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279. Nacht

Der König Saleh versammelte in seinen Wasserreichen ein
mächtiges Heer, welches sich alsbald aus dem Meer erhob. Er rief selbst die ihm
verbündeten Geister zu Hilfe, welche mit einem noch zahlreicheren Heer, als das
seinige, erschienen. Als die beiden Heere zusammengestoßen waren, stellte er
sich an die Spitze, mit der Königin Farasche, der Königin Gülnare und den
Prinzessinnen, die auch an dem Feldzug teilnehmen wollten.

Sie erhuben sich alle in die Luft, und stürzten alsbald
über den Palast und die Stadt der Bezauberungen her, wo die Zauberkönigin,
ihre Mutter und alle Feueranbeter in einem Augenblick vertilgt wurden.

Die Königin Gülnare hatte die Frau der Königin Labe
mitgenommen, welche ihr die Nachricht von der Verwandlung und der Gefangenschaft
des Königs, ihres Sohnes, gebracht hatte, und ihr empfohlen, in dem Getümmel
auf nichts anderes bedacht zu sein, als den Käfig zu nehmen und ihr zu bringen.
Dieser Auftrag wurde nach Wunsch ausgeführt. Sie zog den Uhu hervor, bespritze
ihn mit Wasser, welches sie sich bringen lies, und sprach dabei:

„Mein lieber Sohn, verlass diese fremde Gestalt, und
nimm wieder Menschengestalt an, welche die deinige ist.“

Im Augenblick sah die Königin Gülnare nicht mehr den
garstigen Uhu: Sie sah den König Beder, ihren Sohn. Sie umarmte ihn sogleich
mit überschwänglicher Freude. Was sie in ihrem Entzücken nicht durch Wort
auszusprechen vermochte, ergänzten ihre Tränen auf die ausdrucksvollste Weise.

Die erste Sorge der Königin Gülnare war, den alten
Abdallah aufsuchen zu lassen, dem sie die Rettung des Königs von Persien
verdankte. Als er ihr vorgeführt wurde, sprach sie zu ihm: „Meine
Verpflichtung gegen euch ist so groß, dass es nichts gibt, wozu ich nicht
bereit wäre, um euch meine Erkenntlichkeit zu bezeigen: Bestimmt selber,
wodurch ich es vermag, und ihr sollt befriedigt werden.“

„Große Königin,“ erwiderte er, „wenn die
Frau, welche ich zu euch gesandt habe, gern in die Heirat willigt, welche ich
ihr hiermit anbiete, und wenn der König von Persien mich an seinem Hof zu
dulden geruht, so weihe ich von Herzen gern meine übrigen Tage seinem
Dienste.“

Die Königin Gülnare wandte sich sogleich zu der Frau,
die gegenwärtig war, und da diese, indem sie errötete, eben keine Abneigung
gegen diese Heirat blicken ließ, so fügte die Königin beider Hände
ineinander, und übernahm mit dem König von Persien die Sorge für ihr Glück.

Diese Heirat gab dem König von Persien Anlass, das Wort
zu nehmen, und lächelnd zu der Königin, seiner Mutter, zu sagen. „Frau
Mutter, ich bin erfreut über die Heirat, welche ihr hier gestiftet habt: Es ist
aber noch eine andere übrig, an welche ihr auch wohl denken solltet.“

Die Königin Gülnare verstand nicht sogleich, welche
Heirat er meinte. Sie besann sich einen Augenblick: Sobald es ihr aber einfiel,
antwortete sie ihm: „Du meinst deine eigene Vermählung. Ich willige
herzlich gern darein.“

Sie wandte sich alsbald zu den Meervölkern des Königs
Saleh, ihres Bruders, und zu den Geistern, die gegenwärtig waren, und sprach:

„Eilt und durchlauft alle Paläste des Meers und der
Erde, und bringt uns Kunde von der schönsten und meines Sohnes würdigsten
Prinzessin, die ihr findet.“

„Frau Mutter,“ versetzte der König Beder,
„alle diese Mühe ist unnötig. Ihr wisst ohne Zweifel wohl, dass ich der
Prinzessin von Samandal, auf die bloße Erzählung von ihrer Schönheit, mein
Herz geschenkt habe. ich habe sie seitdem gesehen, und das Geschenk nicht
bereut, welches ich ihr gemacht. In der Tat, es kann weder auf Erden noch unter
den Wassern eine Prinzessin geben, welche ihr zu vergleichen wäre. Zwar hat sie
mich, als ich ihr meine Liebe erklärte, auf eine Weise behandelt, welche die
Flamme jedes andern, minder entbrannten Liebhabers hätte auslöschen können,
aber sie ist zu entschuldigen, und sie konnte mich nicht minder strenge
behandeln, nach der Gefangennehmung des Königs, ihres Vaters, von welcher ich
doch immer, wenn auch unschuldig, die Ursache war. Vielleicht hat jetzt der
König von Samandal seine Gesinnung geändert, und hat auch sie keine Abneigung
mehr, mich zu lieben und mir ihre Hand zu geben, sobald er darein willigt.“