423. Die Bonifaziuspfennige

423. Die Bonifaziuspfennige

In das Land an der Unstrut ist hernachmals der heilige Bonifazius, der Thüringer Apostel, gekommen, das war in der Zeit, als die Hunnen die deutschen Länder gleich Heuschreckenschwärmen überzogen und verheerten, und Bonifazius half den Thüringern durch sein Gebet zum Siege, daß sie der Hunnen viele Tausende erschlugen, so daß die Unstrut sich weithin mit Blut färbte, dann ließen die Thüringer sich taufen und glaubten an den eingebornen Sohn Gottes. Eine Sage geht, an der Sachsenburg sei der heilige Bonifazius einmal von den heidnischen Thüringern verhöhnt worden. Sie wollten Geld und Gut von ihm, keine Lehren, und warfen mit Steinen nach dem Bekehrer. Da verwünschte der heilige Mann alles Geld im Lande zu Stein, und augenblicklich schrumpfte jeder Pfennig zu einer steinernen Linse zusammen. Davon findet man immer noch an der Sachsenburg und an der Arnsburg über dem Dorfe Seeg, auf der Hainleite, welche der Bonifaziusberg genannt wird, und nennt sie Bonifaziuspfennige. – Als Bonifazius die Thüringer zum Christentum bekehrt hatte, freute sich darüber Kaiser Karl der Große über die Maßen und sandte einen Boten ins Land, der sie seines Schutzes und seiner Hülfe versichern mußte.

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417. Neun Kinder auf einmal

417. Neun Kinder auf einmal

Zu Querfurt saß ein Graf des Namens Gebhard, dessen Bruder war der heilige Bruno, der Apostel der heidnischen Preußen nächst dem heiligen Adalbert. Graf Gebhard war ein strenger und ernster Herr, starren Kopfes und raschen Handelns. Da er nun einmal eine Zeitlang aus seiner Herrschaft abwesend war, gebar ihm seine Gemahlin, eine edle Sachsin, auf dem Hause Querfurt auf einmal neun Kindlein. Über so reichen Segen erschraken sie und ihre Frauen nicht wenig und getrösteten sich von dem Grafen und Herrn nichts Guten, denn er war gar wunderlich und hatte schon zum öftern sich ungünstig über Frauen geäußert, die mehr als ein Kind, etwa zwei oder drei, zugleich geboren, nun vollends dreimal drei, das dürfte ihm schier allzu viel dünken und nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheinen. Wurden daher untereinander Rates, eines der Kindlein, das erste und stärkste, zu behalten und die acht übrigen beiseitezuschaffen, und ward einer der dienenden Frauen befohlen, die acht Kindlein in einem Kessel hinwegzutragen und den Kessel, mit Steinen beschwert, in den nahen Schloßteich zu senken. Dieser Trägerin begegnete der heilige Bruno, welcher damals in Querfurt lebte und in früher Morgenstunde bei einem schönen Quellbrunnen auf- und abwandelte und sein Gebet sprach, und da er ein Kindlein winseln hörte, fragte er, was sie trüge. Das Weib erschrak und sprach: Junge Welflin (Hündchen) – und wollte rasch vorübereilen, allein Bruno nötigte sie, den Mantel von dem Kessel aufzurücken, und sah die acht Kindlein und zwang der Frau das Geständnis ab, wem sie gehörten, die ihm nun auch die ganze Wahrheit sagte. Bruno legte ihr tiefes Schweigen auf, selbst gegen die Mutter, taufte in dem kupfernen Kessel, darin die Kindlein lagen, dieselben an dem Quellbrunnen und nannte sie insgesamt Bruno nach sich selbst, dann brachte er sie unter bei guten treuen Leuten zur Pflege und Auferziehung und hielt alles tief geheim, bis die Zeit kam, da er wieder gen Preußen zu ziehen gedachte. Der aufbehaltene neunte Knabe wurde Burkhart genannt und ward Hernachmals der Großvater Kaiser Lothars. Da nun Bruno aus dem Lande zu ziehen im Begriff stand, offenbarte er seinem Bruder das Geheimnis und nahm ihm das Versprechen ab, seiner Gemahlin jene frevelnde Tat nicht entgelten zu lassen, die nichts anderes wisse, als daß die Kindlein tot seien, und die Jahre her stets tiefe Reue und schmerzliche Betrübnis darob empfunden. Dann ließ er die acht Knäblein, eines gekleidet wie das andere, in das Schloß bringen und stellte sie den Eltern vor, da sahen sie wohl an Gestalt und Gebärden, daß sie des neunten rechte Brüderlein, und war Leid und Freud beieinander. Doch ließ Graf Gebhard seine Gemahlin nicht ganz ohne Strafe. Er ließ ihr ein Paar neue Schuhe machen, nicht von Leder, sondern von Eisen, und dieses Eisen ließ er glühend machen, und solche rote Schuhe mußte die Frau Gräfin auf eine Zeit anziehen, darum, daß sie in den kindermörderischen Rat eingewilligt. Selbige Schuhe, wie jenen Taufkessel zeigt man noch in der Kirche zu Querfurt, der Quellbrunnen wird noch heute der Brunsborn genannt, und der Teich, dahinein die Welflin gesenkt werden sollten, heißt noch bis diesen Tag der Wölfenteich.

