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402. Nacht

Diese äußerungen der Prinzessin von Bengalen bezweckten
weiter nichts, als dass der Prinz Firus dadurch, dass er sich etwas länger in
ihrer Umgebung aufhielt, allmählich für ihre Reize noch leidenschaftlicher
eingenommen würde. Sie hoffte zugleich, dass dadurch sein brennendes Verlangen,
nach Persien zurückzukehren, sich etwas abkühlen und er sich zuletzt
entschließen würde, öffentlich zu erscheinen, und sich dem König von
Bengalen vorzustellen. Der Prinz von Persien konnte nach dem günstigen Empfang
und der Aufnahme, die er bei ihr gefunden, ihr nicht füglich die Gefälligkeit,
die sie von ihm verlangte, abschlagen. Er war so artig, ihr dies zu bewilligen,
und die Prinzessin dachte von nun an bloß darauf, ihm seinen Aufenthalt durch
alle nur erdenklichen Vergnügungen so angenehm als möglich zu machen.

Mehrere Tage nacheinander gab es nun nichts als Feste,
Bälle, Konzerte, glänzende Gastmahle oder köstliche Zwischenmahlzeiten, oder
Jagden im Tiergarten des Schlosses, worin es alle Arten von Rotwild, Hirsche,
Hinden, Dammhirsche, Rehböcke und dergleichen in Bengalen einheimische Tiere
gab, deren Jagd gefahrlos war, und der Prinzessin besonders zusagte.

Am Schluss jeder Jagd pflegten der Prinz und die
Prinzessin an irgend einer Stelle des Tiergartens zusammenzutreffen, wo man für
sie einen großen Teppich mit Polsterkissen ausbreitete, damit sie desto
bequemer sitzen konnten. Während sie nun hier ihre Lebensgeister erfrischten,
und sich von der heftigen Anstrengung, die sie gehabt, wieder zu erholen
suchten, unterhielten sie sich über allerlei Gegenstände. Vor allen Dingen
suchte die Prinzessin geflissentlich das Gespräch auf die Größe, die Macht,
die Reichtümer und die Regierung Persiens hinzulenken damit sie von den
äußerungen des Prinzen ihrerseits Anlass nehmen könnte, mit ihm von dem
Königreich Bengalen und dessen Vorzügen zu sprechen, und dadurch ihn zu einem
längeren Verweilen darin zu bewegen. Allein es erfolgte gerade das Gegenteil
von dem, was sie sich vorgesetzt hatte.

Der Prinz von Persien machte ihr wirklich ohne alle
übertreibung eine so vorteilhafte Schilderung von der Größe des persischen
Reiches, von dessen Pracht und überfluss, von dessen Kriegsmacht und Land- und
Seehandel bis in die entferntesten und unbekanntesten Länder, und von der Menge
der großen Städte darin, die fast ebenso bevölkert waren, als seine
Residenzstadt, wo er selber vollständig eingerichtete Paläste besaß, die er
je nach den verschiedenen Jahreszeiten bewohnen, und somit eines ewigen
Frühlings genießen konnte, dass die Prinzessin, noch ehe er seine Schilderung
geendigt hatte, das Königreich Bengalen als dem persischen Reich weit
nachstehend betrachtete. Dies ging so weit, dass, als er nach Endigung seiner
Erzählung sie um eine Schilderung der Vorzüge des Reiches von Bengalen bat,
sie sich erst nach inständigen Bitten von Seiten des Prinzen dazu entschließen
konnte.

Die Prinzessin erfüllte also dem Prinzen diesen Wunsch,
indem sie mehrere entschiedene Vorzüge, die das Königreich Bengalen vor dem
persischen Reiche offenbar voraus hatte, in Schatten zu stellen suchte, ließ
sie ihn so deutlich ihre Neigung merken, ihn dahin zu begleiten, dass er wohl
annehmen konnte, sie würde gleich bei dem ersten Antrag, den er ihr in dieser
Hinsicht machen würde, sogleich einwilligen. Indessen er heilt es nicht für
angemessen, dies früher zu tun, als bis er aus Gefälligkeit so lange bei ihr
gewesen sein würde, dass sie nicht wohl, ohne das größte Unrecht zu begehen,
ihn noch länger bei sich festhalten oder hindern konnte, seiner unerlässlichen
Pflicht Genüge zu leisten und sich zu seinem königlichen Vater
zurück zu begeben.