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109. Nacht

„Herr,“ fuhr der Wesir Giafar fort, „da
Bedreddin-Hassan nicht abließ, zu behaupten, dass alles, was er gesagt hätte,
wahr wäre, stand er auf, um in die Stadt zu gehen, und alles lief ihm nach und
schrie: „Er ist ein Narr! Er ist ein Narr!“ Bei diesem Geschrei sahen
einige aus dem Fenster, andere traten an ihre Haustüren, und noch andere
gesellten sich zu denen, die Bedreddin umgaben, und schrieen gleich diesen.
„Er ist ein Narr!“ Ohne jedoch zu wissen, wovon eigentlich die Rede
wäre. Der junge Mann gelangte in das Haus eines Pastetenbäckers, der seinen
Laden öffnete, und ging da hinein, um sich den Verhöhnen des ihm folgenden
Volks zu entziehen.

Dieser Pastetenbäcker war einst das Oberhaupt eines
Trupps streifender Araber gewesen, welche die Karawanen beraubten, und obgleich
er sich in Damaskus niedergelassen hatte, wo er keine Veranlassung zu einer
Klage gegen ihn gab, so fürchteten ihn doch alle, die ihn kannten. Deshalb
bedurfte es nur seines Blickes auf die Bedreddin umgebende Menge, um diese zu
zerstreuen. Da der Pastetenbäcker sich mit dem jungen Mann allein sah, fragte
er ihn um manches: wer er wäre, und wie er nach Damaskus gekommen.
Bedreddin-Hassan verschwieg ihm weder seine Geburt, noch den Tod des Wesirs,
seines Vaters. Er erzählte ihm sodann, auf welche Weise er aus Balsora
gekommen, und wie er sich, nachdem er in der verflossenen Nacht auf dem Grab
seines Vaters eingeschlafen wäre, bei seinem Erwachen in Kairo befunden, und
daselbst ein Fräulein geheiratet hätte. Zuletzt bezeigte er ihm sein
Erstaunen, sich in Damaskus zu sehen, ohne alle diese Wunder begreifen zu
können.

„Eure Geschichte ist eine der erstaunlichsten,“
sagte der Pastetenbäcker zu ihm; „aber wenn ihr meinem Rat folgen wollt,
so vertraut niemand die Dinge an, die ihr mir soeben mitgeteilt habt, und harrt
geduldig, bis es dem Himmel gefällt, die Unfälle, über welche er euch
betrübt zu sein erlaubt, zu beenden. Ihr könnt bis dahin bei mir bleiben, und
da ich keine Kinder habe, bin ich bereit, euch, wenn ihr darein willigt, als
meinen Sohn anzuerkennen. Wenn dies geschehen ist, könnt ihr frei durch die
Stadt gehen, und werdet den Beleidigungen des Pöbels nicht mehr ausgesetzt
sein.“

Obgleich diese Ankündigung dem Sohn eines Großwesirs
eben keine Ehre machte, so nahm Bedreddin doch den Vorschlag des
Pastetenbäckers an, da er glaubte, in seiner Lage und in seinen
Glücksumständen nichts Besseres tun zu können. Der Pastetenbäcker ließ ihn
kleiden, nahm Zeugen und erklärte vor dem Kadi, dass er ihn als seinen Sohn
anerkenne. Worauf Bedreddin unter dem bloßen Namen Hassen bei ihm blieb und die
Pastetenbäckerei erlernte.

Während sich dieses in Damaskus zutrug, erwachte die
Tochter des Schemseddin Mohammed, und da sie Bedreddin nicht an ihrer Seite
fand, glaubte sie, er wäre aufgestanden, ohne sie in ihrer Ruhe stören zu
wollen, und würde bald wiederkommen. Sie erwartete seine Rückkehr, als der
Wesir Schemseddin Mohammed, ihr Vater, lebhaft von dem Schimpf ergriffen, den er
vom Sultan von ägypten erlitten zu haben glaubte, an der Türe ihres Gemachs
klopfte, mit dem Vorsatz, ihr trauriges Geschick mit ihr zu beweinen. Er rief
sie bei ihrem Namen, und sie hatte kaum seine Stimme gehört, als sie aufstand
und ihm die Türe öffnete. Sie küsste ihm die Hand und empfing ihn mit so
vergnügtem Antlitz, dass der Wesir, der sie in Tränen schwimmend und ebenso
betrübt wie sich selbst zu finden erwartete, ausnehmend überrascht war.
„Unglückliche,“ sagte er zornig zu ihr, „so erscheinst du vor
mir? Kannst du, nach dem schrecklichen Opfer, welches du gebracht hast, mich mit
einem so zufriedenen Gesicht empfangen?“