Project Description

299. Nacht

Mesrur, der Abu Hassan keinen Augenblick verlassen hatte,
ging vor ihm her und führte ihn in einen Saal, der mit Gemälden großer
Meister und mit Vasen aus allerlei Metall, mit Fußteppichen und kostbarem
Gerät auf eine ganz andere Weise ausgeschmückt war. Es standen in diesem Saal
sieben ganz andere Chöre aus Sängerinnen, die, sobald Abu Hassan erschien, ein
neues Konzert begannen. Der Saal war übrigens mit sieben anderen großen
Kronleuchtern geziert, und die Tafel in der Mitte war mit sieben andern großen
goldenen Schalen besetzt, auf welchen alle Arten der schönsten und auserlesensten Früchte der Jahreszeit in Pyramidenform aufgetürmt waren. Rings
umher standen sieben andere junge Mädchen, mit Fächern in den Händen, welche
die vorigen an Schönheit noch übertrafen.

Diese ganz neuen Gegenstände setzten Abu Hassan in eine
noch größere Verwunderung als vorher, und bewirkten, dass er stehen blieb und
alle Zeichen des Staunens und der überraschung von sich gab. Er trat endlich an
die Tafel, und nachdem er sich daran hingesetzt und die sieben Mädchen eine
nach der andern betrachtet hatte, ohne zu wissen, welcher von ihnen er den
Vorzug geben sollte, befahl er ihnen, dass eine jede ihren Fächer hinlegen,
sich mit an die Tafel setzen und mit ihm essen sollte, indem er meinte, die
Hitze wäre nicht so groß, dass er ihres Dienstes bedürfte.

Als die schönen Frauen sich zur Rechten und Linken Abu
Hassans hingesetzt hatten, wollte er vor allen Dingen wissen, wie sie hießen.
Er erfuhr, dass sie ganz andere Namen als die sieben Schönen im vorigen Saal
hatten, und dass jeder dieser Namen irgend eine Gemüts- oder Geisteseigenschaft
bezeichnete, wodurch sich eine von der andern unterschied. Dies gefiel ihm
außerordentlich, und er gab dies durch sinnreiche Bemerkungen zu erkennen, die
er bei dieser Gelegenheit machte, indem er ihnen nach der Reihe aus jeder Schale
Früchte überreichte. Der Kalif, der auf alle seine Handlungen und äußerungen
genau Acht gab, war immer mehr vergnügt darüber, dass er in ihm einen Mann
gefunden hatte, der ihn belustigte und so viel Gelegenheit gab, ihn genau kennen
zu lernen.

Als Abu Hassan von allen Früchten in den Schalen nach
Belieben gegessen hatte, stand er auf. Mesrur, der ihn nicht verlassen hatte,
ging sogleich vor ihm her und führte ihn in einen dritten Saal, der ebenso
prachtvoll verziert, ausgeschmückt und möbliert war, als die beiden vorigen.

Abu Hassan fand darin sieben andere Musikchöre und sieben
andere Schönheiten um eine Tafel herum stehend, die mit sieben goldenen Schalen
besetzt war, welche mit eingemachten Sachen von den mannigfaltigsten Farben und
Formen angefüllt waren. Nachdem er mit neuer Verwunderung seine Augen nach
allen Seiten hin geworfen hatte, näherte er sich der Tafel beim harmonischen
Klang der sieben Musikchöre, welche sogleich schwiegen, als er sich gesetzt
hatte. Die sieben Mädchen setzten sich auf seinen Befehl ebenfalls an seine
Seite, und da er ihnen nicht dieselbe Artigkeit erzeigen konnte, wie den
vorigen, nämlich ihnen selber vorzulegen, so bat er sie, dass sie von diesem
Eingemachten sich selber nach ihrem Geschmack auswählen möchten. Auch
erkundigte er sich nach ihren Namen, die ihm um ihrer Mannigfaltigkeit willen
nicht minder gefielen, als die der übrigen Schönen, und die ihm zugleich neuen
Stoff an die Hand gaben, um sich mit ihnen zu unterhalten und ihnen Artigkeiten
zu sagen, die ihnen ebenso viel Vergnügen machten, als dem Kalifen, dem nichts
von allem, was gesprochen wurde, entging.

