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277. Nacht

Diese Worte blieben ohne Wirkung, und die Zauberin war
äußerst betroffen, den König Beder unverwandelt, und nur den Ausdruck eines
heftigen Schrecks an ihm zu sehen. Die Röte stieg ihr darüber ins Gesicht, und
als sie nun sah, dass es ihr fehlgeschlagen war, sprach sie zu ihm: „Lieber
Beder, es ist nichts, beruhigt euch, ich habe euch kein Leid zufügen wollen,
ich habe es bloß getan, um zu sehen, was ihr dazu sagen würdet. Fürwahr, ich
müsste die elendste und abscheulichste aller Weiber sein, wenn ich nach den
Schwüren nicht nur, die ich getan, sondern selbst nach den Beweisen der Liebe,
welche ich euch gegeben habe, eine so schwarze Handlung begehen könnte.“

„Mächtige Königin,“ versetzte der König,
„wie sehr ich überzeugt bin, dass Euer Majestät es nur getan hat, um sich
zu belustigen, so konnte ich mich dennoch der überraschung nicht erwehren. Wie
sollte man nicht auch wenigstens eine Erschütterung spüren, wenn man Worte
hört, welche im Stand sind, eine so seltsame Verwandlung zu bewirken? Aber,
Herrin, lassen wir dies jetzt beruhen: Und da ich von eurem Kuchen gegessen
habe, so erzeigt mir die Gnade, auch den meinen zu kosten.“

Die Königin Labe, die sich nicht besser rechtfertigen
konnte, als wenn sie dem König von Persien diesen Beweis ihres Vertrauens
gewährte, brach ein Stück von dem Kuchen ab, und aß es. Sobald sie es
hinunter geschluckt hatte, schien sie ganz verwirrt, und stand wie unbeweglich
da.

Der König Beder verlor keine Zeit, erschöpfte Wasser aus
demselben Becken, und spritze es ihr ins Gesicht, indem er dabei sagte:

„Verfluchte Hexe, verlass diese Gestalt, und
verwandle dich in eine Stute!“

In demselben Augenblick wurde die Königin Labe in eine
sehr schöne Stute verwandelt. Ihre Bestürzung über diese Verwandlung war so
groß, dass sie Tränen im übermaß vergoss. Sie senkte das Haupt auf die
Füße des Königs Beder, um ihn zum Mitleid zu Bewegen. Aber wenn er sich auch
hätte erweichen lassen, so stand es jedoch nicht in seiner Macht, das übel
wieder gut zu machen, was er getan hatte.

Er führte die Stute zum königlichen Marstall, wo er sie
einem Reitknechte übergab, sie aufzuräumen, aber unter allen Zäumen, welche
der Reitknecht ihr anlegte, passte keiner recht. Beder ließ noch zwei Pferde
satteln und zäumen, eins für sich, das andere für den Reitknecht, und ritt
mit der Stute an der Hand, zum alten Abdallah.

Als Abdallah den König Beder mit der Stute von weitem
kommen sah, zweifelte er nicht, dass Beder getan hätte, was er ihm empfohlen.
„Verfluchte Hexe,“ sprach er sogleich bei sich, voll Freuden,
„endlich hat der Himmel dich bestraft, wie du es verdienst!“

Der König Beder steig bei Abdallahs Laden ab, trat
hinein, und umarmte ihn unter Danksagungen für alle ihm geleistete Dienste. Er
erzählte ihm, wie alles zugegangen war, und sagte ihm, er hätte keinen
passenden Zaum für die Stute finden können. Abdallah, der einen für jedes
Pferd passenden Zaum hatte, zäumte selber die Stute damit auf. Als der König
Beder den Reitknecht mit den beiden Pferden zurückgeschickt hatte, sprach er zu
ihm: „Herr, ihr braucht euch nun nicht länger in dieser Stadt aufzuhalten,
besteigt die Stute und kehrt heim in euer Königreich. Das einzige, was ich euch
empfehle, ist dieses: „Wenn ihr einmal die Stute veräußert, so hütet
euch wohl, sie mit dem Zaum wegzugeben.“

Der König Beder versprach ihm, es nicht zu vergessen.
Nachdem er ihm Lebewohl gesagt hatte, ritt er fort.

