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541. Nacht

Nachdem er Allah gebeten, seine Unternehmung zu segnen und
seine Mutter während seiner Abwesenheit in Obhut zu nehmen, schied er von ihr,
und ruhte sich weder Nacht noch Tag, bis er wieder zu dem Palast der Schwestern
gelangt war.

Diese waren sehr verwundert, ihn wieder zu sehen, und als
sie die Flucht seiner Gattin und seinen Entschluss vernommen hatten, nach den
Inseln Waak al Waak zu reisen, riefen sie alle zugleich aus, dass dieser Vorsatz
unausführbar, weil keinem Menschen so langes Leben vergönnt wäre, um das Ziel
dieser Reise zu erreichen.

„Das verschlägt nichts,“ erwiderte Asem,
„will der Himmel mich wieder mit meiner Gattin vereinigen, so wird er auch
wohl wissen, mich zu ihr gelangen zu lassen. Hat er aber das Gegenteil
verhängt, so sterbe ich doch mit dem Trost, dass ich mein ganzes übriges Leben
daran gesetzt habe, sie wiederzusuchen.“

Die Schwestern, in Verzweiflung über diesen Entschluss,
wiederholten noch mehrere Tage hindurch ihre Bitten, von einer so gefährlichen
Unternehmung abzustehen: Aber er blieb unerschütterlich. Die Prinzessinnen
wurden durch seien Zärtlichkeit für seine Gattin und Kinder innig gerührt,
und gingen miteinander zu Rate.

Sie hatten zwei Oheime, der eine hieß Abd al Kuddus1),
der andere Abd al Süllyb2),
und beide wohnten drei Monatsreisen von ihnen entfernt. Indem sie sich nun über
die Mittel berieten, um Asem bei seiner Reise zu helfen, gedachten sie an diese
beiden Oheime, welche zwei mächtige Geister waren, und sie gaben Asem ein
Empfehlungsschreiben an sie, folgenden Inhalts:

„Der überbringer dieses Schreibens ist unser trauter
Freud, Asem von Balsora. Wenn ihr ihm Mittel verschaffen könnt, nach den Inseln
Waak al Waak zu gelangen, so tut es aus Liebe zu Euren Nichten, die Euch lieben
und verehren. Wenn aber das, was wir bitten, unmöglich ist, so verhindert ihn,
seine Reise fortzusetzen, damit er nicht in sein Verderben renne. In diesem
Augenblick lässt seine überschwängliche Liebe zu seiner Gattin und seinen
Kindern ihn noch alle unsere Ratschläge verwerfen: Aber wir hoffen, ihr werdet
später mehr Einfluss auf ihn haben, oder ihm werde durch Euch Sicherheit zu
Teil werden.“

Diesen Brief gaben sie Asem, und nachdem sie ihn mit
Wünschen und Segnungen überhäuft hatten, ließen sie ihn abreisen, und
begleiteten ihn mit den Augen, so lange sie ihn nur erblicken konnten.

Nach einer mühseligen Reise von mehreren Monaten befand
er sich auf einem furchtbaren Gefilde. Die Natur war hier so reich und
überschwänglich, dass er sich einen Augenblick in dem irdischen Paradies
wähnte. In einiger Entfernung erblickte er ein sehr schönes Gebäude, und ging
darauf zu. Ein ehrwürdiger Greis saß unter einer zierlichen Säulenhalle.
Seine Blicke wendeten sich voll Neugier auf den Fremdling, der sich ihm nahte,
und mit Freundlichkeit erwiderte er den Gruß desselben. Eingenommen durch das
edle Aussehen Asems, lud er ihn ein, sich zu setzen, und nach einem leichten
Mahl erkundigte er sich nach der Absicht seines Besuches.

Dieser Greis war Abd al Kuddus, Oheim der Prinzessinnen.
Sobald er den Namen seiner Nichten und ihre besondere Teilnahme für diesen
Fremdling vernommen hatte, verdoppelte er seine Aufmerksamkeit. Er las den
Brief, welchen Asem ihm überbrachte, mehrmals hintereinander, und nachdem er
lange nachgedacht hatte, sprach er zu ihm:


1)
Abd al Kuddus bedeutet Sklave des Allreinen, d.h. Gottes.