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407. Nacht

Die Prinzessin von Bengalen hatte eine unaussprechliche
Freude darüber, dass sie in so kurzer Zeit von den Nachstellungen eines
Menschen befreit worden war, den sie nur mit Abscheu betrachten konnte, und sie
schmeichelte sich mit der Hoffnung, der Sultan werde seiner Großmut die Krone
aufsetzen, und sie dem Prinzen von Persien wieder zurücksenden, sobald sie ihm
erzählt haben würde, inwiefern sie diesem angehörte, und ihm um diese Gnade
gebeten haben würde. Allein es fehlte viel, dass diese ihre Hoffnung in
Erfüllung gegangen wäre.

Der König von Kaschmir hatte nämlich den Beschluss
befasst, sich schon den folgenden Tag mit ihr zu vermählen, und hatte schon bei
Tagesanbruch durch den Klang von Pauken, Trommeln, Trompeten und anderen
Fröhlichkeit erweckenden Instrumenten, die nicht bloß im Palast, sondern durch
die ganze Stadt ertönten, den Anfang der Vermählungslustbarkeiten ankündigen
lassen. Die Prinzessin von Bengalen erwachte von dem Lärm dieser rauschenden
Musik, und schrieb die Ursache desselben eher jedem andern, als dem wirklichen
Anlass desselben, zu. Doch als der Sultan von Kaschmir, welcher befohlen hatte,
es ihm zu melden, sobald sie einen Besuch anzunehmen im Stande sein würde, kam
und sie besuchte, und nachdem er sich nach ihrem Befinden erkundigt, ihr
anzeigte, dass dieser Trompeten- und Paukenklang, den sie höre, die Feier ihrer
Hochzeit verkünden sollte, und sie zugleich an derselben teilzunehmen bat, so
war ihre Bestürzung so groß, dass sie in Ohnmacht fiel.

Die Frauen der Prinzessin, welche zugegen waren eilten ihr
zu Hilfe, und der Sultan selber bot alles auf, um sie wieder zum Leben zu
bringen. Doch sie blieb lange in diesem Zustand, ehe sie wieder zur Besinnung
kam. Endlich kam sie wieder zu sich, und um nun nicht ihr, dem Prinzen Firus
Schach gegebenes Wort brechen zu dürfen, noch auch in die Vermählung zu
willigen, die der Sultan von Kaschmir, ohne sie erst zu fragen, beschlossen
hatte, fasste sie den Entschluss sich zu stellen, als wäre in der Ohnmacht ihr
Verstand verwirrt worden. Sie fing nun an, in Gegenwart des Sultans die
ungereimtesten Reden zu führen, ja sie stand sogar auf, um auf ihn
loszustürzen, so dass der Sultan durch diesen unangenehmen Zufall sehr
überrascht und betrübt wurde. Da er sah, dass sie nicht wieder zu Verstand
kam, ließ er sie mit ihren Frauen allein, denen er anempfahl, nicht von ihrer
Seite zu weichen und die eifrigste Sorge für ihre Person zu tragen. Den ganzen
Tag über ließ er sich sehr oft nach ihrem Befinden erkundigen, und jedes Mal
meldete man ihm entweder, es sei mit ihr noch immer beim Alten, oder, das übel
habe zugenommen, anstatt abzunehmen. Das übel schien am Abend sogar noch
heftiger zu werden, als es am Tage gewesen war, und so konnte denn der Sultan
diese Nacht nicht das Glück genießen, das er sich versprochen hatte.

Die Prinzessin von Bengalen fuhr mit ihren närrischen
Reden und andern Zeichen einer großen Geistesverwirrung nicht bloß den
folgenden Tag fort, sondern auch die folgenden Tage ging es ebenso, bis endlich
der Sultan von Kaschmir sich genötigt sah, die ärzte seines Hofes zu
versammeln, mit ihnen über diese Krankheit zu sprechen und sie zu fragen, ob
sie nicht Mittel dagegen wüssten.

Die ärzte erwiderten nach einer gemeinsamen Beratung
einstimmig, es gebe mehrere Arten und Grade von dieser Krankheit, von denen
einige ihrer Natur nach geheilt werden könnten, andere dagegen ganz unheilbar
wären, und sie könnten nun nicht wissen, von welcher Art die Krankheit der
Prinzessin von Bengalen sie, ohne sie zuvor gesehen zu haben. Der Sultan befahl
daher den Verschnittenen, einen nach den andern, und zwar jeden nach seinem
Rang, in das Zimmer der Prinzessin einzuführen.

Die Prinzessin, welche dies vorausgesehen hatte und nun
befürchtete, dass, wenn sie die ärzte sich nahe kommen und sich von ihnen an
den Puls fühlen ließe, auch der unerfahrenste zuletzt merken würde, dass sie
völlig gesund und dass ihre Krankheit bloße Verstellung sei, tat folgendes. So
wie einer zu ihr eintrat, geriet sie in eine so heftige Wut und Abneigung gegen
denselben, und tat so, als wollte sie ihm, wenn er näher käme, das Gesicht
zerkratzen, das auch nicht ein einziger sich dieser Gefahr auszusetzen wagte.

Einige von denen, die sich für geschickter als andere
ausgaben und sich rühmten, Krankheiten beim bloßen Anblick beurteilen zu
können, verordneten ihr gewisse Tränke, die sie ohne Schwierigkeit einnahm, da
sie ja versichert war, es stände in ihrer Gewalt sich so lange krank zu
stellen, als sie Lust habe und es für nötig erachte, und dass diese Getränke
ihr überdies nicht schaden könnten.