In der Lauterburg bei Querfurt geht noch ein Spuk um, das Schlüsselweibchen genannt.

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418. Sankt Bruno und die Eselswiese

418. Sankt Bruno und die Eselswiese

Da der heilige Bruno am Donnerstage in der Osterwoche Abschied nahm von seinem Bruder und gen Preußen zog, ritt er auf einem Esel, und sein Bruder und viele Herren begleiteten ihn. Wie sie nun über den Anger hart hinter Querfurt ritten, wurde des heiligen Mannes Esel stätig und wollte nicht weiter, darin sahen die Geleitenden ein Anzeichen, daß Gott den Zug Brunos nicht wolle, und beredeten ihn zur Umkehr auf das Schloß. Gleichwohl fand der heilige Mann keine Ruhe, es drängte ihn seiner Bestimmung entgegen, und diese war keine andere als der Martyrertod, den er auch fand, als er dennoch nach Preußen gezogen war und dort das Evangelium lehrte und predigte. Er wurde mit achtzehn Gefährten gefangen, grausam gepeinigt, verstümmelt und getötet, das geschah in Litauen nahe der Grenze gegen Rußland im Jahre 1008 oder 1009. Auf der Wiese aber, darauf der Esel des heiligen Bruno stätig ward, und die bis heute die Eselswiese heißt, ward eine Kapelle erbaut, zur Eselstatt genannt, da ward an jedem Donnerstag nach Ostern reichlicher Ablaß erteilt, und entstand eine große Wallfahrt und viel Zustrom des Volkes von allen Orten und Enden. Endlich ward ein Jahrmarkt auf den Tag bestimmt, der zuletzt drei Tage dauerte, und so ist es geschehen, daß ein stätiger Esel das ganze Volk umher auf die Beine gebracht und laufend gemacht hat, welches Wunder nicht bloß zu Sankt Brunos Zeiten, sondern auch in späteren sich zum öfteren hie und da hat verspüren lassen.

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41. Der Rotbart zu Kaiserslautern

41. Der Rotbart zu Kaiserslautern

Bei Kaiserslautern ist eine Felsenhöhle von unergründlicher Tiefe. Von dieser geht des Volkes allgemeine Sage, daß Kaiser Friedrich der Rotbart, da er aus seiner Gefangenschaft in der Türkei gekommen sei, in Kaiserslautern sich niedergelassen habe. Dort habe er das Schloß gebaut und dem Weidwerk, wie der Fischerei in dem schönen See, der noch der Kaiserwerder heißt, obgelegen. In einem Tiergarten nahe am Schloß hielt der Kaiser allerlei wunderbarliche und fremdländische Getiere, und im See fing er einstmals einen großen Karpfen, dem steckte er einen güldnen Ring von seinem Finger an eine Flosse: der Fisch blieb und bleibt hinfüro ungefangen bis auf des Kaisers Wiederkehr. Endlich kam der Kaiser hinweg, niemand wußte zu sagen wie, und es ging die Rede, er habe sich in das tiefe Loch verwünscht auf lange Zeit, da drunten besserer Zeit zu harren. Im Schlosse blieb lange noch des Kaisers Bette aufbewahrt, hängend an vier eisernen Ketten. War es abends wohl gebettet, so war es morgens verwälzt, so daß man deutlich sah, es habe jemand darin gelegen. Einst fing man im Kaiserwerder zwei Karpfen, die waren um die Hälse mit Ringen und einer güldenen Kette verbunden, zum Angedenken wurden sie in Stein ausgehauen an der Metzlerpforte.

