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455. Nacht

„Guter Derwisch, ich habe mit euch zu reden, aber
euer Schnauzbart hindert mich, euch zu verstehen. Darum bitte ich euch, lasst
mich machen, und erlaubt, dass ich ihn euch stutze, nebst den Augenbrauen, die
euch entstellen, und euch mehr das Ansehen eines Bären, als eines Menschen
geben.“

Der Derwisch widersetzte sich nicht dem Vorhaben des
Prinzen. Er ließ ihn machen, und als der Prinz, nach Vollendung der Arbeit
gewahrte, dass der Derwisch eine frische Gesichtsfarbe hatte, und viel weniger
bejahrt erschien, als er wirklich war, sprach er zu ihm:

„Guter Derwisch, wenn ich einen Spiegel hätte, so
würde ich euch sehen lassen, wie sehr ihr verjüngt seid. Jetzt seid ihr ein
Mensch: Zuvor aber konnte niemand erkennen, was ihr wart.“

Die Schmeicheleien des Prinzen Bahman erwarben ihm von dem
Derwisch ein Lächeln und die höfliche Erwiderung:

„Herr, wer ihr auch seid, ich bin euch unendlich
verpflichtet für den guten Dienst, welchen ihr mir so freundlich geleistet
habt. Ich bin bereit, euch dafür meine Erkenntlichkeit zu bezeigen, in allem
was von mir abhängt. Ihr seid nicht vom Ross abgestiegen, ohne dass irgend ein
Anliegen euch dazu nötigte. Sagt mir, was es ist, ich werde mich bemühen, euch
zu befriedigen, wenn ich es vermag.“

„Guter Derwisch,“ begann nun der Prinz Bahman,
„ich komme weit her, und suche den sprechenden Vogel, den singenden Baum
und das tanzende Wasser. Ich weiß, dass diese drei Dinge irgendwo in dieser
Gegend sich befinden, aber ich weiß den Ort nicht genau. Wenn ihr ihn wisst, so
beschwöre ich euch, mir den Weg dahin zu zeigen, damit ich nicht auf einen
unrechten gerate, und nicht die Frucht der langen Reise verliere, welche ich
unternommen habe.“

Der Prinz bemerkte, dass der Derwisch bei seiner Rede nach
und nach das Gesicht veränderte, die Augen senkte, und ein höchst ernstes
Wesen annahm, so das er, anstatt zu antworten, im Stillschweigen verharrte. Dies
nötigte den Prinzen, nochmals das Wort zu nehmen und fort zu fahren:

„Guter Vater, es scheint, ihr habt mich nicht
verstanden. Sagt mir, ob ihr wisst, was ich von euch zu erfahren wünsche, oder
nicht, damit ich keine Zeit verliere, sondern mich anderwärts danach
erkundige.“

Der Derwisch brach endlich das Stillschweigen, und sprach
zu dem Prinzen Bahman:

„Herr, der Weg, nach welchem ihr mich fragt, ist mir
wohl bekannt. Aber die Freundschaft, welche ich auf den ersten Anblick für euch
gefasst habe, und welche durch den Dienst, den ihr mir geleistet habt, noch ist
verstärkt worden, lässt mich noch schwanken, ob ich euren Wunsch befriedigen
soll.“

„Welcher Beweggrund kann euch davon abhalten,“
fragte der Prinz, „und welche Schwierigkeit findet ihr bei der Gewährung
desselben?“

„Ich will es euch sagen,“ antwortete der
Derwisch, „es geschieht deshalb, weil die Gefahr, deren ihr euch aussetzt,
viel größer ist, als ihr glauben werdet. Viele andere Herren, welche nicht
weniger Kühnheit und Mut hatten, als ihr haben mögt, sind hier vorbeigekommen,
und haben dieselbe Frage getan, wie ihr. Obwohl ich nichts unversucht gelassen,
um sie von der weiteren Fahrt abzuwenden, so wollten sie mir jedoch nicht
glauben: Wider meinen Willen und nur ihrem Andringen nachgebend, zeigte ich
ihnen den Weg, und ich kann euch versichern, dass sie alle darauf verunglückt
sind, und ich nicht einen habe zurückkommen sehen. Sofern ihr also irgend euer
Leben lieb habt, und meinem Rat folgen wollt, so geht nicht weiter, sondern
kehrt wieder heim.“