Der junge König von Persien war nicht sobald außerhalb
der Stadt, als er sich kaum fühlte vor Freuden, aus einer so großen Gefahr
befreit zu sein, und die Zauberin in seiner Gewalt zu haben, welche er so sehr
Ursache hatte, zu fürchten.

Drei Tage nach seiner Abreise kam er an eine große Stadt.
In der Vorstadt begegnete ihm ein Greis von einigem Ansehen, der zu Fuß nach
einem Lusthaus ging, welches er dort hatte.

„Herr,“ redete der Greis ihn an, indem er stehen
blieb, „darf ich euch fragen, woher ihr kommt?“

Beder hielt sogleich an, und befriedigte seine Neugier.
Während der Greis ihm noch einige Fragen tat, kam ein altes Weib dazu, stand
ebenfalls still, und fing an zu weinen, indem sie mit tiefen Seufzern die Stute
betrachtete.

Der König Beder und der Greis unterbrachen ihr Gespräch,
um die Alte zu betrachten, und der König Beder fragte sie, warum sie so weinte?
„Ach, Herr,“ antwortete sie, „weil eure Stute einer Stute meines
Sohnes, welche ich noch immer, ihm zu Liebe, bedaure, so vollkommen gleicht,
dass ich sie für eben dieselbe halten würde, wenn sie nicht tot wäre.
Verkauft sie mir, ich flehe euch darum ich will sie euch nach ihrem vollen Wert
bezahlen, und dabei werde ich euch noch immer großen Dank schuldig
bleiben.“

„Gute Mutter,“ entgegnete der König Beder.
„Es tut mir leid, euch eure Bitte nicht gewähren zu können: Meine Stute
ist nicht zu verkaufen.“

„Ach, Herr,“ fuhr die Alte dringend fort,
„ich beschwöre euch im Namen Gottes darum! Wir müssen vor Gram sterben,
mein Sohn und ich, wenn ihr uns diese Gnade nicht gewährt.“

„Gute Mutter,“ versetzte der König Beder,
„ich würde sie euch gern gewähren, wenn ich im Sinne hätte, eine so gute
Stute zu veräußern, aber wenn dies auch wäre, so glaube ich doch nicht, dass
ihr tausend Goldstücke dafür geben möchte: Denn in diesem Fall würde ich den
Preis doch nicht geringer setzen.“

„Warum sollte ich die nicht geben?“, erwiderte
die Alte. „Ihr dürft nur den Handel richtig machen, ich will sie euch
sogleich aufzählen.“

Der König Beder, welcher die Alte so armselig gekleidet
sah, konnte sich nicht einbilden, dass sie im Stande wäre, eine so große Summe
aufzubringen. Um zu sehen, ob sie den Handel halten würde, sprach er zu ihr:
„Gebt mir das Geld, und die Stute ist euer.“

Sogleich band die Alte einen Beutel von ihrem Gürtel los,
und bot ihm denselben dar, mit den Worten: „Bemüht euch abzusteigen, damit
wir zählen, ob die Summe darin ist. Falls etwas daran fehlt, so will ich es
alsbald herbeischaffen: Mein Haus ist nicht weit:“

Der König Beder war äußerst erstaunt, als er die Börse
sah. „Gute Mutter,“ sprach er darauf, „ihr seht wohl, dass ich
euch das nur zum Scherz gesagt habe: Ich wiederhole euch, meine Stute ist nicht
zu verkaufen.“

Der Greis, welcher Zeuge dieses Gesprächs gewesen war,
nahm hierauf das Wort und sprach zu dem König Beder: „Mein Sohn, ihr
müsst wissen, was, wie ich sehe, euch unbekannt ist, nämlich, dass es in
dieser Stadt durchaus nicht erlaubt ist, zu lügen, bei Todesstrafe. Demnach
könnt ihr euch nicht entbinden, von dieser guten Frau das Geld anzunehmen, und
ihr eure Stute zu überliefern, weil sie euch die Summe dafür bezahlt, welche
ihr gefordert habt. Ihr werdet besser tun, die Sache ohne Lärm abzumachen, als
euch dem Unglück auszusetzen, welches für euch daraus entstehen könnte.“