Zu einer Zeit fand sich ein Mann, der wollte gern den Grund der großen tiefen Höhle ergründen, in welche der Kaiser sich verwünscht haben sollte, und ward an einem Seil hinabgelassen mit einem Faden, der oben an eine Schelle reichte. Und kam hinab und sah den Kaiser sitzen auf güldnem Sessel mit mächtig großem roten Barte, schaute sich um und erblickte einen großen weiten Plan, darauf standen viele Wappner. Der Kaiser nickte ihm zu und bedeutete ihn, nicht zu reden – und da grausete es dem Mann, und gab sein Zeichen an der Schelle, und ward also wieder heraufgezogen, wo er verkündete, was er geschaut. Um keinen Preis aber wollte er noch einmal hinunter.

Weit über das deutsche Land hin verbreitet ist die Sage vom verzauberten Kaiser im Bergesschoß. Im Thüringer Lande ist sie am lebendigsten um den Kyffhäuser, so auch im Untersberge bei Salzburg und anderorts, wo es aber auch oft Kaiser Karl der Große oder auch Karl V. ist, den die Sage hineinbannt und zu künftiger Wiederkehr aufbewahrt.

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419. Der Nonnengeist zu Gehofen

419. Der Nonnengeist zu Gehofen

Zu Gehofen, zwischen Querfurt und Heldrungen, lebte Frau Philippine Agnes von Eberstein, eine achtbare Edelfrau. Dieser erschien im Jahr 1683 ein Gespenst in Gestalt einer Nonne und flüsterte ihr zu, abends sechs Uhr solle sie auf den Hof gehen und allda einen großen Schatz heben, der sei ihr beschert und keiner andern. Dieser Geist war von kleiner Gestalt, weiß gekleidet, auf dem Schleier über der Stirne mit einem roten Kreuz gezeichnet, trug in der Hand einen Rosenkranz und hatte nach damals üblicher Tracht ein weißes Vorstecktüchlein vor dem Munde. Da der Gemahl der Frau von Eberstein schwer erkrankt daniederlag und dieselbe abgemattet war von Nachtwachen, auch merklich furchtsam und bange war, so gab sie dem Ansinnen des Nonnengeistes keine Folge, hatte aber deshalb viel von demselben zu leiden. Das Nonnengespenst griff die Edelfrau tätlich an, drückte und zwickte sie und verursachte ihr körperliche Schmerzen, unter beständigem Andringen, den Schatz zu heben. Der Geist war ebenso redselig als zudringlich. – Ich war eine des Geschlechtes von Trebra, flüsterte er der Frau von Eberstein erzählend zu, und wohnte hier auf dem Gut, das früher unserer Familie gehört hat. Im Dreißigjährigen Kriege vergrub ich den Schatz – hebe ihn – hebe ihn! – Nimm deinen Beichtiger dazu, deine Hausgenossen – es soll dir kein Leid widerfahren – ich schütze dich, ich führe den schwarzen Hund hinweg, der den Schatz bewacht – hebe ihn, und nie siehst du mich wieder. Wirf eine Schürze oder ein Fazinettlein darauf, wenn du den Schatz siehst! Hebe ihn – es sind auch drei Ringe dabei, die werden deinem Geschlecht stets Glück bringen. Hebst du den Schatz, so soll nach vier Jahren deine Tochter auch einen heben! – Und so ging es in einem fort; die Edelfrau litt schrecklich unter diesen fortwährenden Peinigungen. Sie sah den Geist, als sie einmal über den Hof ging, mit flehentlichen Gebärden nahe der Kapelle stehen und auf den Ort des Schatzes deuten – ja sie sah den Schatz offen und fühlte, wie der Geist, als sie sich zum Weggehen wandte, sie am Rocke festhielt. Da wurde die so sehr geängstigte Frau von Eberstein ganz schwermütig und gemütskrank, sah aber immer den Geist, und andere sahen ihn nicht, und niemand glaubte ihr, nur ihr kleines Töchterlein, das noch nicht reden konnte, deutete mit seinen Fingerchen nach der Stelle, wo der Geist stand. Dessen Quälereien trieben die Edelfrau fast zur Verzweiflung und währten schon in den vierten Monat. Bei einer Ausfahrt zu Schlitten stand der Geist an der Brücke – da feuerte die Frau zwei scharfgeladene Pistolen nach ihm ab, aber die Folge war nur um so größere körperliche Peinigung. Auf Mund und Wangen und auf die Brust schlug der Geist die Leidende, warf sie im Bette empor, hielt den Mund ihr zu, legte sich auf sie wie ein Alp. Endlich ließ er ab, mit einem Male, und die Edelfrau ließ in öffentlicher Kirchenversammlung dem Herrn für ihre Erlösung danken. Der Schatz blieb ungehoben.

