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107. Nacht

So oft die Braut die Kleider gewechselt hatte, stand sie
von ihrem Platz auf, ging, von ihren Frauen begleitet, vor dem Buckligen
vorüber, ohne ihn eines Blickes zu würdigen und stellte sich vor
Bedreddin-Hassan, um sich ihm in ihren neuen Anzügen zu zeigen. Dieser
unterließ dann nicht, nach der ihm von dem Geist erteilten Vorschrift, in
seinen Beutel zu greifen und Hände voll Zeckinen an die Begleiterinnen der
Braut zu verteilen. Er vergaß auch die Musiker und die Tänzer nicht, und warf
ihnen welche zu. Es war lustig, zu sehen, wie sie einander stießen, um das Geld
aufzuraffen. Sie bezeigten dem Geber ihre Erkenntlichkeit, und gaben ihm durch
Zeichen ihren Wunsch zu erkennen, dass die Braut für ihn und nicht für den
Buckligen bestimmt sein möchte. Die Frauen, welche sie umgaben, sagten ihm
dasselbe und kümmerten sich nicht, ob der Bucklige sie hörte, welchem sie zur
Belustigung aller Zuschauer tausend Possen spielten.

Als die Feierlichkeit des Kleiderwechsels vorüber war,
hörten die Musiker auf zu spielen und entfernten sich, indem sie dem Bedreddin
ein Zeichen gaben, dass er bleiben möchte. Die Frauen taten dasselbe, indem sie
mit allen nicht zum Hause Gehörigen den Saal verließen. Die Braut ging in ein Kabinett,
wohin ihr die Frauen folgten, um sie zu entkleiden, und es blieb niemand in dem
Saal, als der bucklige Stallknecht, Bedreddin-Hassan und einige Diener. Der
Bucklige, der auf Bedreddin, weil er ihm so im Wege stand, wütend war, sah ihn
von der Seite an und sagte zu ihm: „Und du, worauf wartest du? Warum
entfernst du dich nicht, wie die anderen?“ Da Bedreddin keinen Vorwand
hatte, um zu bleiben, ging er, ziemlich verlegen, von dannen; aber er war noch
nicht außerhalb des Vorhofes, als der Geist und die Fee sich ihm zeigten und
ihn aufhielten. „Wohin gehst du?“, sagte der Geist zu ihm. –
„Bleib; der Bucklige ist nicht mehr in dem Saal, er hat ihn, eines
Bedürfnisses wegen, verlassen; du kannst ohne weiteres dahin zurückkehren und
dich in das Zimmer der Braut begeben. Sobald du mit ihr allein bist, sage ihr
dreist, dass du ihr Bräutigam bist; dass der Sultan sich bloß mit dem
Buckligen einen Scherz habe machen wollen, und dass du zur Begütigung dieses
vorgeblichen Bräutigams, ihm in seinem Stalle eine gute Schüssel mit Sahne
habest geben lassen. Sag‘ ihr darüber alles, was dir eben einfallen wird, um
sie zu überzeugen. So wie du da bist, wird das nicht schwer sein, und sie wird
sich sehr über die angenehme Täuschung freuen. Inzwischen werden wir dafür
sorgen, dass der Bucklige nicht zurückkehre und dich hindere, die Nacht mit
deiner Gattin zuzubringen; denn sie ist die deine und nicht die seinige.“

Während der Geist dem Bedreddin auf solche Weise Mut
einflößte und ihn über das, was er zu tun hätte, belehrte, war der Bucklige
wirklich aus dem Saale gegangen. Der Geist ging ihm nach, nahm die Gestalt einer
großen schwarzen Katze an, und begann auf eine gräuliche Weise zu mautzen. Der
Bucklige schrie auf die Katze los und klatschte in die Hände, um sie zu
verjagen; aber die Katze, statt zu fliehen, setzte sich auf die Hinterbeinen,
ließ ihre Augen flammen und sah den Buckligen noch stolzer an als vorher, indem
sie zu der Größe eines Eselfüllens anwuchs. Jetzt wollte der Bucklige um
Hilfe schreien, aber die Angst hatte ihn so ergriffen, dass er mit offenem Maule
stehen blieb, ohne ein Wort hervorbringen zu können. Um ihm keine Ruhe zu
lassen, verwandelte sich der Geist augenblicklich in einen gewaltigen Büffel,
und rief ihm in dieser Gestalt, mit einer seiner Furcht verdoppelnden Stimme zu:
„Nichtswürdiger Buckliger!“ Bei diesen Worten fiel der erschrockene
Stallknecht auf das Pflaster nieder, verhüllte sich den Kopf mit seinem
Gewande, um das schreckliche Tier nicht zu sehen, und erwiderte ihm zitternd:
„Mächtiger Fürst der Büffel, was willst du von mir?“ –
„Unglück treffe dich,“ versetzte der Geist, „dich, der du so
verwegen bist und es wagst, dich mit meiner Geliebten zu verheiraten.“ –
„Ach, Herr,“ sagte der Bucklige, „ich bitte dich, mir zu
verzeihen; wenn ich strafbar bin, so bin ich es nur aus Unwissenheit, denn ich
wusste nicht, dass die Schöne einen Büffel zum Liebhaber hatte. Befehlt mir,
was ihr wollt, ich schwöre euch, dass ich bereit bin euch zu gehorchen.“ –
„Du bist des Todes,“ erwiderte der Geist, „wenn du dich vom
Flecke rührst, oder bis zum Sonnenaufgange nicht ganz still schweigst; sprichst
du nur ein Wörtchen, so schlage ich dir den Kopf entzwei! Alsdann erlaube ich
dir, das Haus zu verlassen; aber ich befehle dir, schnell zu gehen, ohne dich
umzusehen, und wenn du so keck bist umzukehren, kostet es dir das Leben.“
Nach diesen Worten verwandelte sich der Geist in einen Menschen, ergriff den
Buckligen bei den Füßen, und nachdem er ihn Kopf unten an die Mauer gestellt
hatte, fügte er hinzu: „Wenn du dich rührst, ehe die Sonne aufgegangen
ist, wie ich dir schon gesagt habe, so packe ich dich bei den Füßen und
zerschmettere dir an dieser Mauer den Kopf in tausend Stücke.“