Der Tag neigte sich bereits zu Ende, als Abu Hassan in den
vierten Saal geführt wurde. Er war wie die vorigen, mit dem prächtigsten und
kostbarsten Gerät ausgeschmückt. Auch befanden sich darin sieben große
goldene Kronleuchter mit brennenden Wachskerzen, und der ganze Saal war durch
eine erstaunliche Menge von Lichtern erhellt, die eine wundervolle und
überraschende Wirkung hervorbrachten. In den drei vorigen hatte man nichts
ähnliches der Art gesehen, weil dergleichen nicht nötig gewesen war. Abu
Hassan fand ferner in diesem letzten Saal, so wie in den drei früheren, sieben
neue Musikchöre, die noch anmutiger sangen und spielten als die vorigen, und
eine noch größere Heiterkeit einzuflößen schienen. Auch sah er da sieben
andere Mädchen, die um eine Tafel herumstanden, die mit sieben goldenen Schalen
besetzt war, worin sich Blätterkuchen, trockenes Konfekt von allen Gattungen
und noch andere Sachen befanden, die zum Trinken reizen. Indessen eines sah hier
Abu Hassan was er in den übrigen Sälen nicht gesehen hatte: Nämlich einen
Schanktisch mit sieben großen silbernen Flaschen voll des köstlichsten Weines,
und sieben kristallene Trinkgläser von der schönsten Arbeit neben jeder
Flasche.

Bis dahin, das heißt in den drei ersten Sälen, hatte Abu
Hassan bloß Wasser getrunken – gemäß der Sitte, die zu Bagdad eben sowohl
unter dem Volk und in den höheren Ständen beobachtet wird, als am Hofe des
Kalifen, wo man in der Regel nur des Abends Wein trinkt. Alle diejenigen, welche
es anders halten, gelten für Schwelger und wagen sich nicht bei hellem Tag zu
zeigen. Dieser Brauch ist umso löblicher, da man den Tag über seinen vollen
Verstand nötig hat, um seinen Geschäften nachgehen zu können, und da, wenn
bloß des Abends Wein getrunken wird, man bei hellem Tag nie auf den Straßen
der Stadt Verrauschte erblickt, welche Unordnungen verursachen.

Abu Hassan trat also in den vierten Saal und näherte sich
der Tafel. Als er sich daran hingesetzt hatte, blieb er eine lange Zeit in
Entzücken versenkt und in Bewunderung der sieben Mädchen, die um ihn standen,
und die er noch weit schöner fand, als in den vorigen Sälen. Er war neugierig,
den Namen einer jeden einzelnen zu wissen. Allein der laute Klang der Musik und
besonders die Handtrommel, die man bei jedem Chor schlug, gestatteten ihm nicht,
sich vernehmlich zu machen. Er schlug daher mit den Händen zusammen, um ein
Zeichen zum Aufhören zu geben, und so entstand eine tiefe Stille.

Jetzt nahm er die Schöne, die ihm rechts am nächsten
stand, bei der Hand, ließ sie neben hin sich setzen, überreichte ihr etwas
Blätterkuchen, und fragte sie dann, wie sie hieße? „Beherrscher der
Gläubigen,“ erwiderte die Schöne, „mein Name ist
Perlenstrauß.“ – „Man konnte in der Tat,“ antwortete Abu Hassan,
„dir keinen passenderen und einem Wert entsprechenderen Namen geben. Ohne
indessen dem, der ihn dir gegeben, im mindesten zu nahe zu treten, finde ich
doch, dass deine schönen Zähne alle Perlen der Welt, auch die vom schönsten
Wasser, weit hinter sich lassen. Perlenstrauß,“ fuhr er fort, „da du
denn so heißt, sie so gefällig, ein Glas dort zu nehmen und mir mit deiner
schönen Hand zu trinken zu reichen.“

Die Schöne trat sogleich zu dem Schanktisch hin, und kam
mit einem vollen Glas Wein zurück, welches sie Abu Hassan mit dem feinsten
Anstand überreichte. Er nahm es mit vielem Vergnügen, sah sie voll
Zärtlichkeit an, und sagte dann zu ihr: „Perlenstrauß, ich trinke jetzt
auf deine Gesundheit, und bitte, dass du dir ebenfalls einschenkst und mir
Bescheid tust.“ Sie eilte schnell zum Schanktisch hin, und kam mit einem
Glas in der Hand zurück. Ehe sie trank, sang sie ein Lied, welches ihn ebenso
sehr durch die Neuheit des Inhalts, als durch den Zauber der Stimme, womit sie
es absang, entzückte.

