Project Description

398. Nacht

Die Prinzessin nahm nun das Wort und sagte: „Prinz,
ich hätte euch in dem Zimmer empfangen können, worin ihr mich diese Nacht
schlafen saht. Doch da der Aufseher meiner Verschnittenen dorthin freien Zutritt
hat, in dieses Zimmer aber bloß mit meiner Erlaubnis kommen darf, so habe ich
aus ungeduldiger Neugier, um von euch das seltsame Abenteuer zu erfahren,
welches mir das Glück eurer Bekanntschaft verschafft hat, vorgezogen, zu euch
zu kommen, als an einen Ort, wo uns beide niemand leicht stören wird. Erweist
mir also, ich beschwöre euch darum, die Gefälligkeit, um die ich euch
bitte.“

Um der Prinzessin von Bengalen zu willfahren, begann nun
der Prinz Firus Schach seine Erzählung mit dem feierlichen und alljährlichen Nurus-Fest
in Persien und mit den merkwürdigen Schauspielen, die den Hof von Persien und
fast die ganze Stadt Schiras ergötzt hatten. Sodann kam er auf das Zauberpferd,
welches er ihr beschrieb. Die Erzählung von den Wundern, welche der darauf
sitzende Inder vor einer so glänzenden Versammlung gezeigt hatte, überzeugte
die Prinzessin, dass man sich in dieser Art auf der Welt nichts
erstaunenswürdigeres denken könne.

„Prinzessin,“ fuhr hierauf der Prinz von Persien
fort, „ihr könnt leicht erachten, dass mein königlicher Vater, der keine
Ausgabe scheute, um seine Schatzkammer mit den seltensten und merkwürdigsten
Sachen, die nur irgend zu seiner Kenntnis gelangen, zu bereichern, von dem
lebhaftesten Verlangen entflammt werden musste, ein Pferd dieser Art dazu zu
bekommen. Dies war denn auch der Fall, und er fragte ohne Bedenken den Inder,
wie hoch er es biete.“

„Die Antwort des Inders war höchst überspannt. Er
sagte nämlich, er habe das Pferd nicht gekauft, sondern es bloß durch Tausch
für seine einzige Tochter erhalten, und da er sich nur unter einer ähnlichen
Bedingung desselben entäußern könne, so könne er es ihm nur dann abtreten,
wenn er ihm erlaube, die Prinzessin, meine Schwester, zu heiraten.“

„Die sämtlichen Hofleute, welche den Thron des
Königs, meines Vaters, umgaben, lachten ganz auf, als sie diesen überspannten
Vorschlag vernahmen, und ich insbesondere empfand einen so heftigen Unwillen
darüber, dass ich ihn nicht verhehlen konnte, und zwar umso weniger, da ich
bemerkte, dass mein Vater wegen der zu erteilenden Antwort zweifelhaft war. Ich
glaubte wirklich schon den Augenblick vor mir zu sehen, wo er ihm das, was er
wünschte, gewähren würde, wenn ich ihm nicht lebhaft den Nachteil vorstellte,
der daraus für seinen Ruhm erwachsen würde. Meine Gegenvorstellungen waren
indessen nicht im Stande, ihn ganz von dem Gedanken abzubringen, meine
Schwester, die Prinzessin, einem so verächtlichen Menschen aufzuopfern. Er
glaubte, ich würde vielleicht auf seine Ansicht noch eingehen, wenn ich mich
nur, wie er, davon überzeugen könnte, wie unschätzbar das Pferd wegen seiner
ganz einzigen Eigenschaft sei. Aus dieser Rücksicht wünschte er, dass ich es
in Augenschein nehmen, es bestiegen und selber einen Versuch damit machen
möchte.“

„Meinem Vater zu gefallen, stieg ich auf das Pferd,
und sobald ich darauf war, so machte ich es ganz so, wie ich es den Inder hatte
machen sehen, um sich mit dem Pferd emporzuschwingen, ohne weiter mir irgend
eine Anweisung von ihm geben zu lassen, und augenblicklich wurde ich in die
Lüfte mit einer Schnelligkeit empor geführt, die weit größer war als die
eines Pfeils, der von dem stärksten und geübtesten Bogenschützen empor
geschnellt wird.“