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145. Nacht

Der Lieferant fuhr in seiner, an den Sultan von Kaschghar
gerichteten Erzählung fort: „Da es der Hausherr dem Kaufmann nicht
erlassen wollte, von der Knoblauchspeise zu essen, so befahl er seinen Leuten
ein Becken mit Wasser, und Kali, Asche von derselben Pflanze, und Seife bereit
zu halten, damit der Kaufmann sich so oft, als ihm belieben würde, waschen
könnte. Nachdem er diesen Befehl gegeben hatte, wandte er sich an den Kaufmann,
und sagte zu ihm: „Folgt unserem Beispiel und esst. An Kali, an Asche von
derselben Pflanze, und an Seife soll’s euch nicht fehlen.“

Der Kaufmann, der über die Gewalt, welche man ihm auftat,
unmutig schien, streckte die Hand aus, nahm einen Bissen, den er zitternd an den
Mund brachte und mit einem Widerwillen aß, über welchen wir alle sehr erstaunt
waren. Doch überraschte es uns noch mehr, zu bemerken, dass er nur vier Finger
und keinen Daumen hatte; was bis dahin, obgleich er schon von anderen Speisen
gegessen hatte, noch von niemand bemerkt worden war.

Der Hausherr nahm sogleich das Wort: „Ihr habt keinen
Daumen,“ sagte er zu ihm, „durch welchen Zufall habt ihr ihn
verloren?“ – „Herr,“ erwiderte er, „der Daumen fehlt mir
nicht bloß an der rechten, sondern auch an der linken Hand.“ Zugleich
zeigte er uns die letztere, und ließ uns sehen, dass er die Wahrheit gesagt
hatte. „Das ist noch nicht alles,“ fügte er hinzu, „mir fehlt
noch an beiden Füßen die große Zehe, und ihr könnt mir’s glauben, ich bin
auf diese Weise durch ein unerhörtes Abenteuer verstümmelt, welches ich euch,
wenn ihr die Geduld haben wollt, es zu hören, wohl erzählen will. Es wird
nicht minder euer Erstaunen, als euer Mitleid erregen. Doch erlaubt mir, dass
ich mir vorher die Hände wasche.“

Nach diesen Worten stand er vom Tisch auf, und nachdem er
sich hundert und zwanzig Mal die Hände gewaschen hatte, setzte er sich wieder
auf seinen Platz, und erzählte uns seine Geschichte, wie folgt:

„Ihr sollt wissen, meine Herren, dass unter der
Regierung des Kalifen Harun Arreschyd mein Vater in Bagdad, woselbst ich geboren
bin, lebte und für einen der reichsten Kaufleute dieser Stadt galt. Da er aber
ein sehr vergnügungssüchtiger Mann war, der das Schwelgen liebte und seine
Geschäfte vernachlässigte, so hatte ich nach seinem Tode, statt ein großes
Vermögen zu erben, alle erdenkliche Sparsamkeit nötig, um seine hinterlassenen
Schulden zu bezahlen. Es gelang mir jedoch, sie alle zu tilgen, und durch meine
Bemühungen fingen meine Umstände an, eine lachende Außenseite zu gewinnen.

Als ich eines Tages meinen Laden öffnete, ritt eine Dame,
von einem Verschnittenen und zwei Sklavinnen begleitet, bei meiner Türe vorbei,
und hielt still. Sie stieg mit Hilfe des Verschnittenen ab, der ihr die Hand bot
und zu ihr sagte: „Gnädige Frau, ich sagte es euch wohl, dass ihr zu früh
kommen würdet. Ihr seht, dass noch niemand im Besasthan ist, und wenn ihr mir
geglaubt hättet, würdet ihr euch die Mühe des Wartens erspart haben.“

Sie sah sich nach allen Seiten um, und da sie gewahrte,
dass wirklich noch kein anderer Laden, als der meinige geöffnet war, so
näherte sie sich ihm, und bat mich um die Erlaubnis, sich dort auszuruhen, bis
die anderen Kaufleute kämen. Ich erwiderte die Begrüßung geziemend.