Project Description

150. Nacht

Als die Günstlingin Sobeïdes sah, dass der Kalif
ausdrücklich die öffnung der Kiste verlangte, in welcher ich mich befand,
sagte sie: „Was diese Kiste hier betrifft, so wird, ich bitte darum, Euer
Majestät die Gnade haben, mir das Vorzeigen ihres Inhalts zu erlassen. Es sind
Sachen, die ich Euch nur in Gegenwart Ihrer Gemahlin zeigen kann.“ –
„Wohlan denn,“ sagte der Kalif, „ich habe nichts dagegen, lasst
eure Kisten wegtragen. “ Sie ließ sie sogleich weg und in ihr Zimmer
tragen, wo ich wieder zu atmen begann.

Sobald die Verschnittenen, welche die Kisten
hereingebracht, sich entfernt hatten, öffnete sie schnell diejenige, in welcher
ich eingesperrt war. „Steigt heraus,“ sagte sie zu mir, indem sie mir
die Tür einer Treppe zeigte, welche zu einem oberen Zimmer führte: „Geht
hier hinauf, und erwartet mich.“

Sie hatte kaum die Tür hinter mir verschlossen, als der
Kalif eintrat und sich auf die Kiste setzte, welche ich soeben verlassen hatte.
Der Beweggrund dieses Besuchs war eine Anwandlung von Neugier, welche mich nicht
betraf. Der Fürst wollte sie nur über das befragen, was sie in der Stadt
gesehen oder gehört hatte. Sie unterhielten sich ziemlich lange, worauf er sie
endlich verließ und sich in seine Wohnung zurückzog.

Als sie sich frei sah, kam sie in das Zimmer, in welches
ich hinaufgestiegen war, und machte mir viele Entschuldigungen über die
Beunruhigungen, welche sie mir verursacht hatte. „Meine Angst,“ sagte
sie zu mir, „ist nicht minder groß gewesen, als die eure, weil ich aus
Liebe zu euch gelitten habe, und auch meinetwegen, da ich dieselbe Gefahr lief.
Eine andere an meiner Stelle würde vielleicht nicht den Mut gehabt haben, sich
ebenso gut aus einer so kitzligen Lage zu ziehen. Es bedurfte nicht weniger
Dreistigkeit, noch Geistesgegenwart, oder vielmehr, es bedurfte nur aller der
Liebe, die ich für euch empfinde, um mich aus dieser Verlegenheit zu ziehen.
Aber beruhigt euch, es ist nun nichts mehr zu fürchten.“

Nachdem wir uns einige Zeit mit vieler Zärtlichkeit
unterhalten hatten, sagte sie zu mir: „Es ist Zeit, euch zur Ruhe zu
begeben. Legt euch schlafen! ich werde nicht versäumen, euch morgen zu irgend
einer Stunde des Tages meiner Gebieterin Sobeïde vorzustellen, und das ist eine
leichte Sache, denn der Kalif besucht sie nur in der Nacht.“

Durch diese Worte wieder ermutigt, schlief ich ziemlich
ruhig, denn wenn mein Schlaf zuweilen durch Beunruhigungen unterbrochen wurde,
so waren sie doch von angenehmer Art, und durch die Hoffnung veranlasst, eine
Frau von so viel Geist und Schönheit zu besitzen.

Am folgenden Tag unterrichtete mich die Günstlingin
Sobeïdes, ehe sie mich vor ihrer Gebieterin erscheinen ließ, über die Art,
wie ich mich in ihrer Gegenwart zu benehmen hätte, und sagte mir ungefähr, was
für Fragen die Fürstin mir vorlegen würde, und was ich darauf antworten
sollte. Sie führte mich hierauf in einen Saal, in welchem alles von
erstaunlicher Zierlichkeit und reicher Pracht war. Ich war noch nicht
eingetreten, als zwanzig schon ältliche Sklavinnen, alle in reichen und
gleichen Anzügen, aus Sobeïdes Gemach traten und sich mit großer Ehrbarkeit
vor einen Thron in zwei gleiche Reihen stellten. Ihnen folgten zwanzig andere
ganz junge und gleich jenen gekleidete Frauen, jedoch mit dem Unterschied, dass
ihre Kleidungen etwas Zierlicheres hatten. Sobeïde erschien mitten unter diesen
mit majestätischem Ansehen und mit Edelsteinen und allen Arten von Juwelen so
belastet, dass sie kaum gehen konnte. Sie setzte sich auf den Thron. Ich habe
vergessen, euch zu sagen, dass ihre Günstlingin sie begleitete, und dass sie
ihr zur Rechten stehen blieb, während die Sklavinnen, etwas entfernter, in
Haufen zu beiden Seiten des Thrones standen.

Sobald die Gemahlin des Kalifen sich gesetzt hatte,
machten mir die zuerst eingetretenen Sklavinnen eine Zeichen, dass ich mich
nähern sollte. Ich ging zwischen den beiden Reihen, welche sie bildete,
vorwärts, und warf mich nieder, mit dem Kopf den Teppich berührend, der unter
den Füßen der Fürstin lag. Sie befahl mir, aufzustehen, und erzeigte mir die
Ehre, sich nach meinem Namen, nach meiner Familie und nach meinen
Glücksumständen zu erkundigen, worauf ich ihr zu ihrer Zufriedenheit
antwortete. Ich merkte das nicht bloß an ihren Mienen, sondern sie gab mir es
auch noch durch die Dinge zu erkennen, welche sie die Güte hatte, mir zu sagen.
„Es macht mir viel Freude,“ sagte sie zu mir, „dass meine
Tochter, (so nannte sie ihre Günstlingin), – denn ich betrachte sie als eine
solche, nach der Sorgfalt, mit welcher ich sie erzogen habe, – eine mir
gefällige Wahl getroffen hat: Ich billige sie und willige in eure Verheiratung.
Ich werde selbst die Vorbereitungen zu eurer Hochzeit anordnen. Doch ich bedarf
vorher meiner Tochter noch auf zehn Tage. Während dieser Zeit werde ich mit dem
Kalifen reden und seine Einwilligung erhalten. Ihr bleibt hier. Man wird Sorge
für euch tragen.“