Am andern Tage hatten. sich die Damen noch nicht erhoben, als die Jagdwagen schon vor der Einfahrt standen und Laska, der bereits am Morgen gemerkt hatte, daß es zur Jagd gehe, sich heulend und nachdem er sich satt getummelt hatte, m den einen der Wagen neben dem Kutscher setzte, welcher ärgerlich und mißlaunig über die Verspätung nach der Thür blickte, aus welcher die Jäger noch immer nicht herauskommen wollten.

Zuerst erschien Wasjenka Wjeslowskiy, in großen neuen Jagdstiefeln, welche bis zur Hälfte der dicken Schenkel gingen; in grüner Bluse, mit einer neuen, nach Juchten duftenden Patronentasche gegürtet und in seiner Bändermütze und dem neuen englischen Gewehr. Laska sprang ihm entgegen, begrüßte ihn, sprang an ihm empor und frug ihn auf seine Weise, ob bald noch die anderen herauskommen würden, kehrte aber dann, da er keine Antwort von ihm erhielt, auf seinen Warteposten zurück, um hier wieder still zu werden, den Kopf auf die Seite gewendet und das eine Ohr spitzend.

Endlich öffnete sich kreischend die Thür, und heraus flog, sich wirbelnd und in der Luft drehend, Krack, der hellgescheckte Pointeur Stefan Arkadjewitschs, worauf dieser selbst heraustrat, die Flinte in den Händen und die Cigarre im Munde. Freundlich rief er seinem Hunde zu, der ihm die Pfoten auf Leib und Brust setzte und sich mit denselben in der Jagdtasche verwickelte.

Stefan Arkadjewitsch war mit ledernen Schnürstücken mit untergelegten Strumpflappen an den Füßen, einem zerrissenen Beinkleid und einem kurzen Rock bekleidet. Auf dem Kopfe saß die Ruine eines Hutes, das Gewehr aber, nach modernstem System, war ein wahres Spielzeug und die Jagdtasche und Patrontasche, obwohl abgetragen, von vorzüglicher Qualität.

Wasjenka Wjeslowskiy hatte früher diese echte Jägerkoketterie nicht begriffen, in Lumpen zu gehen, und dabei ein Jagdgerät von vorzüglichster Güte zu führen. Er begriff sie aber jetzt, als er Stefan Arkadjewitsch mit diesen Lumpen, in all seiner eleganten, wohlgenährten und behaglich gestimmten Herrenerscheinung erblickte, und faßte den Entschluß, sich bei der nächsten Jagd unfehlbar ebenso zu equipieren.

»Nun, und was macht unser Wirt?« frug er.

»Ein junges Weib,« sagte Stefan Arkadjewitsch lächelnd.

»Und noch dazu ein reizendes.«

»Er war bereits angekleidet, aber wahrscheinlich ist er nochmals zu ihr gelaufen.«

Stefan Arkadjewitsch hatte es erraten. Lewin war mehrmals zu seiner Gattin geeilt, um sie noch einmal zu fragen, ob sie ihm seine gestrige Dummheit vergeben habe, und dann, um sie zu bitten, doch um Christi willen vorsichtiger zu sein. Hauptsächlich – sich vor den Kindern ferner zu halten – sie konnten sie leicht einmal stoßen. Dann mußte er von ihr nochmals die Versicherung erhalten, daß sie ihm nicht gram sei darüber, daß er auf zwei Tage fortfuhr, und sie bitten, ihm unbedingt morgen früh, mit dem ersten Zug, ein Billet zu schicken, und ihm wenigstens zwei Worte zu schreiben, damit er nur wußte, daß sie sich wohl befinde.

Kity war es wie stets schmerzlich, sich auf zwei Tage von ihrem Gatten trennen zu sollen; allein als sie seine lebhafte Erscheinung, die besonders groß und kraftvoll in den Jagdstiefeln und der weißen Bluse erschien, und einen gewissen, ihr unverständlichen Schimmer der Jagdfreude wahrgenommen hatte, vergaß sie, um ihm seine Freude zu lassen, ihren Schmerz, und verabschiedete sich heiter von ihm.

»Entschuldigung, meine Herren!« sagte er, auf die Freitreppe herauskommend. »Hat man das Frühstück eingepackt? Warum ist der Fuchs rechts gespannt? Nun gleichviel! Laska – leg‘ dich! – Laß sie in die ledige Herde,« wandte er sich an den Viehwärter, der an der Treppe mit einer Frage über die Wallachen wartete.

Lewin sprang vom Wagen, auf dem er sich schon setzen wollte, zu einem Zimmermann hin, der mit einem Ellenmaß zur Treppe gekommen war.

»Gestern ist er nicht ins Comptoir gekommen und heute hält er mich nun ab. Was ist denn?«

»Wir müssen noch drei Stufen hinzunehmen; dann paßt es; sie wird dann bequemer liegen.«

»Hättest du mir gehorcht,« antwortete Lewin ärgerlich. »Ich habe gesagt, du sollst zuerst die Treppenlager, und die Stufen zuletzt machen! Jetzt kommst du nun nicht aus. Thu wie ich dir befohlen habe, und mache ein neues Lager.«

Es handelte sich darum, daß in einem im Bau befindlichen Flügel der Zimmermann die Treppe verpfuscht hatte, indem er sie selbständig, ohne die Höhe zu berechnen, gefertigt hatte, sodaß nun alle Stufen schräg hingen, als man die Treppe an ihrem Platz aufstellte. Der Zimmermann wollte nun, die Treppe lassend wie sie war, nur noch drei Stufen hinzufügen.

