Project Description

1000. Nacht

Sie gingen auch wirklich in den Garten hinein, und
übergaben den Beutel der Gärtnersfrau zum Aufbewahren. Hierauf besahen sie
sich die Anlagen, aßen von den Fürchten, die auf den Bäumen prangten, tranken
von den Quellen, und ergötzten sich auf alle Art. Da sprach einer unter ihnen:
„Ich habe sehr wohlriechende Seife bei mir. Kommt, wir wollen uns bei
dieser schönen Quelle das Gesicht und die Haare waschen.“ – „Dazu
brauchen wir aber einen Kamm,“ sagte ein anderer. – „Den wird uns wohl
die Gärtnersfrau borgen,“ sagte ein dritter, und in demselben Augenblick
lief einer schon, um einen Kamm zu holen. Dieser hatte indessen einen Betrug im
Sinn. Denn er forderte von der Gärtnersfrau den Beutel. Allein sie sagte:
„Ich gebe ihn Dir nicht, außer, wenn ihr alle beisammen seid, oder Deine
Gefährten mir befehlen, ihn Dir auszuliefern.“ Nun traf es sich aber, dass
die Freunde des Kaufmanns an einem Ort standen, an welchem die Gärtnersfrau sie
sehen konnte. Da rief der Mann seinen Freunden zu: „Sie will mir ihn nicht
geben.“ Da riefen seine Freunde zurück: „Gib ihm doch!“, denn
sie glaubten, er meinte den Kamm. Die Frau aber übergab ihm den Beutel, welchen
dieser nahm, und damit eiligst entfloh. Als er nun jenen zu lange ausblieb,
gingen sie zur Gärtnerin, und fragten sie: „Warum gibst Du ihm nicht den
Kamm?“ – „Bei Gott,“ erwiderte sie, „er hat mir von keinem
Kamm gesagt, sondern vom Beutel, den er auch erhalten, und davon getragen
hat.“ Da schlugen sie sich vor ärgernis ins Gesicht, hielten sich an die
Frau, und sagten: „Wir haben Dir nur befohlen, ihm den Kamm zu geben.“
Sie behauptete indessen, dass er nur den Beutel verlangt hätte. Da führten sie
die Frau vor den Richter, erzählten ihm die ganze Sache, und dieser verurteilte
sie zur Wiedererstattung des Geldes. Da ging die Frau ganz außer sich fort,
ohne zu wissen, was sie tun sollte. Zufällig ging sie bei einem kleinen Knaben
von fünf Jahren vorbei, der in der Straße spielte. Dieser sah sie weinen und
fragte sie: „Warum weinst Du denn, Mutter?“ Sie aber kehrte sich nicht
an ihn, und verachtete ihn, weil er noch so jung war. Doch der Knabe ließ sich
nicht abhalten, lief ihr nach, und hörte nicht eher auf, sie zu verfolgen, als
bis sie ihm endlich ihr Unglück erzählte. Da sprach er zu ihr: „Schenke
mir eine Drachme, damit ich mir Zuckerwerk kaufen kann: Da will ich Dich von
Deinem Kummer befreien.“ – „Was weißt Du denn von solchen Sachen? Du
bist ja noch ein Kind!“ – „Ich habe Dir es gesagt,“ erwiderte er,
„und ich nehme es auf mich.“ – Sie gab ihm also fünf Drachmen. Diese
nahm er mit Freuden, und sagte: „Gehe nur zu dem Richter zurück, und bitte
ihn, dass er alle vier Männer zusammen vor sich ladet. Dann wolltest Du ihnen
den Beutel wiedergeben, wie es verabredet war.“ Sie begab sich also zum
Richter, und sprach: „Mein Herr, es ist die Verabredung gewesen, dass ich
den Beutel nur in Gegenwart aller Viere zurückgeben soll. Lass sie also vor Dir
erscheinen, dann will ich ihnen den Beutel wiedergeben.“ Zugleich wandte
sie sich zu ihren Anklägern, und sprach: „Verschafft mir Euren vierten
Freund. Wenn ihr dann alle beisammen seid, so sollt ihr den Beutel haben.“
Sie gingen nun davon, um ihn zu suchen, die Gärtnersfrau aber ging ganz
unbesorgt nach Hause, und es ist wohl sicher, dass sie ihren Freund nicht
wieder gefunden haben werden.“

