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197. Nacht

„Herr, als Ebn Thaher den Prinzen von Persien so
reden hörte, antwortete er ihm: „Herr, wollte Gott, dass ich euch ebenso
gewisse Versicherungen über den glücklichen Erfolg eurer Liebe geben könnte,
als über die Sicherheit eures Lebens! Obgleich dieser prächtige Palast dem
Kalifen gehört, der ihn eigens für Schemselnihar hat bauen lassen, unter dem
Namen: Palast der ewigen Freuden, als einen Teil seines eigenen Palastes, nichts
desto weniger müsst ihr wissen, dass diese Frau darin in vollkommener Freiheit
lebt. Sie ist nicht von Verschnittenen umgeben, die über alle ihre Handlungen
wachen. Sie hat ihr eigenes Hausgesinde, worüber sie unbeschränkt schaltet.
Sie geht aus in die Stadt, ohne jemand um Erlaubnis zu fragen. sie kommt wieder,
wann es ihr beliebt und niemals besucht sie der Kalif, ohne Mesrur, das
Oberhaupt seiner Verschnittenen, voraus zu senden, sie davon zu benachrichtigen,
um sie auf seinen Empfang vorzubereiten. Also dürft ihr ganz ruhig sein, und
alle eure Aufmerksamkeit auf das Konzert richten, womit, wie ich sehe,
Schemselnihar euch beehren will.“

Indem Ebn Thaher diese Rede endigte, sahen sie die
vertraute Sklavin der Favoritin kommen, die den vor ihnen sitzenden Frauen den
Befehl erteilte, zu singen und ihre Instrumente zu spielen. Sogleich spielten
alle zusammen, wie zum Eingang, und nachdem sie eine Weile so gespielt hatten,
fing eine allein an zu singen, und begleitete ihre Stimme mit einer Laute,
welche sie bewunderungswürdig schön spielte. Sie sang mit wohllautender Stimme
folgende Verse:

„O Schönheit, zu welcher die Liebe in meinem Herzen
mit jedem Augenblick wächst, herrsche über mich, wie dir es beliebt;
Und fühle durch deine Annäherung die Flammen meines Herzens, welches deine
Entfernung aufzehrt.
Nimm zum Lohne dahin, was du immer willst: – doch keinen anderen Lohn kann ich
dir bieten, als meinen Märtyrer-Tod!“

Da sie angewiesen war, über welchen Gegenstand sie singen
sollte, so waren ihre Worte so übereinstimmend mit den Empfindungen des Prinzen
von Persien, dass er sich nicht enthalten konnte, am Ende des Gesanges seinen
Beifall auszudrücken. „Ist es möglich,“ rief er aus, „dass ihr
die Gabe habt, in die Herzen einzudringen, und dass eure Kunde von dem, was in
dem meinen vorgeht, euch veranlasst habe, uns eure reizende Stimme in diesem
Gesang hören zu lassen? Ich vermöchte mich selber nicht anders
auszudrücken.“

Die Sängerin antwortete nichts auf die Anrede. Sie fuhr
fort, und sang noch folgende Verse:

„Ich bin von Liebe für sie entbrannt, ohne je
gewusst zu haben, was Liebe ist.
In meinem Herzen und Busen wütet eine Flamme, die mich wahnsinnig macht.
Tränen vergießen ist mir zur heiligen Pflicht geworden, und wider meinen
Willen zu seufzen, kann ich nicht mehr unterlassen.“

Der Prinz wurde hierdurch so gerührt, dass er die Worte
mit Tränen in den Augen wiederholte; was genügsam zu erkennen gab, dass er den
Sinn derselben auf sich anwendete. Als sie alle ihre Verse gesungen hatte, stand
sie mit ihren Begleiterinnen auf, und alle zusammen stimmten folgenden Gesang
an:

„Gott ist groß!
Nun erscheint der Vollmond, und die Sonne vereinigt nun die Geliebte mit dem
Liebenden!
Wer hat wohl je die Sonne und den leuchtenden Mond in den Gärten des ewigen
Vergnügens und der Welt vereinigt gesehen?!“

Das bedeutete, dass Schemselnihar nun erscheinen, und der
Prinz von Persien alsbald das Vergnügen haben würde, sie zu sehen.

In der Tat bemerkten Ebn Thaher und der Prinz von Persien,
indem sie nach der Seite des Hofes hinblickten, dass die vertraute Sklavin sich
näherte, in Begleitung von zehn schwarzen Frauen, die mit vieler Mühe einen
großen, bewunderungswürdigen gearbeiteten Thron von gediegenem Silber trugen,
welchen sie in einer gewissen Entfernung vor ihnen hinsetzen ließ; worauf die
schwarzen Sklavinnen sich hinter die Bäume am Anfang eines Ganges zurückzogen.

Demnächst kamen zwanzig, sämtlich schöne und sehr reich
und auf gleiche Weise gekleidete Frauen, in zwei Reihen daher, jede mit einem
Instrument, auf welchem sie spielten und dazu fangen, und stellten sich so zu
beiden Seiten des Thrones.

Alle diese Dinge fesselten die Aufmerksamkeit des Prinzen
von Persien und Ebn Thahers umso mehr, als die beiden begierig waren, zu sehen,
womit sie beschließen würden.

Endlich sahen sie an derselben Türe, aus welcher die zehn
schwarzen Weiber mit dem silbernen Thron, und die folgenden zwanzig Sängerinnen
gekommen waren, zehn andere gleich schöne und reich gekleidete Frauen
erscheinen, welche einige Augenblicke dort still standen. Sie erwarteten ihre
Herrin, die endlich erschien und in ihre Mitte trat …“

Der Tag, welcher schon das Gemach Schachriars zu erhellen
begann, legte Scheherasade Stillschweigen auf. In der folgenden Nacht fuhr sie
also fort: