Project Description

149. Nacht

Der Befehlshaber der Verschnittenen, unwillig darüber,
dass man ihn so im Schlafe gestört hatte, zankte sehr mit der Günstlingin,
dass sie so spät käme. „Ihr werdet nicht so leicht wegkommen, als ihr es
euch einbildet,“ sagte er zu ihr, „keine einzige dieser Kisten wird
eingelassen, ohne dass ich sie geöffnet und sorgfältig durchsucht habe.“

Zugleich befahl er den Verschnittenen, sie insgesamt, eine
nach der anderen, vor ihn zu bringen und sie zu öffnen. Sie fingen mit
derjenigen an, in welcher ich verborgen war, nahmen sie und setzten sie vor ihm
hin. Ich wurde nun von einem unbeschreiblichen, tödlichen Schrecken ergriffen,
und glaubte, dass der letzte Augenblick meines Lebens da wäre.

Die Günstlingin, welche den Schlüssel hatte, bestand
darauf, dass sie ihn nicht hergeben und nicht leiden würde, dass man die Kiste
öffnete. „Ihr wisst wohl,“ sagte sie, „dass ich nichts kommen
lasse, was nicht für Sobeïde, eure und meine Herrin, bestimmt ist. Diese Kiste
ist insbesondere mit köstlichen Waren angefüllt, welche neu angelangte
Kaufleute mir anvertraut haben. Es befindet sich überdies eine Anzahl Flaschen
darin, die mit aus Mekka gesandtem Wasser der Quelle Semsem angefüllt sind.
Sollte eine davon zerbrechen, so würden die Waren beschädigt und ihr dafür verantwortlich
werden, und die Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen würde sich wohl wegen
eurer Unverschämtheit zu rächen wissen. Kurz, sie sprach mit so vieler
Festigkeit, dass der Befehlshaber nicht die Dreistigkeit hatte, auf der
Untersuchung, sowohl derjenigen Kiste, in welcher ich mich befand, als auch der
andern, zu beharren. – „Weiter mit den Kisten!“, sagte er zornig. Man
öffnete die Wohnung der Frauen, und trug alle Kisten hinein.

Kaum waren sie dort, als ich plötzlich schreien hörte:
„Der Kalif, der Kalif!“ Diese Worte vergrößerten meinen Schreck auf
einen Grad, dass ich nicht begreife, wie ich nicht auf der Stelle starb. Es war
in der Tat der Kalif. „Was bringt ihr denn in diesen Kisten?“, fragte
er die Günstlingin. „Beherrscher der Gläubigen,“ antwortete sie,
„es sind neu angelangte Stoffe, welche die Gemahlin Euer Majestät zu sehen
gewünscht hat.“ – „öffnet, öffnet,“ sagte der Kalif,
„auch ich will sie sehen.“ Sie wollte das abwenden, indem sie ihm
vorstellte, dass diese Stoffe nur für Frauen geeignet wären, und dass er
seiner Gemahlin dadurch das Vergnügen rauben würde, sie zuerst zu sehen.
„öffnet, sag‘ ich,“ versetzte er, „ich befehle es euch.“
Sie stellte ihm noch vor, dass Seine Majestät, indem Sie sie nötigte, gegen
ihre Herrin zu fehlen, sie ihrem Zorn aussetzte. „Nein, nein,“ sagte
er, „ich verspreche euch, dass sie euch darüber keinen Vorwurf machen
wird. öffnet nur, und lasst mich nicht länger warten.“

Man musste gehorchen, und ich fühlte mich damals so sehr
beunruhigt, dass ich noch immer schaudere, so oft ich daran denke. Der Kalif
setzte sich, und die Günstlingin ließ alle Kisten, eine nach der anderen, vor
ihn hin tragen, und öffnete sie. Um die Sache in die Länge zu ziehen,
entwickelte sie ihm die Schönheit jedes Stoffes insbesondere. Sie wollte seine
Geduld ermüden, aber das gelang ihr nicht. Da ihr nicht weniger als mir daran
lag, die Kiste, in welcher ich mich befand, nicht zu öffnen, so beeilte sie
sich nicht, sie herbeibringen zu lassen, und sie blieb nur ich allein zu
untersuchen übrig. „Lasst uns zu Ende kommen,“ sagte der Kalif,
„und noch sehen, was sich in dieser Kiste befindet.“ Ich weiß nicht
zu sagen, ob ich in diesem Augenblick lebendig oder tot war, aber ich glaubte
nicht, dass ich einer so großen Gefahr entgehen würde.