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420. Der immerlebende Rabe

420. Der immerlebende Rabe

Zu Merseburg im Schloßhof wird ein Rabe lebend erhalten als immerwährender Sagenzeuge. Es lebte daselbst ein Bischof, Thilo von Trotha geheißen, ein heftiger und jähzorniger Herr, der hielt im Hause zum Vergnügen einen zahmen Raben. Der Rabe tat, was er nicht lassen konnte, er stahl wie ein Rabe, so stahl er auch einen kostbaren, hoch wertgehaltenen Ring seines Herrn, des Bischofs, und trug den Ring in sein Nest, das er auf einem hohen Turme des Merseburger Schlosses hatte. Der Bischof aber vermeinte nicht anders, als der Ring sei ihm gestohlen und sein, alter Kammerknecht sei der Dieb, und ließ diesen Diener peinlich befragen und ihm durch die Folter das Geständnis der Schuld entreißen, und ließ ihn zum Richtplatz führen. Mit zum Himmel erhobenen Händen beteuerte der Greis seine Unschuld – doch sein Haupt fiel unter dem Henkerschwerte. Da geschah es nach einer Zeit, daß ein Sturm des Raben Nest vom Turme warf, darin fand sich mancherlei güldenes und silbernes Kleinod und auch des Bischofs Ring, um den der fromme Kämmerling unschuldig war gerichtet worden. Das traf des strengen Bischofs hartes Herz wie ein Blitzstrahl, und er büßte hart und schwer seine ungetreue Tat an dem Kämmerling. Er tat sich seines Familienwappens ab und nahm ein neues an und setzte in das Schild einen Raben, der einen Ring im Schnabel trug, und oben aus der Krone hoben sich als Helmkleinod zwei Arme und Hände, deren Finger einen Ring faßten. Dieses Wappen ließ der Bischof Thilo von Trotha allenthalben anbringen, daß es ihn überall an seine Untat erinnere und zu steter Buße mahne, innen und außen am bischöflichen Palast, im Dome, an den Mauern, in den Zimmern, auf den Gängen. Und verordnete, daß im Schlosse fort und fort ein lebender Rabe solle gehalten werden, wie denn auch noch geschieht. Und immer noch ist das neue Wappen zu erblicken, am schönsten auf dem ehernen Kenotaph, das dem Bischof Thilo von Trotha im Dome zu Merseburg errichtet ward.

