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244. Nacht

„Herr, der Kopf des Weibes, der auf den
Oberstallmeister viel, wurde seinen Schlaf unterbrochen haben, wenn ihn auch der
Klang des Säbelhiebes nicht aufgeweckt hätte. Erstaunt, Amgiad mit dem
blutigen Säbel, und den Leichnam des Weibes ohne Kopf am Boden liegen zu sehen,
fragte er ihn, was dies bedeutete.

Amgiad erzählte ihm alles, wie es zugegangen war, und
sagte zum Schluss: „Um diese Wütende abzuhalten euch das Leben zu nehmen,
sah ich kein anderes Mittel, als es ihr selber zu rauben.“

„Herr,“ sagte hierauf Bahader, voll
Erkenntlichkeit, „Personen eures Geblütes und von solchem Edelmut sind
nicht im Stand, so nichtswürdige Handlungen zu begünstigen. Ihr seid mein
Befreier, und ich kann euch nicht genug dafür danken.“

nachdem er ihn umarmt hatte, um ihm noch stärker
auszudrücken, wie sehr er ihm verpflichtet wäre, sagte er: „Vor Anbruch
des Tages muss der Leichnam hier weggeschafft werden, und das will ich
tun.“ Amgiad wollte es nicht zugeben, und sagte, er würde ihn selber
wegtragen, weil er den Streich getan hätte. „Einem neuen Ankömmling in
dieser Stadt, wie ihr seid, würde es nicht gelingen,“ entgegnete Bahader.
„Lasst mich nur machen, und bleibt ruhig hier. Wenn ich vor Tagesanbruch
nicht zurückkomme, so ist es ein Zeichen, dass die Wache mich ergriffen hat.
Auf diesen Fall lasse ich euch hier eine schriftliche Schenkung dieses Hauses
mit allem Gerät, so dass ihr es ohne weiteres bewohnen könnt.“

Als Bahader die Schenkung unterschrieben, und dem Prinzen
Amgiad überliefert hatte, steckte er den Rumpf des Weibes samt dem Kopf in
einen Sack, lud diesen auf seine Schultern, und wanderte von Straße zu Straße
dem Meere zu. Er war aber noch nicht weit, als er dem Polizeirichter begegnete,
der in Person die Runde machte. Die Leute des Richters hielten ihn an, öffneten
den Sack und fanden darin den Leichnam des ermordeten Weibes samt ihrem Kopf.

Der Richter erkannte den Oberstallmeister, ungeachtet
seiner Verkleidung, und führte ihn in sein Haus. Da er ihn, seiner Würde
wegen, nicht hinrichten zu lassen wagte, ohne dem König davon zu berichten so
führte er ihn am folgenden Morgen vor den König. Als dieser aus dem Bericht
des Richters das Verbrechen des Oberstallmeisters vernommen hatte, und ihn, den
Anzeigen nach, für schuldig hielt, so überhäufte er ihn mit Schmähungen, und
rief aus: „So also ermordest du meine Untertanen, um sie zu berauben, und
wirfst ihre Leichen ins Meer, um deinen Frevel zu verbergen! Man befreie sie von
ihm, und hänge ihn auf!“

Wie unschuldig Bahader war, er empfing dieses Todesurteil
mit völliger Ergebung, und sagte nicht ein Wort zu seiner Verteidigung.

Der Richter führte ihn wieder ab, und während der Galgen
aufgerichtet wurde, ließ er durch die ganze Stadt ausrufen, wie am Mittag der
Oberstallmeister für einen begangenen Mord bestraft werden sollte.

Der Prinz Amgiad, der den Oberstallmeister vergeblich
erwartet hatte, geriet in unglaubliche Bestürzung, als er auch in dem Haus, wo
er geblieben war, diesen Ausruf vernahm. „Wenn einer für den Tod dieses so
schändlichen Weibes sterben soll,“ sagte er bei sich selber, „so ist
es nicht der Oberstallmeister, sondern ich bin es. Ich will nicht zulassen, dass
der Unschuldige anstatt des Schuldigen bestraft werde.“

Ohne weiter zu überlegen, ging er hinaus, und begab sich
nach dem Platz, wo die Hinrichtungen vor sich gehen sollte, und wohin das Volk
nach allen Seiten zusammenlief.

Sobald Amgiad den Richter erscheinen und Bahader nach dem
Galgen führen sah, drängte er sich vor ihn hin und sagte zu ihm: „Herr,
ich komme, euch zu erklären und zu versichern, dass der Oberstallmeister, den
ihr zum Tod führen wollt, ganz unschuldig an dem Mord dieser Frau ist. Ich bin
es, der dieses Verbrechen begangen hat, wenn es eins ist, einem abscheulichen
Weib das Leben zu nehmen, welche ihm selber es rauben wollte. Hört den ganzen
Verlauf der Sache.“

Als der Prinz Amgiad dem Richter bekannt hatte, auf welche
Weise ihn beim Ausgang aus dem Bad die Frau angelockt, wie sie veranlasst, dass
er in das Haus des Oberstallmeisters gedrungen, und alles was darin vorgegangen,
bis zu dem Augenblick, dass er ihr den Kopf abhauen musste, um das Leben des
Oberstallmeisters zu retten, so stellte der Richter die Hinrichtung ein, und
führte den Prinzen mit dem Oberstallmeister zum König.

Der König wollte von Amgiad selber die Sache vernehmen.
Amgiad, um seine und des Oberstallmeisters Unschuld noch eindringlicher zu
machen, benutzte diese Gelegenheit, dem König zugleich seine und seines Bruders
Assad Geschichte zu erzählen, von Anfang her bis zu ihrer Ankunft, und bis zu
dem Augenblick, da er hier vor ihm redete.

Als der Prinz geendigt hatte, sprach der König zu ihm:
„Prinz, ich bin erfreut, dass dieser Vorfall mir Gelegenheit gegeben hat,
euch kennen zu lernen: Ich schenke euch nicht allein das Leben, sowie meinem
Oberstallmeister, den ich dafür lobe, dass er es mit euch so gut gemeint hat,
und ihn in sein Amt wieder einsetze, sondern ernenne euch selbst zu meinem
Großwesir, um euch für die ungerechte, obwohl zu entschuldigende Behandlung
des Königs, eures Vaters, zu entschädigen. In Betreff des Prinzen Assad, so
erlaube ich euch, all euer von mir verliehenes Ansehen zu gebrauchen, um ihn
wieder zu finden.“

Nachdem Amgiad dem König der Stadt und des Landes der
Magier gedankt, und die Stelle des Großwesirs eingenommen hatte, so wandte er
alle ersinnliche Mittel an, um den Prinzen, seinen Bruder, wieder zu finden. Er
ließ durch die öffentlichen Ausrufer in allen Stadtvierteln denjenigen eine
große Belohnung bieten, die ihn selber brächten oder auch nur irgend eine
Nachricht von ihm mitteilten. Er sandte Leute danach umher: Aber, welche Mühe
er sich auch gab, er konnte nicht das geringste von ihm erfahren.