Project Description

40. Nacht

Dinarsade bat, nach ihrer Gewohnheit, ihre
Schwester die Geschichte der Frauen und der Kalender fortzusetzen.

Scheherasade nahm sie also wieder auf:

„Während Sobeïde und Safie ihrer
Schwester zu Hülfe eilten, konnte sich einer der Kalender nicht enthalten zu
sagen: „Wir hätten lieber unter freiem Himmel geschlafen, als hier
einzutreten, wenn wir gewusst hätten, dass wir hier ein solches Schauspiel
sehen sollten.“

Der Kalif, der dieses hörte, nahte sich ihm
und den anderen Kalendern, redete sie an, und fragte: „Was bedeutet dies
hier?“ Der Kalender, der zuerst gesprochen hatte antwortete: „Mein
Herr, wir wissen nicht mehr davon, als ihr.“ – „Wie,“ fuhr der Kalif
fort, „ihr gehört nicht zum Hause? und könnt uns nichts berichten von
diesen beiden schwarzen Hündinnen, von dieser in Ohnmacht gesunkenen und so
unwürdig misshandelten Frau?“ – „Nein, Herr,“ erwiderte der
Kalender, „in unserm ganzem Leben sind wir nicht in dies Haus gekommen, und
wir haben es nur einige Augenblicke vor euch betreten.“

Dies vermehrte die Verwunderung des Kalifen:
„Vielleicht,“ erwiderte er, „weiß dieser Mensch, der hier bei
euch ist, etwas von diesen Dingen.“

Einer der Kalender winkte dem Träger, sich
zu nähern, und fragte ihn, ob er nicht wüsste, warum die beiden schwarzen Hündinnen
gepeitscht worden, und warum Amines Busen so benarbt erschien. „Herr,“
antwortete der Träger, „ich schwöre bei dem großen lebendigen Gotte,
wenn ihr von allen dem nichts wisset, so wissen wir allzumal nichts davon. Es
ist wohl wahr, dass ich aus dieser Stadt bin, aber ich bin, außer heute,
niemals in dieses Haus gekommen; und wenn ihr verwundert seid, mich hier zu
sehen, so bin ich es nicht minder, mich in eurer Gesellschaft zu befinden. Was
meine Verwunderung noch verdoppelt,“ setzte er hinzu, „ist, dass ich
hier keinen Mann bei diesen Frauen sehe.“

Der Kalif und seine Gefährten und die
Kalender hatten geglaubt, dass der Träger zum hause gehörte, und dass er ihnen
berichten könnte, was er zu wissen wünschte. Entschlossen, seine Neugier zu
befriedigen, um welchen Preis es auch wäre, sagte der Kalif zu den übrigen:
„Höret, da wir hier sieben Männer sind, und nur mit drei Frauen zu tun
haben, so wollen wir sie ersuchen, uns die gewünschte Aufklärungen zu geben.
Wenn sie sich weigern, sie uns gutwillig zu geben, so sind wir im Stande, sie
dazu zu zwingen.“

Der Großwesir Giafar widersetzte sich diesem
Rate, und stellte dem Kalifen die Folgen davon vor, ohne jedoch diesen Fürsten
den Kalendern zu erkennen zu geben; und indem er sich zu ihm wandte, wie zu
einem Kaufmann, sagte er: „Bedenket Herr, ich bette euch, dass wir die gute
Meinung von uns bewahren haben. Ihr wisst, unter welchen Bedingungen nur die
Frauen uns bei sich aufnehmen wollten; wir haben sie angenommen. Was würde man
nun von uns sagen, wenn wir dem zuwider handelten? Wir würden noch viel
tadelnswürdiger sein, wenn uns irgend ein Unglück begegnete. Es hat nicht den
Anschein, dass sie uns dieses Versprechen abgefordert hätten, wenn sie nicht im
Stande wären, es uns bereuen zu lassen, im Falle wir es nicht halten.“

Mit diesen Worten zog der Wesir den Kalifen
beiseite, und leise zu ihm redend, fuhr er fort: „Herr, die Nacht wird
nicht lange mehr dauern; geruhe Euer Majestät, sich noch ein wenig zu gedulden.
Ich werde morgen früh diese Frauen gefangen nehmen, und sie vor euren Thron
führen, und ihr werdet von ihnen alles hören, was ihr wissen wollt.“

Obwohl dieser Rath sehr vernünftig war, der Kalif
verwarf ihn dennoch, und legte dem Wesir Stillschweigen auf, indem er sagte, dass
er nicht so lange warten könnte, sondern auf der Stelle die gewünschte
Aufklärung haben wollte.