Da freute sich der König über seinen Sohn so wie auch
alle versammelten Wesire und Großen des Reichs, und alle bezeigten ihm ihren
Beifall. Der König fragte hierauf seinen Sohn, wie sich die Sache mit jener
Frau verhielte, die ihn solcher Verbrechen beschuldigte. Da rechtfertigte sich
der Sohn, und schwur bei dem erhabenen Gott, dass dergleichen nie in seinen Sinn
gekommen sei, sondern dass sie im Gegenteil jenen schändlichen Anschlag gemacht
habe, und ihn zu ihrem Mann habe erwählen wollen. „Ich habe mich wohl
stets dagegen gesträubt,“ fügte er hinzu, „sie aber hat mir dann
immer vorgespiegelt, dass ich dann König sein würde, sobald sie Dich nämlich
durch Gift umgebracht hätte. Darüber wurde ich denn erzürnt und sprach bei
mir selbst: „Oh, Du Schändliche, wenn ich werde reden dürfen, so sollst
Du Deinen Lohn empfangen.“ Da fürchtete sie sich vor mir, und ließ sich
nun zu der Handlung verleiten, die Dir bekannt ist.“

Der König befahl nun, die Frau vorzuführen, und fragte
inzwischen die Anwesenden: „Welche Todesart soll diese Frau jetzt
erleiden?“ – Da sagten die einen: „Es soll ihr die Zunge
ausgeschnitten werden.“ Andere dagegen sagten: „Die Zunge soll ihr
erst ausgeschnitten, dann aber verbrannt werden.“ Nunmehr trat die
Verbrecherin herein und redete die Versammlung mit folgenden Worten an:
„Mein Verhältnis zu Euch gleicht der Geschichte von dem Fuchs.“ –
„Wie lautet diese Geschichte?“, fragte man sie.

Geschichte
von dem Fuchs

„Man erzählt, o großer König,“ fing sie an,
„dass ein Fuchs einst über die Stadtmauer in eine Stadt kam, sich in die
Werkstatt eines Gerbers schlich, alles darin befindliche verwüstete, und sogar
die Felle zernagte. Da ersann sich der Gerber eine List, um ihn zu fangen, und
wirklich wurde er auch seiner habhaft. Er schlug ihn nun nach allen Kräften,
und zwar so, dass der Fuchs ganz bewegungslos unter seinen Händen liegen blieb.
Da dachte der Gerber, er wäre tot, und warf ihn auf die Straße, nahe beim
Stadttor. Eine alte Frau kam da vorbei, und sagte: „Wie kommt dieser Fuchs
hierher? Doch Fuchsaugen sollen ja gut sein gegen das Weinen der Kinder, wenn
man sie ihnen anhängt.“ Sie riss ihm also das rechte Auge aus. Kaum war
sie weggegangen, als ein Junge vorbeikam, dem der Schwanz des Fuchses gefiel,
und der diesem daher den Schwanz abschnitt. Hierauf ging ein Mann vorbei,
welchem, als der den Fuchs so daliegen sah, einfiel, dass die Galle des Fuchses
die Schwäche des Auges vertreibt, wenn es damit bestrichen wird, und der daher
sagte: „Diese Gelegenheit muss ich benutzen, um dem Fuchs die Galle zu
nehmen.“ Als der Fuchs dies hörte, dachte er bei sich selbst, „das
Ausreißen des Auges und das Abschneiden des Schwanzes habe ich wohl ertragen
können, aber den Bauch mir aufschneiden zu lassen, so weit geht meine Geduld
nicht.“ Sogleich sprang er daher auf, und eilte zum Stadttor hinaus.

Hier bemerkte Scheherasade den Morgen, und hörte auf, den
Sultan durch ihre Unterhaltung zu bezaubern. In der kommenden Nacht begann sie
folgendermaßen: