Der Partikularist
Wilhelm Busch
Der Partikularist
Jetzt kommen die Franzosen – die Preußen kriegen Schläge.
Haha! Saarbrücken! Gelt, der kleine Lulu!
Weißenburg – –! Wer’s glaubt!
Pah! Der Max Mahon zeigt’s ihnen schon!
Wörth! Wörth! Hm, sonderbar!
Mars la Tours! Siehst du wohl!
Aber der Max Mahon fangt’s fein an. H-u-iii!
Sedan. Pfui Teufel!
Gefangen! Was – gefangen – Er?
O Straßburg, o Straßburg,
du wunderschöne Stadt!
Sie: »Metz, Metz, Metz! – Er: »Verrat!«
Und das Viktoria-Geschieß auch noch!
Der neidische Handwerksbursch
Wilhelm Busch
Der neidische Handwerksbursch
Das Hähnerl hier ist für den Dicken.
Der Handwerksburch‘ fühlt Magenzwicken.
Die Zeitung ist oft int’ressant.
Ein Hähnerl nimmt man gern zur Hand.
Die Politik ist sehr belehrend.
Der Wohlgeruch ist manchmal störend.
Der Dicke schmaust, es perlt der Wein;
Der Handwerksbursch‘ schaut neidisch drein.
Der Handwerksbursche unverwandt
Vertieft sich in den Gegenstand.
Auch das noch! – Es ist unerträglich! –
Er flötet so leger wie möglich.
Der Dicke schlürft mit viel Gefühl; –
Dem Handwerksburschen wird es schwül.
Er zahl drei Kreuzer sehr verlegen,
Stolz nimmt sie der Herr Wirt entgegen.
Drei Taler zahl der gnäd’ge Herr,
Da ist der Wirt schon höflicher. –
– Die Sonne brennt, der Staub der weht;
Der Dicke fährt, der Dünne geht. –
Der Handwerksbursche froh und frei,
Ruht sanft im duft’gen Wiesenheu.
Der Dicke aber – autsch! mein Bein! –
Hat wieder heut‘ das Zipperlein.
Der Lohn einer guten Tat
Wilhelm Busch
Der Lohn einer guten Tat
(eine wahre Geschichte)
Wenn man von dem Lohn der Tugend
Hin und wieder was erfährt,
So ist das im allgemeinen
Jedenfalls nur wünschenswert.
Aber so was kann mich ärgern,
Wenn man in der Zeitung sieht,
Was dem Johann Luenicka
Für sein gutes Werk geschieht.
Von Geburt aus Leitomischl,
Handwerksbursche von Metier,
Kam er auch auf seiner Reise
Einst an einen großen See.
Plötzlich sieht er einen Knaben,
Welcher etwa dreizehn Jahr,
Und, nachdem er sich gebadet,
Eben beim Ertrinken war.
Dieses kann Johann nicht leiden,
Stürzt sich mutig in die Flut,
Faßt das Kind beim linken Beine,
Aber ach! verliert den Hut.
Erst jedoch, nachdem er alle
Rettungsmittel angewandt,
Fühlt er mittelst seiner Hände,
Daß er seinen Hut nicht fand.
Unbemittelt und vertrauend
Auf das Werk, das er getan,
Hält er bei der Ortsgemeinde
Höflich um Belohnung an.
Hier nimmt man das Anersuchen
Auch sogleich zu Protokoll
Und berichtet an das Kreisamt,
Wie man sich verhalten soll.
Von dem Kreisamt schreibt man wieder,
Und der Brave ist schon froh;
Aber groß war sein Erstaunen,
Denn die Antwort lautet so:
»Erstens, da der Luenicka
Schwimmen kann, so ist es klar,
Daß sein Leben bei der Sache
Nicht besonders in Gefahr;
Drum, nach reiflichem Bedenken,
Lautet unser Amtsbeschluß,
Daß die fragliche Belohnung
Jedenfalls von Überfluß.
Zweitens hat der Luenicka
Sein Ersuchen eingeschickt,
Ohne daß, wie es gesetzlich,
Ihm ein Stempel aufgedrückt;
Drum, nach reiflichem Bedenken,
Lautet unser Amtsbeschluß,
Daß er 72 Kreuzer
Stempeltaxe zahlen muß.«
Ja, so lautet das Erkenntnis. –
Zahlen muß der junge Mann,
Ob ihm gleich von jedem Auge
Eine stille Träne rann.
Und wir fragen uns im stillen:
Wozu nützt die gute Tat,
Wenn ein tugendsamer Jüngling
Obendrein noch Kosten hat!
Der hohle Zahn
Wilhelm Busch
Der hohle Zahn
Oftmalen bringt ein harter Brocken
Des Mahles Freude sehr ins Stocken.
So geht’s nun auch dem Friedrich Kracke;
Er sitzt ganz krumm und hält die Backe.
Um seine Ruhe ist’s getan;
Er biß sich auf den hohlen Zahn.
Nun sagt man zwar: es hilft der Rauch!
Und Friedrich Kracke tut es auch.
Allein schon treiben ihn die Nöten,
mit Schnaps des Zahnes Nerv zu töten.
Er taucht den Kopf mitsamt dem Übel
In einen kalten Wasserkübel.
Jedoch das Übel will nicht weichen,
Auf andre Art will er’s erreichen.
Umsonst! – Er schlägt, vom Schmerz bedrängt,
Die Frau, die einzuheizen denkt.
Auch zieht ein Pflaster hinterm Ohr
Die Schmerzen leider nicht hervor.
»Vielleicht« – so denkt er »wird das Schwitzen
Möglicherweise etwas nützen.«
Indes die Hitze wird zu groß,
Er strampelt sich schon wieder los;
Und zappelnd mit den Beinen,
Hört man ihn bitter weinen.
Jetzt sucht er unterm Bette
Umsonst die Ruhestätte.
Zuletzt fällt ihm der Doktor ein.
Er klopft. – Der Doktor ruft: »Herein!«
»Ei, guten Tag, mein lieber Kracke,
Nehmt Platz! Was ist denn mit der Backe?
Laßt sehn! Ja, ja! Das glaub‘ ich wohl!
Der ist ja in der Wurzel hohl!«
Nun geht der Doktor still beiseit.
Der Bauer ist nicht sehr erfreut.
Und lächelnd kehrt der Doktor wieder,
Dem Bauern fährt es durch die Glieder.
Ach, wie erschrak er, als er da
Den wohlbekannten Haken sah!
Der Doktor, ruhig und besonnen,
Hat schon bereits sein Werk begonnen.
Und unbewußt nach oben
Fühlt Kracke sich gehoben.
Und rack – rack! – da haben wir den Zahn,
Der so abscheulich weh getan!
Mit Staunen und voll Heiterkeit
Sieht Kracke sich vom Schmerz befreit.
Der Doktor, würdig, wie er war,
Nimmt in Empfang sein Honorar.
Und Friedrich Kracke setzt sich wieder
Vergnügt zum Abendessen nieder.
Der hinterlistige Heinrich
Wilhelm Busch
Der hinterlistige Heinrich
Die Mutter sprach: »O Heinrich mein!
Nimm diese Brezen, sie sei dein!«
Der böse Heinrich denkt sich gleich:
»Jetzt fang ich Gänse auf dem Teich.«
Ein junges Gänslein schwamm ans Land,
Schwapp! hat es Heinrich in der Hand.
Es schreit und zappelt fürchterlich;
Die Alten sind ganz außer sich.
Jetzt faßt die Gans den Heinrich an,
Wo sie zunächst ihn fassen kann.
Der Heinrich fällt auf seinen Rücken;
Am Ohr tun ihn die Gänse zwicken.
Sie fliegen dann, – o weh, o weh!
Mit Heinrich fort und in die Höh.
Hoch über seiner Mutter Haus,
Da lassen sie den Heinrich aus.
Der fällt ganz schwarz und über Kopf
Der Mutter in den Suppentopf.
Mit einer Gabel und mit Müh‘
Zieht ihn die Mutter aus der Brüh‘.
Hier sieht man ihn am Ofen stehn. –
Dem Schlingel ist ganz recht geschehn!
Die Gänse aber voll Ergötzen
Verzehren Heinrichs braune Brezen.
Der heilige Antonius – letzte Versuchung
Wilhelm Busch
Der heilige Antonius – letzte Versuchung
Der heilige Antonius von Padua
Saß oftmals ganz alleinig da
Und las bei seinem Heiligenschein
Meistens bis tief in die Nacht hinein. –
Und wie er sich umschaut, der fromme Mann,
Schaut ihn ein hübsches Mädchen an. –
der heilige Antonius von Padua
War aber ganz ruhig, als dies geschah.
Er sprach: „Schau du nur immer zu,
Du störst mich nicht in meiner christlichen Ruh!“
Als er nun wieder so ruhig saß
Und weiter in seinem Buche las –
Husch, husch! – so spürt er auf der Glatzen
Und hinterm Ohr ein Kribbelkratzen,
Daß ihm dabei ganz sonderbar,
Bald warm, bald kalt zumute war. –
Der heilige Antonius von Padua
War aber ganz ruhig, als dies geschah.
Er sprach: „So krabble du nur zu,
Du störst mich nicht in meiner christlichen Ruh!“
„Na! – – Na!“
„Na, na! – sag´ ich!!!“
„Hm! hm! – – hm!!!“
Und gibt dem heil´gen Antonius
Links und rechts einen herzhaften Kuß.
