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168. Nacht

„Der Barbier,“ sagte der junge Mann, „legte
wieder sein Schermesser hin, nahm zum zweiten Mal sein Astrolabium, um
nachzusehen, wie viel Uhr es wäre. Er kam wieder. „Herr,“ sagte er zu
mir, „ich wusste wohl, dass ich mich nicht irrte, es fehlen noch drei
Stunden bis Mittag, das ist gewiss, oder alle Regeln der Astronomie sind
falsch.“ – „Gerechter Himmel,“ rief ich aus, „meine Geduld
ist zu Ende! Ich kann das nicht länger aushalten. Verdammter Barbier!
Unglücksbarbier! Es fehlt wenig, dass ich mich über dich hermache und dich
erdrossele!“ – „Sachte, Herr,“ sagte er ganz kalt und ohne sich
von meinem Zorn aufregen zu lassen, zu mir, „fürchtet ihr denn nicht, aufs
neue krank zu werden? Erbost euch nicht, ihr sollt augenblicklich bedient
werden.“

Bei diesen Worten steckte er sein Astrolabium wieder in
seinen Barbiersack, nahm sein Schermesser heraus, welches er auf dem an seinem
Gürtel hängenden Leder hin und her strich, und fing an, mich zu barbieren,
wobei er jedoch das Sprechen nicht lassen konnte. „Wenn ihr, Herr,“
sagte er zu mir, „mir sagen wollt, was das für ein Geschäft ist, welches
ihr Mittags habt, so würde ich euch deshalb einen guten Rat geben.“ Um ihn
zu beruhigen, sagte ich ihm, dass ich zu Mittag von Freunden erwartet würde,
die mich bewirten und sich mit mir über die Wiederherstellung meiner Gesundheit
erfreuen wollten.

Als der Barbier von einer Bewirtung hörte, rief er aus:
„Gott segne euch an diesem Tage, wie an allen anderen! Ihr erinnert mich,
dass ich gestern vier oder fünf Freunde auf heute zu mir zu Tisch eingeladen,
ich habe es vergessen und noch keine Anstalten getroffen.“ – „Seid
deshalb ganz unbesorgt,“ sagte ich zu ihm, „obgleich ich auswärts
esse, ist meine Speisekammer doch, wie immer, wohl versehen. Ich senke euch
alles, was sie enthält, ich will euch so viel Wein geben, als ihr verlangt,
denn ich habe ganz vortrefflichen Wein in meinem Keller: Aber ihr müsst euch
sputen, mich vollends zu barbieren, und bedenkt, dass, wenn mein Vater euch
Geschenke gab, damit ihr reden solltet, ich euch beschenke, damit ihr
schweigt.“

Mein Wort genügte ihm nicht. „Gott vergelte
euch,“ rief er aus, „die Güte, welche ihr mir erzeigt, aber lasst
mich sogleich diese Vorräte sehen, damit ich weiß, ob sie zur Bewirtung meiner
Freunde hinreichen, denn sie sollen mit dem guten Mahl, welches ich ihnen
vorsetze, zufrieden sein.“ – „Ich habe,“ sagte ich, „ein
Lamm, sechs Kapaune, ein Dutzend Hühner und noch allerlei zu vier
Voressen.“ Ich befahl einem Sklaven, dies alles, nebst vier großen, mit
Wein gefüllten Krügen, herbeizubringen.

„Das ist schön,“ sagte der Barbier, „aber
nun brauche ich noch Früchte und Gewürze zum Fleisch.“ Ich ließ ihm
geben, was er noch verlangte. Er hörte auf, mich zu barbieren, um von dem
Gebrachten eins nach dem anderen zu untersuchen, und da diese Untersuchung
länger als eine halbe Stunde währte, so fluchte und wütete ich, aber ich
mochte noch so sehr fluchen und wüten, der verdammte Kerl sputete sich doch
nicht. Er ergriff jedoch wieder das Schermesser und barbierte mich einige
Augenblicke, hielt aber plötzlich wieder inne und sagte: „Ich hätte nicht
geglaubt, Herr, dass ihr so freigiebig wärt. Nun aber sehe ich, dass euer
verstorbener Vater wieder in euch auflebt. Gewiss, ich verdiene die Güte nicht,
womit ihr mich überhäuft, und versichere euch, dass ich euch dafür ewig
dankbar bleiben werde. Denn, Herr, ihr müsst wissen, dass ich nichts besitze,
was ich nicht der Großmut so wackerer Leute, wie ihr, verdanke; worin ich dem
Santout gleiche, der die Leute im Bad reibt1),
dem Saly, welcher geröstete Kichererbsen in den Straßen verkauft, dem Salout,
welcher Bohnen, dem Akraschy, welcher Kräuter verkauft, dem Abou-Mekar