Nachdem Abu Hassan getrunken hatte, wählte er aus den
Schalen einiges aus und überreichte es einer anderen von diesen Schönen, die
er ebenfalls sich neben ihn setzen hieß. Er fragte sie ebenfalls nach ihrem
Namen. Sie hieß, wie sie sagte, Morgenstern. „Deine schönen Augen,“
erwiderte er, „haben mehr Glanz und Feuer als der Stern, dessen Namen du
führst. Geh und mache mir das Vergnügen, mir zu trinken zu bringen. „Sie
tat dies auf der Stelle und zwar auf die artigste Weise von der Welt. Er benahm
sich nun ebenso gegen die dritte, welche Tageslicht hieß, und so fort bis zur
siebten, die ihm alle, zur großen Belustigung des Kalifen, zu trinken
einschenkten.

Nachdem Abu Hassan so viel Gläser getrunken hatte, als
junge Mädchen da standen, ging die erste von ihnen, Namens Perlenstrauß, zum
Schanktisch, nahm ein Glas, schenkte es voll Wein, warf einige Finger voll von
dem Pulver hinein, dessen sich der Kalif am gestrigen Tag bedient hatte, und
überreichte es dann Abu Hassan mit den Worten: „Beherrscher der
Gläubigen, ich bitte Euer Majestät, um eurer Gesundheit willen noch dies Glas
anzunehmen und noch vor dem Trinken ein Lied gnädigst anzuhören, welches, wie
ich mir schmeichle, euch nicht missfallen wird. Ich habe es wenigstens erst
heute fertig gedichtet und es noch niemand vorgesungen.“

„Ich bewillige dir diese Gnade sehr gern,“ sagte
zu ihr Abu Hassan, indem er das Glas aus ihrer Hand nahm, „und ich befehle,
als Beherrscher der Gläubigen, in der überzeugung, dass ein so schönes
Mädchen, wie du, nur sehr angenehme und sinnreiche Lieder dichten kann, dass du
mir es singst.“ Die Schöne nahm eine Laute, spielte und sang zu dem
Instrument mit so viel Richtigkeit, Anmut und Ausdruck, dass sie Abu Hassan von
Anfang bis zu Ende in Entzücken erhielt. Er fand es so schön, dass er es sich
von ihr noch einmal wiederholen ließ, und es mit ebenso viel Vergnügen als das
erste mal hörte.

Als die Schöne geendigt hatte, leerte Abu Hassan, der sie
nach Verdienst loben wollte, zuvor das Glas mit einem Zug aus. Sodann wandte er
das Gesicht nach dem Mädchen hin, um mit ihr zu sprechen, wurde aber durch das
eingenommene Pulver daran verhindert, welches so plötzlich wirkte, dass er
seinen Mund bloß lallend öffnete. Sogleich schlossen sich auch seine Augen,
erließ den Kopf wie ein Schlaftrunkener auf die Tafel herabsinken, und schlief
so fest ein, als er den Tag zuvor um dieselbe Stunde getan hatte, wo der Kalif
ihm dasselbe Pulver eingegeben. In diesem Augenblick fing eines von den
Mädchen, die neben ihm standen, sorgfältig das Glas auf, das er aus der Hand
fallen ließ. Der Kalif, welcher an diesem ganzen Scherz mehr Vergnügen
gefunden, als er je gehofft, und der auch diese letzte Szene mit angesehen
hatte, so wie alle früheren, trat jetzt aus seinem verborgenen Ort hervor und
erschien im Saal, ganz vergnügt darüber, dass ihm sein Einfall so gut
geglückt war. Er befahl zuerst, dem Abu Hassan das Gewand auszuziehen, womit
man ihn diesen Morgen bekleidet hatte, und ihm dafür wieder das anzulegen, was
er vor vierundzwanzig Stunden angehabt hatte, als der ihn begleitende Sklave ihn
nach dem Palast trug. Er ließ sogleich denselben Sklaven rufen, und sagte zu
ihm, als er kam: „Da, nimm diesen Mann, und trag ihn in der Stille in sein
Haus und auf sein Sofa zurück, und lass beim Weggehen die Tür offen
stehen.“