»Es wird so viel besser werden.«

»Aber wohin willst du denn kommen mit den drei Stufen!«

»Gestattet,« antwortete der Zimmermann mit geringschätzigem Lächeln; »da sie sich von unten erhebt,« er sprach dies mit überzeugender Gebärde, »muß es gehen, sie muß passen!«

»Aber drei Stufen gehen doch noch in die Länge? Wohin soll sie denn da kommen?«

»Da sie von unten auf geht, so muß sie passen,« beharrte der Zimmermann.

»Bis unter die Decke und an die Wand kommt sie.«

»Aber, mit Verlaub, sie kommt doch von unten, da wird sie passen.«

Lewin ergriff seinen Ladestock und begann ihm im Staube die Treppe zu zeichnen.

»Siehst du nun?«

»Wie Ihr befehlt,« sagte der Zimmermann, plötzlich mit den Augen hell aufblickend und endlich offenbar die Sache begreifend. »Es ist klar, es muß eine neue Treppe gezimmert werden.«

»Nun also, thue nun, wie dir geheißen ist,« rief Lewin und setzte sich wieder in den Wagen. »Fahr zu! – Halt die Hunde, Philipp!«

Lewin empfand jetzt, nachdem er alle Sorgen des Hauses und der Wirtschaft hinter sich gelassen hatte, ein so mächtiges Gefühl von Lebensfreude und Erwartung, daß er keine Lust verspürte, zu sprechen. Er hatte auch das Gefühl der konzentrierten Aufregung, welche jeder Jäger verspürt, wenn er sich seinem Revier nähert. Wenn ihn jetzt überhaupt etwas beschäftigte, so waren es nur die Fragen, ob man im Kolpenskischen Moor etwas finden werde, wie sich Laska im Vergleich zu Krack zeigen, und wie ihm selbst heute das Jagdglück lächeln würde.

Daß man sich vor einem fremden Jäger keine Blöße gab; daß Oblonskiy ihn nicht überschießen möchte, auch dies kam ihm in den Kopf.

Oblonskiy hatte ein ganz ähnliches Gefühl, und war gleichfalls wortkarg. Nur Wasjenka Wjeslowskiy schwatzte lustig und unaufhörlich weiter.

Als Lewin ihn jetzt hörte, fühlte er sich beschämt, wenn er daran dachte, wie ungerecht er gestern gegen ihn gewesen sei.

Wasjenka war in der That ein vorzüglicher, naiver, gutmütiger und sehr heiterer Mensch. Wäre Lewin noch unverheiratet mit ihm zusammengekommen, so würde er sich ihm genähert haben. Nur war ihm ein wenig unangenehmer seine müßige Stellung zum Leben, und eine gewisse Ungezwungenheit bei aller Eleganz. Er schien sich gewissermaßen selbst eine hohe unzweifelhafte Bedeutung beizumessen, daß er lange Nägel und eine kleine Mütze trug und alles übrige dementsprechend, doch konnte man dies bei seiner Gutherzigkeit und Solidität entschuldigen. Er gefiel Lewin wegen seiner guten Erziehung, einer ausgezeichneten Aussprache des Französischen und Englischen, und dann deshalb, weil er ein Mensch seiner eignen Welt war.

Wasjenka gefiel das donische Steppenpferd am linken Strang außerordentlich. Er war fortwährend exaltiert davon, »wie schön muß es sich auf einem Steppenpferd durch die Steppe jagen lassen! Ha? Nicht so?« sprach er. Er stellte sich in dem Ritt auf einem Steppenroß etwas wundersames Poetisches vor, woraus sich zwar nichts ergab, aber seine Naivetät, besonders im Verein mit seiner Schönheit, seinem freundliches Lächeln und der Grazie seiner Bewegungen war sehr anziehend. Kam es nun davon her, daß seine Natur Lewin sympathisch war, oder davon, daß Lewin sich bemühte, zur Sühne für seinen gestrigen Fehltritt alles an ihm gut zu finden, genug, Lewin fühlte sich angenehm von ihm berührt.

Nachdem man drei Werst gefahren war, tastete Wjeslowskiy plötzlich nach seinen Cigarren und der Brieftasche, und wußte nicht, ob er beides verloren oder auf dem Tische liegen gelassen hatte.

In der Brieftasche waren dreihundertsiebzig Rubel, und daher durfte man sie nicht im Stich lassen.

»Wißt Ihr was, Lewin, ich werde auf diesem donischen Beipferd nach Hause reiten. Das wäre ausgezeichnet. Nicht?« sagte er, schon bereit, aufzusitzen.

»Nein; warum das?« antwortete Lewin, der schon berechnet hatte, daß Wasjenka nicht weniger als sechs Pud Gewicht haben müsse. »Ich werde den Kutscher schicken.«

Der Kutscher ritt auf dem Beipferd ab, und Lewin lenkte nun selbst die beiden übrigen Pferde.