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334. Nacht

Aladdin, der über diese Nachricht höchst erfreut und
ganz von dem Gegenstand, der ihn bezaubert hatte, eingenommen war, sagte zu
seiner Mutter bloß einige Worte und entfernte sich in sein Zimmer. Hier nahm er
die Lampe, die ihm bisher in allen seinen Bedürfnissen und bei allen seinen
Wünschen so hilfreich gewesen war, und hatte sie kaum gerieben, als auch schon
der Geist durch sein unverzügliches Erscheinen seinen Gehorsam an den Tag
legte. „Geist,“ sagte Aladdin zu ihm, „ich habe dich gerufen,
damit du mir schnell ein Bad zurecht machen sollst, und sobald ich es genommen
habe, will ich, dass du für mich die reichste und prachtvollste Kleidung, die
nur jemals ein Fürst getragen, in Bereitschaft hältst.“ Er hatte dies
kaum gesprochen, als der Geist ihn, so wie sich selbst, unsichtbar machte, ihn
aufhob und in ein Bad trug, welches von dem feinsten bunt gestreiften Marmor
gebaut war. Ohne dass er sehen konnte, wer ihn bediente, wurde er in einem sehr
geräumigen und sauberen Saal ausgekleidet. Aus dem Saal ließ man ihn dann in
ein Bad treten, welches eine mäßige Wärme hatte, und worin er gerieben und in
verschiedenen wohlriechenden Wassern gebadet wurde. Nachdem er in den
verschiedenen Badegemächern alle Grade der Wärme durchgegangen, ging er wieder
heraus, aber ganz anders, als er hineingekommen war. Seine Gesichtsfarbe war
frisch, weiß und rosig geworden, und sein ganzer Leib viel leichter und
behender als zuvor. Er ging in den Saal zurück, und fand darin nicht mehr die
Kleidung, welche er darin zurückgelassen. Der Geist hatte an die Stelle
derselben diejenige gelegt, welche er verlangt hatte. Aladdin war ganz erstaunt,
als er die Pracht des Anzugs betrachtete, welcher für ihn hingelegt war. Er
kleidete sich mit Hilfe des Geistes an, indem er jedes Stück, so wie er es
anzog, bewunderte. So sehr übertraf alles seine höchsten Erwartungen! Als er
fertig war, trug ihn der Geist nach seiner Wohnung zurück, und zwar in dasselbe
Zimmer, woraus er ihn weggeführt hatte, und fragte ihn dann, ob er ihm noch
etwas aufzutragen hätte. „Ja,“ erwiderte Aladdin, „ich erwarte
von dir, dass du mir auf der Stelle ein Pferd herbeiführst, welches an
Schönheit und Trefflichkeit das kostbarste Pferd in dem Marstall des Sultans
übertrifft, und dessen Decke, Sattel, Zaum und Zeug über eine Million wert
sein muss. Auch verlange ich, dass du mir zu gleicher Zeit zwanzig Sklaven
herbeischaffst, ganz eben so reich und so zierlich gekleidet, wie die, welche
das Geschenk trugen, damit sie mir zur Seite und als mein Gefolge einher gehen
können, ferner zwanzig andere der Art, um in zwei Reihen vor mir her zu ziehen.
Auch meiner Mutter bringe sechs Sklavinnen zur Aufwartung, jede wenigstens eben
so reich gekleidet, als die Sklavinnen der Prinzessin Badrulbudur, und jede
einen vollständigen Anzug auf dem Kopf tragend, der eben so prächtig und so
stattlich sein muss, als wäre er für die Sultanin. Ferner bedarf ich noch
zehntausend Goldstücke in zehn Beuteln. Das war es, was ich dir noch
anzubefehlen hatte. Geh, und beeile dich.“

Sobald Aladdin dem Geist seine Befehle gegeben hatte,
verschwand der Geist, und erschien bald nachher mit dem Pferd, den vierzig
Sklaven, von denen zehn ein jeder einen Beutel mit zehntausend Goldstücken
trug, und mit sechs Sklavinnen, wovon jede auf ihrem Kopf einen verschiedenen
Anzug für Aladdins Mutter, in Silberstoff eingewickelt, trug. Der Geist
übergab dies alles an Aladdin.