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421. Des Bischofs Katze

421. Des Bischofs Katze

Es saß zu Merseburg ein Bischof des Namens Michael, der hielt eine Katze, mit der er sehr vertraut war; es war dieselbige aber keine gewöhnliche Katze, sondern ein Spiritus familiaris. Einstmals reiste Bischof Michael von Merseburg nach Leipzig, da kam er an einen Hügel, und auf diesem sah er einen ganzen Schwarm Katzen, was ihn baß verwunderte. Er ritt näher zu dieser Katzenvolksversammlung hin und rief: He, ihr Katzen! Seid ihr denn alle beisammen? – Da antwortete ihm eine der Katzen: Es fehlt keine, außer des Bischofs Michael von Merseburg Katze. – Wie der Bischof in seinen Palast zurückkehrte, sprach er zu seiner Katze: Höre du, da ich gen Leipzig ritt, sah ich auf einem Hügel am Weg einen ganzen Katzenkonvent und vernahm, daß du allein noch fehltest! Warum bist du nicht auch dabei gewesen? – Auf diese Rede pfauchte die Katze ganz abscheulich den Bischof an, tat einen Satz hinauf zum Fenster, fuhr hinaus durch die Luft und kam niemals wieder. Hernachmals ist in dasselbige Fenster ein Glasgemälde gekommen, darstellend den Bischof Michael und seine Katze, und jener Hügel ist der Katzenberg genannt worden.

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411. Stammschloß Anhalt

411. Stammschloß Anhalt

Nicht gar weit vom Schlosse Falkenstein, nur eine halbe Meile, liegen auf dem großen Hausberg die geringen Reste einer Burg, welche einem noch blühenden Fürstenhause, den Gebietern dieser ganzen Harzgegend, den Namen verlieh; das ist Anhalt, in undenklich früher Zeit auf einem Jaspisfelsen ohne Holz erbaut, daher On-Holt genannt. Darauf ist ein sehr tiefer Felsenbrunnen, der war lange verschüttet, ist aber in neuer Zeit wieder bis zum Grunde aufgeräumt worden, und in dem Brunnen ist ein Schatz verborgen, der liegt in einem Kessel, es hat ihn aber noch niemand zu heben vermocht. Einst machte eine Gesellschaft den Versuch und ließ einen Bergmann in den Brunnen hinab. Dieser vollbrachte alles nötige Zauberwerk glücklich, und siehe, der Kessel rückte auch wirklich herauf, ganz voll alter Taler und Goldgülden, so nahe an die Hand des Bergmanns heran, daß dieser nur zugreifen durfte. Sowie er aber die Hand danach ausstreckte, um einzusacken, so zog sich der Kessel zurück wie eine spröde Schöne, dann kam er wieder nahe und äffte den Bergmann so fort und fort, bis dieser des Gaukelspieles überdrüssig war und einen Fluch tat. Plauz, fiel der Kessel in die Tiefe, und der Bergmann hörte das Gold und das Silber noch lange klingeln und rollen und an die Felswände des Brunnens anschlagen. In der Nähe liegt auch eine Wiese, die Pfannenwiese genannt, die hat ihren Namen von einer in ihr verborgenen Braupfanne voll Gold und Silber, wie denn der Sagen von verborgenen und verzauberten Bergschätzen auf und am Harzwalde so viele sind, daß ihre Zahl in das Unendliche geht.

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412. Doktor Faust auf Anhalt

412. Doktor Faust auf Anhalt

Zum Grafen von Anhalt kam zur Winterszeit der weitberufene Doktor Faustus, und da er die Frau Gräfin in gesegneten Umständen sah, so fragte er sie, ob sie nicht irgendein Gelüste oder Verlangen habe nach etwas Besonderem, wie bei Frauen in Hoffnung nicht selten, so wolle er es ihr gern vermöge seiner Zauberkunst verschaffen. Solches freundliche Erbieten nahm die Frau Gräfin gütig auf und erwiderte, es würde ihr wohl ein großes Verlangen befriedigt werden, wenn sie statt des trocknen Konfekts und der trocknen Nüsse frischen Obstes, als Weintrauben, Kirschen und Pfirsiche, teilhaft werden könnte, die werde aber jetzt im rauhen Winter weder er noch ein anderer Zauberer herbeizuschaffen vermögen. Da nahm Doktor Faustus drei silberne Schüsseln, setzte sie vor das Fenster des Tafelzimmers, murmelte eine Zauberformel und brachte dann alsbald die erste Schüssel voll frisches Obst, Äpfel, Birnen und Pfirsiche, die zweite voll Kirschen, Aprikosen und Pflaumen, die dritte voll blauer und grüner Trauben herein und hieß sie ohne Zagen davon essen, was die Gräfin auch mit großem Wohlbehagen tat.

