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301. Nacht

Allein es erfolgte gerade das Gegenteil. Anstatt in ihm
den Gedanken, dass er Beherrscher der Gläubigen sei, auszulöschen, diente
diese Erzählung gerade dazu, denselben wieder zurückzurufen und nur noch
tiefer in seiner Einbildungskraft einzuprägen, so dass er ihm zur völligen
Gewissheit wurde.

Sobald daher Abu Hassan diese Erzählung angehört hatte,
antwortete er: „Ich bin also weder dein Sohn, noch Abu Hassan, sondern
gewiss der Beherrscher der Gläubigen. Nach dem, was du mir selber da erzählt
hast, kann ich nicht mehr daran zweifeln. Vernimm nur, dass der Imam und die
vier Scheichs auf meinen Befehl so bestraft worden sind, wie du eben sagtest.
Ich bin daher, sagte ich dir, wahrhaftig der Beherrscher der Gläubigen. Höre
deshalb auf, mir vorzureden, dass es ein bloßer Traum sei. Ich schlafe nicht,
auch war ich damals so wach, als ich es in diesem Augenblick bin, wo ich mit dir
rede. Es ist mir sehr angenehm, dass du mir bestätigst, was der Polizeirichter,
dem ich die Sache übertragen, mir darüber berichtet hat, das heißt, dass mein
Befehl pünktlich vollzogen worden ist, und ich freue mich umso mehr darüber,
da dieser Imam und die vier Scheichs offenbare Heuchler sind. Ich möchte nur
wissen, wer mich an diesen Ort hierher gebracht hat. Indessen, Gott sei gelobt!
So viel ist gewiss, dass ich wirklich Beherrscher der Gläubigen bin, und alle
Gründe sollen mich nicht vom Gegenteil überzeugen.“

Die Mutter, welche weder ahnen noch sich denken konnte,
warum ihr Sohn so fest und zuversichtlich behauptete, dass er Beherrscher der
Gläubigen wäre, zweifelte jetzt gar nicht mehr daran, dass er den Verstand
verloren, da sie ihn Dinge reden hörte, die ihrem Verstand ganz unglaublich
vorkamen, obwohl sie Abu Hassan gar wohl begründet schienen. In dieser Meinung
sagte sie zu ihm: „Mein Sohn, ich bitte Gott, dass er sich deiner erbarme.
Höre auf, solche Reden zu führen, die so ganz ohne allen Menschenverstand
sind. Wende dich an Gott, und bitte ihn, dass er dir vergebe, und dir die Gnade
widerfahren lasse, dass du wider wie ein vernünftiger Mensch reden kannst. Was
würde man von dir sprechen, wenn man dich so reden hörte? Weißt du nicht,
dass die Wände Ohren haben?“

Anstatt dass so schöne Ermahnungen das Gemüt Abu Hassans
hätten beruhigen sollen, erbitterten sie ihn nur noch mehr. Er fuhr heftig
gegen seine Mutter auf und sagte zu ihr: „Alte, ich habe dir schon einmal
Stillschwiegen geboten, wenn du jetzt noch ein Wort weiter sprichst, so werde
ich aufstehen und dich so behandeln, dass du es dein Leben lang fühlen sollst.
Ich bin Kalif und Beherrscher der Gläubigen, und du musst mir es glauben, wenn
ich dir es sage.“

Die gute Frau, welche sah, dass ihr Sohn, anstatt wieder
zur Besinnung zu kommen, dieselbe vielmehr nur noch mehr verlor, überließ sich
jetzt ganz ihren Tränen und Wehklagen, schlug sich ins Gesicht und an die
Brust, und tat äußerungen, die ihre Bestürzung und ihre tiefe Betrübnis
über die Geistesabwesenheit ihres Sohnes verrieten.

Abu Hassan, anstatt sich zu beruhigen und sich durch die
Tränen seiner Mutter rühren zu lassen, vergaß im Gegenteil sich so weit, dass
er sogar die natürliche Achtung gegen sie aus den Augen verlor. Er sprang mit
Ungestüm auf, ergriff einen Stock, und drang mit emporgehobenem Arm wie ein
Rasender auf sie ein. „Verwünschte Alte,“ rief er ihr in seiner
Narrheit in einem Ton zu, der jeden andern außer seiner Mutter erschreckt haben
würde. „Sage mir auf der Stelle, wer ich bin?“

„Mein Sohn,“ antwortete die Mutter, ohne zu
erschrecken, indem sie ihn zärtlich ansah, „ich glaube nicht, dass Gott
dich so sehr verlassen hat, dass du diejenige, welche dich geboren hat, und dich
selber nicht mehr kennen solltest. Ich täusche dich nicht, wenn ich dir sage,
dass du mein Sohn Abu Hassan bist, und das du sehr Unrecht daran tust, dir einen
Titel anzumaßen, der bloß deinem und meinem Herrn und Gebieter, dem Kalifen
Harun Arreschyd, zukommt, der noch dazu uns beide, mich und dich, mit Wohltaten
überhäuft, wie das Geschenk beweist, welches er mir gestern übersandt hat.
Denn du musst nur wissen, dass der Großwesir Giafar gestern persönlich sich
bemühte, mich aufzusuchen, mir einen Beutel mit eintausend Goldstücken
einhändigte, und mir zugleich sagte, ich möchte für den Beherrscher der
Gläubigen, der mir dieses Geschenk sendete, zu Gott beten. Und ist dies
Geschenk nicht weit mehr für dich, als für mich, die ich nur noch ein paar
Tage zu leben habe?“

Bei diesen Worten konnte sich Abu Hassan nicht länger
halten. Die näheren Umstände des Geschenks zeigten ihm, dass er sich nicht
täuschte, und überredeten ihn nur noch mehr, dass er wirklich der Kalif wäre,
da der Wesir den Beutel ja nur auf seinen Befehl gebracht hatte. „Wohlan
denn, alte Hexe!“, rief er aus. „Wirst du dich endlich überzeugen,
wenn ich dir sage, dass ich es war, der dir durch den Großwesir Giafar die
tausend Goldstücke überbringen ließ, welcher letztere bloß meinen ihm
gegebenen Befehl vollzog? Indessen, anstatt mir zu glauben, suchst du bloß
durch Widersprechen und durch hartnäckiges Behaupten, als sei ich dein Sohn,
mich verwirrt zu machen. Allein ich werde deine Bosheit nicht länger unbestraft
lassen.“ Als er diese Worte gesprochen, war er im übermaße seiner Raserei
so unmenschlich, sie mit dem Stock, den er in der Hand hielt, auf das
unbarmherzigste zu misshandeln.