Es kam jetzo nur noch darauf an, wer das Wort
führen sollte. Der Kalif suchte die Kalender zu bereden, zuerst zu sprechen;
aber sie lehnten es ab. Endlich kamen alle darin überein, dass es der Träger tun
sollte.

Dieser schickte sich an zu der bedenklichen
Frage, als Sobeïde, nachdem sie Aminen beigesprungen, die aus ihrer Ohnmacht
wieder zu sich gekommen war, sich ihnen näherte. Da sie sie laut und mit Eifer
reden gehört hatten, sagte sie zu ihnen: „Ihr Herren, wovon redet ihr? Was
betrifft euer Wortwechsel?“

Der Träger nahm darauf das Wort, und sprach
zu ihr: „Gnädige Frau, diese Herren bitten euch sehr, ihnen doch zu
erklären, warum ihr, nachdem ihr eure beiden Hündinnen so misshandelt, mit
ihnen geweint habt, und woher es kömmt, dass die in Ohnmacht gesunkene Frau den
Busen so mit Narben bedeckt hat? Das ist es, gnädige Frau, was sie mir
aufgetragen haben, in ihrem Namen von euch zu bitten.“

Sobeïde nahm auf diese Worte eine stolze
Haltung an, wandte sich zu dem Kalifen, seinen Gefährten und den Kalendern, und
sagte zu ihnen: „Ist es wahr ihr Herren, dass ihr ihm aufgetragen habt, mir
diese Frage zu tun?“ Sie antworteten mit Ja, ausgenommen Giafar, der kein
Wort sagte. Auf dieses Geständnis sprach sie zu ihnen in einem Tone, der
genugsam ausdrückte, wie sehr sie sich beleidigt fände.

„Bevor wir euch eure bitte, euch bei uns
aufzunehmen, gewährten, haben wir, weil wir allein sind, um allem anlasse der
Unzufriedenheit mit euch zuvorzukommen, euch die Bedingung auferlegt, nicht von
Dingen zu sprechen, die euch nicht angehen, damit ihr nicht höret, was euch
nicht gefiele. Nachdem wir euch nun aufgenommen und bewirtet haben, so gut es
uns möglich war, so unterlasst ihr gleichwohl nicht, euer Wort zu brechen. Es
ist wahr, dass dies die Folge von unserer Willfährigkeit ist: aber das
entschuldigt euch nicht, und euer Benehmen ist nicht anständig.“

Indem sie diese Worte aussprach, stampfte sie
stark mit den Füßen, und klatschte dreimal in die Hände, und rief:
„Eilet herbei!“

Sogleich öffnete sich eine Türe, und sieben
schwarze Sklaven, stark und gewaltig, traten mit dem Säbel in der Faust herein,
bemächtigten sich jeder eines der sieben Männer von der Gesellschaft, warfen
sie zu Boden, schleppten sie mitten in den Saal, und schickten sich an, ihnen
die Köpfe abzuhauen.

Man kann sich leicht vorstellen, wie groß
der Schreck des Kalifen war. Es gereute ihn nun, aber zu spät, nicht den Rath
des Großwesirs befolgt zu haben. Indessen war dieser unglückliche Fürst, so
wie Giafar, Mesrur, der Träger und die Kalender bereit, ihre fürwitzige
Neugier mit dem Leben zu bezahlen; aber bevor sie den Todesstreich empfingen,
sagte einer der Sklaven zu Sobeïde und ihren Schwestern: „Erhabene,
mächtige und verehrte Gebieterinnen, befehlet ihr uns, ihnen den hals
abzuhauen?“ – „Haltet an,“ antwortete ihnen Sobeïde, „ich muss
sie zuvor noch befragen.“

„Gnädige Frau,“ unterbrach sie der
erschrockene Träger, „um Gottes willen, lasst mich nicht für das
Verbrechen eines andern hinrichten. Ich bin unschuldig: jene sind die
Schuldigen. Ach,“ fuhr er weinend fort, „wir brachten die Zeit so
angenehm zu! diese einäugigen Kalender sind die Ursache dieses Unglücks. Es
gibt keine Stadt, der nicht der Umsturz drohet von diesen Leuten von so übler
Vorbedeutung. Gnädige Frau, ich flehe euch, nicht den Unschuldigen mit dem Schuldigen
zu vermengen; bedenket, dass es schöner ist, einem Elenden, Hilflosen, wie ich
bin, zu verzeihen, als ihn durch eure Macht niederzuschmettern, und ihn eurem
Unmut zu opfern.“

