Vorsehung sie Dir zur Gattin bestimmt.“

Nachdem Al-Abus durch diese Worte die Aufmerksamkeit
seines Zöglings in Anspruch genommen hatte, begann er folgendermaßen:

Gesichte des Königs der Inseln Bellur und der Prinzessin
Dorrat-al-Gawas

„Der König der Inseln Bellur, dessen Macht sich
über eine große Anzahl von Inseln des Indischen Meeres erstreckte, sah mit
Kummer, dass er sein großes Reich keinem Erben hinterlassen konnte, weil seine
Gattin unfruchtbar war.

Eines Tages, da er in traurige Betrachtungen hierüber
versunken war, sah er plötzlich einen Geist erscheinen, welcher also zu ihm
sprach:

„Großer Fürst, ich weiß, wie sehr Ihr darüber
betrübt seid, dass Ihr keine Kinder habt, und ich komme, Euch ein Mittel zur
Beendigung Eures Kummers vorzuschlagen. Ich habe eine junge, schöne und reiche
Tochter, und ich biete Euch ihre Hand an. Wenn dieser Antrag Euch genehm ist, so
werdet Ihr erlangen, um was die mächtigsten Könige der Welt bisher vergeblich
geworben haben; aber ich habe für Eure Eigenschaften und Verdienste eine solche
Hochachtung gefasst, dass ich Euch den mächtigsten Monarchen der Welt vorziehe.
Ich hoffe, meine Tochter wird Euch ein Kind gebären, das nach eurem Vorbild
durch seine Gerechtigkeit und Güte das Glück seiner Völker machen wird. Ich
bitte Euch nichts weiter, als in der so lobenswürdigen Handlungsweise zu
verharren, welche Ihr bisher befolgt habt, denn dadurch werdet Ihr das Glück
meiner Tochter und das meinige machen.“

Ebenso überrascht als geschmeichelt durch diesen
unerwarteten Vorschlag, beeilte sich der König der Inseln Bellur, das Erbieten
des Geistes anzunehmen.

Sogleich befahl dieser durch ein Zeichen den unsichtbaren,
ihn umgebenden Sklaven, die Prinzessin zu holen, und sie säumten nicht, sie
herbeizuführen.