Als nun die Zeit kam, daß Doktor Faustus von Anhalt Abschied nehmen wollte, so ersuchte er den Grafen und die Gräfin, ihn auf einem Spaziergang zu begleiten, er wolle ihnen etwas Neues zeigen. Dieses geschah im Geleite des gräflichen Gefolges, und als man vor das Burgtor trat, sah man auf einer Höhe, der Rombühl genannt, ein neuerbautes Schloß sich erheben, auf dessen breiten Wallgräben Wassergeflügel schwamm; das Schloß hatte fünf Türme, und als die Gesellschaft näherkam, fand sie zwei Tore und den Zwinger belebt von einer Menagerie seltener Tiere, die darin umhergingen und sprangen, ohne sich zu beschädigen, Affen, Meerkatzen, Bären, Gemsen, Strauße und sonstige Tiere. In einem Saale harrte ein auserlesenes Frühmahl, bei welchem Doktor Fausts Famulus, Christoph Wagner, den Diener machte, und in welchem eine unsichtbare Musik sich hören ließ. Speisen und Weine waren solcher Art, daß sie alle mit Wohlgefallen sättigten. Als die Gesellschaft aus diesem schönen Schlosse nach länger als einer Stunde Aufenthalt wieder aufbrach und sich dem Schlosse Anhalt wieder näherte, nicht ohne rückwärts nach dem neuen Schloß zu blicken, da hörten und sahen sie, wie dieses unter Schüssen und Krachen wie von Büchsen und Kartaunen in Flammen aufging, Faustus und Wagner waren verschwunden, und alle fühlten einen Löwenappetit, und es kam ihnen allen der Hunger in den Leib, und mußten noch einmal frühstücken, denn, was sie gegessen, war eitel Blendwerk gewesen.

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413. Das ist des Manns Feld

413. Das ist des Manns Feld

Da Kaiser Heinrich auf seiner Pfalz Wallhausen in der güldnen Aue Hoflager hielt, wollte er einem seiner Mannen eine Gnade erzeigen, und so erbat sich dieser ein Stück Feldes, angrenzend an die güldne Aue, so groß, als er mit einem Scheffel Gerste werde umsäen können. Dieses Ansuchen gewährte ihm der Kaiser, und der Mittelsmann säete nun nichts weniger als dicht, sondern lang und weit und umfing den Bodenraum einer ganzen Grafschaft. Das verdroß des Kaisers Ritter und Dienstmannen, und murrten gegen ihn, daß jener Kämpe mit ziemlicher Unbescheidenheit zu Werke gegangen, der Kaiser aber lachte und sprach: Wort ist Wort. Was der Mann umsäet hat, das ist des Manns Feld. Von da ab wurde und blieb der neuen Grafschaft der Name Mansfeld, und in das Wappen, das die Grafen annahmen, wurden Gerstenkörner gestellt, welche die Heraldiker hernach Wecken nannten, weil sie den Ursprung vergessen hatten und die Körner undeutlich ausgedrückt fanden, wie sie aus den ursprünglichen Pfauenschweifwedeln durch den Hut überm Wappen der alten Grafen von Henneberg ein paar unbedeutende Rohrkolben gemacht und andere solche Schnitzer mehr auf gar vielen alten Geschlechterwappen.– Des Hauses Mansfeld Ahnherren haben die alten Historiker, die so zuverlässig sind wie die alten Heraldiker, weit über die Zeit der Kaiser Heinriche hinaufgerückt, sie glänzten nach ihnen schon unter den Rittern der Tafelrunde.

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