Von den zehn Beuteln nahm Aladdin bloß vier, welche er
seiner Mutter mit den Worten gab, sie möchte sich derselben in Notfällen
bedienen. Die sechs übrigen ließ er in den Händen der Sklaven, welche sie
trugen, mit dem Befehl, sie zu bewahren, und während ihres Zuges durch die
Straßen nach dem Palast des Sultans dieselben handvollweise unter das Volk
auszustreuen. Auch befahl er ihnen, sie sollten nebst den übrigen dicht vor
ihm, und zwar drei zur Rechten und drei zur Linken, einhergehen. Zugleich
stellte er seiner Mutter die sechs Sklavinnen vor, indem er ihr sagte, dass sie
ihr gehörten und dass sie ganz als Gebieterin über dieselben verfügen
könnte, ferner auch, dass die Kleider, welche sie trügen, für sie bestimmt
wären.

Als Aladdin alle seine Angelegenheiten geordnet hatte,
entließ er den Geist, und sagte zu ihm, dass er ihn rufen würde, sobald er
seiner bedürfte. Der Geist verschwand augenblicklich. Jetzt dachte Aladdin
bloß daran, dem Wunsch des Sultans, der ihn gern sehen wollte, zu entsprechen.
Er fertigte einen von den vierzig Sklaven, – ich will nicht sagen den
schönsten, denn sie waren alle gleich, – nach dem Palast ab, mit dem Befehl,
sich an das Oberhaupt der Türsteher zu wenden, und ihn zu fragen, wann er wohl
die Ehre haben könnte, sich dem Sultan zu Füßen zu werfen. Der Sklave hatte
die Botschaft sehr schnell ausgerichtet, und brachte die Antwort zurück, dass
der Sultan ihn voll Ungeduld erwartete.

Aladdin stieg nun unverzüglich zu Pferd und setzte den
ganzen Zug in der schon angezeigten Ordnung in Bewegung. Obgleich er noch nie
zuvor zu Pferde gesessen hatte, so benahm er sich dennoch auf demselben mit so
viel Anstand, dass selbst der erfahrenste Reiter ihn nicht für einen Neuling
gehalten haben würde. Die Straßen, durch welche er zog, waren fast in einem
Augenblick mit einer unermesslichen Volksmenge angefüllt, welche die Luft von
ihrem Beifallruf, ihrer Bewunderung und ihren Lobpreisungen widerhallen ließen,
besonders jedes Mal, wenn die sechs Sklaven, welche die Beutel trugen, ganze
Hände voll Goldstücke links und rechts in die Luft warfen. Der Beifallsruf kam
indessen nicht von denen her, welche sich drängten und nieder bückten, um
einige Goldstücke aufzulesen, sondern von Personen aus dem Mittelstand, die
sich nicht enthalten konnten, der Freigebigkeit Aladdins das verdiente Lob zu
spenden. Nicht bloß die, welche ihn in der Jugend als Gassenjungen auf der
Straße spielen gesehen hatten, erkannten ihn nicht wieder, sondern selbst die,
welche ihn noch vor kurzem gesehen, hatten Mühe, ihn zu kennen. So sehr hatten
sich seine Gesichtszüge verändert. Dies kam daher, dass die Lampe die
Eigenschaft hatte, ihren Besitzer allmählich alle die Vollkommenheiten zu
verleihen, welche dem Rang, zu dem sie durch Hilfe der Lampe gelangten,
angemessen waren. Man schenkte nun Aladdins Person weit mehr Aufmerksamkeit, als
dem ganzen ihn begleitenden Aufzug, auch hatten die Meisten an demselben Tag
bereits das nämliche gesehen, als der Zug von Sklaven die Geschenke
überbrachte. Indessen wurde besonders das Pferd von den Kennern bewundert,
welche die Schönheit desselben gar wohl zu unterscheiden wussten, ohne von dem
Reichtum oder dem Schimmer der Diamanten und Edelsteine, womit es bedeckt war,
sich im geringsten blenden zu lassen. Da das Gerücht sich verbreitet hatte,
dass der Sultan ihm die Prinzessin Badrulbudur zur Ehe gäbe, so war doch
niemand, der in Hinsicht auf seine Herkunft ihm sein Glück oder seine
Standeserhöhung im mindesten beneidet hätte, so sehr schien er dessen würdig
zu sein.