Er sprang empor, von Zorn entbrannt;
Er nahm das Kreuz in seine Hand:
„Laß ab von mir, unsaubrer Geist!
Sei, wie du bist, wer du auch seist!“
Puh!! – Da sauste mit großem Rumor
Der Satanas durchs Ofenrohr.
Der heilige Antonius, ruhig und heiter,
Las aber in seinem Buche weiter! –
So laß uns denn auf dieser Erden
Auch solche fromme Heil´ge werden!
Der hastige Rausch
Wilhelm Busch
Der hastige Rausch
»Kellnerin! Einen Bittern!«
»Und nachher eine Flasch Ofner!«
»Und ein Glas Grog!«
»Ah!«
»Kellnehin, za–hin!«
»Macht 1 Gulden 48 Kreuzer.«
»Sie Lump, Sie!«
»Au weh!«
»Wer lacht da?«
»Ja, was wär‘ denn des?«
»Itzo gehörst d‘ mein!«
»Und drauß bist schon aa!«
Naturgeschichtliches Alphabet
Wilhelm Busch
Naturgeschichtliches Alphabet
Für größere Kinder und solche,
Die es werden wollen.
Im Ameishaufen wimmelt es,
Der Aff‘ frißt nie Verschimmeltes.
Die Biene ist ein fleißig Tier,
Dem Bären kommt dies g’spaßig für.
Die Ceder ist ein hoher Baum,
Oft schmeckt man die Citrone kaum.
Das wilde Dromedar man koppelt,
Der Dogge wächst die Nase doppelt.
Der Esel ist ein dummes Tier,
Der Elefant kann nichts dafür.
Im süden fern die Feige reift,
Der Falk am Finken sich vergreift.
Die Gams im Freien übernachtet,
Martini man die Gänse schlachtet.
Der Hopfen wächst an langer Stange,
Der Hofhund macht dem Wandrer bange.
Trau ja dem Igel nicht, er sticht,
Der Iltis ist auf Mord erpicht.
Johanniswürmchen freut uns sehr,
Der Jaguar weit weniger.
Den Kakadu man gern betrachtet,
Das Kalb man ohne weiters schlachtet.
Die Lerche in die Lüfte steigt,
Der Löwe brüllt, wenn er nicht schweigt.
Die Maus tut niemand was zu Leide,
Der Mops ist alter Damen Freude.
Die Nachtigall singt wunderschön,
Das Nilpferd bleibt zuweilen stehn.
Der Orang-Utan ist possierlich,
Der Ochs benimmt sich unmanierlich.
Der Papagei hat keine Ohren,
Der Pudel ist meist halb geschoren.
Das Quarz sitzt tief im Berges-Schacht,
Die Quitte stiehlt man bei der Nacht.
Der Rehbock scheut den Büchsenknall,
Die Ratt‘ gedeihet überall.
Der Steinbock lange Hörner hat,
Auch gibt es Schweine in der Stadt.
Die Turteltaube Eier legt,
Der Tapir nachts zu schlafen pflegt.
Die Unke schreit im Sumpfe kläglich,
Der Uhu schläft zwölf Stunden täglich.
Das Vieh sich auf dere Weide tummelt,
Der Vampyr nachts die Luft durchbummelt.
Der Walfisch stört des Herings Frieden,
Des Wurmes Länge ist verschieden.
Die Zwiebel ist der Juden Speise,
Das Zebra trifft man stellenweise.
Das Bad am Samstagabend
Wilhelm Busch
Das Bad am Samstagabend
Hier sieht man Bruder Franz und Fritzen
Zu zweit in einer Wanne sitzen.
Die alte Lene geht; – und gleich
Da treibt man lauter dummes Zeug.
Denn Reinlichkeit ist für die zwei
Am Ende doch nur Spielerei.-
Jetzt will der Fritz beim Untertauchen
Nur seinen einen Finger brauchen.
Natürlich läuft ihm was ins Ohr
Dem Franz kommt dieses lustig vor.
Das ärgert aber Bruder Fritzen
Drum fängt er an, den Franz zu spritzen.
Doch der mit seiner großen Zehe
Tut Fritzen an der Nase wehe;
Dafür taucht Fritz den Kopf ihm nieder
Was so im Wasser sehr zuwider.
Franz aber zieht an Fritzens Bein;
Der zappelt sehr und kann nicht schrein.
In Mund und Auge, zornentbrannt,
Greift jetzt die rachbegierge Hand.
Die Wanne wird zu enge
Für dieses Kampfgedränge.
Perdatsch! die alte, brave Lene
Kommt leider grad zu dieser Szene.
Sie spricht voll Würde und voll Schmerz:
„Die Reinlichkeit ist nicht zum Scherz!“
Und die Moral von der Geschicht:
Bad zwei in einer Wanne nicht!