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400. Nacht

Da die Kammerfrau der Prinzessin, bereits den Türvorhang
offen hielt, so sagte die Prinzessin von Bengalen, indem sie aufstand, zu dem
Prinzen von Persien, der dasselbe tat: Sie pflege sonst nicht so frühzeitig zu
Mittag zu speisen, indessen, da sie befürchte, dass man ihm gestern eine sehr
schlechte Abendmahlzeit vorgesetzt, so habe sie das Mittagessen früher als
gewöhnlich auftragen lassen. Mit diesen Worten führte sie ihn in einen
prächtigen Saal, wo die Tafel gedeckt und mit einer Fülle der trefflichsten
Speisen besetzt war. Sie setzten sich zur Tafel, und sobald sie Platz genommen
hatten, begannen die Sklavinnen der Prinzessin, die in großer Zahl, alle sehr
schön und reich gekleidet, da standen, ein anmutiges Konzert von Singstimmen
und Instrumenten, das die ganze Mahlzeit über dauerte.

Da das Konzert sehr mild und sanft und überhaupt so
ausgeführt wurde, dass es den Prinzen und die Prinzessin nicht weiter an der
Unterhaltung hinderte, so ging ein großer Teil der Zeit damit hin, dass die
Prinzessin dem Prinzen vorlegte und ihn zum Essen aufforderte, während
andererseits der Prinz der Prinzessin immer das Beste vorzulegen suchte, um ihr
in Worten und Manieren zuvorzukommen, welches ihm denn neue Artigkeiten und
Verbindlichkeiten von Seiten der Prinzessin zuzog, und in diesem gegenseitigen
Austausch von Artigkeiten und Aufmerksamkeiten machte die Liebe nach beiden
Seiten hin größere Fortschritte, als es bei einer absichtlichen Zusammenkunft
unter vier Augen der Fall gewesen sein würde.

Endlich standen beide von der Tafel auf. Die Prinzessin
führte den Prinzen von Persien in ein großes prächtig gebautes, mit Gold und
himmelblau symmetrisch verziertes und reich ausgeschmücktes Gemach. Sie setzten
sich darin aufs Sofa, welches eine sehr anmutige Aussicht nach dem Garten des
Palastes hatte, den der Prinz Firus Schach um der mannigfaltigen Blumen,
Gebüsche und Bäume willen bewunderte, die von den in Persien gewöhnlichen
ganz verschieden waren und ihnen an Schönheit nichts nachgaben.

„Prinzessin,“ sagte der Prinz, „ich glaubte
sonst, es gäbe auf der Welt nirgends außer Persien prächtige Paläste und
bewunderungswürdige Gärten, die der Majestät von Königen würdig wären,
indessen ich sehe, dass überall, wo große Könige sind, sie sich Wohnungen zu
erbauen wissen, die ihrer Größe und Macht angemessen sind, und wenn auch in
der Bauart derselben und in anderen Nebensachen einige Verschiedenheit obwaltet,
so sind sie doch in der Größe und in der Pracht einander ähnlich.“

„Prinz,“ erwiderte die Prinzessin von Bengalen,
„da ich von den Palästen Persiens keinen Begriff habe, so kann ich auch
nicht über eure Vergleichung derselben mit dem meinigen urteilen und euch meine
Ansicht darüber sagen, allein wie aufrichtig ihr auch immer sein mögt, so kann
ich mich doch kaum überreden, dass diese Vergleichung ganz richtig ist. Erlaubt
mir daher zu glauben, dass eure Höflichkeit einen großen Anteil daran hat.
Gleichwohl will ich meinen Palast vor euch nicht gerade verachten, denn ihr habt
einen zu guten Geschmack, als dass ihr nicht ein richtiges Urteil darüber
fällen solltet. Allein ich versichere euch, dass ich ihn nur höchst
mittelmäßig finde, wenn ich ihn mit dem Palast des Königs, meines Vaters,
vergleiche, welcher diesen hier an Größe, Schönheit und Reichtum weit
übertrifft. Ihr selbst mögt mir sagen, was ihr davon denkt, wenn ihr denselben
gesehen haben werdet. Denn da der Zufall euch einmal in die Hauptstadt dieses
Reiches geführt hat, zweifle ich nicht, dass ihr nicht auch den König, meinen
Vater, gern sehen und begrüßen möchtet, damit er euch die Ehre erweist, die
einem Prinzen von eurem Rang und Verdienst gebührt.“