Sobeïde konnte sich, trotz ihrem Zorne nicht
enthalten, bei sich selber über die Wehklagen des Trägers zu lachen. Aber ohne
sich bei ihm aufzuhalten, wandte sie sich zum zweiten Mal an die übrigen, und
sprach: „Antwortet mir, und sagt mir, wer ihr seid: sonst habt ihr nur noch
einen Augenblick zu leben. Ich kann nicht glauben, da ihr anständige Leute,
noch vornehme Männer von Ansehen in eurem Lande seid, wo ihr auch her sein
möget. Wäre dies, so würdet ihr mehr Zurückhaltung und mehr Achtung vor uns
gehabt haben.“

Der von Natur ungeduldige Kalif litt
unendlich viel mehr, als die übrigen, sein Leben von dem Befehle eines
beleidigten und mit Recht erzürnten Weibes abhängen zu sehen; aber er fing an
wieder Hoffnung zu schöpfen, als er sah, da sie wissen wollte, wer sie wären;
denn er bildete sich ein, dass sie ihm nicht würde das leben nehmen lassen,
wenn sie seinen rang erführe. Deshalb befahl er ganz leise dem Wesir, der nahe
bei ihm war, schleunig kund zu tun, wer er wäre; aber der vorsichtige und kluge
Wesir, welcher die Ehre seines Herrn zu retten wünschte, und die große
Beschimpfung, welche er sich selber zugezogen hatte, nicht offenkundig machen
wollte, antwortete ihm bloß: „Wir haben nur, was wir verdienen.“ Aber
wenn er auch, dem Kalifen zu gehorchen, hätte reden wollen, so hätte Sobeïde
ihm dazu nicht Zeit gelassen.

sie hatte sich schon zu den Kalendern gewandt
und da sie sie alle drei einäugig sah, fragte sie, ob sie Brüder wären. Einer
von ihnen antwortete für die übrigen:

„Nein gnädige Frau, wir sind nicht
Brüder von Geburt, wir sind es nur durch den Stand als Kalender, das heißt,
durch Beobachtung der derselben Lebensart.“ –

„Ihr,“ fuhr sie fort, indem sie den
einen besonders anredete, „seid ihr einäugig von Natur?“ –
„Nein, gnädige Frau,“ antwortete er, „ich bin es durch ein so
seltsames Abenteuer, dass es jeden lehrreich sein würde, wenn es aufgeschrieben
wäre. Nach diesem Unglück ließ ich mir den Bart und die Augenbrauen abscheren,
und ward Kalender, indem ich dieses Kleid annahm, das ich hier trage.“

Sobeïde tat dieselbe Frage den beiden andern
Kalendern; welche ihr dieselbe Antwort gaben, wie der erste; der zuletzt sprach,
fügte aber hinzu: „Um euch zu überzeugen, gnädige Frau, dass wir keine
gemeine Leute sind, und damit ihr einige Rücksicht auf uns nehmet, so wisset, dass
wir alle drei Königssöhne sind. obwohl wir uns nie gesehen vor diesem Abend,
so haben wir doch zeit genug gehabt, uns gegenseitig zu erkennen zu geben, wer
wir sind.“

Auf diese Rede mäßigte Sobeïde ihren Zorn,
und sagte zu den Sklaven: „Gebet ihnen etwas Freiheit, jedoch bleibt hier;
denjenigen, die uns ihre Geschichte, und den Anlass erzählen, der sie in dieses
Haus geführt, tut nichts zu Leide, sondern lasst sie gehen, wohin es ihnen
beliebt: aber schonet derer nicht, die es versagen, uns diese Genugtuung zu
geben …“

Mit diesen Worten schwieg Scheherasade; und
ihr Stillschweigen sowohl als der anbrechende Tag, machten dem Sultan bemerkbar,
dass es Zeit war aufzustehen: was er denn auch tat, mit dem Vorsatze, in der
folgenden Nacht Scheherasade weiter zu hören, weil er zu wissen wünschte, wer
die drei einäugigen Kalender wären.