Um wieder auf Bedreddin-Hassan zu kommen, der durch den
Geist und die Gegenwart der Fee Mut bekommen hatte, so war er in den Saal
zurückgekehrt und in die Hochzeitkammer gegangen, woselbst er sich, den Erfolg
seines Abenteuers erwartend, niedersetzte. Nach Verlauf einiger Zeit kam die
Braut, von einer Alten geleitet, die an der Türe stehen blieb und den
Bräutigam ermahnte, seine Pflicht gut zu erfüllen, ohne darauf zu achten, ob
es der Bucklige, oder ein anderer wäre; worauf sie die Türe zumachte und sich
entfernte.

Die junge Braut war sehr erstaunt, anstatt des Buckligen,
den Bedreddin-Hassan zu sehen, der sich ihr auf die anmutigste Weise von der
Welt vorstellte. „Wie,“ sagte sie zu ihm, „ihr seid zu dieser
Stunde hier? Ihr müsst also wohl ein Genosse meines Bräutigams sein?“ –
„Nein, schöne Braut,“ erwiderte Bedreddin, „ich bin von anderem
Stande, als dieser nichtswürdige Bücklige.“ – „Aber,“
entgegnete sie, „ihr bedenkt nicht, dass ihr schlecht von meinem Gatten
sprecht.“ – „Er, euer Gatte!“ versetzte er, „könnt ihr
diesen Gedanken so lange hegen? Lasst den Irrtum fahren! So viele Schönheiten
sollen nicht dem verächtlichsten aller Menschen aufgeopfert werden. Ich bin der
glückliche Sterbliche, dem sie aufbewahrt sind. Der Sultan hat sich nur damit
belustigt, dem Wesir, euerem Vater, diesen Streich zu spielen, und hat mich zu
eurem wahren Gatten erkoren. Ihr konntet ja wohl bemerken, wie die Damen, die
Musiker, die Tänzer, eure Frauen, und alle Leute aus eurem Hause sich an dieser
Komödie ergötzt haben. Wir haben den elenden Buckligen fortgeschickt, der in
seinem Stall eine Schüssel Sahne verzehrt, und ihr könnt darauf rechnen, dass
er nie wieder vor euren Augen erscheinen wird.“

Bei diesen Worten veränderte sich das Gesicht der Tochter
des Wesirs, die mehr tot als lebendig in die Hochzeitkammer getreten war, und
sie nahm eine freundliche Miene an, welche sie so verschönte, dass Bedreddin
davon bezaubert war. „Ich erwartete keine so angenehme überraschung, und
ich hatte mich schon dazu verdammt, den ganzen überrest meines Lebens
unglücklich zu sein. Aber mein Glück ist um so größer, da ich in euch einen
meiner Zärtlichkeit würdigen Gatten besitzen werde.“ Indem sie dies
sagte, zog sie sich vollends aus und legte sich ins Bett. Bedreddin-Hassan,
entzückt, sich als den Besitzer so vieler Reize zu sehen, entkleidete sich
schnell. Er legte sein Kleid auf einen Stuhl und auf den Beutel, den ihm der
Jude gegeben hatte und der noch voll war, ungeachtet alles dessen, was er
herausgenommen. Er nahm seinen Turban ab, um einen für die Nacht und für den
Buckligen bestimmten, aufzusetzen, und legte sich im Hemde und in Unterkleidern1) nieder, welche letzten von blauem Atlas und mit einem
Gold gestickten Bande festgebunden waren; und in diesem Zustand entschliefen sie,
wie der Dichter sagt:

„Begib dich zu der, die du liebst, und verachte das
Gerede der Neider; denn nie wird der Neider dem Liebenden behilflich sein.“

„Man kann doch wahrlich keinen schöneren Anblick
haben, als zwei sich umarmende Liebende auf einem Bette schlafen zu sehen.“

„Nichts vermag zwei liebende Herzen zu trennen; und
wollten es Leute versuchen, so wäre es, als schlügen sie auf kaltes
Eisen.“

„Wenn du in deinem Leben ein liebendes und dir
geneigtes Wesen antriffst, so hast du dein schönstes Ziel erreicht: Aber wo ist
dieses Wesen?“

Scheltet daher nicht die Liebenden; ihr könnt eben so
wenig aus ihrem Herzen die Liebe verbannen, als die Bosheit aus dem Herzen der
Bösen.“


1)
Alle Morgenländer schlafen in Unterbeinkleidern, was für die Folge dieser
Geschichte zu merken ist.